Fake News, Verschwörungstheorien und manipulierte Berichterstattung begleiten uns seit Anbeginn unserer Zeit. Gerade in der heutigen digitalen Welt, insbesondere in den sozialen Medien, sind sie allgegenwärtig und wirken sich zunehmend auf gesellschaftliche Werte aus, verändern Meinungen zu kritischen Fragen und Themen und definieren Überzeugungen und Fakten neu. Das diesjährige Thema des Ars Electronica Festivals „Who Owns the Truth?“ setzt sich näher mit dieser Problematik auseinander.
Die mediale Vermittlung von Wahrheit
Neben Fragen zur Deutungshoheit und Souveränität liegt dieses Jahr auch ein besonderes Augenmerk auf der kollektiven Synchronisation der Wahrnehmung. Bei der Verbreitung von Falschinformationen und Verschwörungstheorien wird oft darauf geachtet, dass alle Menschen die gleiche Meinung haben und falsche Informationen als Wahrheit ansehen. Das Ziel dabei ist es, die Kontrolle über die öffentliche Meinung zu gewinnen, indem die Wahrnehmung von vielen Menschen in dieselbe Richtung gelenkt wird. Insbesondere Clickbait-Schlagzeilen versuchen, mit schockierenden Aussagen Aufmerksamkeit zu erregen, auch wenn die Wahrheit dabei oft auf der Strecke bleibt.
Beispiele für die Auswirkungen von Fake News und manipulierter Berichterstattung reichen von der Beeinflussung wissenschaftlicher Grundlagen des menschengemachten Klimawandels bis hin zu Wahlmanipulationen während Präsidentschaftswahlen. Doch nicht nur in aktuellen Ereignissen spielen Fakes und manipulierte Berichterstattung eine Rolle. Auch in der Berichterstattung über Krieg und Leid wurden immer wieder Bilder aus dem zeitlichen, räumlichen und kontextuellen Zusammenhang gerissen und manipuliert.
Ein bekanntes Beispiel dafür ist eines der am meisten verwendeten Kriegsbilder. Der Bildausschnitt vermittelt den Eindruck, dass Einheimische von Soldaten vor sich hergetrieben werden. Doch erst wenn man das gesamte Bild betrachtet, erkennt man, dass die vermeintlichen Soldaten gar keine Soldaten sind. Solche Fälle der verfälschten Kriegsberichterstattung sind kein Einzelfall, sondern wurden im Laufe der Geschichte regelmäßig beobachtet.
Für unsere Gesellschaft ist es von großer Bedeutung, sich bewusst zu machen, wie die mediale Vermittlung die Wahrnehmung von Wirklichkeit verändern kann. Wir suchen nach Authentizität und Wahrheit in den Geschichten, die uns erzählt werden. Gerade deshalb sollten wir uns in Zeiten von Social Media und der ständigen Verfügbarkeit von Informationen umso mehr fragen: Wem können wir noch trauen? Wer besitzt die Deutungshoheit über die Wahrheit? Und wie können wir uns vor Fakes und Verschwörungstheorien schützen? In Situationen, in denen diejenigen, die die Deutungshoheit besitzen, lügen, stellt sich die Frage, wie unsere Gesellschaft darauf reagieren soll, insbesondere wenn sich die Lügen auf hohen politischen Ebenen abspielen. Whistleblower wie Edward Snowden und Julian Assange haben sich mit unangenehmen Wahrheiten auseinandergesetzt und einen Weg gefunden, mit Lügnern in Machpositionen umzugehen und sicherzustellen, dass ihre unethischen Verhaltensweisen nicht unbemerkt bleiben. Doch zu welchem Preis?
Wahrheit, Transparenz und Verantwortung in der Nutzung von KI – Systemen
Doch nicht nur in der Politik spielt die Wahrheitsfindung eine wichtige Rolle. Auch im Umgang mit KI-Systemen stellt sich die Frage nach Wahrheit, Transparenz und Meinungsfreiheit. Was passiert, wenn man Chat GPT sprechen lässt? Welche Antworten erhalten wir auf unsere Fragen? Was ist wahr und was ist falsch?
Hierbei ist es wichtig, zu verstehen, dass KI-Systeme keine Wissensmaschinen sind. Chat GPT ist kein Lexikon, sondern ein Kommunikationstool. Es kann uns Ähnlichkeiten mit schon existierenden Informationen liefern, aber es ist nicht darauf programmiert, die Wahrheit zu sagen. Ähnlich wie bei Diskussionen mit Freund*innen, können auch hier Vermutungen auftreten und nicht immer nur das „Richtige“ und die „Wahrheit“ werden ausgesprochen.
Als Gesellschaft sollten wir uns damit beschäftigen, zu verstehen, wie KI-Systeme funktionieren und welche Unterschiede zwischen einem Lexikon und einer Kommunikationsmaschine liegen. Es geht hierbei nicht um die technischen Komponenten dahinter, sondern darum zu verstehen, wie die Daten zusammenkommen. Die Entwickler*innen erhalten dabei eine gewisse Verantwortung, transparent zu bleiben und ihre Prozesse an den Rest der Gesellschaft zu vermitteln.
„Wir haben in Europa alle Konzerne erfolgreich dazu verpflichtet, auf jedes Produkt, das wir im Supermarkt kaufen, genau draufzuschreiben wieviel Milligramm von welchem Stoff enthalten sind. Wenn das möglich ist und das Geschäft nicht zusammenbricht wird es auch möglich sein, dass wir die KI-Systeme dazu verpflichten, transparent zu sein, wie ihre Datenerkenntnisse Zustandekommen.“
Gerfried Stocker, artistic director Ars Electronica
Ein weiterer wichtiger Aspekt in diesem Zusammenhang ist der sogenannte Kill Switch. Viele Menschen befürchten, dass KI-Systeme uns die „Macht“ aus der Hand reißen könnten. Aus dieser Angst heraus beschäftigen wir uns mit der Frage, ob oder wer einen Kill Switch benötigt und wer die Verantwortung für die Kontrolle hat. Sind es die KI-Systeme per se? Sind es die Personen, die hinter den Systemen stehen oder ist es das Gesellschaftssystem, das das Ganze überhaupt erst zulässt?
Es bleibt also spannend, wie sich die Diskussion um Künstliche Intelligenz und ihre Auswirkungen auf unsere Gesellschaft weiterentwickelt. Doch eins ist sicher: Wir müssen uns aktiv damit auseinandersetzen und die Verantwortung für eine transparente und verantwortungsvolle Nutzung von KI-Systemen übernehmen.
Die Blogserie wird schon bald fortgesetzt und in den kommenden Beiträgen werden wir uns mit Fragen befassen, die sich beispielsweise um die Themen „Echtheit und Originalität“ sowie „Besitzansprüche an der Natur“ drehen. Bis dahin gibt es weiterführende Links und Quellen, wo ihr noch mehr Informationen zu diesem spannenden Thema erhaltet.