Klimaschutz als Wirtschafts-Turbo?
Klimaschutz steht nicht im Widerspruch zur Zukunft der Wirtschaft. Er ist langfristig sogar die Voraussetzung dafür. Aber von vorn.
Basis unserer Wirtschaftsweise und damit des heutigen westlichen Wohlstands und dessen Bedrohung haben dieselbe Wurzel: fossiles Öl, Kohle und Gas. Vergangene Wellen der Industrialisierung basierten zentral auf der Nutzung dieser fossilen Energieträger. Diese Abhängigkeit befeuert heute nicht nur die Klimakrise, sondern birgt Risiken für Wirtschaft und Sicherheit. Für die Wirtschaft ist deshalb ein neues Zeitalter der Industrialisierung angebrochen: die Ökologisierung.
Die Ökologisierung nimmt global Fahrt auf. Sie zielt ab auf einen massiven Ausbau erneuerbarer Energien und eine breitflächige Elektrifizierung von Prozessen in allen Sektoren. Von fossilen Energieträgern abzukommen und auf erneuerbare Energiequellen umzusteigen, steht dabei im Vordergrund. Neben der Reduktion von Treibhausgasen, um die Klimakrise einzudämmen, birgt die Ökologisierung weitere enorme Vorteile.
Allein eine zukunftsorientierte Industriepolitik kann die Wertschöpfung in Europa bis 2050 um 3,3 Prozent erhöhen und 2,5 Millionen zusätzliche Arbeitsplätze schaffen. Jeder investierte Euro in ausgewählte Maßnahmen zur Ökologisierung der Industrie bringt in Europa langfristig fünf Euro mehr Wirtschaftsleistung. Besonders die Produktion grüner Schlüsseltechnologien zur Produktion, Speicherung und Nutzung erneuerbarer Energien birgt steigendes Potential: Würden Elektroautos, Photovoltaik, Windkraftanlagen, Batterien und elektrische Motoren in der Europäischen Union erzeugt, anstatt sie zu importieren, wäre die Wirtschaftsleistung bereits 2020 um rund 18 Milliarden Euro höher.
Ein ambitionierter Umbau sichert also nicht nur eine lebenswerte Zukunft, sondern zahlt sich auch für Wirtschaft und Arbeitsmarkt aus. Europa und auch Österreich stehen dabei jedoch noch am Anfang. Um bei der Ökologisierung rasch voranzukommen, braucht es vor allem Investitionen in die Produktion und den Ausbau von Zukunftstechnologien und Planungssicherheit: Klare Rahmenbedingungen und gesetzliche Vorgaben für den Umbau, insbesondere für Technologien. Je ambitioniert dieser Umbau fortgeführt wird, desto größer die Chancen, die daraus entstehen.
Weiterlesen:
KONTEXT-Analyse „EU: Ökologisierung der Wirtschaft bringt Sicherheit, Unabhängigkeit und Wohlstand“ https://kontext-institut.at/inhalte/konklusio-eu-oekologisierung-der-wirtschaft/
Was hat mein Strom mit Unabhängigkeit zu tun?
Die Abhängigkeit von fossilem Öl, Kohle und Gas schadet nicht nur dem Klima. Sie bedeutet auch große Unsicherheit. Zudem sind fossile Energieträger ineffizient und teuer.
Spätestens der russische Angriffskrieg auf die Ukraine hat gezeigt, wie rasant die Preise fossiler Energieträger ansteigen können – mit enorm negativen Folgen: Nicht nur Strom und Heizen wurden für die Bevölkerung und Unternehmen plötzlich deutlich teurer. Steigen die Energiepreise, steigen auch die Preise für alle anderen Produkte und Dienstleistungen. Fossile Energien bergen also große Unsicherheit für die gesamte Gesellschaft und Wirtschaft.
Das liegt unter anderem daran, dass fossile Energieträger in Österreich fast gänzlich importiert werden. Auch die Importabhängigkeit der Europäischen Union etwa bei Gas lag im Jahr 2023 bei 90 Prozent. Das bedeutet nicht nur große geopolitische und wirtschaftliche Abhängigkeit von anderen Ländern. Es heißt auch, dass Wirtschaftsbereiche, die an fossile Energie gekoppelt sind, besonders empfindlich auf externe Schocks reagieren: Ein Gaspreisschock ähnlich jenem zu Beginn des russischen Angriffskriegs in der Ukraine löst im Folgejahr über 10 Milliarden Euro Verluste in den emmissionsintensiven Sektoren Österreichs aus, wie eine Studie zeigt. Sektoren, die vermehrt auf fossilen Energieträgern beruhen, sind also wesentlich anfälliger dafür, Wertschöpfung und Arbeitsplätze in solchen Krisensituationen einzubüßen. Sektoren, die weniger von fossilen Energieträgern abhängig sind, sind deutlich widerstandsfähiger.
Aber nicht nur in Krisenzeiten bedeuten fossile Energieträger hohe Energiepreise und damit auch Wettbewerbsnachteile: Nach Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine war fossiles Gas in Europa zwar sogar fünfmal so teuer wie in den USA. Aber auch schon im Schnitt 2011–2019 lag der Gaspreis doppelt so hoch.
Dazu kommt, dass fossile Energieträger enorm ineffizient sind: Fast drei Viertel ihrer weltweit eingesetzten Primärenergie gehen durch die Umwandlung in nutzbare Energie – etwa von Öl und Gas zum Heizen und als Motoantrieb – verloren. Erneuerbare Energien sind wesentlich effizienter, da sie in den meisten Fällen ohne Umwandlungsprozesse direkt genutzt werden können.
Der Ausstieg aus fossilen Energieträgern bremst nicht nur die Klimakrise. Er sorgt lang- und kurzfristig auch für mehr Sicherheit und Unabhängigkeit, stabilere Preise und Effizienz. Deshalb stehen der Ausbau erneuerbarer Energien und die Elektrifizierung von Prozessen im Kern der Ökologisierung von Wirtschaft und Gesellschaft. Hier gilt es das Tempo in Europa und Österreich deutlich hochzuschrauben.
KONEXTxWIIW-Studie: https://kontext-institut.at/inhalte/preisschocks-fossile-energie/
KONTEXT-Analyse https://kontext-institut.at/inhalte/konklusio-eu-oekologisierung-der-wirtschaft/
Paper „Estimating the global waste heat potential“ https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S1364032115015750?via%3Dihub
Geht’s dem Klima gut, geht’s uns allen gut?
Klimaschutz hilft nicht nur dem Klima. Maßnahmen, die den Ausstoß von Treibhausgasen reduzieren, aber auch solche, die die Folgen der Klimakrise eindämmen, wirken sich enorm positiv auf unser Leben aus: Sie unterstützen unsere Gesundheit, senken Kosten und lassen unsere Lebensqualität insgesamt steigen.
Wird fossiles Öl, Kohle und Gas verbrannt, heizt das nicht nur das Klima an. Auch die Luftverschmutzung, die dadurch entsteht, ist enorm. Die Folge: Das Risiko für Atemwegserkrankungen, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, aber auch Krebs steigt. Gleichzeitig haben auch die Folgen der Klimakrise negative Auswirkungen auf unsere Gesundheit. Extreme Hitze kann nicht nur nicht nur zu Herz-Kreislauf-Problemen führen, sondern auch zum Tod. Besonders stark wirken sich hohe Temperaturen auf Kinder, ältere Menschen und Personen mit Vorerkrankungen aus. Effektiver Klimaschutz bremst die gesundheitlichen Auswirkungen der Klimakrise und verbessert die Luftqualität erheblich. Aber nicht nur das: Durch den Umstieg auf Elektromobilität und öffentlichen Verkehr sinkt die Lärmbelastung. Steigen wir anstatt ins Auto öfter aufs Fahrrad oder gehen zu Fuß, hält uns die zusätzliche Bewegung fit. Und stehen in der Stadt mehr Bäume, führt das zu lokaler Kühlung und einer besseren Aufenthaltsqualität im Freien. Nicht nur draußen, auch drinnen verbessert sich unser Leben: Wir verbringen einen großen Teil unseres Alltags in Gebäuden. Auch das Raumklima hat erheblichen Einfluss auf unsere Gesundheit. Sanieren und dämmen wir unsere Gebäude, können wir es verbessern – und gleichzeitig die Energiekosten deutlich senken. Steigt die Effizienz beim Energieverbrauch, sind Heizungs- und Stromrechnungen niedriger. Die Umstellungen auf erneuerbare Energie und Heizsysteme schafft außerdem Jobs, gerade im Bereich der kleineren und mittleren Betriebe, und macht uns unabhängig von Regimen wie in Russland.
Die Klimakrise trifft uns alle. Aber nicht alle gleich. Das zu berücksichtigen ist notwendig, damit Klimaschutz allen zugutekommt. Gerade Menschen jener Länder, die historisch kaum zur Klimakrise beigetragen haben, spüren ihre Folgen gewaltig. Aber auch innerhalb Österreichs sind die Verantwortungen und Lasten der Klimakrise ungleich verteilt. Während der wohlhabende Teil der Bevölkerung etwa durch mehr Konsum, höheren Energieverbrauch und mehr Mobilität die Klimakrise befeuert, treffen die Folgen ärmere Menschen härter. Wer etwa in einer kleinen Wohnung wohnt, oder im freien auf der Baustelle arbeitet, dem macht die Hitze im Sommer deutlich stärker zu schaffen als jemandem mit Garten und einem Job im gekühlten Büro. Auch Frauen sind überproportional stärker von den Folgen der Klimakrise betroffen. Diese ungleiche Verteilung gilt es mitzudenken: Auf globaler Ebene durch eine faire Verteilung der Beiträge zur Reduktion des globalen Treibhausgasausstoßes genauso wie finanzielle Unterstützung, um die Kosten der Klimawandelanpassungen in ärmeren Ländern zu ermöglichen. Auf der Ebene von Österreich etwa durch Maßnahmen in der Stadtplanung, die die Folgen der Klimakrise wie etwa extreme Hitze für alle mildern – z. B. durch mehr Grünflächen. Gleichzeitig muss es allen gleichermaßen möglich sein, auf klimafreundliche Alternativen umzusteigen: Dazu ist es etwa notwendig, öffentlichen Verkehr flächendeckend und kostengünstig auszubauen und den Heizungstausch auch finanziell zu unterstützen.
Klimaschutz ist also nicht nur notwendig, um unser aller Lebensgrundlage auf diesem Planeten auch für die Zukunft abzusichern. Er ist auch eine Chance, unsere Lebensqualität zu steigern und diese Zukunft gesünder und gerechter zu gestalten.