State of the ART(ist) zeigt auch 2024 wie Kunst unter extremen Bedingungen trotzdem gedeihen kann und gesellschaftliche Themen reflektiert.
Wenn Bomben fallen, wird der Boden für Erneuerung knapp. Wenn negative Stereotype das gesellschaftliche Bewusstsein prägen, ist Meinungsfreiheit in Gefahr. Wenn Container der Blockade von Protestbewegungen dienen, zerplatzt der Traum von Freiheit und Gerechtigkeit. Wenn unsere Welt von Krisen und Konflikten geplagt wird, ist Humanität wichtiger denn je. Kunst- und Meinungsfreiheit sind Bestandteile unserer pluralistischen Gesellschaft – und genau diese will State of the ART(ist), ein Projekt der Ars Electronica und des österreichischen Außenministeriums, stärken und in ihren Heimatregionen unterdrückten kreativen Stimmen Gehör verschaffen.
Eingeführt als Reaktion auf die russische Aggression in der Ukraine, beleuchtet das Projekt den Zusammenhang zwischen einer Einschränkung künstlerischen Schaffens und gesellschaftlicher Unterdrückung. State of the ART(ist) rückt aber auch die unglaubliche Resilienz von Künstler*innen in den Fokus, die trotz widrigster Umstände und unterdrückter Meinungsfreiheit weiterhin ihre kreativen Stimmen erheben und inspirierende Werke schaffen. Das Projekt zeigt so, dass Kunst – jeder Art – auch in schwierigen Zeiten blühen und eine transformative Kraft in der Gesellschaft sein kann.
Als Reaktion auf neue Bedrohungen für die Meinungsfreiheit wurde 2024 zusätzlich erstmals der Digital Deal Award vergeben. Repressive Regime nutzen Technologie zunehmend, um Politik und Gesellschaft subtil zu beeinflussen. Der Award würdigt Werke, die undemokratische Technologienutzung aufdecken oder diese subvertieren, um die Meinungsfreiheit zu schützen. Unterstützt wird der Preis von European Digital Deal, einer von Creative Europe mitfinanzierten dreijährigen Untersuchung zur Auswirkung neuer Technologien auf demokratische Prozesse.
„Kunst, ihre Akteure und Institutionen können aktiv dazu beitragen, inegalitären, antidemokratischen und umweltzerstörerischen Kräften entgegenzuwirken. Kunst kann für Widerstand und Veränderung stehen.“
Christl Baur, Head of Ars Electronica Festival
Bezüglich der Kunstform gibt es bei „State of the ART(ist)“ keine Einschränkungen. Und auch wenn politische und soziale Extremsituationen den Hintergrund für die ausgestellten Werke bilden, ausgewählt wurden diese allein nach ihrer künstlerischen Qualität. Während des Ars Electronica Festival können in der POSTCITY in einem eigenen Bereich im zweiten Obergeschoss die Gewinner*innenprojekte der Awards sowie weitere Honorary Mentions besichtigt werden.
So ist natürlich „Haawriya حاورية) حاوية+ حرية)“, ausgezeichnet mit dem Hauptpreis, Teil der Ausstellung. Künstler Said Ahmed Mohamed Alhassan thematisiert hier den kulturellen Widerstand im Sudan, symbolisiert durch einen bemalten Frachtcontainer mit versteckten Lautsprechern. Dieser Container, der in der Revolution 2019 sowohl für die Lagerung von Leichen nach dem brutalen „Sit-in Massacre“ als auch zur Blockade von Protesten genutzt wurde, wird durch Alhassans Kunst zu einem Symbol gegen die Einschränkung der Bewegungs- und Meinungsfreiheit.
„The Queer Muslim Project (TQMP)“ erhält den Digital Deal Award 2024 für seine herausragende Arbeit in der LGBTQIA+ Gemeinschaft Asiens. Digitale und kulturelle Plattformen werden genutzt, um schädliche Stereotype zu bekämpfen und queeren Storyteller*innen eine Stimme zu geben. Der Award würdigt TQMPs innovative Nutzung digitaler Medien und seine Programme wie „Language is a Queer Thing“ und das „QueerFrames Screenwriting Lab“, um sozialen Wandel zu fördern und Menschenrechte zu verteidigen.
Auch ausgestellt werden „Heating Season“ von Vasya Dmytryk, wo mit einem „Tracegraph“ aus beweglichen Magneten mechanische sowie menschliche Spuren erzeugt werden, um die Beziehung zwischen industriellen Systemen und natürlicher Umwelt zu untersuchen. Paribartana Mohanty nutzt bei „Immersive Sky Experience“ maschinelles Lernen, um Klimaveränderungen in der Küstenregion Odisha künstlerisch darzustellen und die Bedrohung durch Umweltkatastrophen zu verdeutlichen. „Nanna Lagna“ von Indu Antony besteht aus einem sieben Meter langen Rock, der mit den Geschichten von Frauen aus einem Freizeitzentrum in Bengaluru, Indien, „verwoben“ ist. Wohingegen „Swimming Lesson“, eine Mockumantary von Vardit Goldner, den Mangel an Schwimmbädern für Beduinen in der Negev-Region Israels und die daraus resultierenden Gefahren durch Wasserknappheit und Klimawandel thematisiert.
Komplementiert werden die Projekte und Performances mit einem Panel am Donnerstag um 13 Uhr auf der Lecture Stage und so einer tieferen Auseinandersetzung mit den gezeigten Werken. Die Keynote „The Artists at Risk (AR) and Ecologists at Risk (ER) programs and the new emergencies“ von Marita Muukkonen thematisiert den zunehmenden Machtgewinn autokratischer Führer weltweit, der zu einer Schwächung der Menschenrechte führt und fragt, wie Künstler*innen und Kunstinstitutionen aktiv gegen diese antidemokratischen, autoritären und ökologisch destruktiven Kräfte vorgehen und Widerstand leisten können. Des Weiteren werden unter anderem Rafiul Alom Rahman, Nina Bulgakova und Kamya Ramachandran auf der Bühne stehen und diskutieren, wie Künstler*innen trotz und wegen existenzbedrohender Umstände ihre Kunst artikulieren können.
Ausgewählte Projekte von State of the ART(ist) werden im Rahmen des Ars Electronica Festival 2024 in der POSTCITY zu sehen sein. Tickets sind hier erhältlich. Alle ausgezeichneten Projekte werden außerdem ab sofort in einer virtuellen Kunsthalle präsentiert.