Ko-Kuratorin der Themenausstellung
Olga Tykhonova (UA)
Für die Dauer des Festivals bewohnt diese Ausstellung die Architektur des POSTCITY-Bunkers und wird zum gemeinsamen Raum, zu einer Begegnungszone. Sie bildet das Bühnenbild für philosophische, sinnliche und emotionale Reisen durch Forschungsfelder und mitten hinein in künstlerische Fragestellungen. Sie zeigt auch, wie Ars Electronica durch konstruktive, verbindliche Zusammenarbeit kollaborative Partnerschaften aufbaut und umsetzt.
Diese weitläufige Reise durch das unterirdische Betonlabyrinth gliedert sich in fünf Teile. Auf den Prolog im Eingangsbereich des Festivals folgt der Abstieg in den Untergrund, wo drei Kapitel den verwinkelten Wegen der Bunkerarchitektur folgen. Die Expedition endet mit einem Epilog, bevor die Reisenden aus den Tiefen der POSTCITY an die Oberfläche zurückkehren.
POSTCITY, Basement
MI 4. Sept. – SO 8. Sept. 2024
Eintritt mit FESTIVALPASS+, FESTIVALPASS, TAGESPASS, POSTCITY Ticket
Artist Spotlight
Im Rahmen der diesjährigen Themenausstellung laden wir die Besucher*innen ein, in vier ausgewählten Räumen durch die Brille der Künstlerinnen Tega Brain, Anab Jain von Superflux, LaJuné McMillian und dem Kollektiv Time’s Up zu schauen. Die Artist Spotlights, die mit einer spezifischen Frage beginnen, führen uns an den Schnittpunkt von Denkweisen, Arbeitsweisen und Möglichkeiten des Zusammenseins.
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AI and the Art of Historical Reinterpretation
Claudia Larcher (AT)
Ein Schwerpunkt dieses Projekts ist die Beseitigung geschlechtsspezifischer Verzerrungen in historischen Datensätzen, auf die KI zugreift. Durch die Erforschung der Auswirkungen, die die Nutzung historischer Daten durch KI hat, wirft das Projekt ethische Fragen auf und untersucht, wie KI Datenarchive ergänzen, umschreiben und neu interpretieren kann. Das Projekt schafft ein inklusives und vielfältiges fiktives Bildarchiv,…
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All Directions At Once
Luiza Prado (BR)
All Directions at Once ist ein webbasiertes Kunstwerk, das die Geschichte der Geburtenkontrolle in Lateinamerika erzählt. Der animierte grafische Essay basiert auf den Inputs der Benutzer*innen: Hört man auf, den Mauszeiger zu bewegen, wird die Website mit bunten, blinkenden GIFs überzogen. Bei jedem Besuch der Website entsteht eine neue Variante des Kunstwerks. *All Directions at…
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Anatomy of Non-Fact
Martyna Marciniak (PL)
Anatomy of Non-Fact beschäftigt sich mit dem Phänomen der verzerrten und überschüssigen Information im Zusammenhang mit der wachsenden Herausforderung durch KI-generierte Bilder. Die Arbeit versucht, die Ästhetik des Faktischen durch eine eingehende Analyse bekannter Fälle von visuellen Hoaxes, Fälschungen und Verschwörungen sowie durch visuelles Mapping und künstlerische Antworten zu definieren. Anatomy of Non-Fact zeigt Verbindungen…
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Anthropophagic Myths, Biopiracy and Opera in the Amazon
Klaus Spiess (AT), Emanuel Gollob (AT)
Können uns die Mythen des Amazonas Hoffnung auf neue Formen der Verbundenheit mit unserer Umwelt geben? Wir untersuchen unsere Sehnsucht nach der Natur, die sich sowohl in der kommerziellen Sammlung von Mikrobiota im Amazonasgebiet als auch in ihrer Darstellung in Opern zeigt. In unserer Installation passen sich die Wachstumsbedürfnisse der Mikrobiota und die von einem…
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Biosymbiotic Exoskeleton
Dorotea Dolinšek (SI)
In den künstlichen Atmosphären orbitaler Lebensräume zeigt sich, dass die Abhängigkeit von zahlreichen nicht-menschlichen Organismen, die unsere körperlichen Funktionen unterstützen, zu einer Dysbiose führt. Das Projekt Biosymbiotic Exoskeleton bietet einen imaginären Pakt zwischen dem Somatischen und dem Biotischen an.
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Black Movement Library
LaJuné McMillian (US)
Die Projekte Movement Portraits und Spirit and Child der Black Movement Library zeigen die Entwicklung der künstlerischen Praxis von LaJuné McMillian, die Performance und Extended-Reality-Tools verbindet, um verkörperte Schwarze Realitäten zu feiern und zu erforschen.
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Cascade
Marc Vilanova (ES)
Wasserfälle senden Infraschall aus, der für die Navigation von Zugvögeln unerlässlich ist, obwohl er für uns nicht hörbar ist. Menschlicher Lärm bedroht diese Navigation. Cascade versucht, den Infraschall von Wasserfällen mit Lautsprechern zu reproduzieren, die diese tiefen Frequenzen nicht übertragen können. Durch diese Fehlfunktion entstehen Vibrationen, die eine Glasfaser aktivieren, durch die der Klang „fällt“.…
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Cold Call: Time Theft as Avoided Emissions
Sam Lavigne (US), Tega Brain (AU)
Cold Call: Time Theft as Avoided Emissions ist ein unkonventionelles CO2-Kompensationsprogramm, das Methoden der Arbeiter*innensabotage auf die fossile Brennstoffindustrie überträgt.
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Compost as Superfood
masharu studio (NL)
Entdecken Sie die bahnbrechende Forschung von masharu studio zum Thema Compost as Superfood. Erforschen Sie das Potenzial organischer Materialien für den menschlichen Verzehr und deren transformative Auswirkungen auf Gesundheit und Nachhaltigkeit. Begleiten Sie uns auf eine innovative Reise, die den kulturellen Dialog fördert und die Beziehung zwischen Mensch und Erde neu definiert. Wir hoffen, dass…
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Digital Ruins
Stefan Schönauer (AT)
Digital Ruins beschreibt eine Zukunft, in der wir gezwungen sind, unsere persönlichen digitalen Archive zurückzulassen. Wie gehen wir mit dem Verlust unserer wichtigsten Erinnerungen und der Trauer um, die mit der Vertreibung aus unseren digitalen Räumen einhergeht?
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Distorted Flower
Ryo Kishi (JP)
Distorted Flower untersucht das Dilemma, das durch die Verzerrung fester Konzepte entsteht. Die sich ständig verändernden Blütenblätter symbolisieren auf den ersten Blick eine solche Verzerrung, doch aus einem anderen Blickwinkel betrachtet, scheinen sie dynamisch neue Formen zu schaffen. Distorted Flower stellt die Betrachter*innen vor die Frage, ob die Verzerrungen von Stereotypen, die mit der technologischen…
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Exploration and Exploitation – AI Interactive Video
Simple Noodle Art (TW): Zi Yin Chen (TW), Hsiang Feng Chuang (TW)
Wenn Künstliche Intelligenz Informationen in sozialen Medien auf eine anbiedernde Art und Weise zuschneidet, führt dies dann zur Bildung von Filterblasen, die es Menschen mit unterschiedlichen Standpunkten erschweren, sich gegenseitig zu verstehen? Ziel dieser Arbeit ist es, zu untersuchen, ob KI soziale Spaltungen verschärft, wenn sie vor dem Dilemma steht, Menschen zu verstehen oder auszubeuten.…
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FLOCK OF
bit.studio (TH)
Die Grenze zwischen Fantasie und Realität verschwimmt, wenn Heliumballons sich in lebende Organismen verwandeln. Sensoren, Software und Physik verbinden sich zu einem Spektakel, das unsere Wahrnehmung der natürlichen Welt neu definiert.
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Fu(n)ga
Tiziano Derme (IT), Nadine Schütz (CH)
Fu(n)ga ist ein bioakustisches Raumexperiment, das die Beziehung zwischen enzymatischen Prozessen bei in Pilzen, kontrollierten Umgebungen und akustischen Schwingungen untersucht. Zum ersten Mal wird die Entstehung von Raum als metabolisches Wachstum sichtbar, das durch Temperatur, Feuchtigkeit, Luft und Schall stimuliert, vermittelt und unterstützt wird. Die Aktivität der Pilze und die Anwesenheit der Besucherinnen sind in…
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Hevea Act 6: An Elastic Continuum
Bethan Hughes (DE/GB)
An Elastic Continuum ist eine audiovisuelle Installation, die die Geschichte einer kautschukhaltigen Pflanze nachzeichnet, die besser als Kasachischer oder Russischer Löwenzahn bekannt ist. Vom Tian-Shan-Gebirge in Kasachstan zu den kollektiven Landwirtschaftsbetrieben der ehemaligen Sowjetunion, von den Gewächshäusern in Auschwitz zu den Labors multinationaler Reifenhersteller in Europa—wie macht die Reise dieser bescheidenen Pflanze die flexiblen Verbindungen…
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Human Powered Toaster
Florian Sapp (AT)
Elektrizität treibt fast alles in unserer modernen Welt an, aber nur wenige wissen, wie viel Energie alltägliche Aufgaben erfordern. Ziel dieses Projekts ist es, den Energiebedarf alltäglicher Aktivitäten greifbar zu machen und Angaben wie „100 Watt“ verständlich zu erklären. Dies wird erreicht, indem die elektrische Leistung in leichter nachvollziehbare physikalische Größen wie Entfernung und Gewicht…
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iBody & Auditory culture bring body and environment to life
Werner Jauk (AT), Laura Sophie Meyer (DE)
Interaktionen über das Symbol, Ikon und Index, stimulatives Verhalten des Körpers mit der Umwelt, erbringen unterschiedliche „Wirklichkeiten”—dies will das Projekt versteh- und erlebbar machen.Verstehendes Sehen ist die willentliche Zuordnung von Symbolen zum Gesehenen. Visuelle Kultur hat dadurch zu Machbarkeit und zum Anthropozän geführt. Erlebendes Hören ist stimulativ. Spannung—Lösung „regelt” die Interaktion des Körpers mit Umwelten…
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Iron 56
Carlos Sfeir Vottero (CL/ES)
Iron 56 lädt die Menschen ein, sich mit den grundlegenden Kräften der Natur zu beschäftigen, die das Universum organisieren und den Kern unseres Planeten formen. Von der Decke hängt eine Reihe ineinander verschlungener Kompasse, die auf den Südpol ausgerichtet sind. Die Tendenz jedes Kompasses, sich nach dem Gravitationsfeld der Erde zu orientieren, wird durch die…
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Is there
Aoi Serizawa (JP)
Is there ist ein Medienkunstwerk, das mit Wassertropfen arbeitet. Es erforscht die Realität und Materialität der Materie, indem es dem Wasser Bewegung verleiht und Formen erzeugt.
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Just asking for a friend
Time’s Up (AT)
How dare you maintain hopeful visions in times like these? Einfache Fragen sind oft die besten. Wir denken seit mehr als zwei Jahren über diese Frage nach, und sie bleibt weiterhin bedeutungsvoll. Wir wissen, dass es auf diese Frage keine endgültige Antwort gibt, aber sie löst viele Reaktionen aus. Eine unserer Antworten lautet:Ich höre von…
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La Machine à Tubes
My name is Fuzzy—Bastien Bron (CH)
LA MACHINE À TUBES verbindet Popmusik und neue Technologien zu einzigartigen Songs von Bastien Bron aka My name is Fuzzy. Er erforscht das Potenzial von Künstlicher Intelligenz für Unterhaltung und Kreativität, statt sich auf deren Auswirkungen auf die Menschheit zu konzentrieren. Die Interaktion mit dem Publikum beeinflusst die Entstehung der Songs. Diese spielerische und ironische…
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Mutualidad de Fantasmática Electrónica
Federico Gloriani (AR)
Die Installation, die aus vier Overhead-Projektoren und aufgezeichnetem Material besteht, ist das Ergebnis der systematischen Arbeit einer Gruppe von Elektronikkünstler*innen aus Rosario, Argentinien. Mutualidad de Fantasmática Electrónica (Wechselseitigkeit der elektronischen Fantasmatik) ist ein performatives und relationales Projekt, das darauf abzielt, elektronische Geräte aus städtischen Abfallcontainern zu sammeln und wiederzuverwenden. Diese zurückgewonnenen Komponenten werden in die…
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Organism + Excitable Chaos
Navid Navab (IR/CA), Garnet Willis (CA)
Die chaotischen Bewegungen von Excitable Chaos, einem dreifachen, robotergesteuerten Pendel, dirigieren die turbulenten Schwellenwerte von Organism, einer robotergesteuerten Orgel. Was in der Bewegung von Excitable Chaos zu sehen ist, ist in der kompositorischen Form von Organism zu hören, die ihre eigene sozio-historische Tonalität destabilisiert, um ihre turbulente Materialität zum Klingen zu bringen. Turbulente Transformationen von…
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Pawsitive Charge
Julia Hahnl (AT/JP)
Pawsitive Charge ist ein freches Start-up, das die einmalige Chance erkannt hat, aus einer ungenutzten Ressource Kapital zu schlagen. Mit ihrem Trio innovativer und „spielerischer“ Gadgets sind unsere Fellnasen plötzlich mehr als der beste Freund des Menschen—sie sind unsere Energielieferanten. Es ist eine verdrehte Geschichte, in der die Liebe zu unseren Hunden auf den Durst…
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Project Patching—Ti hoeh koe
Dimension Plus (TW)
Künstliche Intelligenz kann als mächtiges, subjektives Werkzeug die kulturelle Vielfalt und diskursive Kraft der Geschichtsinterpretation unterdrücken. Dieses Projekt zielt darauf ab, der Voreingenommenheit von KI entgegenzuwirken, indem die Datenbank durch die Beteiligung verschiedener Regionen vielfältiger und repräsentativer gestaltet wird. Dazu werden Daten aus unterschiedlichen kulturellen Hintergründen, geografischen Standorten und sozioökonomischen Gruppen gesammelt und integriert. So…
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Proteus 4.1
Maria Smigielska (PL/CH), CompMonks (FR/CH)
Interacting on the networked planet Proteus 4.1 hat sich zu einer webbasierten Anwendung entwickelt, die Eye-Tracking auf mobilen Geräten und eine modulare, ortsunabhängige Installation nutzt. Sie ermöglicht Interaktionen über verschiedene digitale Infrastrukturen hinweg in einem einzigen Raum. Inspiriert von Yona Friedmans Megastrukturen der Nachkriegszeit und der „Protein-Architektur“ reflektiert sie die dezentrale Natur des Internets durch…
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Rise: From One Island to Another
Kathy Jetñil-Kijiner (MH), Aka Niviâna (GL)
Zwei Inselbewohner*innen von den Marshallinseln und Kalaallit Nunaat (Grönland) begeben sich auf eine poetische Entdeckungsreise: Ihre Lebenswirklichkeiten sind durch das Schmelzen der Gletscher und den Anstieg des Meeresspiegels miteinander verbunden. Kathy Jetñil-Kijiner und Aka Niviâna nutzen ihre Poesie, um die Verbundenheit ihrer Heimatländer angesichts der Herausforderungen des Klimawandels aufzuzeigen. Dieses Video zeigt uns, wie groß…
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Solar Protocol
Tega Brain (AU), Alex Nathanson (US), Benedetta Piantella (US), Solar Protocol Collective (INT)
Solar Protocol ist ein Netzwerk von solarbetriebenen Servern, die von Freiwilligen auf der ganzen Welt installiert und gewartet werden. Diese von der Gemeinschaft betriebene und mit erneuerbarer Energie gespeiste Cloud hostet die Solar Protocol-Webplattform und andere Webprojekte und macht sie von jenem Server aus verfügbar, wo gerade am meisten Sonnenenergie verfügbar ist. Das Projekt erforscht…
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Toguna World and the Sanctuary of Dreams
Pierre-Christophe Gam (FR)
The accelerator of the Imagination Toguna World and the Sanctuary of Dreams ist eine Mixed-Media-Kunstinstallation, die virtuelle Realität, Kunst, Film und Musik kombiniert. Sie unterstützt ein Ritual des Zukunftsträumens, bei dem die Teilnehmer*innen sich wünschenswerte Zukunftsszenarien vorstellen, die von ihren innersten Wünschen inspiriert sind.
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Triangle of Sacrifice
Sonandes (BO): Guely Morató Loredo (BO), Víctor Mazón Gardoqui (ES)
Diese Arbeit zeigt die Auswirkungen des Lithiumabbaus auf die Umwelt in den Anden, wo sich 65 Prozent der weltweiten Vorkommen befinden. Die Installation besteht aus drei Skulpturen aus lokalen Mineralien, die in Echtzeit überwacht und kontinuierlich mit einem Wassertropfen-Mechanismus benetzt werden—ein Symbol für die zwei Millionen Liter Wasser, die zur Gewinnung von einer Tonne Lithiumkarbonat…
Hoffnung ist schwer zu erfassen.
Hoffnung ist weder der Glaube daran, dass alles gut war, ist, oder sein wird, noch ein Ersatz für das Handeln—vielmehr ist sie die Grundlage für das Handeln. Wir entscheiden uns für die Hoffnung. Umgeben von Mutlosigkeit und Zynismus, von Geschichtsvergessenheit und Ignoranz, entscheiden wir uns dazu, einen radikalen Perspektivenwechsel hin zu mehr Mitgefühl, mehr Menschlichkeit und mehr Gemeinschaft als Möglichkeit zu erkennen, anzuerkennen und zu entwerfen. Um Hoffnung haben zu können, ohne dabei wirklichkeitsfremd zu werden, müssen wir die Komplexität und Unsicherheit in der Welt anerkennen, die den kollektiven Wandel durch die Kraft gemeinsamen Handelns erst ermöglicht.
Die Dringlichkeit des Klimawandels führt uns vor Augen, dass wissenschaftliche Erkenntnis allein scheinbar nicht reicht, uns zum Handeln zu bewegen. Aber wenn wissenschaftliche Belege nicht reichen—was dann? Sie können ausreichen—wenn sie die Kraft entwickeln, unsere Sinne und Emotionen zu aktivieren, dann können sie das. Rebecca Solnit hat uns gewarnt: Wir müssen die Grautöne zwischen Schwarz und Weiß erkennen, um die Welt vielleicht doch in all ihren Farben sehen und so durch aktives Hoffen etwas verändern zu können. Wie können wir uns für diesen Eindrücken öffnen, die uns eine praktikable Hoffnung ermöglichen, eine Hoffnung, die eine Brücke zwischen utopischen Zukunftsvisionen und dem Handeln in der turbulenten Gegenwart schlägt? Eine wichtige Rolle—und eine viel größere als bloße rationale Argumente—spielen dabei unsere Affekte, unsere Emotionen und unser ganzer Sinnesapparat, die einen Verhaltens- und Kulturwandel grundlegend beeinflussen. Wir sind als Gesellschaft darauf angewiesen, fortlaufend neue Impulse zu bekommen. Nur durch visionären Aktionismus kann es uns gelingen, bessere (wenn nicht gar neue) und aufmerksamere Wege zu finden, uns auszutauschen und über Distanzen und Unterschiede hinweg aufregende Allianzen zu bilden.
Gegenseitige Hilfe ist einer der Schlüsselfaktoren der nicht-menschlichen Evolution, so der Evolutionsbiologe Stephen Jay Gould. Und das trotz Unterschieden, Zeitdruck und begrenzten Ressourcen, und auch nicht aus Altruismus, Berechnung, Vorteil oder einem bloßen Überlebensinstinkt—sondern aus einem tiefgreifenden, strukturellen Verständnis unserer Verwandtschaft, Verbundenheit und unseres grundsätzlich voneinander abhängigen Wohlergehens. Wie wir unsere Lebensentwürfe gestalten, hängt nicht bloß von rationalen Entscheidungen ab. Um der Zerstörung der Erde entgegenzuwirken und ein Zusammenleben zu ermöglichen, müssen wir komplexere Denkmodelle entwickeln, die über die Logik von Ursache und Wirkung hinauswachsen und auch der Poesie einen Platz in unserer Welt einräumen. Diese Kraft der Vorstellung, die die Welt neu entwirft: Die Autorin Ursula Le Guin hat uns daran erinnert, dass viele große Zivilisationen zwar das Rad nicht kannten, doch keine einzige Gesellschaft ohne das Erzählen von Geschichten auskommt. “Was andere Menschen, ob sie echt oder erfunden sind, tun und denken und fühlen—oder getan, gedacht und gefühlt haben; oder tun und denken und fühlen könnten—ist ein entscheidender Leitfaden für unser Verständnis dessen, was wir selbst sind und werden können … Denn Geschichten sind eines der grundlegenden Werkzeuge, die der menschliche Geist erfunden hat, um zu verstehen.”
Entlang des übergreifenden Themas des diesjährigen Festivals, “HOPE”, stellt die Ausstellung die “Superkraft” von Künstler*innen in den Mittelpunkt und unterstreicht ihre gesellschaftliche Rolle als bedeutende Gegenpole und Geschichtenerzähler*innen. Künstler*innen haben die Superkraft, Ignoranz zu beseitigen und Hoffnung zu erwecken, die uns bewegt—die uns schlussendlich und im besten Fall dazu bewegt, zu handeln. Hoffnung ist weder ein Geschenk noch ein Heilmittel, sondern etwas, das Künstler*innen in uns allen auslösen und wachsen lassen können. Sie inspirieren Selbstvertrauen in unsere Vorhaben und Engagement, wenn wir sie umsetzen, sie beschützen das Nicht-Fassbare, das Nicht-Vermarktbare, die Poesie und das Ungewöhnliche. Künstler*innen fordern uns heraus, über das Bestehende hinauszuschauen, sie weisen uns auf das hin, was wir im Blick behalten sollten, und bereiten so den Boden für Bewusstsein und Mut.
Die Ausstellung zeigt verschiedene Strategien und Methoden: Dazu gehört der Blick zum Horizont, das Verweben von Gesellschaftsentwürfen mit visionärer Entwicklung, die Schaffung von Schnittstellen, die Dialog und Vielstimmigkeit ermöglichen, und das Erwecken, Erweitern und Übersetzen unserer Sinne. Während wir uns durch das Betonlabyrinth bewegen, dehnen die Künstler*innen unsere sinnlichen und emotionalen Grenzen, so weit sie können. Die Kraft und Wirksamkeit dieser Einflüsse muss über die bloß ästhetische Erfahrung des Sehens und Hörens hinausgehen. Sie soll Mitgefühl, Zusammenarbeit und bewusstes Zusammenleben inspirieren, die in Solidarität und Verwandtschaftsgefühl verwurzelt sind. Die Künstler*innen übersetzen die Unsicherheiten unserer Zukunft in gegenwärtige Entscheidungen, wir begegnen ihren greifbaren und erdachten Welten. So entdecken wir vielleicht unsere individuelle und unsere gemeinsame Handlungsmacht, und entwickeln so ein sowohl emotionales als auch politisches Verständnis von Gemeinschaft. Mit Octavia Butlers Begriff der “neuen Sonnen” begreifen wir die Künstler*innen als jene, die uns eine gemeinsame Vision neuer Horizonte ermöglichen, die auch neue Landschaften entwerfen. Auf unserer Reise durch einen Bunker entdecken wir zwei Arten, zwei Versprechen der Hoffnung: Hoffnung, die wir schaffen, und Hoffnung, die wir schaffen können. Diese Einladung, zu begreifen und ergriffen zu sein, fordert unser Fühlen und fördert unser Handeln.
Text: Olga Tykhonova