Nadav Hochman: „KünstlerInnen schon bei der Entwicklung von Technologie einbinden“

Nadav Hochman,

Als Teil der STARTS-Initiative der Europäischen Kommission stehen mit dem STARTS Prize und den zwei Mal 20.000 Euro Preisgeldern prestigeträchtige Auszeichnungen für innovative Projekte an der Schnittstelle von Kunst, Technologie und Wissenschaft zur Verfügung, die das Potential haben, zur wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Innovation beizutragen. Organisiert wird der Wettbewerb von Bozar, Waag und Ars Electronica. Den Blick aus dem Silicon Valley auf Europa nimmt Nadav Hochman mit – er ist einer der JurorInnen, die in den kommenden Wochen darüber entscheiden, wer eine der beiden STARTS-Prize-Trophys in diesem Jahr verliehen bekommt. Jetzt einreichen unter https://starts-prize.aec.at!

Du bist Mitbegründer der Tech+Arts-Initiative und hast bereits Brücken zwischen Kunst und Design, Industrie und Forschung gebaut. Warum ist die Verbindung dieser Felder so wichtig – wie bei STARTS?

Nadav Hochman: VerfechterInnen der Kunst argumentieren oft, dass Kunst und Wissenschaft zwei Seiten derselben Medaille sind, meist deshalb, um den Wert künstlerischer Praktiken in größeren beruflichen Milieus zu bewahren. Aber die Kunst ist und kann nicht die gleich sein wie andere Formen der kreativen wissenschaftlichen Forschung oder des kreativen technologischen Unternehmertums, da sie einem anderen Zweck dient. Sinnvolle zeitgenössische Reflexionen von KünstlerInnen müssen ihre wesentliche Vermittlerrolle übernehmen – zwischen einzelnen Kategorien wie Kunst, Design, Industrie und Forschung. Und gleichzeitig müssen sie eine Verbindung schaffen, die uns mit unseren tiefsten Werten verknüpft und sie gleichzeitig schützt.

Europa blickt gerne ins Silicon Valley, wenn es darum geht, wie die Zusammenarbeit zwischen Kunst, Forschung und Industrie funktionieren kann. Nenne uns ein paar Beispiele aus dem Silicon Valley und warum sie so erfolgreich sind!

Nadav Hochman: Die Verbindung zwischen der Tech-Industrie und der Kunst im Silicon Valley hat sich als die erfolgreichste erwiesen, bei der KünstlerInnen ganz vorne bei der technologischen Entwicklung einbezogen werden und aktiv am Schaffungsprozess neuer menschlicher Erlebnisse teilnehmen. KünstlerInnen wird hier in Silicon Valley nicht bereits auf dem Markt befindliche Technologie zur Verfügung gestellt – im Gegenteil, sie arbeiten mit Unternehmen zusammen, die sich noch mit der Entwicklung neuer Hardware beschäftigen. Dadurch bieten Unternehmen in Silicon Valley den Künstlerinnen und Künstlern nicht nur ein spezifisches Medium zur Reflexion, sondern auch die Möglichkeit, es gleichzeitig oder noch vor der Veröffentlichung neu zu erfinden und zu rekonstruieren. Einige wunderbare Initiativen, die versuchen, dieser Logik zu folgen, finden sich in Initiativen großer Unternehmen wie Autodesk, Adobe, Facebook und in kulturellen Zentren wie der Gray Area oder Dart17, um nur einige zu nennen.

Nadav Hochman bei seinem Vortrag während des Ars Electronica Festival 2018 in Linz. Credit: Gregor Tatschl

In deiner Laufbahn hast du mit vielen Menschen aus Wissenschaft, Technologie und Kunst gesprochen – was sind deiner Meinung nach ihre gemeinsamen Ziele?

Nadav Hochman: Ich glaube, die Antwort auf diese Frage war schon immer, die Kontrolle über etwas und ein Gefühl der Handlungsfähigkeit in unserer Welt zu erlangen. Das typischste Beispiel dafür sind die griechischen Wörter „poiesis“ oder „techne“, die den Prozess der Schöpfung und der Verwirklichung von etwas beschreiben, das es vorher nicht gab. Ästhetische Untersuchungen oder kapitalistische Praktiken der Problemlösung liefern unterschiedliche Antworten auf von Natur aus ähnliche menschliche Positionen.

Wir schaffen neue Technologien, wie die künstliche Intelligenz, die uns neue Möglichkeiten bietet, aber gleichzeitig auch die Macht hat, uns als Gesellschaft zu verändern. Worauf müssen wir achten, damit das nicht außer Kontrolle gerät?

Nadav Hochman: Eine der großen Herausforderungen der letzten Zeit in der Gesellschaft besteht darin, wie unser Einsatz neuer Technologien zu einer zunehmenden Loslösung und Trennung von uns selbst und untereinander führt. Ich denke, dass Medienkunst sowohl als kritische Entdeckerin der bedrohlichen Auswirkungen von Technologie als auch ihres humanisierenden Potenzials funktionieren kann. Durch die Erforschung neuer technologischer Werkzeuge aus unterschiedlichen Perspektiven und die Möglichkeit, technologische Phänomene nicht nur mit dem Verstand kennen und verstehen zu lernen, sondern auch emotional und visuell aufzugreifen, ermutigt uns die Medienkunst, Intuition, Ungewissheit und Kreativität zu schätzen.

„Die Medienkunst schafft einen Blickwinkel, durch den wir die gegenwärtige Kultur aus einer Vielzahl unterschiedlicher Perspektiven betrachten können, um uns selbst und anderen um uns herum durch Nachdenken und Diskussionen näher zu bringen.“

Hast du einen Tipp für die TeilnehmerInnen des STARTS Prize 2019?

Nadav Hochman: Angesichts der zunehmenden Dominanz der Technologie über die Formen und Rhythmen unseres Lebens ist es wichtiger denn je, dass Werke an der Schnittstelle von Kunst, Wissenschaft und Technologie versuchen, sich kritisch mit unserem modernen Zustand auseinanderzusetzen, ohne auf Zugänglichkeit zu Technologie in ihren unzähligen Formen zu verzichten.

Nadav Hochman ist Mitbegründer der Tech + Arts Initiative am Tech Museum of Innovation im Silicon Valley (CA, USA) und fördert die kreative Zusammenarbeit zwischen globalen Künstlern und Künstlerinnen, Designern und Designerinnen, Industriepartnern und Forschungseinrichtungen.
Bevor er zu The Tech kam, leitete Hochman renommierte Projekte in der Technologiebranche, der Wissenschaft und der Kunstwelt. Seine Arbeiten wurden im MoMA (NYC), Google Zeitgeist und SXSW ausgestellt und in Medien wie Popular Science, The Atlantic, Wired und The Guardian gezeigt. Hochman promovierte in Kunstgeschichte an der University of Pittsburgh.

This project has received funding from the European Union’s Horizon 2020 research and innovation programme under grant agreement No 732019. This publication (communication) reflects the views only of the author, and the European Commission cannot be held responsible for any use which may be made of the information contained therein

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