„Es geht darum, was der Mensch mit Technologie tun kann“

header_shadowGAN_c_HyundaiMotorstudio, ShadowGAN, Ars Electronica Futurelab (AT), Credit: Hyundai Motorstudio

„human (un)limited“ ist das zweite gemeinsame Ausstellungsprojekt von Hyundai Motorstudio und Ars Electronica und widmet sich der Erfolgsgeschichte des Menschen und ihren möglichen nächsten Kapiteln. Im Mittelpunkt dieser künstlerisch-wissenschaftlichen Recherche stehen wir Menschen selbst, unsere Schwächen und Stärken und unsere ewige Suche nach unserem Platz in der Welt. „human (un)limited“ thematisiert die Grenzen, an die wir dabei als einzelne und als Gesellschaft stoßen, Grenzen, die wir uns selbst auferlegen und Grenzen, die wir hinauszuschieben und zu überwinden trachten. In Peking, Seoul und Moskau werden zeitgleich drei Ausstellungen präsentiert, die künstlerische Positionen aus China, Korea, Russland und dem Westen bündeln und unterschiedliche kulturelle Lesarten des Themas widerspiegeln.

Teil der Ausstellung ist auch das Projekt „ShadowGAN“ des Ars Electronica Futurelab, das die Silhouetten von Menschen erkennt und sie dann zum Beispiel mit erzeugten Bildern von Bergen ausfüllt. Wir haben anlässlich der human (un)limited Ausstellung mit Peter Freudling, Lead Producer und Künstler des Ars Electronica Futurelab, über die Gegenwart und Zukunft der „intelligenten Systeme“ und die Rolle des Menschen gesprochen.

Künstliche Intelligenz erlebt gerade einen unglaublichen Hype. Ist das ein weiterer „strahlender Sommer“ auf den einmal mehr ein „bitterkalter Winter“ folgen wird? Wenn nein, was unterscheidet diesen Sommer von den vorangegangenen?

Peter Freudling: Die derzeit existierenden KI-Systeme sind nichts weiter als eine Sammlung von Methoden und Ideen um Software (und/oder auch Hardware) zu kreieren die einige Sachen kann, die der Mensch kann – wie etwa Spiele spielen und Katzenbilder malen. Das Wort „Intelligenz“ birgt hier die Gefahr vom An­th­ro­po­mor­phis­mus, also von der Vermenschlichung (der Fähigkeiten) von Maschinen. Dasselbe gilt für „Machine Learning” – es enthält das Wort Lernen und deshalb klingt es so, als würde die Maschine lernen, wie es der Mensch tut. Solange wir für Maschinen Begriffe benutzen, die man auch für Menschen benutzen könnte, werden wir ihre Bedeutung überschätzen. Also den bitterkalten Winter wird es geben, aber eher für die Bezeichnung und vor allem für jene, die etwas der menschlichen Intelligenz Ebenbürtiges oder gar Höheres erwarten.

Der springende Punkt bei dieser technologischen Entwicklung ist außerdem, dass Maschinen durch „KI“ immer mehr von unser Umwelt analysieren und interpretieren können. Das ermöglicht uns, immer mehr Autonomie an sie abzugeben. Entscheidend wird wie immer sein, wie wir Technologie (für uns) einsetzen.

ShadowGAN, Ars Electronica Futurelab (AT), Credit: Ars Electronica / Martin Hieslmair

Das ShadowGAN wurde darauf trainiert, jeden Input als Gebirgslandschaft zu interpretieren. Ist dessen Output ein kreativer Akt oder bloß die „erlernte“ Konstruktion einer Wirklichkeit?

Peter Freudling: Diese neuronalen Netzwerke können verblüffend realistische Bilder erzeugen, da sie unzählige, echte Bilder als Vorlage hatten. In diesem Fall waren es lauter Fotos von Berglandschaften. Das System weiß aber nicht wirklich, wie Berglandschaften aussehen, sondern vielmehr besteht seine „Wirklichkeit“ aus der numerischen Information über die Anordnung von Formen und Farben in (digitalen) Fotos von Berglandschaften.

ShadowGAN generiert zwar immer neue und einzigartige Bilder, dennoch kann man nicht von einem kreativen Akt sprechen. Man darf nicht vergessen, dass diese sogenannten GANs immer dasselbe Ziel verfolgen, nämlich einen „Input“ – in diesem Fall das Bild der Kamera – in einen „Output“ umzuwandeln – ständig und ausnahmslos. Das ist vielmehr ein ja fast schon stupider, sich wiederholender Prozess und unterscheidet sich damit schon mal grundsätzlich von kreativem Schaffen.

ShadowGAN, Ars Electronica Futurelab (AT), Credit: vog.photo

Können KI-Anwendungen Neues erschaffen? Können sie Grenzen überwinden?

Peter Freudling: Diese Frage kann ich an dieser Stelle nicht beantworten, denn das ist ein höchst philosophisches Thema.

Grundsätzlich ist es der Mensch, der diese Anwendungen erschafft. Somit ist es am Ende immer auch der Mensch, der damit etwas „Neues“ erschafft. Die Anwendungen selbst können natürlich gewisse Phänomene ans Tageslicht bringen, die der Mensch so noch nicht beobachtet hat. Das würde ich aber eher als Kollateralschaden bezeichnen und nicht als aktiven Beitrag des Systems.

„Grundsätzlich ist es der Mensch, der diese Anwendungen erschafft. Somit ist es am Ende immer auch der Mensch, der damit etwas „Neues“ erschafft.“

Welche Grenzen wollen wir Menschen mit KI hinter uns lassen und welche Grenzen zeigen uns ihre Anwendungen auf?

Peter Freudling: Wie schon erwähnt, ist beim Thema „KI“ der springende Punkt der Paradigmenwechsel. Bisher nutzten wir Technologie hauptsächlich zur Automatisierung. Jetzt sind wir dabei, die Herrschaft über die Automatisierung stückweise abzugeben. Dabei zeigen uns die Systeme vor allem unsere eigenen Grenzen auf – unsere eigenen Fehler, die sich über uns selbst als Konstrukteure und „Lehrer“ dieser Systeme eingeschlichen haben. Sie sorgen immer wieder für die teilweise erschreckenden Nachrichten, etwa über Machtmissbrauch oder gar Opfer. Diese Weckrufe sollten wir nutzen um einen sinnvollen Diskurs darüber zu führen inwieweit wir Technologie als Akteur in unserem Leben haben wollen. Es kann nur einen Weg für uns im Zusammenleben mit Technologie geben. Es geht nicht darum, was Technologie alles kann. Es geht darum, was der Mensch mit Technologie tun kann. Wir müssen demokratische und vor allem ethisch saubere Lösungen finden, bevor wir Technologie mitten unter uns autonom walten lassen. Das ist die Herausforderung im Zusammenhang mit der sogenannten künstlichen Intelligenz.

Peter Freudling ist Lead Producer und Artist am Ars Electronica Futurelab. Er hat stellvertretend für das Futurelab-Team, das ShadowGAN entwickelt hat und dem auch Stefan Mittlböck-Jungwirth-Fohringer und Ali Nikrang angehören, unsere Fragen zu dem Projekt beantwortet. 

ShadowGAN ist Teil der human (un)limited Ausstellung, eine Ausstellungsreihe von Hyundai Motorstudio und Ars Electronica, die noch bis 29. Februar in Peking, Seoul, und Moskau zu sehen ist.

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