Was sagt die Wissenschaft zur Klimakrise?
Woran denkst du, wenn du an die Klimakrise denkst? Schließe für fünf Sekunden die Augen. Welche Bilder siehst du? Überschwemmungen, Dürre, warnende Wissenschafter*innen, kaputte Getreidefelder, Statistiken mit roten Linien, demonstrierende Kinder und Jugendliche, Waldbrände, ein Eisbär auf einer schmelzenden Eisscholle, Zeitungsausschnitte, diskutierende Politiker*innen – oder etwas ganz anderes?
Was wir mit der Klimakrise verbinden, ist unterschiedlich. Sie betrifft alle Teile der Welt, alle Lebens- und Gesellschaftsbereiche und damit uns selbst auf ganz verschiedene Arten. Gemeinsam haben sie ihren Auslöser: die menschengemachte Erderhitzung. Darüber ist sich die Wissenschaft einig.
Über die gesamte Erdzeit hat sich das Klima immer wieder verändert. Lenkrad ist dabei vor allem die Sonnenstrahlung: Trifft sie auf die Erde, wird ein Teil davon reflektiert und ein Teil an der Erdoberfläche in Wärmestrahlung umgewandelt. Diese Wärmestrahlung wird am Weg zurück ins All zum Teil von Gasen in der Erdatmosphäre aufgehalten – den Treibhausgasen: zum Beispiel Kohlendioxid (CO2), Methan (CH4) oder Lachgas (N2O). Ohne diesen natürlichen Treibhauseffekt, der die Temperaturen auf der Erdoberfläche auf durchschnittliche 15 °C statt -18 °C anhebt, wäre die Erde vereist und kein Leben wie wir es kennen möglich. Ändert sich, wie viel Sonnenstrahlung auf der Erde ankommt, wie viel davon wieder reflektiert wird, oder wie viel von der umgewandelten Wärmestrahlung in der Atmosphäre aufgenommen wird, ändert sich auch das Klima. Solche Veränderungen fanden in der Vergangenheit meist über lange Zeiträume von Tausenden oder Hunderttausenden Jahren statt.
Neu ist, dass der Mensch das Klima beeinflusst – und die Erhitzung passiert dadurch in rasanterer Geschwindigkeit als je zuvor: Seit der Industrialisierung, also in nur etwa 200 Jahren, ist die globale Durchschnittstemperatur bereits um 1,1 °C angestiegen – in Österreich mit plus 2 °C knapp doppelt so stark. Diese Erhitzung ist eindeutig vom Menschen verursacht: Vor allem die Verbrennung von fossilen Energieträgern wie Öl, Kohle und Gas pumpt gefährliche Mengen an Treibhausgasen in die Atmosphäre, allen voran CO2. Aber auch industrielle Prozesse, wie etwa die Herstellung Zement verursachen CO2. Ebenso entstehen Treibhausgase in der Landwirtschaft, etwa durch die Zerstörung von Wäldern oder Mooren, die gespeichertes CO2 freisetzt, durch Rinderhaltung, die Methan verursacht, oder durch die Düngung großer Flächen, die Lachgas erzeugt. All diese Prozesse sind eng verknüpft mit unserer Wirtschaftsweise, wie wir produzieren und konsumieren: je mehr, desto drastischer steigt der Ausstoß von Treibhausgasen. Das kurbelt den Treibhauseffekt immer weiter an und heizt so die Erde auf, das Ergebnis: die Klimakrise.
Quellen:
IPCC – Climate Change 2023: Synthesis Report https://www.ipcc.ch/report/ar6/syr/downloads/report/IPCC_AR6_SYR_FullVolume.pdf
CCCA – Factsheet #35 2021 https://ccca.ac.at/fileadmin/00_DokumenteHauptmenue/02_Klimawissen/FactSheets/35_temperaturentwicklung_in_oesterreich_202110.pdf
Welche Folgen hat die Klimakrise?
Machen ein paar Grad mehr tatsächlich einen Unterschied? Alle, die schon einmal das Haus ohne Regenschirm verlassen haben, wissen, wie schnell das Wetter umschlagen kann. Gerade an Tagen, an denen man keinen Pullover im Rucksack hat, kühlt es plötzlich um 6° C ab. Ganz anders beim Klima: Während sich das Wetter innerhalb weniger Stunden ändern kann, beschreibt das Klima den mittleren Zustand der Atmosphäre in einem bestimmten Gebiet über eine längere Zeitspanne von Jahrzehnten, Jahrhunderten oder Jahrtausenden hinweg. Sinkt die etwa globale Durchschnittstemperatur um 6° C, reicht auch der Pullover nicht – man steckt mitten in einer Eiszeit.
Kleine Änderungen im Klima machen also einen gewaltigen Unterschied, mit schwerwiegenden Folgen. Steigen die globalen Temperaturen, kann sich das lokal unterschiedlich auswirken: Extreme Hitze, genauso wie unerwartete Kälteeinbrüche. Starkregen, aber auch immer längere Dürreperioden werden häufiger. Die Klimakrise zeigt das bereits deutlich, auch in Österreich: Wetterextreme nehmen zu. Im Sommer folgt ein Hitzetag dem nächsten, eine Tropennacht der anderen. Der Forstwirtschaft machen zunehmend Borkenkäfer zu schaffen, der Landwirtschaft mangelt es chronisch an Regen, dem Tourismus an Schnee. Wenn der Niederschlag dann doch kommt, kommt er immer häufiger im katastrophalen Ausmaß. Wir erleben mittlerweile alle elf Jahre ein Hochwasser, das statistisch gesehen nur einmal in 100 Jahren stattfinden sollte.
Die Klimakrise ist kein Zukunftsszenario, wir stecken mittendrin. Was wir in Österreich bisher zu spüren bekommen, ist aber nur ein winziger Teil. Weltweit werden Extremwetterereignisse häufiger und heftiger. Durch den steigenden Meeresspiegel werden manche Küstenregionen bereits jetzt unbewohnbar. Am stärksten von der Klimakrise betroffen sind Länder des Globalen Südens: Extreme Hitze, Dürren und Wasserknappheit zerstören Lebensraum und Lebensgrundlage der Menschen. Weltweit leben über drei Milliarden Menschen in Gebieten, die durch die Klimakrise stark gefährdet sind.
Dazu kommt, dass sich die Effekte der Klimakrise selbst verstärken können: Schmelzen etwa große Eisflächen ab, wird weniger der eintreffenden Sonnenstrahlung reflektiert und die Erdoberfläche deutlich stärker erhitzt. Dadurch schmilzt wiederum mehr Eis – ein Teufelskreis. Werden dabei kritische Schwellen erreich, kann sich das Klimasystem schnell und drastisch ändern. Sind solche Kipppunkt einmal überschritten, lassen sie sich nicht mehr rückgängig machen. Erreicht die Erderhitzung über 1,5 °C, wird es deutlich wahrscheinlicher, dass wir mehrere Kipppunkte überschreiten.
Machen wir weiter wie bisher, steuern wir selbst mit den weltweit bereits zugesagten Klimaschutzmaßnahmen bis zum Ende des 21. Jahrhunderts auf einen Temperaturanstieg knapp 3 °C*zu. Das würde die Folgen, die wir jetzt schon spüren, drastisch verschärfen. Deshalb gilt es schnell und effektiv zu handeln, um die Klimakrise einzudämmen und die Erderhitzung zu begrenzen.
Quellen:
IPCC – Climate Change 2022: Impacts, Adaptation and Vulnerability. https://www.ipcc.ch/report/ar6/wg2/downloads/report/IPCC_AR6_WGII_FullReport.pdf
UNEP – Emissions Gap Report 2023 https://www.unep.org/resources/emissions-gap-report-2023; *Anm.: jährlich erscheinender Report – Aktualisierungen vorbehalten
Was kann die Klimakrise aufhalten?
Um die Klimakrise und ihre Folgen einzudämmen, gilt es, die steigenden Temperaturen rasch zu bremsen. Dabei gibt es viel zu tun. Die Weltgemeinschaft hat sich im Pariser Klimaabkommen dazu verpflichtet, die Erderhitzung auf 2° C im Vergleich zum vorindustriellen Niveau zu begrenzen – und sich anzustrengen, Temperaturen nicht über 1,5° C steigen zu lassen. Denn schon ein halber Grad macht einen enormen Unterschied.
Um das zu erreichen, muss der weltweite Ausstoß von Treibhausgasen so schnell wie möglich drastisch reduziert werden: bis 2030 um rund die Hälfte, bis 2050 auf (Netto-)Null. Die wissenschaftliche Grundlage dafür und wirkungsvolle Wege, die zu diesen Zielen führen, liefert der Weltklimarat (IPCC) in seinen regelmäßigen Berichten. Was zu tun ist, ist damit klar – getan wird aber immer deutlich zu wenig: Mit den bisher gesetzten Maßnahmen überschreiten wir das 1,5 °C-Ziel wahrscheinlich noch in diesem Jahrzehnt.
Unzählige Lösungen, um unsere Emissionen zu reduzieren, liegen bereits auf dem Tisch. Aber wo anfangen? Am besten dort, wo besonders große Mengen an Treibhausgasen in die Luft gepumpt werden. Der Ausstoß von CO2 ist enorm ungleich verteilt: Historisch tragen einige wenige Industrieländer die Hauptverantwortung für die Klimakrise – allen voran die USA und die Europäische Union. Um ihren Beitrag zur Reduktion des globalen Treibhausgas-Ausstoßes zu leisten, hat sich die Europäische Union deshalb verpflichtet, bis 2050 klimaneutral zu werden. Gelingen kann das, indem fossiles Öl, Kohle und Gas durch erneuerbare Energien ersetzt werden. Konkret bedeutet das: Besonders Wind- und Solarkraft und die dafür notwendige Infrastruktur müssen rasch und flächendeckend ausgebaut werden. Damit erneuerbare Energien auch überall eingesetzt werden können, müssen viele Bereichen auf elektrische Energie umsteigen – also elektrifiziert werden. Von unseren Heizungen durch den Umstieg auf Wärmepumpen bis hin dazu, Stahl mit Strom statt Kohle einzuschmelzen. Und da die nachhaltigste Energie immer noch jene ist, die wir gar nicht verwenden, muss auch der Gesamtenergieverbrauch gleichzeitig reduziert werden.
Politik, Wirtschaft und wir alle sind nicht ohnmächtig gegenüber der Klimakrise. Einerseits gibt es für jeden Wirtschafts- und Lebensbereich ganz konkrete Maßnahmen, die verhindern, dass sich die Klimakrise in Zukunft verschärft. In der Mobilität braucht es etwa Autos mit Elektro- statt Verbrennermotoren, einen starken Fokus auf Güterzüge statt LKWs und Flugzeuge und einen intensiven Ausbau des öffentlichen Verkehrs. In der Industrie gilt es, zu elektrifizieren, die Effizienz zu steigern, Kreislaufwirtschaft fix zu verankern und CO2-Neutralität in den Prozessen mitzudenken. Gebäude müssen saniert und gedämmt werden, um ihren Energieverbrauch zu senken. Andererseits gibt es Maßnahmen, die die Auswirkungen der Klimakrise lindern: Hierzulande sind das etwa Entsiegelung, Bodenschutz und Renaturierung, die die Auswirkungen zukünftiger Starkregenfälle eindämmen. Den möglichen Weg für Österreich, das EU-Klimaziel zu erreichen, zeichnet der Nationale Energie- und Klimaplan (NEKP). Um diesen Weg tatsächlich zu gehen, braucht es konkrete politische Entscheidungen.
Quellen:
Link zu Grafik von Our World In Data, die die Summe der Emissionen seit Industrialisierung zeigt: https://ourworldindata.org/grapher/cumulative-co-emissions