Das LENTOS Kunstmuseum, am südlichen Donauufer gegenüber des Ars Electronica Centers beheimatet, verfügt über den größten Museumsraum Österreichs und beherbergt jedes Jahr die Featured Artist Ausstellung der Ars Electronica. Dieses Jahr steht zum ersten Mal keine Künstlerin, kein Künstler und auch kein Künstlerkollektiv im Mittelpunkt, sondern die Ars Electronica selbst. „Ars and the City“ feiert den 40-jährigen Geburtstag unserer Institution, stellt aber auch und vor allem die Beziehung zur Stadt Linz in den Mittelpunkt. WegbegleiterInnen erzählen aus der Geschichte, Projekte der vergangenen Jahre sind ausgestellt und nicht zuletzt geht es darum, wie sich die beiden, Ars Electronica und Stadt Linz, gegenseitig beeinflusst haben. Festivaldirektor Martin Honzik und Projektverantwortliche Viktoria Wöss machen im Gespräch Lust darauf, sich am Ars Electronica Festival 2019: Out of the Box, von 5. bis 9. September 2019 in Linz, auf eine Zeitreise zu begeben.
Im LENTOS wird jedes Jahr beim Ars Electronica Festival die Featured Artist Exhibition gezeigt. Wer oder was erwarten uns heuer in diesem Kunstmuseum auf der gegenüberliegenden Seite der Donau?
Martin Honzik: „Featured Artist“ im LENTOS ist heuer ein Blick auf die Geschichte der Ars Electronica und die Eroberung des öffentlichen Raumes der Stadt Linz. Die Ars Electronica ist seit jeher prägend gewesen in Kooperationen mit der Freien Szene und mit anderen KünstlerInnenkollektiven in der Bespielung des öffentlichen Raumes der Stadt Linz und hat dort nachhaltigen, prägenden Einfluss hinterlassen was Kunst, digitale Kunst und Medienkunst außerhalb der White Cube Situation im Stande ist zu leisten. Humanizing Technology ist sozusagen die Metaebene, wo man mit künstlerischen Projekten in der Öffentlichkeit gezeigt hat, dass Technologie per se ein verbindendes Element sein kann, solange man auf einer philosophischen Ebene nicht vergisst, dass der Mensch dabei im Mittelpunkt bleibt. Der erste Event der Ars Electronica, die Klangwolke 1979, war eigentlich schon ein Prototyp dessen, wie man Kunst in den Kontext des Verbindenden einsetzen kann. In dem Fall bekam die klassische Musikwelt eine Verbindung zu Öffentlichkeit, durch die Radioaktion in den Fenstern.
„Die Ars Electronica ist seit jeher prägend gewesen in Kooperationen mit der Freien Szene und mit anderen KünstlerInnenkollektiven in der Bespielung des öffentlichen Raumes der Stadt Linz (…).“
Es gibt zwei Epizentren, wo wir uns auf die Geschichte der Ars Electronica beziehen. Einer ist im LENTOS – der physikalische öffentliche Raum – Ars and the City. Ein anderer beim ehemaligen Himatsubushi Trail – Ars on the Wire – die Definierung des neuen öffentlichen Raumes, der sich über das Internet, über die digitalen, weltweit vernetzten Medien generiert und der auch noch immer ein Brennpunkt der gesamten Gesellschaft ist. Ars Electronica hat diesen seit jeher identifiziert als einen öffentlichen Raum, der den gleichen Gesetzmäßigkeiten unterliegen muss wie der reale öffentliche Raum. Man braucht ja nur schauen, wo wir heute sind, welche Kultur der Kommunikation in den virtuellen Räumen herrscht, weil dort scheinbar keine Regelwerke greifen et ceterea, et ceterea. Im LENTOS wird es viel um diese Kollaborationen gehen, die wir in der Geschichte eingegangen sind, es wird die Freie Szene stark vertreten sein, mittlerweile gibt es eine klare Clusterung in vier Unterthemen.
Viktoria Wöss: Wir haben jetzt das ganze Material, das es so gibt, auch anhand des 30-Jahre-Buchs, durchgesehen. Die Hauptinseln, die entstehen werden, sind demnach die Voest, die Stadtwerkstatt, der Donaupark und der Hauptplatz.
Martin Honzik: Die Voest deswegen, weil die Voest zu einer gewissen Zeit noch kein Hightech-Betrieb war, und in der Voest Contained beheimatet war, die später zu Time’s Up wurden. Weil die Voest natürlich reich an coolen, interessanten Locations war. Da gibt es legendäre Projekte, die uns in den Kontext der Voestalpine gebracht haben oder die direkt dort stattgefunden haben: Der Zug zum Beispiel, den Fadi Dorninger inszeniert hat, „Ridin` a train – Eine musikalische Nachtfahrt mit dem Zug durch das Werksgelände der Voest“, gehört zu den legendärsten Projekten der Ars Electronica.
Das Ganze ist also ein Rückblick auf die Geschichte der Ars Electronica?
Martin Honzik: Diese zwei Dinge, On the Wire und And the City, sind die einzigen zwei von uns programmierten und kuratierten Ausstellungsformate, die sich wirklich exklusiv mit der Geschichte der Ars Electronica auseinandersetzen. Das ist kein lineares Herunterzählen, wir spielen natürlich auch mit Quantität, mit der Evaluierung aller Projekte, die im öffentlichen Raum passiert sind, um zu zeigen, wo wir unsere Arbeit gemacht haben, wo Ars Electronica Wirkung erzielt hat – und das sind unendlich viele. Aus dieser Quantität muss man natürlich qualitative Projekte herausholen. Das nehmen wir zum Anlass, ProtagonistInnen aus der Vergangenheit, federführende MitarbeiterInnen, diverse FestivalleiterInnen, diverse Produzenten, Kooperationspartner, Time’s Up, Stadtwerkstatt – ich wiederhole mich – da wird es Interviews geben. Ihnen wird jeweils eine Frage dazu gestellt, was Ars Electronica für sie ist, und diese Interviews werden den Ort bereichern. Der Ort selbst wird eine Mixtur sein aus einer chronologischen, historischen, detailverliebten Projektaufzählung. Er wird aber dann dreidimensional manche Projekte hervorheben, die aus unserer subjektiven Sicht eine Relevanz für unsere Geschichte hatten und in irgendeiner Weise homöopathisch zur Veränderung der Atmosphäre in dieser Stadt beigetragen haben.
Welche Projekte wird es da zum Beispiel zu sehen geben?
Viktoria Wöss: Am Anfang stand die legendäre Klangwolke 1979, wo sie die Radios in die Fenster gestellt haben. Am Anfang war die Ars Electronica alle zwei Jahre, immer zusammen mit der Klangwolke. Das Universum von Isao Tomita 1984 ist wichtig, die Große Klangwolke, auch die Linzer Stahloper 1982, die Linzer Stahlsinfonie 1980, … – auch hier die Beziehungen immer wieder zur Voest. Der Klangpark war wichtig – Ars Electronica war damals noch im Brucknerhaus, aber man ging schon hinaus in den Donaupark und hat dort Sachen installiert. Auch damals hat man schon viele Orte in der Stadt bespielt, es war nicht immer nur an einem Punkt konzentriert.
Martin Honzik: Es wird auch um Arbeiten gehen, die in Kooperation mit der Stadtwerkstatt passiert sind, das waren immer Dinge, die kommissioniert worden sind. Es war sehr viel Geld damals da, um Projekte zu erfinden. Checkpoint 95 war zum Beispiel eine Geschichte, wo die ganze Brücke gesperrt wurde, wo in einer Zeit des Kalten Krieges die Donau als trennendes Grenzsymbol, das sie schon immer war, gesehen worden ist. Sie wurde gesperrt und über Telekommunikation haben zwei Veteranen der Weltkriege, über politische Grenzen hinweg, miteinander kommuniziert. Mit Brückensperre und, und, und war das ein sehr opulenter Event.
Viktoria Wöss: Und auch ganz toll, was dann im Fernsehen passiert ist. Die Bilder sind dann ineinander verschachtelt gewesen und es hat sich vollkommen aufgelöst.
Martin Honzik: Das Ganze, das muss man noch dazusagen, erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Angesichts der Flut an Projekten und Informationen musste man eine Auswahl treffen. Es wird, wie am Anfang bereits erwähnt, auch ganz viel um die Menschen gehen, die das Format Ars Electronica geprägt haben. Die diese Mission, in den öffentlichen Raum zu gehen, gepusht haben, und mit ihrem Zutun kreativ beeinflusst haben. Zeitzeugen, Hybride, die produzieren, aber auch kuratieren und sehr viel gestaltet haben.
Martin Honzik ist Künstler und Leiter des Bereichs Festival/Prix/Exhibitions bei Ars Electronica. Er absolvierte das Studium für visuelle, experimentelle Gestaltung an der Kunstuniversität Linz (Abschluss 2001) wie auch den Master Lehrgang für Kultur- und Medienmanagement der Johannes Kepler Universität Linz und ICCM Salzburg (Abschluss 2003). Von 1998 bis 2001 war er Teil des Produktionsteams im OK Offenes Kulturhaus im OÖ Kulturquartier und wechselte 2001 zum Ars Electronica Futurelab, wo er bis 2005 in den Bereichen Ausstellungsdesign, Kunst am Bau, Interfacedesign, Eventdesign und Projektmanagement tätig war. Seit 2006 ist Martin Honzik Leiter des Ars Electronica Festivals, des Prix Ars Electronica wie auch der Ars Electronica Center Ausstellungen und der internationalen Ausstellungsprojekte der Ars Electronica.
Einen kompletten Überblick über 40 Jahre Ars Electronica bekommen Sie beim Ars Electronica Festival von 5. bis 9. September 2019. Die Ausstellung „Ars and the City“ befindet sich im LENTOS, die Ausstellung „Ars on the Wire“ in den Obergeschossen der POSTCITY. Um mehr über das Festival zu erfahren, folgen Sie uns auf Facebook, Twitter, Instagram und Co., abonnieren Sie unseren Newsletter und informieren Sie sich auf https://ars.electronica.art/outofthebox/.