Unter dem Thema „Austria makes sense“ bietet der Österreich-Pavillon Besinnung als Strategie. Inmitten der Leistungsschau der Länder antwortet er mit Entschleunigung, bietet BesucherInnen eine Oase, in der sie Ruhe und Entspannung finden können. Sie sollen innehalten, individuelle Eindrücke sammeln und Österreich mit allen Sinnen erleben. Die grüne, vielfältige Landschaft, der innovative Wirtschaftsstandort, Kulinarik und Gastfreundschaft, attraktiver Lebensraum, die Vermittlerposition im Herzen Europas. Architektur und Generalplanung des Pavillons kommen von querkraft, die grafische Gestaltung von bleed, die übergeordnete Ausstellungskommunikation von büro wien. Ars Electronica Solutions hat die Installationen erdacht, also haben wir uns mit Chris Bruckmayr, kreativer Kopf ebenda, und Michael Mondria, Senior Director, getroffen und darüber gesprochen, was es zu sehen und erleben geben wird in diesem Österreich-Pavillon.
Ars Electronica Solutions ist ein wichtiger Produzent bei der EXPO 2020 in Dubai. Erzählt doch kurz, worum es geht.
Michael Mondria: Ab Oktober 2020 findet zum ersten Mal eine Weltausstellung in einem arabischen Land statt, nämlich in Dubai. Auf einem riesigen Areal, gelegen zwischen Dubai und Abu Dhabi, werden Pavillons errichtet, die jeweils für ein Thema stehen: Nachhaltigkeit, Mobilität, Chancen. Unter 192 teilnehmenden Nationen ist auch Österreich mit einem Pavillon vertreten. Ars Electronica Solutions, querkraft, bleed und büro wien sind verantwortlich für die Konzeption der Erlebnisräume und setzen diese in einer nächsten Phase um. Auftraggeber ist die Wirtschaftskammer Österreich.
Chris Bruckmayr: Bei der Gestaltung des österreichischen Pavillons überlegten wir gemeinsam mit querkraft, bleed und büro wien, aus der (vermeintlichen) Konkurrenzsituation mit anderen Pavillons auszubrechen und keinesfalls eine Leistungsschau der Technologie abzuhalten. Wie schafft man einen sinnlichen Raum, eine Atmosphäre, die transportiert, was Österreich ist, wofür Österreich steht? Es wurde also ein Grundgebilde aus unterschiedlich hohen Kegeln geschaffen, die (zur Unterstützung des Klimakonzeptes) innen mit Lehm verkleidet sind und einen archaischen Eindruck vermitteln. Ebenso wie die Architektur archaisch anmutet, zieht sich auch die Sprache auf einen gemeinsamen Nenner zurück – die gesamte Kommunikation findet ohne Worte statt. Durch allgemein verständliche Gesten und Zeichen werden Barrieren wie Sprache, Bildung, Alter und kultureller Hintergrund aufgehoben. Und natürlich erinnert es an altertümliche Hieroglyphen. In dieser eigens geschaffenen Atmosphäre kann Österreich sich gut darstellen. Denn es ist definitiv ein Talent der Österreicherinnen und Österreicher, die Tradition mit der Moderne zu verschränken.
Du hast eben schon die ungewöhnliche Architektur des Österreich-Pavillons angesprochen. Was ist die Geschichte dahinter?
Chris Bruckmayr: Das österreichische Architektenteam „querkraft“ hat diese innovative Struktur geschaffen. Sie sind eine Interpretation traditioneller arabischer Architektur, innen mit Lehm ausgekleidet und sie bieten natürliche Lüftung. Das ist althergebracht im arabischen Raum zu finden, aber auch in unserem Kulturkreis – denkt man etwa an sogenannte Kühlkeller in Klöstern, die demselben Prinzip folgen. Eine der wichtigsten Eigenschaften dieses Entwurfes ist das archaische Raumerlebnis. Die Kegel sind nach oben hin offen, wodurch es eben einerseits zu einer natürlichen Kühlung kommt und andererseits viel mit Naturlicht gearbeitet wird. Generell sind die Lichtstimmungen natürlich beeinflusst und dadurch ergibt sich eine ganz eigene Erfahrung.
Der österreichische Pavillon verbindet also traditionelle und moderne rohstoffschonende Bauweise: angenehmes Raumklima ohne stromintensive Kühlung, beeindruckende Lichtstimmungen, spannende Erlebnisräume.
Wie präsentiert sich Österreich im Pavillon?
Michael Mondria: Der Titel des österreichischen Pavillons ist „Austria makes sense“. Es war querkraft von Anfang an sehr wichtig, dass die Erfahrung im Pavillon eine sinnliche ist. In der gemeinsamen Konzeptionierung war es uns wichtig, eine Bespielung zu schaffen, die auf unzählige Monitore und ein Übermaß an Information verzichtet. Sprich, wir wollten Österreich nicht mittels Zahlen, Daten, Fakten darstellen, sondern über Emotionen und Bilder. Die Inhalte werden über Animationen und Piktogramme vermittelt, die von allen Menschen ohne sprachliche Barriere verstanden werden können. Wir nennen das „Weltbildsprache“. Aber natürlich war es eine intensive Diskussion, ob es denn möglich sei, die vielfältigen Kompetenzen Österreichs mittels Bildern darzustellen. Abgefedert wird dieser Ansatz ein wenig vom iLab, ein Areal neben dem Ausstellungsbereich, in dem sich 60 innovative österreichische Firmen präsentieren.
Was ist der Part von Ars Electronica Solutions?
Michael Mondria: Wir haben gemeinsam mit querkraft und in Abstimmung mit der Wirtschaftskammer und dem Ministerium verschiedene Installationen konzipiert, die Österreich mit unterschiedlichen Sinnen erfahrbar machen. Wir wollten einen Erfahrungsraum schaffen, eine Oase inmitten hektischen Treibens, ohne komplexe Interaktionsmodelle, ohne jegliches Stresspotential.
Chris Bruckmayr: Es werden Schwerpunkte der Region und auch des Pavillons aufgenommen – und so starten wir mit Sand, der in der Region enorme Wichtigkeit hat. Wir haben überlegt, wie wir dieses Medium sichtbar machen und die Faszination veranschaulichen können. Schaut man z.B. mit einem Mikroskop in Sand hinein, wird seine Herkunft sichtbar – da sieht man Teile von Muscheln und Mollusken und das ist außerordentlich faszinierend.
Chris Bruckmayr: Die Installation selbst ist ein großer runder Tisch mit Sand, durch den eine Stahlkugel ihre Bahnen zieht und Muster kreiert, die einen Zusammenhang mit Österreich haben. Auf diese Formen wird dann zusätzlich projiziert, um einen tieferen Einblick zu gewähren. So eine Form kann etwa ein Edelweiß sein, die klassische österreichische Blume und in ihre Blätter wird dann eine Mikroskop-Aufnahme von Sand projiziert. Sand ist als Medium vollkommen unterschätzt, hat bei näherer Betrachtung aber eine enorme Komplexität und ist wahrscheinlich ein Ur-Medium.
Michael Mondria: Eine weitere Installation ist der „Airflow“. querkraft hat mit den Klimaingenieuren vom Ingenieursbüro P. Jung eine Klimasimulation erstellt, wie sich Luft im Pavillon natürlich verteilt und wie sich das über den Tag ändert. Ausgehend vom physikalischen Effekt der Schlierenfotografie werden diese Luftströme künstlerisch visualisiert und zwar großflächig, was ein beeindruckendes Erlebnis wird. Was noch hinzu kommt zu den Luftstromdaten sind die BesucherInnen, die natürlich einen großen Einfluss auf die Luft und ihre Zirkulation haben. Die Installation soll auch ein Bewusstsein für die Tatsache schaffen, dass unsere bloße Präsenz in einer Umgebung bereits einen für uns unsichtbaren Einfluss auf den physikalischen Zustand des Raumes bewirkt. Für die Visualisierung arbeiten wir mit Florian Berger vom Ars Electronica Futurelab zusammen, der für die algorithmische Komposition zuständig ist.
Michael Mondria: Als nächstes kommt man zu einer wunderschönen, kunstvoll geformten Landschaft aus Zirbenholz, die der Kontemplation dient. Österreich atmen und begreifen quasi. Die Nase als sehr emotionales Sinnesorgan betritt hier eine Geruchskathedrale und lässt sich vom Zirbengeruch einhüllen.
Chris Bruckmayr: In gleich drei Kegeln widmen wir uns dem Gehör. Die Klanginstallation ist nicht als einfaches Soundscape konzipiert, weil uns dies für die Vermittlung typischer österreichischer Musik zu „kühl“, zu durchstrukturiert erschien. Vielmehr finden sich, eingebettet in einen durch die Geometrie des Pavillions entstehenden großen Klangraum, Versatzstücke berühmter österreichischer Musik. Zum Beispiel das Leitmotiv der 9. Sinfonie von Schubert. Das wird nicht als Orchesterwerk abgespielt, sondern es wird die Notation übernommen und fein in die Gesamtkomposition eingearbeitet. Aber neben klassischen Komponisten gibt es natürlich auch andere Klänge, die hier Eingang finden – Klänge aus der Natur, Industriesounds oder die Turbine eines Donaukraftwerks. Für Gesamtkomposition und Einarbeitung der Versatzstücke wurde Rupert Huber engagiert.
Rupert Huber ist in vielen Projekten mit der Ars Electronica verbandelt. Was ist das Besondere an Projekten mit ihm?
Chris Bruckmayr: Ars Electronica arbeitet seit vielen Jahren mit ihm im Rahmen des Festivals und bei Medienkunstprojekten zusammen. Neben seiner herausragenden Stellung in der österreichischen elektronischen Musikszene sind für uns vor allem sein tiefes Verständnis für konzeptionelle Musikkomposition sowie seine Expertise in der psychoakustischen Wirkung von Musik von zentraler Bedeutung.
Aber zurück zu den Installationen…
Michael Mondria: Die nächste Installation ist der Herzschlag. Die Idee dahinter war, ein Objekt zu schaffen, das offenbart, was allen Besucherinnen und Besuchern gemeinsam ist: der Herzschlag. Über Sensoren wird dieser abgenommen und beeinflusst so eine Chladni-Figur – das ist ein Muster, das durch spezielle, sehr hohe Frequenzen entsteht. Wir nehmen also die Herzschläge des Publikums, verstärken und interpretieren sie und lassen alle diese unterschiedlichen Muster in eine Projektion in der Mitte der Installation einfließen. Die Herzschläge werden dort ähnlich den Jahresringen eines Baumes dargestellt und wachsen über die Ausstellungsdauer an. Am Ende des Projektes haben wir also einen abstrakten, digitalen Lebensbaum, ein Herzschlagarchiv aller Besucherinnen und Besucher des Pavillons.
Michael Mondria: Zur Abrundung gibt es noch eine Selfie-Station, ein endloser Spiegel mit den Insignien des Österreich-Pavillons. Dort haben Besucherinnen und Besucher die Möglichkeit, Erinnerungen zu erzeugen und zu teilen.
Wie würdet ihr also das Ziel des Konzepts definieren?
Michael Mondria: Wir als Ars Electronica wollen die Verschränkung von Archaischem mit Modernem vermitteln. Natürlich wird modern gebaut, referenziert aber auf (arabische) Tradition, verlorenes Wissen über – zum Beispiel – natürliche Kühlung wiederzuverwenden. Und so versuchen wir auch, mit Medientechnologien bevorzugt aus Österreich so zu arbeiten, dass nicht die Technologie selbst im Mittelpunkt steht, sondern die sinnliche und künstlerische Seite. Wir sind der Ansicht, dass dies eine große Stärke Österreichs ist.
Chris Bruckmayr: Summa summarum geht es um Empathie und Humanismus. Da kommen Menschen aus der ganzen Welt und die sollen ein Gefühl dafür entwickeln, wie man ein kulturübergreifendes Verständnis füreinander entwickelt. Wie schafft man Empathie? Wie respektiert man Kultur? Wie schafft man einen Erlebnisraum, der über die kulturellen Grenzen hinaus funktioniert? Wir versuchen dies über die „Weltbildsprache“ und Interfaces, die nicht kulturspezifisch sind. Denn wir kreieren hier ein multidimensionales Bild von Österreich, das die Besucherinnen und Besucher nicht argumentativ von Österreich überzeugen will, sondern sie emotional abholt. Wir nehmen sie als Menschen wahr, die hier eine schöne Zeit haben sollen.
Chris Bruckmayr, Mag., studierte Kommunikationswissenschaft, Politik und Geschichte an der Universität Wien. Akademisch geprüfter Markt- und Meinungsforscher. Seit 2010 Mitarbeiter der Ars Electronica Linz GmbH & Co KG. 2013-2017: Business Manager und Creative Producer der Ars Electronica SPAXELS® (Lichtdrohnenschwarm der Ars Electronica). Seit 2018 Director Products bei Ars Electronica Solutions. Sound- und Performancekünstler, produziert unter dem Namen raum.null elektronische Musik für das Vinyl-Only-Label Belgrade dubs / Belgrad. 2015-2018: diverse Performances beim Ars Electronica Festival.
Michael Mondria ist Senior Director von Ars Electronica Solutions. Er studierte Informatik an der Johannes Kepler Universität in Linz und gründete das Softwareunternehmen Memetics GmbH in Berlin. Michael Mondria war 15 Jahre als Software Engineer beim multinationalen Softwareunternehmen Fabasoft AG tätig, bevor er als Managing Director ins Ars Electronica Futurelab wechselte. Seit 2012 leitet er als Senior Director die Division Ars Electronica Solutions.