Er müsse alles wissen, alles hinterfragen, sagte Walter Haupt einmal. Er komponierte, dirigierte und inszenierte. 1979 schuf er mit der Klangwolke eine spektakuläre Eröffnung der allerersten Ars Electronica und trug damit wesentlich zum Erfolg und zur dauerhaften Verankerung des damals neuen Festivals für Kunst, Technologie und Gesellschaft bei. Am 17. Mai 2023 ist Walter Haupt im Alter von 88 Jahren in München gestorben. Seiner Familie und seinen vielen Freund*innen in aller Welt möchten wir unser tiefes Mitgefühl ausdrücken.
Eigentlich wollte er Priester werden. Doch irgendwie verschlug es ihn in die Welt der Kunst. Walter Haupt nahm Schauspielunterricht, studierte Klavier, Pauke und Schlagzeug, dann Dirigieren und Komposition. Ganz egal welches Instrument und welche Rolle, ob auf oder hinter der Bühne, stets reizte ihn das Neue, das Andere, das Experiment. Walter Haupt wollte mit seiner Musik und seinen Inszenierungen nach draußen, in den Stadtraum, die Landschaft, und immer und überall suchte er nach neuen Strategien der Inszenierung, um Kunst für möglichst viele Menschen zum Erlebnis zu machen…
Kaum an der Münchner Staatsoper gründet er 1969 eine schon bald legendäre Experimentierbühne. Wenig später ruft er gemeinsam mit anderen das „New Dance Festival“ ins Leben, im Laufe der 1970er Jahre macht er mit multivisuellen Musikdarbietungen im freien Raum auf sich aufmerksam – nicht zuletzt durch sein audiovisuelles „Laser-Light-Environment“, das er zur Eröffnung der Olympischen Spiele 1972 in München gestaltet.
Ende der 1970er Jahre wird Walter Haupt dann von einem gewissen Hannes Leopoldseder kontaktiert, der drauf und dran ist, mit dem Elektronikmusiker Hubert Bognermayr, dem Musikproduzenten Ulli A. Rützel und dem Kybernetiker und Physiker Herbert W. Franke ein neues Festival namens “Ars Electronica” aus der Taufe zu heben. Für den Journalisten und Intendanten des ORF OÖ Leopoldseder ist klar, dass sein “Festival für Kunst, Technologie und Gesellschaft” einen populären Zwilling braucht – etwas wie die “Klangwolken”, die Walter Haupt schon 1973 in Weißenstein und 1987 in der Münchner Innenstadt inszeniert hat. Schon bald darauf machen sich Hannes Leopoldseder und Walter Haupt sich mit der ihnen eigenen Begeisterung an die Umsetzung ihrer Vision.
“Noch ehe 1979 die erste „Linzer Klangwolke“ mit der 8. Sinfonie von Anton Bruckner zur Aufführung gelangte, wurde ich in der Vorbereitungsphase von Bruckner-Puritanern und traditionell ambitionierten Konzertbesucherkreisen heftigst attackiert und erntete wenig Wohlwollen für meine Bestrebungen. Als dann am Abend die Bruckner-Sinfonie, nicht wie gewohnt für 1500 Konzertbesucher, sondern für 100.000 Menschen im Donaupark zu einem Hörerlebnis wurde, war der Bann gebrochen. Die „Linzer Klangwolke“ wurde zu einem festen Bestandteil des Internationalen Brucknerfestes und ein wichtiger Beitrag zur Ars Electronica, die im selben Jahr erstmals stattfand.” Walter Haupt: Die Expansion einer Idee
So erinnert Walter Haupt die Erfindung der Linzer Klangwolke, als er 1984 – wieder gemeinsam mit Hannes Leopoldseder – an der Inszenierung der 6. Linzer Klangwolke arbeitet, die einmal mehr ein Experiment ist: “Zahlreiche technische Verbesserungen auf dem Gebiet der Lautsprecherentwicklung werden […] erprobt, das synchrone Klangzentrum wird erweitert und die Lautsprecherdynamik auf über 60.000 Watt verstärkt. Die einzelnen Klangtürme werden unterschiedlich eingesetzt und erst am Kulminationspunkt erklingen alle sieben Klangstationen.”
Zur Aufführung gebracht werden soll die 9. Sinfonie von Ludwig van Beethoven. Und es ist Walter Haupt ein “ganz besonderes persönliches Anliegen […], diese Sinfonie mit ihrem Aufruf aus Schillers „Ode an die Freude“: „Alle Menschen werden Brüder“ als eine Demonstration für den weltweiten Frieden zu deklarieren.” Denn, so schreibt er damals weiter: “In einer Zeit, wo in Europa eine neue Aufrüstungswelle nicht nur mit atomaren, sondern auch mit chemischen und konventionellen Waffen eingeleitet wird, wo die USA eine gigantische Aufrüstung im Weltall planen, wo die Hochrüstungspolitik gleichzeitig zu immer größerer Verelendung und zu sich verschärfenden politischen Konflikten in der dritten Welt führt, wo die Sowjets mit entsprechenden Gegenmaßnahmen reagieren, sollten wir uns alle für den weltweiten Frieden und die weltweite Abrüstung und die Völkerverständigung einsetzen.”
Es sind Zeilen, die heute, fast 40 Jahre später, bestürzend aktuell sind.
Am 17. Mai 2023 ist Walter Haupt im Alter von 88 Jahren verstorben. Seine unbändige Neugierde, seine Offenheit und Experimentierfreudigkeit, sein Bestreben Kunst aus ihren heiligen Hallen hinaus zu möglichst allen Menschen zu bringen und seine Forderung nach Frieden werden fehlen.
„Sommer 1979 – eine der vielen Programmsitzungen zur ersten Ars Electronica. Hannes Leopoldseder war auf der Suche nach einem spektakulären OpenAir zur Eröffnung des ersten Festivals. Es sollte ein breiteres Publikum anziehen. Man kam auf den jungen Walter Haupt – Komponist, Musiker Dirigent – der bereits mit ausgeklügelten Beschallungstechniken Musikperformances im offenen Raum in München und Weissenstein realisiert hatte. Nach einem ersten Lokalaugenschein wurde rasch die Idee einer Klangwolke geboren: die 8. Symphonie von Anton Bruckner sollte den Donaupark erfüllen. Eine LP-Aufnahme wurde aufnahmetechnisch in die 4 Orchestergruppen hohe und tiefe Streicher, Holz und Blech geteilt und zusammen von 4 riesigen Lautsprechertürmen abgespielt. Dazu kamen großformatige Laserprojektionen über der Donau als visuelles Zentrum. 20.000 Besucher wurden bestenfalls erwartet, gekommen waren 100.000. Ein neues Linzer Wahrzeichen war geboren worden und Walter Haupt wurde zum international gefragten OpenAir-Inszenator. Durch seine spektakulären Inszenierungen der Klangwolke war er nicht nur zu einer der tragenden Säulen der Pionierjahre von Ars Electronica geworden, sondern auch zum lieben Freund. Der wird er in unserem Herzen auch in Zukunft bleiben. Adieu Walter!“ (Christine Schöpf)