Das NAWAREUM in Straubing wird ab Frühjahr 2022 ein zentraler Informations- und Erlebnisort für Nachwachsende Rohstoffe und Erneuerbare Energien. Das Projekt steht ganz im Zeichen des “New European Bauhaus”, einer Initiative der Europäischen Kommission, die dazu aufruft, Projekte im Sinne des “Green Deal” zu entwickeln und umzusetzen. Ars Electronica ist offizieller Partner dieser Initiative. Neben den Themen Klimawandel und Nachhaltigkeit zeigt das NAWAREUM auch die Chancen und Herausforderungen der Energie- und Rohstoffwende. Eine Besonderheit des weitgehend aus Holz errichteten Neubaus ist seine nachhaltige Gebäudetechnik: Das Haus wurde nach Passivhaus-Standards geplant und ist selbst Teil der ca. 1240m² großen Dauerausstellung. Sowohl inhaltlich als auch gestalterisch verfolgt das NAWAREUM einen innovativen und interdisziplinären Ansatz. Gemeinsam mit Architekt*innen, Szenograph*innen, Wissenschaftler*innn und Künstler*innen wird die Thematik spannend aufbereitet und an ein interessiertes Publikum vermittelt.
Hier kommt Ars Electronica Solutions ins Spiel, deren Spezialität es ist, mit Mitteln modernster Technologien unter Einbeziehung der Kunst und von Künstler*innen Themen so umzusetzen und zu vermitteln, dass sie für alle, vom Kleinkind bis zu den Großeltern, verständlich, erlebbar und (an-)greifbar im wahrsten Sinne des Wortes werden. Diese Fähigkeiten hat das Team nicht zum ersten Mal in der Gestaltung einzelner Ausstellungsobjekte wie auch ganzer Museen unter Beweis gestellt. Im NAWAREUM macht es genau das einmal mehr. Und einmal mehr geht es auch inhaltlich um ein neues Lieblingsthema von Solutions: Die Nachhaltigkeit. Warum dieses Wort vielmals „totgetrampelt“ wurde, was es für sie persönlich bedeutet und wie man Energiegewinnung an Kinder und Jugendliche vermitteln kann, dazu haben uns Chris Bruckmayr, Head of Products & Events, und Projektmanagerin Michaela Fragner mehr erzählt.
Was ist für euch das Besondere am NAWAREUM? Inwiefern passen die Themen und das Projekt zu Ars Electronica Solutions?
Chris Bruckmayr: Das NAWAREUM ist interessant, weil der Staat Bayern sich der Vermittlung der Energiewende für alle Zielgruppen, für alle Bürger*innen, widmet. Das gibt es meines Wissens so in Österreich z. B. nicht. Sie versuchen die Notwendigkeit der Energiewende nicht apokalyptisch pastoral, sondern niederschwellig, unter Einbeziehung vieler Künstler*innen, zu vermitteln. Das heißt: Was sind z.B. nachhaltige Rohstoffe zur Energieerzeugung? Wie funktioniert da die erneuerbare Energieproduktion? Was ist überhaupt der Klimawandel und inwiefern ist er auch regional relevant? Bei allem fokussieren sie auch stark auf Kinder und Jugendliche, das ist das Schöne am Nawareum, inklusive der wunderbaren, nachhaltigen Architektur. Das Haus ist noch im Aufbau, das ist für uns eine gute Chance, von Anfang an dabei zu sein. Sie versuchen künstlerische Vermittlungswege zu finden, was wiederum sehr typisch für die Ars Electronica ist und wo wir eine Menge einzubringen haben.
An welcher Stelle des „Projekts NAWAREUM“ kommen jetzt Ars Electronica Solutions ins Spiel? Was war eure Aufgabe genau?
Michaela Fragner: Das Projekt entstand durch eine Ausschreibung, bei der man Ideen einbringen konnte und an der wir teilgenommen haben. Wir haben einen radikalen Ansatz gewählt, Input zu bestehenden Ideen und Verbesserungsvorschläge gegeben, um es für die Zielgruppe passend zu machen. Das kam anscheinend gut an.
Grundsätzlich ging es bei der Ausschreibung um die Entwicklung und das Prototyping, also noch nicht primär um die Umsetzung, zweier Spielabläufe, zweier Spieltische. Diese Ausschreibung haben wir gewonnen und dann in Step 1 diese beiden Spielideen entwickelt, erdacht, konzeptioniert. Jetzt sind sie fertig und können realisiert werden.
Chris Bruckmayr: Es handelt sich um zwei hybride interaktive Modelllandschaften, wo der Weg zur Energiewende und die Energieproduktion aus nachwachsenden Rohstoffen simuliert werden soll, aber in einem spielerischen Stil auf Kinder und Jugendliche zugeschnitten. Es soll Spaß machen, aber man soll etwas dabei lernen. Wir haben die Ausschreibung schließlich gemeinsam mit dem NAWAREUM inhaltlich erweitert um unsere Kompetenzen einzubringen. Deswegen sind wir, denke ich, auch ausgewählt worden, weil wir in der Wissensvermittlung unter Zuhilfenahme künstlerischer Denkweisen Expert*innen sind.
Wie seid ihr das Projekt angegangen? Wie verlief die Phase des Prototyping und was ist das Besondere an dem Resultat, an diesen beiden Modelllandschaften?
Modelllandschaft Interaktive Energielandschaft: In der interaktiven Energielandschaft lernen die Besucherinnen, dass die Energieversorgung zu 100% über regenerative Energien geleistet werden kann, hierfür aber ein komplexes Zusammenspiel aller Energiegewinnungsformen nötig ist.
Modelllandschaft Nachwachsende Rohstoffe: Die interaktive Modelllandschaft soll den Besucherinnen verdeutlichen, dass nachwachsende Rohstoffe und Biomasse auf vielfältige Art und Weise und in Kombination zur ressourcenschonenden Energiegewinnung genutzt werden können.
Michaela Fragner: In erster Linie haben wir geschaut, wo wir hinwollen und wie wir das angehen wollen. Welche Methodik wollen wir zur Vermittlung verwenden? Außerdem haben wir in wöchentlichen Workshops mit dem NAWAREUM die Ideen diskutiert, es war eine sehr kollaborative Zugangsweise. So entstand ein roter Faden, aus dem sich die anderen Spielaspekte ergeben haben. Wir haben außerdem mit Expert*innen aus dem wissenschaftlich/politischen Umfeld des NAWAREUM zusammengearbeitet. Aus diesem breiten Netzwerk haben wir viel Input bekommen und diesen dann zu einem großen Ganzen zusammengefügt.
Chris Bruckmayr: Es sind zwei Modelllandschaften, zwei hybride Spieltische, entstanden, die aber mit Projektionen, mit Software-Interfaces oder hybriden Interfaces arbeiten. Wir haben die Prototypen entwickelt, abgestimmt und jetzt werden sie umgesetzt.
Einer dieser Tische widmet sich zum Beispiel einer exemplarischen Insel, die für einen bestimmten Zeitraum mittels erneuerbarer Energiekraftwerke versorgt werden soll, das ist das Spielziel. Bei diesem komplexen Thema sind sich selbst die Expert*innen oft uneinig, wie der richtige Energiemix aussieht und sich entwickeln soll. Kinder und Jugendliche sollen ein spannendes Spiel erleben und gleichzeitig kollaborativ und mit Nachdenken das Spielziel erreichen.
Das Thema Nachhaltigkeit zieht sich durch einige aktuelle Projekte. Warum ist gerade dieses Thema für Ars Electronica Solutions so interessant?
Chris Bruckmayr: Hintergrund ist die langjährige Zusammenarbeit mit der ESA. Über vielfältige Projekte hinweg haben wir uns mit Satellitendaten aus der Klimaforschung der ESA beschäftigt und wie man diese für alle Zielgruppen zugänglich aufbereiten kann. Einen Teil des Ergebnisses sieht man im Ars Electronica Center in dem Projekt „Glacier Retreat“ in der Global Shift Ausstellung.
Daraus ist erwachsen, dass das Thema uns auch intern extrem interessiert hat. Wir haben festgestellt, dass künstlerisches Denken einen spezifischen Beitrag leisten kann, wenn es um Nachhaltigkeit und den Klimawandel geht. Und dem noch nicht genug: Man muss dann einen Designprozess darüberlegen, um die Vermittlung so zu gestalten, dass der Inhalt verdau- und verarbeitbar wird.
Ein weiteres zentrales Projekt, das aus der Beschäftigung mit dem Thema entstanden ist, ist der Österreich-Pavillon auf der EXPO in Dubai im Oktober, bei dem wir die Medieninstallationen, die Ausstellung im Pavillon, in Abstimmung mit den Architekten von Querkraft, konzipiert und realisiert haben. Auch dieser Pavillon widmet sich dem Klimawandel, erneuerbaren Energien, Ressourcenschonung und der Digitalisierung, was für uns systemisch zusammenhängt. Die Architektur an sich und das Innenleben referenziert auf das Thema Nachhaltigkeit, indem man ein nachhaltiges Lüftungssystem sowie eine Lehmverkleidung genutzt hat, um das Gebäude zu kühlen. Plötzlich kam dann das NAWAREUM und es wurde uns klar, dass wir hier insgesamt in eine interessante Richtung gehen.
Der letzte Schritt ist jetzt der Sustainability Thinking Workshop der Ars Electronica Solutions und des Institute for Clean Technology (ICT) von Michael Friedmann, der vormals bei der Rosenbauer AG ein hybrides Einsatzfahrzeug federführend entwickelt hat. Es wurde uns klar, dass wir etwas beizutragen haben zu dem „tot getrampelten“ Wort Nachhaltigkeit. Mit künstlerischem Denken kann man althergebrachte Denkweisen aufbrechen, provokante künstlerische Zugänge, wie wir sie am Festival sehen, können dazu beitragen. Gleichzeitig haben wir viel Erfahrung in der Interaktions-Didaktik und Interface-Konzeption, was schließlich dazu geführt hat, dass wir mehr und mehr zu Spezialist*innen der Vermittlung der Themen Nachhaltigkeit und Klimawandel werden.
Der Workshop richtet sich primär an KMUs, aber auch größere Unternehmen und öffentliche Institutionen. Die im Betrieb vorhandenen Denksysteme sollen hinterfragt, weiterentwickelt und für die Themen Nachhaltigkeit und Klimawandel empfänglich gemacht werden. Gleichzeitig brauchst du hier eine Expert*innenkultur, die dich bei bestimmten Themen unterstützt. Da haben wir uns in den letzten Jahren ein großes Netzwerk und eine breite Expertise des Kollaborierens erarbeitet. Das ist unsere Stärke und darauf setzen wir in unseren Projekten wie auch in diesem Workshop.
Zum Schluss würde mich noch interessieren: Was versteht ihr persönlich unter „nachhaltig“ und was bedeutet es für euch?
Chris Bruckmayr: Für mich ist es prinzipiell eine Verhinderung von Ressourcenverschwendung. Für mich sind die derzeitigen Wirtschaftsprozesse oftmals noch zu ressourcenverschwendend angelegt. Auf die Zukunft gedacht heißt das, wir verschwenden jetzt die Ressourcen der nächsten Generationen. Das ist für mich eine geistige Einstellung, man muss das zuerst einmal verstanden, begriffen haben, warum es nicht sinnvoll ist, von zukünftigen Ressourcen zu leben. Es geht für mich um das Finden einer philosophischen Grundlage, ohne biblisch zu werden, seinen Ressourcenverbrauch anzupassen und zu verstehen. Gesamtwirtschaftlich muss das System sich diesen Herausforderungen stellen, beginnen, darüber noch intensiver nachzudenken.
Michaela Fragner: Für mich bedeutet Nachhaltigkeit, dass Dinge durchdachter sind. Das hat nicht nur mit Ressourcen und Umwelt zu tun, sondern auch mit Informationsvermittlung. Deswegen ist das NAWAREUM für mich so spannend, weil das ganze Projekt so durchdacht und damit nachhaltig ist. Das Ziel der beiden Spiele ist es, Informationen nachhaltig zu vermitteln, das heißt sie werden nicht schnell konsumiert, sondern bleiben nachhaltig erhalten.
Chris Bruckmayr studierte Kommunikationswissenschaft, Politik und Geschichte an der Universität Wien. Akademisch geprüfter Markt- und Meinungsforscher. Seit 2010 Mitarbeiter der Ars Electronica Linz GmbH & Co KG. 2013-2017: Business Manager und Creative Producer der Ars Electronica SPAXELS® (Lichtdrohnenschwarm der Ars Electronica). Seit 2018 Head of Events & Products bei Ars Electronica Solutions. Sound- und Performancekünstler, produziert unter dem Namen raum.null elektronische Musik für das Vinyl-Only-Label Belgrade dubs / Belgrad. 2015-2018: diverse Performances beim Ars Electronica Festival.
Michaela Fragner ist seit 2018 Projektleiterin bei Ars Electronica Solutions. Durch ihre Auslandserfahrungen betreut sie viele internationale Kunden/Projekte. Ihre Leidenschaft für neue Medien macht sich besonders durch die Vermittlung von innovativen Installationen in Konzeptpräsentationen bemerkbar. Privat interessiert sie sich sehr für das Thema Psychologie, weshalb sie die Aspekte dieser gerne in Visionen, Konzepte und Kundenberatung einfließen lässt.