Arbeit für Menschen mit Behinderung, kurz AfB, ist Europas größtes gemeinnütziges IT-Unternehmen, und wurde im Jahr 2004 von Privatpersonen, die Wert auf soziales und persönliches Engagement legten, ins Leben gerufen. Der soziale Aspekt wird dadurch hervorgehoben, dass 50% der Mitarbeiter*innen dieses IT-Unternehmens Menschen mit Behinderung sind, und sie durch dieses Konzept einer hochwertigen Beschäftigung nachgehen können. Das Unternehmen ist zurzeit an 19 Standorten in fünf Ländern vorzufinden und beschäftigt insgesamt um die 440 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
Nicht nur der soziale Fokus macht die AfB einzigartig, sondern auch ihr nachhaltiger Unternehmensschwerpunkt. AfB spezialisiert sich auf die Wiederverwendung von ausgemusterten Geräten unterschiedlicher IT-Betriebe. Die Geräte werden inventarisiert, zertifiziert gelöscht, getestet, gereinigt und mit einer 1-Jahresgarantie wiedervermarktet. Mithilfe dieser Strategie hat das Unternehmen dafür gesorgt, dass die umwelt- und menschengefährdende Rohstofftrennung von IT-Tools in Dritte-Welt-Ländern eingedämmt wurde. Vielleicht stellen Sie sich nun die Frage: Ein wunderbares Unternehmen, aber wie passt es zu Ars Electronica? Da wir beide unseren Fokus auf den Menschen legen und durch innovative Technologie die Umwelt verbessern wollen, finden wir rasch einen gemeinsamen Nenner. Um einen Einblick in die Arbeit des Unternehmens zu bekommen, haben wir uns mit Birgit Sikora, Partnermanagerin der AfB, digital getroffen und noch mehr Interessantes erfahren.
Eingestellt werden hauptsächlich Menschen mit Beeinträchtigung. Müssen sie eine Ausbildung nachweisen, oder werden sie vom Betrieb eingeschult und vorbereitet?
Birgit Sikora: Wir schreiben Stellen, die wir zu besetzen haben, ganz normal mit den jeweiligen Anforderungen über Inserate aus. Um speziell Menschen mit Behinderung eine Chance auf einen Arbeitsplatz bei uns zu geben, arbeiten wir gezielt mit Organisationen wie myAbility, Haus-Aktiv, den Vereinen T.I.W. für Training, Integration und Weiterbildung, Autark und Phönix oder ReIntegra zusammen. Bei uns arbeiten Menschen mit Behinderung in allen Bereichen, von der Logistik und Technik, über die Verwaltung, bis hin zu Lager, Verkauf, Beratung und Entwicklung. Sie übernehmen wertvolle Aufgaben im Kerngeschäft der IT-Dienstleistung. Je nach Position oder Einsatzbereich müssen natürlich auch entsprechende Grund- bzw. Vorkenntnisse und Ausbildungen als Basis vorhanden sein. Selbstverständlich setzen wir im Unternehmen selbst aber auch einen großen Fokus auf die interne Aus- und Weiterbildung. So bilden wir beispielsweise auch Lehrlinge mit Behinderung aus.
War der nachhaltige Aspekt schon von Beginn an ein Teil der Unternehmensideologie der AfB?
Birgit Sikora: Die Einzigartigkeit unseres Geschäftsmodells besteht in der Verbindung professioneller IT-Dienstleistung mit sozialem und ökologischem Mehrwert („social&green“). Ein Zusammenspiel von sozialem Engagement, Klimaschutz im Sinne von Ressourcen-Schonung und Wirtschaftlichkeit geht auf unsere Gründung zurück und ist immer schon Teil unserer Unternehmensideologie gewesen.
Lässt sich eine positive ökologische Veränderung durch euer Engagement in Europa oder sogar weltweit spüren?
Birgit Sikora: Das Wertvolle an unserer Arbeit ist, vor allem auch für Unternehmen und unsere Partner, die uns ihre gebrauchte IT für eine Wiederaufbereitung überlassen, dass wir unseren Nachhaltigkeits-Effekt in konkreten Zahlen ausdrücken können. Zum Nachweis unseres sozial-ökologischen Impacts wurde in Kooperation mit der TU Berlin eine Methode entwickelt, die die konkreten Einsparungen an Energie, Treibhausgasemissionen und Metallen nachweist. Diese wird als Ökobilanz AfB-Partnern für deren interne Kommunikation, Öffentlichkeitsarbeit und Nachhaltigkeitsberichterstattung in einem eigenen Zertifikat jährlich ausgewiesen.
475.000 IT- und Mobilgeräte mit einem Gesamtgewicht von 3.100 Tonnen wurden so in gesamt über 4.000 Abholungen bewegt. 65% der Geräte konnten einem zweiten Lifecycle zugeführt werden. Durch die Wiedervermarktung von gebrauchten PCs, Notebooks, TFTs und Druckern etc. wird die umwelt- und menschengefährdende Rohstofftrennung von IT-Geräten an Dritte-Welt-Länder eingedämmt.
Inwiefern sieht Ihr Unternehmen eine inhaltliche Ãœbereinstimmung mit den Themen der Ars Electronica?
Birgit Sikora: Bei der ersten Anfrage im Jahr 2019, ob wir für die Ars Electronica als Ausstattungspartner IT-Hardware zur Verfügung stellen können, die wir von unseren Kooperationspartnern gebraucht bekommen und im Sinne der Nachhaltigkeit für einen zweiten Lifecycle über die Beschäftigung behinderter Menschen aufbereiten, haben wir nicht lange nachgedacht. Uns war sofort klar:
„Wenn Innovation auf Nachhaltigkeit trifft, kann das nur eine gute Symbiose sein.“
Was sind zukünftige Ideen/Ziele des Unternehmens?
Birgit Sikora: Unser konkretes Ziel ist es, europaweit für 500 Menschen mit Behinderung einen Arbeitsplatz zu schaffen und gleichzeitig durch unser Kerngeschäft IT-Remarketing einen wertvollen Beitrag zur Reduzierung des CO2-Ausstoßes zu leisten.
Über unser social & green Geschäftsmodell wollen wir bis 2025 Einsparungen an 200.000 Tonnen CO2, 300.000 Tonnen Rohstoffen und 600.000 MWh Energie erzielen. Um diese ambitionierten Ziele zu erreichen, wollen wir wachsen. AfB-Standorte können jederzeit in neuen Ländern oder regional in neuen Bundesländern eröffnet werden. Vorausgesetzt im Land oder in der Region sind genügend Unternehmen, öffentliche Einrichtungen, Institutionen oder Organisationen bereit, eine CSR-Partnerschaft mit AfB einzugehen und Kerndienstleistungen der AfB als professionelle Dienstleister zu nützen. Bei der Überlassung gebrauchter IT-Geräte an die AfB gilt die Faustregel: Für die Beschäftigung eines Mitarbeiters mit Behinderung bei der AfB sind 2.500 überlassene Geräte pro Jahr notwendig. Über regionale Verbreitung des AfB social & green IT Konzepts kann lokale Wertschöpfung geschaffen und Menschen mit Behinderung in der Region beschäftigt werden.
„AfB-Standorte können jederzeit in neuen Ländern oder regional in neuen Bundesländern eröffnet werden. Vorausgesetzt im Land oder in der Region sind genügend Unternehmen, öffentliche Einrichtungen, Institutionen oder Organisationen bereit, eine CSR-Partnerschaft mit AfB einzugehen und Kerndienstleistungen der AfB als professionelle Dienstleister zu nützen.“
Sie haben als Unternehmen eine Kooperation mit dem Projekt „CoderDojo“ gestartet und sie mit IT-Geräten ausgestattet. Warum haben Sie sich für dieses Projekt entschieden?
Birgit Sikora: Kinder und Jugendliche frühzeitig mit der IT-Technologie und der Welt des Programmierens spielerisch vertraut zu machen ist im Zuge der fortschreitenden Digitalisierung heute essentiell. Genau deshalb unterstützen wir sehr gerne dieses regionale Projekt mit unserer Hardware, die wir aus der Wiederaufbereitung gebrauchter Geräte für einen zweiten Lebenszyklus zum Einsatz bringen können. So schaffen wir auch Aufmerksamkeit für unsere Arbeit als gemeinnütziges Unternehmen, das sich für Klimaschutz und die Beschäftigung von Menschen mit Behinderung einsetzt.
„Wir freuen uns sehr über die Laptop-Spende durch AfB. Als gemeinnütziger, von Freiwilligen getragener Verein sind wir auf die Unterstützung von Partnern angewiesen. Die Laptops erlauben es uns, Kindern und Jugendlichen, denen kein eigener Computer zur Verfügung steht, kostenlose Leihgeräte anzubieten. Die aktive Teilnahme am CoderDojo wird dadurch für mehr Kinder und Jugendliche möglich.“ – Rainer Stropek (Obmann Coding Club Linz)
Birgit Sikora ist seit über 20 Jahren im IT Umfeld als Finanzierungs-/Leasingspezialist tätig. Nach Stationen bei Hersteller Leasingfirmen, wie z.B. DEClease und Compaq Financial Services, startete sie im Jahr 2002 bei der ACP IT Finanzierung, wo sie in den darauffolgenden Jahren neben Ihrer Tätigkeit als Key Account Manager um den Aufbau des ACP Remarketings kümmert. Im Jahr 2017 wechselte sie dann zur AfB, mit der sie zu ACP-Zeiten bereits eine enge Zusammenarbeit verband. Seitdem setzt sie sich als Leiterin des Vertriebs Österreich für das Wachstum des speziellen AfB social & green IT Geschäftsmodells in Österreich ein und steuert in ihrer Verantwortung auch den gesamten Bereich des Partnermanagements.