Was bremst Klimaschutz?
Der Werkzeugkoffer für effektiven Klimaschutz liegt bereit. An welchen Stellschrauben gedreht werden muss, wissen wir längst: erneuerbare Energien ausbauen, elektrifizieren, öffentlichen Verkehr ausbauen, die Effizienz in der Industrie steigern, Öl- und Gasheizungen tauschen – und vieles mehr. Trotzdem werden die dafür notwendigen politischen und wirtschaftlichen Entscheidungen oft hinausgezögert, während sich die Lage verschärft. Kurz: Klimaschutz wird verschleppt.
Gehört haben wir das alle schon einmal: „Eigentlich muss doch China anfangen, Österreich kann gar nicht so viel beitragen.“ Die Vorteile von Klimaschutz und die historische Verantwortung werden dabei meist verschwiegen. „Bei zu viel Klimaschutz wandert die Wirtschaft ab.“ Dass die Ökologisierung der Wirtschaft tatsächlich die Wettbewerbsfähigkeit steigert und Arbeitsplätze schafft, bleibt unerwähnt. „Eines Tages werden Autos sowieso mit E-Fuels im Tank fahren.“ Dabei sind E-Fues im Tank ineffizient und teuer.
Solche Verschleppungstaktiken sind vielseitig. Wer sie anwendet, leugnet die Klimakrise nicht. Stattdessen wird die Verantwortung zum Klimaschutz auf andere Ebenen verschoben, vermeintliche Nachteile von Klimaschutz werden in den Vordergrund gerückt oder – oft technische – Scheinlösungen präsentiert. Gemeinsam haben die Verschleppungstaktiken, dass sie vorhandene Unsicherheiten, aber auch berechtigte Sorgen in Bezug auf die Klimakrise verstärken und mit Desinformation vermischen.
Mit steigender medialer Aufmerksamkeit für Klimathemen ändert sich auch in Österreich die klimapolitische Debatte: Die Existenz der Klimakrise oder klimawissenschaftliche Erkenntnisse stehen derzeit weniger im Fokus. Vielmehr wird über konkrete Maßnahmen, Gesetze oder Ziele diskutiert. Während manche Akteur:innen mehr Klimaschutz und schnelleres Handeln fordern, werden auch hierzulande von einigen konkrete Entscheidungen und Maßnahmen verschleppt.
Die Gefahr der Verschleppungstaktiken: Sie sind schwer zu erkennen. Auch wenn nur manche sie bewusst anwenden, werden die Argumente von vielen unbewusst übernommen. Das führt dazu, dass Positionen in der klimapolitischen Debatte einzementiert werden und kaum jemand bereit ist, konkrete Entscheidungen zu treffen. Die Umsetzung von Maßnahmen gerät ins Stocken, der Umbau wird verhindert. Um zu einer konstruktiven Debatte zurück- und klimapolitisch voranzukommen, ist es notwendig, Verschleppungstaktiken zu erkennen und zu entkräften – oder ihnen vorzubeugen .Denn am effektivsten ist es, wenn sie sich erst gar nicht in der klimapolitischen Debatte festsetzen können.
Weiterlesen:
KONTEXT-Analyse: Wie Klimaschutz verschleppt wird https://kontext-institut.at/inhalte/verschleppung-klimaschutz-konklusio/
KONTEXT-Analyse: Klimadiskurs-Monitoring 2023 https://kontext-institut.at/inhalte/kontextanalyse-klimadebatte/
Sind Technologien das Allheilmittel?
Die meisten Technologien, die für die notwendige Emissionsreduktion gebraucht werden, haben wir bereits: Windkraft und Photovoltaik, Batterien, Wärmepumpen oder Elektro-Fahrzeuge. Um die Transformation möglichst rasch voranzubringen, müssen sie ausgebaut und überall dort eingesetzt werden, wo sie Öl, Kohle und Gas ersetzen können.
Politisch und wirtschaftlich werden jedoch häufig Technologien beworben, die noch nicht marktreif oder nur für Nischen geeignet sind. Ihre Anwendungsmöglichkeiten werden dafür stark überzeichnet. Solche Technik-Trugbilder führen dazu, dass der Ausbau jener Technologien verschleppt wird, die schon erprobt und einsatzbereit sind. Die Folge: Öl, Gas und Kohle bleiben weiter im Einsatz. Das zeigen etwa die Debatten um Verbrennermotoren oder Heizen.
Wird zum Beispiel versprochen, dass eines Tages grünes Gas durch die Heizungsrohre fließt, bleibt der Heizungstausch aus. Dabei sind Wärmepumpen fünfmal effizienter als Heizen mit Wasserstoff. Wird angeregt, dass Verbrennermotoren auch mit E-Fuels betankt werden sollen, wird der Umstieg auf Elektro- und öffentliche Mobilität verlangsamt. Tatsächlich ist der Einsatz von E-Fuels für Autos aber ineffizient: Nur rund 13 Prozent der zugeführten Energie können zum Fahren genutzt werden. Bei einem Elektroauto sind es hingegen mehr als zwei Drittel. Teurer als ihre jeweiligen nachhaltigen Alternativen sind E-Fuels und Wasserstoff obendrein.
Es gibt durchaus Bereiche, in denen Wasserstoff und E-Fuels keine Trugbilder sind, sondern ganz konkrete Lösungen. Und zwar dort, wo verlässliche Alternativen fehlen: Etwa im Flug- und Schiffsverkehr, oder in der Industrie. Werden die Brennstoffe jedoch in ineffizienten Bereichen wie Heizen oder individueller Mobilität eingesetzt, nimmt das Industriebetrieben die verfügbaren Ressourcen und somit die einzige Möglichkeit, ihre Produktionsprozesse klimaneutral zu gestalten.
Für einen effizienten Einsatz von Technologien braucht es also Technologieklarheit. Dabei geht es darum zu differenzieren und sich am wissenschaftlichen Konsens zu orientieren: Jene Technologien, die marktreif und breitentauglich sind, wie erneuerbare Energien, Wärmepumpen und Elektromobilität, brauchen gesetzliche Grundlagen und Investitionen, um sie jetzt auszubauen und zu skalieren. Viele weitere Technologien sind zwar einsetzbereit, aber nicht in allen Anwendungen sinnvoll (E-Fuels und Wasserstoff). Die Ressourcen für ihre Herstellung sind nur begrenzt verfügbar, die Herstellungsprozesse oft kostspielig und mit Energieverlusten verbunden. Sie sollten deshalb fokussiert dort eingesetzt werden, wo es bisher keine Alternativen gibt. Zusätzlich braucht es Forschung und Entwicklung, um Technologien, die heute noch in den Kinderschuhen stecken – oder noch nicht einmal existieren – in Zukunft in Betracht ziehen zu können. Um möglichst effizient mit der produzierten erneuerbaren Energie umzugehen, ist es notwendig, den Gesamtenergieverbrauch zu senken und entsprechende Begleitmaßnahmen zu ergreifen: Sanierungen von Gebäuden und der Ausbau von kostengünstigem öffentlichem Verkehr in der Mobilität sind dafür unabdingbar.
Weiterlesen: KONTEXT-Analyse Mit Technologieklarheit gegen Trugbilder https://kontext-institut.at/inhalte/konklusio-technologieklarheit/
Geht Klimaschutz auch schneller?
Wir sind spät dran, das Haus brennt. Die gute Nachricht: Wir sind noch nicht zu spät. Jeder Feuerlöscher verhindert, dass sich das Feuer weiter ausbreitet, jede Brandmauer schützt uns vor Verbrennungen. Mit allem, was wir jetzt gegen die Klimakrise tun, verhindern wir, dass sie sich weiter verschärft, dämmen ihre Folgen ein und machen es möglich, eine lebenswerte Zukunft zu bauen. Aber wie kommen wir raus aus verfahrenen Positionen, hin zu einem konstruktiven Dialog – und am wichtigsten: ins Tun?
Bei vielen klimapolitischen Maßnahmen ist sich die Wissenschaft längst einig – das gilt es hervorzuheben. Zum Beispiel bei E-Fuels: Sie sind in der Herstellung zu teuer und ineffizient und gleichzeitig in zu geringen Mengen verfügbar, um die Versorgung in allen Sektoren abzudecken. Während sie im Tank eines Autos also ungeeignet sind, werden sie dort gebraucht, wo es keine anderen Möglichkeiten gibt.
Wissenschaftlicher Konsens kann aber nur die Basis für eine klimapolitische Debatte bilden. Wichtig ist auch, berechtigte Sorgen, aber auch Hoffnungen rund um die Klimakrise zu adressieren. Die Folgen der Klimakrise und die schiere Dimension davon, was zu tun ist, machen Angst. Wenn diese Angst lähm, Verdrängung oder Panik auslöst, wird konsequentes, rasches Hadeln unmöglich. Damit das nicht passiert, brauchen wir einen Ausblick, welche Zukunft wir mit effektivem Klimaschutz bauen können. Mit einer positiven Vision setzt sich jeder Baustein leichter – egal, wie groß der Baustein ist.
Klar muss uns auch sein: Die eine perfekte Lösung gibt es nicht. Den großen Umbau hin zu einer klimafreundlichen Gesellschaft und Wirtschaft können wir nur bewerkstelligen, wenn wir an vielen Stellschrauben gleichzeitig drehen und unterschiedliche Hebel setzen: etwa ein klarer politischen Rahmen, die notwendige Infrastruktur, Investitionen oder Steuern, um sie zu finanzieren. Erst die Kombination an unterschiedlichen Bausteinen bringt den Umbau voran. Teil der Maßnahmenplanung sollten auch die Verteilung von Verantwortung, soziale Gerechtigkeit und die Möglichkeiten und Grenzen von Lösungen sein. Und ganz essentiell auch all jene Vorteile, die Klimaschutz für die Gesellschaft bringt. Anstatt die Aufmerksamkeit auf negative Aspekte von Klimaschutz zu lenken und Zweifel an der Machbarkeit zu schüren, kann so gezeigt werden: Es ist nicht nur notwendig, sondern auch eine große Chance, die Klimakrise einzudämmen.
Dann kann es auch schnell gehen. An sogenannten Kipppunkten kommt es in kurzer Zeit zu weitreichender Veränderung. Die Klimakrise droht, sich an negativen Kipppunkte zu beschleunigen: Schmelzen etwa große Eismassen ab, verschärft sich die Lage rapide und drastisch. In der Gesellschaft können jedoch positive Kipppunkte die notwendigen Dynamiken für rasches Handeln anstoßen. Die kritische Masse, die in der Gesellschaft von einer Veränderung überzeugt sein muss, damit sie eintreten kann, ist klein. Ist sie einmal erreicht, können auch kleine Schrauben, kleine Hebel zum richtigen Zeitpunkt große Wirkung zeigen.