Innovation Lab: Digitale Innovationen am Bau

WKO Titelbild,

Eine künstliche Intelligenz als Bauleiterin? Vernetzte Bauteile, die mittels Sensoren ständig ihren Standort und Zustand kommunizieren? Selbstfahrende Roboter oder industrielle Fertigung direkt vor Ort? Die möglichen Zukunftsszenarien der Bauindustrie sind so vielfältig wie spannend. Wie man sich inmitten der technologischen Entwicklungen als Bauunternehmen selbst positionieren kann, erarbeitete eine Gruppe von Teilnehmenden der Baubranche im April 2018 im Innovation Lab „Digitale Innovationen am Bau“ mit der Wirtschaftskammer Oberösterreich (WKOÖ) und dem Ars Electronica Futurelab.

Wir haben uns mit Maria Pfeifer, Senior Curator und Researcher am Ars Electronica Futurelab, getroffen und erfahren, was ein Innovation Lab eigentlich ist, welche Unsicherheiten die Baubranche auf die Zukunft hat und welche Projekte schon jetzt zukunftsweisend für den Bau sind.

Credit: Nicolas Naveau / Ars Electronica

Das Ars Electronica Futurelab hat gemeinsam mit der Wirtschaftskammer Oberösterreich ein Innovation Lab durchgeführt. Was kann man sich darunter vorstellen?

Maria Pfeifer: Das Innovation Lab ist ein Format, das wir eigentlich in der Zusammenarbeit mit Großkonzernen verwenden, um an Produktentwicklungen zu arbeiten. Es geht dabei ums Ausloten von Ideenansätzen auf dem Weg zum Prototypen. Für die Zusammenarbeit mit der WKOÖ haben wir das Format so adaptiert, dass wir nicht mit einer einzigen Firma zusammen arbeiten, sondern mit einer Reihe von UnternehmerInnen aus einer Branche – in diesem Fall dem Bau. Dabei geht es einerseits darum, einen kritischen Blick auf gewisse Zukunftsentwicklungen zu werfen und zu sehen, welche Auswirkungen sie auf verschiedene Branchen haben. Unternehmen können hier selbst einschätzen, wo sie sich inmitten der technologischen Entwicklungen positionieren können und wollen. Wo will man sich den Digitalisierungsprozessen hingeben und wo trifft man die informierte Entscheidung, das nicht zu tun?Es geht im Format Innovation Lab also darum, anhand von möglichen Zukunftsszenarien konkrete Ideen zu entwickeln und so Innovationspotential, das heute besteht, zu identifizieren. Wir können nicht genau wissen, was in Zukunft auf uns zukommen wird, das ist aber auch nicht unser Anspruch. Wir wollen uns über dieses Was-Wäre-Wenn von Projekten inspirieren lassen, die zukunftsweisend sind. Wir beschreiben Zukunftsszenarien und machen dadurch Rückschlüsse auf die Gegenwart.

Credit: Peter Freudling

Wie gestaltet sich also der Ablauf eines solchen Innovation Labs?

Maria Pfeifer: Im Falle des Innovation Labs zum Thema „Digitale Innovationen am Bau“ schlug die WKOÖ Teilnehmer und Teilnehmerinnen aus der Bauindustrie vor, von Herstellern von Baumaterialien bis zu Architektinnen. Wir begannen mit Video Seeding, es bekamen also alle Teilnehmenden ein Video mit Filmsnippets von Projekten zum Thema, das sie sich zuerst alleine erarbeiten konnten. Hier ist es wichtig, Themengebiete festzulegen, um einen Fokus zu setzen – wir konzentrierten uns auf Montageroboter am Bau, 3D-Druck und neue Materialien, Drohnen- und Vermessungstechnik, Logistik und erweiterte Assistenzfunktion. Wir wollten, dass die Themen auch für Klein- und Mittelbetriebe Relevanz haben. In den Filmsnippets befanden sich Beispiele von Start-Ups genauso wie aus dem künstlerischen Feld, die neugierig aufs Thema machen. Nach dem Einführungsvideo führte ich Einzelinterviews mit allen Teilnehmenden, um Reaktionen und spezifische Interessen zu sammeln.

Am Tag des Innovation Labs selbst arbeiteten wir mit Seed Cards zu griffigen und spannenden Projekten. Die Arbeiten müssen gar nicht unbedingt etwas mit der Bauindustrie zu tun haben, sondern es muss dem Projekt eine Strategie innewohnen, die man rauskristallisieren und für etwas anderes einsetzen kann. Es gibt natürlich auch Beispiele wie einen selbstfahrenden Bagger, aber auch Ausgefalleneres wie das Projekt „Solar Sinter“ von Markus Kayser, der direkt in der Wüste mit einem selbstgebauten Gestell additive Fertigung durch Sonnenkraft betreibt. Ein weiteres Beispiel wäre die Brücke von MX3D, deren Grundidee es ist, eine Brücke direkt vor Ort zu bauen. Wir wollen damit nicht sagen, dass alle anfangen sollen, mit Industrierobotern eine Brücke zu bauen, sondern es geht um die Strategie, die Fertigung vor Ort zu verlagern. Die Projekte auf den Seed Cards sind Inspirationsquellen, um den besprochenen Themen ein Gesicht zu verleihen.

Wie vereint man Themen für eine so unterschiedliche Gruppe, sodass sie für alle relevant sind?

Maria Pfeifer: Es war wirklich eine sehr interdisziplinäre Gruppe war und nicht eine einzige Firma. Wir arbeiteten mit einer Methode, die wir Future Placement nennen, bei der man von der Welt, wie sie jetzt ist, ausgeht und dann untersucht, wie sie sich verändert, wenn eine der zukunftsweisenden Strategien eingearbeitet wird.  Angefangen haben wir mit der Vorstellung der Teilnehmenden und ihrer Arbeit. Sie hatten zehn Minuten Zeit, ihren Arbeitsplatz oder einen Teil ihres Arbeitsprozesses aufzuzeichnen. So kann man auf der Arbeitsrealität der einzelnen Personen aufbauen. Diese Prozesse haben wir dann auf Veränderungen untersucht. Mit Seed Cards und in Gruppen wird diskutiert, was man spannend findet, was man sich vorstellen könnte, was man selbst für Ideen hätte, wie eine Umsetzung ausschauen könnte und wo die Probleme liegen. Die Ergebnisse werden gegenseitig vorgestellt und daraus kristallisieren sich die Punkte heraus, die im Report von uns noch einmal aufgegriffen werden. Ein Beispiel ist die Massenfertigung bei gleichzeitiger Individualisierung, ein Ansatz, den man bei uns schon kennt und der in Zukunft sicherlich noch weiter fortschreiten wird. Oder die Frage, wie es wäre, wenn man ein Assistenzsystem als Bauleitung hätte, das immer weiß, wo welche Dinge liegen? Wo alles miteinander verbunden ist? Wie wäre es, in einer Umgebung zu arbeiten, in der jedes Bauteil einen Sensor hat? In der man auf Knopfdruck einen Statusreport oder ein Gutachten über das eigene Haus oder über das Gebäude ausdrucken könnte?

Ein Gedankenanstoß zu Innovationen am Bau: AIRSKIN von Blue Danube Robotics.

Welche Themen waren besonders relevant für die Unternehmen?

Maria Pfeifer: Die zwei spannendsten Themen für die Unternehmen waren Entscheidungsunterstützung, sowohl mit Virtual Reality (VR) als auch mittels Künstlicher Intelligenz (KI), und die Vorfertigung und Standardisierung von Bauteilen. Mit digitaler Entscheidungsunterstützung können sich Kunden und Kundinnen besser vorstellen, wie beispielsweise ein Haus einmal aussehen wird, wie man sich ökonomische oder ökologische Faktoren vorstellen kann, was das über den gesamten Lebenszyklus hinweg kostet und wie die Gestaltung konkret aussehen wird. Bei der Vorfertigung und Standardisierung von Bauteilen sehen die Unternehmen viel Innovationspotential, noch stärker vorzufertigen, ohne, dass alle das gleiche Haus haben. Diese Vorfertigung ist immer mit den Möglichkeiten der digitalen Fertigung zusammenzudenken, also dass Bauteile invidiualisierbar sind, was vielleicht sonst nur durch Handarbeit möglich wäre oder gar nicht, oder sogar unleistbar wird.

Was sind die Unsicherheiten auf Seiten der Firmen?

Maria Pfeifer: Zahlt sich das aus für mich? Ist es den Aufwand wert, jemanden einzuschulen oder beim Building Information Modeling (BIM) mitzumachen? Eine andere Sorge ist auch die Thematik rund um Open Access, im Sinne von: Bekommt man gewisse Software nur lizensiert? Und werden die eigenen Daten gelöscht, sobald die Lizenz ausläuft? Es gibt auch Unsicherheiten darüber, dass alle Beteiligten mitmachen müssen. Wenn zum Beispiel die Architektin BIM verwendet, die Fensterlieferantin auch, aber die Installationsfirma nicht, ist die Arbeit umsonst. Der Aufwand wäre am Anfang einfach noch zu hoch.

Warum müssen bei BIM alle beteiligt sein? Wie funktioniert das System?

Maria Pfeifer: BIM zeigt ein digitales Echtzeitmodell von dem Gebäude, das sich automatisch ändert, wenn eine Person neue Daten einträgt. Man schickt also keine Pläne mehr hin und her und es rechnet sich aus, welche Implikationen Änderungen haben. Wenn man eine Tür kleiner machen möchte, berechnet das System zum Beispiel automatisch die neue Anzahl von benötigten Ziegelsteinen. In der Theorie denkt man sich: Wow, das muss großartig sein! Wenn aber die Menschen alle Daten selbst einpflegen und jede Änderung mühsam ins System eingeben müssen, wird es nicht funktionieren. In einer Zukunftsvision, wo das mit Sensoren funktioniert, könnte es funktionieren. Hier sind wir gerade in einer Umwälzungs- oder Veränderungsphase.

Welche Rolle übernimmt das Ars Electronica Futurelab bei einem Innovation Lab?

Maria Pfeifer: Unser Ziel ist, dass aus einem Innovation Lab Forschungs- und Entwicklungsprojekte entstehen, die mit uns oder anderen PartnerInnen aus der Region umgesetzt werden. In diesem Fall ist das glücklicherweise schon passiert, dass ein konkretes Projekt umgesetzt werden soll – mehr darf ich leider an dieser Stelle noch nicht verraten… Wir sehen uns in diesem Format aber auch als Enabler – das heißt, dass wir vor allem auch traditionellen Branchen und kleineren Unternehmen zeigen wollen, dass ihr Platz da mitten drin ist und sie Mitspracherecht haben und selbst an den digitalen Entwicklungen mitgestalten können. Auch als KMU in Oberösterreich kann man sich an zukunftsweisenden Projekten beteiligen und sich fragen, wie wir in Zukunft auf der Baustelle arbeiten wollen.

Maria Pfeifer ist Senior Curator und Researcher am Ars Electronica Futurelab. Ihre thematischen Schwerpunkte liegen auf Gestaltender Zukunftsforschung, durch Kunst inspirierte Innovation und die Kollaboration zwischen Kunst & Wissenschaft und sie betreut die Artist in Residence. Sie studierte Kunst, Komparatistik und Kulturwissenschaften in Wien und schrieb 2013 ihre Masterarbeit über die Visualisierung von Literatur.  Schon seit 2011 immer wieder für das Ars Electronica Festival und Futurelab tätig, wurde sie im Jahr 2016 schließlich fixer Bestandteil des Teams im Futurelab.

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