Highlights der Ars Electronica 2023

Programm, Tipps und Überblick

(Linz, 28.8.2023) Es ist eine Frage, die nicht erst die Ars Electronica beschäftigt. Seit Menschengedenken tobt der Streit darüber, was denn die Wahrheit eigentlich ist, und ob es nur eine gibt. Ebenso lang geht es um die – sehr politischen – Fragen, wer die Wahrheit für sich beansprucht, sie wie durchsetzt und welche Interessen damit verfolgt. Dass die Ars Electronica 2023 diese Fragen aufs Tapet bringt, ist kein Zufall. Mitten im Strudel von Krieg, Inflation, disruptiven Technologien und Klimawandel sind Wahrheit und Deutungshoheit so umkämpft, wie lange nicht mehr. Gestritten wird um Ursache(n) und Natur all dieser Krisen genau wie um Strategien zu ihrer Bewältigung.

Ein Großteil dieses Diskurses findet in virtuellen Räumen statt, allen voran in den Echokammern der sozialen Medien, in denen es immer schwieriger wird, Faktisches von Fiktivem zu unterscheiden. Dass nun immer mehr KI-Bots in diesen Kanon von Wahrheiten einstimmen und vermeintlich objektive Erklärungen und Empfehlungen beisteuern, macht die Sache nicht einfacher.

2023 fragt die Ars Electronica also nach Deutungshoheit und Souveränität, der Bedeutung von Begriffen wie „echt“ und „original“, unserer Definition von (geistigem) Eigentum und wer das Recht auf dessen Verwertung genießt. Diskutiert wird mit Künstler*innen, Wissenschaftler*innen, KI-Entwickler*innen, Datenanalytiker*innen, Unternehmer*innen, Jurist*innen und Aktivist*innen aus aller Welt – und hoffentlich einer breiten Öffentlichkeit, die sich in diesen Diskurs einmischt, ihre Verantwortung wahrnimmt und unser aller Zukunft mitbestimmt.

Eines ist jedenfalls sicher: Die Wahrheit ist nicht erst seit Donald Trump, dem russischen Angriffskrieg, der Letzten Generation oder ChatGPT in der Krise. Die Wahrheit war schon immer in der Krise – und sie wird es hoffentlich bleiben. Denn „eine absolute Wahrheit, welche für alle Menschen gleich wäre und insofern keinerlei Beziehung zur Individualität hätte, kann es für uns Sterbliche nicht geben“. Was Hannah Arendt 1954 in „Sokrates“ schrieb, ist zeitlos aktuell und es sollte uns positiv stimmen. Die andauernde – und zugegeben mitunter ermüdende – Diskussion darüber, was nun wahr und was falsch sei, ist nichts weniger als das Wesen von Pluralismus und Demokratie. Nicht die vielen Wahrheiten stürzen uns in die Krise, sondern die eine absolute Wahrheit, die keine Widerrede, keine Interpretation und keine Diskussion mehr zulässt. Diese Wahrheit wäre alles andere als unsere Erleuchtung. Sie wäre das Ende unserer Demokratie.

POSTCITY und Festivalmeile quer durch die Innenstadt

13 Locations in Linz werden 2023 im Rahmen der Ars Electronica bespielt. Zentraler Schauplatz ist noch einmal die spektakuläre POSTCITY, wo 80.000 Quadratmeter zur Bühne werden, auf der Ideen, Visionen und Projekte zwischen Kunst, Technologie und Gesellschaft zelebriert werden. Andere Spielorte sind der Mariendom, der OÖ Kunstverein, das OK Linz, das Francisco Carolinum, der Kulturverein Damen&Herrenstraße DH5, der Hauptplatz, die Kunstuniversität Linz, das Lentos Kunstmuseum, das Atelierhaus Salzamt, das Ars Electronica Center, die Stadtwerkstatt und die Anton Bruckner Privatuniversität Linz.

Pre-Opening-Walk und fünf Festivaltage mit unterschiedlichem Fokus

Fünf Tage Ars Electronica bedeuten ein überbordendes Programm. Um die Orientierung ein wenig leichter zu machen, rückt jeder Festivaltag einen bestimmten Themenschwerpunkt in den Fokus. Bevor es aber richtig losgeht, wird Dienstagabend, 5. September 2023 zum Pre-Opening-Walk geladen. Die Route beginnt beim Mariendom (17:00 Uhr) und führt über den OÖ-Kunstverein (18:00 Uhr), das Lentos Kunstmuseum Linz (19:00 Uhr), die Kunstuniversität (10:15 Uhr) und das Atelierhaus Salzamt (20:45 Uhr) bis zum Ars Electronica Center (21:15 Uhr) und zur Stadtwerkstatt (22:15 Uhr).

Mittwoch, 6. September startet die Ars Electronica 2023 dann ganz offiziell. Wer sich für zeitgemäße Bildungspolitik, inspirierende Bürger*inneninitiativen und vielversprechende Formen der Partizipation interessiert, sollte dem Festival gleich an diesem ersten Tag – dem EDUCATION DAY – einen Besuch abstatten. Auf dem Programm steht die Konferenz des FOUNDING LAB, bei der 75 Studierende und 20 Fellows aus aller Welt über ihre Vision einer neuen Universität diskutieren. Parallel dazu laufen das Symposium Perspektiven der politischen Bildung, das sich mit Partizipationsmöglichkeiten für junge Menschen befasst, sowie das Forum: digitale Bildung, das innovative Lehrmethoden fokussiert. Geöffnet ist zudem die diesjährige Campus-Ausstellung, zu der 56 Universitäten aus aller Welt beitragen oder die Citizen-Science-Schau, die zeigt auf welch innovative Weise Wissenschaft und Zivilgesellschaft zusammenarbeiten können. Am Abend steht das traditionelle Opening auf dem Programm, das diesmal nicht nur den Auftakt des Festivals markiert, sondern auch den Beginn der neuen Universität, dem Institute of Digital Sciences Austria (IDSA).

Donnerstag, 7. September geht es mit dem S+T+ARTS DAY weiter. Alles dreht sich um Innovation im Dreieck von Wissenschaft, Technologie und Kunst. Auf dem Programm steht auch Teil I des hochkarätig besetzten Ars Electronica Themensymposiums mit dem Titel “The Next Renaissance”, gleich nebenan werden beim diesjährigen STARTS Prize prämierte Projekte präsentiert. Am Abend findet die Prix Ars Electronica Award Ceremony statt, bei der die Preisträger*innen und ihre Projekte im Mittelpunkt stehen.

Freitag, 8. September ist der MORE-THAN-PLANET-DAY. Teil II des Themensymposiums widmet sich dem Thema “(Un)Earthing the Truth: Ownership and Narratives about the Planet”, die Themenausstellung „(Co)Owning More-than-Truth“ wiederum bündelt künstlerische Projekte, die Wahrheit(en), Deutungshoheit(en) und ihre Auswirkungen auf das irdische Ökosystem und seine Arten – Homo Sapiens inklusive – in den Fokus rücken. Am Abend wird gemeinsam mit dem Bruckner Orchester Linz zur Großen Konzertnacht geladen, danach geht die POSTCITY-Nightline ab.

Samstag, 9. September trägt das Motto DARE-THE-TRUTH. Teil III des Themensymposiums fragt provokant nach dem “End of Truth?”. Dennoch – oder vielleicht genau deshalb – treten die jungen Kreativen bei create your world die Flucht nach vorne an und nehmen die Zukunft in die eigenen Hände. Mit zahlreichen Experimenten und Mitmach-Stationen machen sie bewusst, dass jede Veränderung zum Positiven vom Engagement aller angestoßen wird. Den Schlusspunkt setzen die Futurelab Night Performances im Deep Space 8K des Ars Electronica Center.

Sonntag, 10. September steht ebenfalls die Kunst im Mittelpunkt. Am PRIX ARS ELECTRONICA DAY stehen nicht nur die herausragenden Projekte der gleichnamigen Ausstellung, sondern vor allem auch die Menschen hinter diesen Werken – im Rahmen der Prix Foren – im Mittelpunkt. Die Ausstellung State of the ART(ist) stellt Kunstschaffende vor, die unter Gefahr für Leib und Leben arbeiten, das Panel S+T+ARTS 4 AFRICA, gibt Einblick in Innovation Hubs in Subsahara-Afrika. Zum Abschluss der Ars Electronica 2023 bitten Maki Namekawa und Cori O’Lan zu Pianographique in die Gleishalle der POSTCITY und einer Interpretation des legendären Köln Konzert von Keith Jarrett.

Die Highlights der Ars Electronica 2023

I Die Events, Konzerte und Performances

Ars Electronica Opening 2023

6. September 2023| POSTCITY | Gleishalle

Die Eröffnung der diesjährigen Ars Electronica ist auch Startschuss für das Institute of Digital Sciences Austria (IDSA), die neue Uni, die in Linz entsteht. Der erste Teil des Events ist geladenen Gästen vorbehalten und steht ganz im Zeichen der neuen Universität. Prominenter Keynote Speaker ist Jimmy Wales – amerikanisch-britischer Entrepreneur und Mitbegründer von Wikipedia, der vielleicht wichtigsten Webseite, die je online gegangen ist.

Im zweiten und öffentlich zugänglichen Teil des Openings stehen vier Live-Performances auf dem Programm. Robin Fox (AU), Gewinner des diesjährigen „Isao Tomita Special Prize“, präsentiert Triptych, Luc Gut und Rolf Hellat (beide CH), sie erhielten eine Anerkennung in der Kategorie „Digital Musics & Sound Art“ des Prix Ars Electronica, bringen Oszilot zur Aufführung. Darüber hinaus werden Kyoka (JP) und Riccardo Giovinetto (IT) ihre audiovisuellen Performancen mit elektronischer Musik verbinden.

Prix Ars Electronica Award Ceremony

Am Donnerstag, 7. September, findet die Prix Ars Electronica Award Ceremony in der Gleishalle der POSTCITY statt. Im Rampenlicht stehen die Preisträger*innen des Prix Ars Electronica, des STARTS Prize, des European Union Prize for Citizen Science, des Ars Electronica Award for Digital Humanity, des CultTech x Ars Electronica Award, des State of the ART(ist) Wettbewerbs sowie des Isao Tomita Special Prize.

Große Konzertnacht mit dem Bruckner Orchester Linz – vom Drehmoment des Jetzt

8. September 2023 | 20:00 – 22:00 | POSTCITY | Gleishalle

Die Große Konzertnacht ist ein Laboratorium für die Errichtung von unerhörten Resonanzräumen, die Offenheit, Kollaborationsfreude, grenzenlose Lust am Programmieren und das Aufsuchen außergewöhnlicher Konzertorte bedingen. 2023 geht es in die Gleishalle der POSTCITY zurück, an den Ort, an dem sich 2017 der Urknall der Partnerschaft zwischen dem Bruckner Orchester Linz und seinem neuem Chefdirigenten Markus Poschner ereignet hat. Mit einer radikalen Untersuchung an Bruckners Sinfonie Nr. 8 hat es damals begonnen, 2023 sorgen wieder vier Scherzi, vier Tanzräume aus Sinfonien des heimischen Traditionsavantgardisten Anton Bruckner, der am 4. September seinen 199. Geburtstag feiert, für Drehmomente, die aufmischen und sich mit den Klangräumen der isländischen Komponistin und Kontrabassistin Bára Gísladóttir und des österreichischen Rappers Def Ill in Resonanz bringen.

POSTCITY-NIGHTLINE

8. September 2023 | POSTCITY | Gleishalle

Direkt im Anschluss an das Konzert des Bruckner Orchester Linz wird die Gleishalle zur Bühne für innovative Künstler*innen und ihre Sound-Experimente. Zunächst entführt Produzentin und Performerin Jessiquoi mit ihrem energiegeladenen grellen Live-Set in ein futuristisches Shanghai, dann heißt es Vorhang auf für die Komponistin und Sound-Künstlerin Noémi Büchi und den audiovisuellen Künstler Christopher Joergensen und einem elektronisch-symphonischen Maximalismus, der verschiedenen Realitäten nachspürt. Die schweizer-kongolesische Musikerin und Performerin Soraya Lutangu aka Bonaventure setzt sich danach mit Fragen von Vertreibung und des diasporischen Imaginären auseinander. Sie kontextualisiert die poetischen Begriffe von Blackness, Queerness, Technologie und Spiritualität. Die Kanadierin Myriam Bleau bringt eine audiovisuelle Performance zur Aufführung, zum Abschluss zelebriert Produzent Kenji Araki mit seiner Live-Performance den New-Minimalism.

Sonic Saturday

Der Sonic Saturday der Anton Bruckner Privatuniversität Linz ist seit 2016 Bestandteil der Ars Electronica. Unter dem Motto „Manufacturing Audible Truth”, geht es diesmal um neue Entwicklungen in der digitalen Musikproduktion. Auf dem Programm stehen Workshops, Lecture-Performances und Klanginstallationen, die von Künstler*innen und Studierenden gestaltet werden und sich auf das gesamte Universitätsareal verteilen. Mit dem traditionellen Abend-Konzert im Sonic Lab klingt der Sonic Saturday wortwörtlich aus.

Futurelab Night Performances

Schauplatz Deep Space 8K: Am Festivalsamstag werden die Projektoren für die neuesten künstlerischen Projekte des Ars Electronica Futurelab angeworfen. Alles dreht sich um visualisierte Klänge, mit Klängen interpretierte Körpersignale und Echtzeit-Visuals. Sieben Performances stehen auf dem Programm und laden zum immersiven Ausflug in die wunderbare Welt von Forschung, Entwicklung und künstlerischer Praxis.

Pianographique: Maki Namekawa – Das Köln Konzert mit Realtime-Visualisierungen von Cori O‘Lan

Ganz der Suche nach Authentizität in der künstlerischen Schöpfung gewidmet, präsentiert das Abschlusskonzert des diesjährigen Festivals Maki Namekawa, die das legendäre Köln Konzert von Keith Jarrett spielt und dabei von Visualisierungen von Cori O‘Lan begleitet wird. Die hervorragende Pianistin beeindruckt dabei nicht nur mit immenser Treue zum Werk, sondern auch mit ihrer einzigartigen und virtuosen Art, dem Stück Leben einzuhauchen.

Uncanny Valley – Rimini Protokoll

Im Project Space des Ars Electronica Futurelab zeigt das Theaterkollektiv Rimini Protokoll einmal mehr, wie sich die Grenze von Realität und Fiktion im Theater verwischen lässt. Mit der Performance Uncanny Valley, die einen humanoiden Roboter als Nachbau des (Theater)-Autors Thomas Melle auf die Bühne bittet, ist Stefan Kaegi (DE) und seinem Ensemble ein Stück gelungen, das wie kein anderes nach dem Recht am Original fragt. Zu sehen ist es an fünf Terminen über die Dauer des Festivals.

The Mirage Replicas 2.0  

Im Mariendom vermittelt die taiwanesische Künstlerin Yen-Tzu Chang (TW) mit ihrem Werk The Mirage Replicas 2.0 tänzerisch persönliche Reflexionen über Generationenunterschiede in Familie und Kultur. Fledermäuse dienen als symbolische Darstellung von Erinnerungen und verkörpern die inneren Beweggründe der Künstlerin. Die Performance umfasst Sounddaten der Tiere, Feldaufnahmen, projizierte Bilder und ruft mittels persönlicher Geschichten zum Nachdenken über die mögliche Homogenisierung von Erzählungen durch erstarkende KI-Anwendungen auf.

II Die Ausstellungen

(Co)Owning More-than-Truth

6.-10. September 2023 | POSTCITY

In jeder menschlichen Gemeinschaft gibt es tradierte Wahrheiten, die für verschiedene Milieus, Kulturen oder Arten ganz unterschiedliche Bedeutung und Konsequenzen haben. Während die Erzählung von Fortschritt durch Optimierung und Effizienz eine Gruppe von Menschen unglaublich reich macht, bedeutet sie für andere Menschen und Arten die Zerstörung ihrer Lebensgrundlage und ihres Lebensraumes. Die große Ausstellung zum Festivalthema, die aus dem Creative Europe geförderten Projekt More-than-Planet hervorgeht, zeigt Projekte, die versuchen, gemeinsam zu einer anderen Wahrheit und einem sozial und ökologisch nachhaltigen Weg zu finden. Eine Reise zu neuen Ufern also und das in drei Etappen: Navigating Truths, Mapping Truths und Shifting Truths.

Prix Ars Electronica Ausstellung

6.-10. September 2023 | POSTCITY

3.176 Arbeiten aus 98 Ländern wurden dieses Jahr zum Prix Ars Electronica eingereicht, 19 davon werden während des Festivals in der gleichnamigen Ausstellung präsentiert. Aus der Kategorie „Artificial Intelligence & Life Art“ sind Projekte zu sehen, die daran erinnern, dass unsere vermeintlich neutrale Technologie unsere sehr menschlichen Schwächen und Vorurteile in sich trägt und reproduziert. Aus der aktualisierten, in diesem Jahr neu adaptierten Kategorie „New Animation Art“ werden Werke gezeigt, die durch den Einsatz bildgebender Verfahren, neuer Technologien und Kommunikationsformen das klassische Konzept der Animation hinter sich lassen. Die Projekte der Kategorie „Digital Musics & Sound Art“ wiederum kreisen um unsere Sinne und damit die Wahrnehmung und Interpretation unserer Welt und ihrer Geschichte.

S+T+ARTS Prize Ausstellung

6.-10. September 2023 | POSTCITY

Insgesamt 1.637 eingereichte Projekte aus 78 Ländern verzeichnete der STARTS Prize, der jährlich von Ars Electronica im Namen der Europäischen Kommission ausgeschrieben wird, in diesem Jahr, neun davon sind während der Ars Electronica in einer Ausstellung zu erleben. Gezeigt werden wegweisende Strategien und Projekte in den Bereichen Umwelt-Commons, Ökologie, Künstliche Intelligenz, digitales Besitzrecht, Politik sowie Kommunikations- und Medientechnologien. Die Ausstellung umfasst groß angelegte transnationale und multidisziplinäre Kollaborationen, gemeinschaftlich geführte digitale Forschungsprojekte, Partnerschaften zwischen Künstler*innen und Techniker*innen sowie Grassroots-Initiativen. Zu sehen sind sowohl Pollinator Pathmaker von Alexandra Daisy Ginsberg (GB) als auch Broken Spectre von Richard Mosse (IE) – beide mit dem diesjährigen STARTS Prize ausgezeichnet.

Citizen-Science-Ausstellung

6.-10. September 2023 | POSTCITY

Citizen Science steht für wissenschaftliches Forschen, das Laien via Online-Plattformen, mobile Anwendungen oder persönlich vor Ort einbindet. Die Vorteile sind offensichtlich: Wissenschaftler*innen erhalten Zugang zu Daten(-mengen), die ihnen sonst verwehrt blieben, Bürger*innen wiederum Einblick in wissenschaftliche Methoden und komplexe Zusammenhänge. Weil Citizen Science auf Wertschätzung, Transparenz und Innovation gründet, trägt sie außerdem zu einer aktiven Zivilgesellschaft bei. Der 2023 erstmals durchgeführte „European Union Prize for Citizen Science“ der Europäischen Kommission will dies befördern und verzeichnete auf Anhieb 321 Einreichungen. Im Rahmen des Festivals wird eine Auswahl davon in einer Ausstellung gezeigt, die vom gemeinsamen Empfinden von und in Stadt- und Lebensräumen, vom Auf- bzw. Durchbrechen von Black Boxes, der Kartierung des Menschlichen und Nicht-Menschlichen und dem Vorantreiben des Wandels und der gemeinsamen Gestaltung unserer Zukunft erzählt. Teil der Ausstellung ist die 2023 mit dem ersten „European Union Prize for Citizen Science – Grand Prize” ausgezeichnete Initiative Isala: Citizen-science map of the vaginal microbiome. Ebenfalls präsentiert werden das mit dem „European Union Prize for Citizen Science – Diversity & Collaboration Award” ausgezeichnete Urban Belonging Project sowie die mit dem „European Union Prize for Citizen Science – Digital Communities Award” prämierte Initiative The Restart Project: The Right to Repair and Reuse your Electronics.

STATE of the ART(ist) Ausstellung

6.-10. September 2023 | POSTCITY

Als Reaktion auf den russischen Angriffskrieg riefen das österreichische Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten und Ars Electronica im vergangenen Jahr „State of the ART(ist)” ins Leben. Die Initiative sollte jenen Künstler*innen eine Bühne und damit Aufmerksamkeit verschaffen, die unter Gefahr für Leib und Leben gegen Krieg, Verfolgung und Unterdrückung aufstanden und die fatalen Folgen der russischen Aggression thematisierten. 2023 wurde „State of the ART(ist)” weitergeführt und -entwickelt. Adressiert wurden Künstler*innen aus aller Welt, die sich existenziellen Bedrohungen aller Art ausgesetzt sehen und sich mit Unterdrückung und Verfolgung durch Regime und Kriegsparteien, Ausbeutung durch Konzerne und Staaten oder Naturkatastrophen auseinandersetzen. 564 Projekte und Initiativen zwischen Menschenrechtsaktivismus und Kunst wurden bei State of the ART(ist) 2023 eingereicht, 11 davon werden beim Festival in einer Ausstellung präsentiert, darunter Jowhar von Mahsa Aleph (IR) und AND IF WE OBSERVE THE PRESENT von Taiye Ojo (NG).

Ars Electronica Gardens Ausstellung

6.-10. September 2023 | POSTCITY

Auch in diesem Jahr versteht sich die Ars Electronica Gardens Exhibition als Plattform der internationalen Kunst- und Wissenschaftsszene. Mit dabei sind diesmal FutureFantastic aus Bangalore, die Virtual and Physical Media Integration Association of Taiwan aus Formosa, Hexagram aus Montreal, Hyphen Hub und das XR Ensemble aus New York, das V2_Lab for Unstable Media aus Rotterdam und die Civic Creative Base Tokyo – sie alle hinterfragen konventionelle Denkweisen und die daraus resultierenden Wahrheiten und thematisieren ihren Auswirkungen.

Dualities in Equalities: Art, Technology, Society in Latin America

6.-10. September 2023 | Lentos Kunstmuseum Linz

Seit 2022 würdigen und fördern die Cisneros Fontanals Art Foundation (CIFO) und Ars Electronica aufstrebende lateinamerikanische Medienkünstler*innen mit den „CIFO x Ars Electronica Awards“. 2023 beteiligten sich 115 Künstler*innen aus 13 Ländern am Wettbewerb, die drei Gewinner*innenprojekte werden bei der Ars Electronica im Lentos Kunstmuseum Linz präsentiert. Gemeinsam mit weiteren sechs von CIFO auszeichneten Werken bilden sie die Ausstellung „Dualities in Equalities: Art, Technology, Society in Latin America“, die durch methodische und technologische Vielfalt und gleichzeitig die thematischen Gemeinsamkeiten ihrer künstlerischen Positionen besticht.

Campus Ausstellung

6.-10. September 2023 | Kunstuniversität Linz, POSTCITY & Salzamt

Der Festival-Campus der Linzer Kunstuniversität ist Präsentationsplattform für Studierende und Lehrende wie auch Ort des Austauschs für – diesmal 56 – Universitäten aus aller Welt – und natürlich Feierzone, in die eine breite Öffentlichkeit eingeladen ist. Diesmal reicht der Campus vom Hauptbahnhof, wo in der POSTCITY junge Künstler*innen unter dem Titel „Resonating Selves“ ausstellen, bis hin zum Hauptplatz und zum Salzamt. Dort sind Studierende von weiteren zwölf Abteilungen aktiv – etwa raum&designstrategien mit ihrer Agentur WAAAW, der World Artistic Agency Against War Initiative. In der splace-Galerie wiederum sind Arbeiten der Partneruniversität Taipei National University of Arts zu sehen. Den Soundcampus im Hof der Kunstuni kuratieren heuer Gabriela Gordillo und Andreea Vladut – von 5. bis 10. September stehen hier jeden Abend ab circa 18:00 Uhr Konzerte, Performances & DJing am Programm, dazu gibt es eine Bar zum kollektiven Genießen des Soundenvironments! Und gleich bei der Eröffnung tobt sich an den Fassaden der Kunstuni ein Künstlerkollektiv rund um Tina Frank, leitende Professorin der Abteilung Visuelle Kommunikation, mit computeranimierten Projektionen und Filmscreenings aus.

III Die Konferenzen & Talks

Ars Electronica Themensymposium (I-III)

7.-9. September 2023, je 11.00-17.00 | Conference Hall

Ausgangpunkt des Symposiums zum diesjährigen Festivalthema ist die Frage „Wem gehört die Wahrheit?“. Im Laufe von drei Tagen werden jeweils andere kritische Perspektiven auf die Beziehung zwischen Wahrheit und Deutungshoheit in den Mittelpunkt gerückt. Panels und Präsentationen untersuchen, wie Wirtschaftssysteme einen Markt für Wahrheit hervorgebracht haben, interdisziplinäre Debatten lösen die Wahrheit aus den Erzählungen über unsere Welt heraus; Innovator*innen und Praktiker*innen stellen neue Ideen zur Aufrechterhaltung von Deutungshoheit und Datenhoheit in einer digitalisierten Welt vor und in interaktiven Workshops wird versucht, jene digitalen Medien neu zu denken, die zu unseren vorherrschenden Kommunikationskanälen geworden sind.

The Next Renaissance (Teil I)

S+T+ARTS-Tageskonferenz mitveranstaltet von EUMETA – EUROPEAN SCHOOL OF METAVERSE

Immer leistungsfähigere Technologien legen nahe, den wissenschaftlichen, technologischen und künstlerischen Fortschritt mit einer humanistischen Perspektive zu verknüpfen und unser Denken, Handeln und Leben auf diese Weise zu revolutionieren. Teil eins der diesjährige Themenkonferenz titelt “The Next Renaissance” und befasst sich mit den widersprüchlichen ethischen Grundsätzen, Werten und Prioritäten, die sich aus der Beschleunigung der technologischen und gesellschaftlichen Entwicklung ergeben. In Zusammenarbeit mit EUMETA, Cultech und dem EIT Culture & Creativity widmet sich die Konferenz Projekten, die ein Gleichgewicht zwischen groß angelegter Innovation und den Grundsätzen der Datentransparenz und -souveränität herstellen; sie fragt nach der Rolle, die KI bei der Veränderung des europäischen Rechts- und Geschäftsrahmens für den Kreativ- und Kultursektor spielt und sie thematisiert die aktuellen europäischen KI-Strukturen und ihre Weiterentwicklung. Es sprechen Karen Hao (Datenwissenschaftlerin und Journalistin beim Wall Street Journal Hongkong), die Tech-Policy-Analystin Frederike Kaltheuner (Professorin für Medienkunst und -wissenschaften Deb Roy am MIT), Rachel Armstrong (Professorin für Regenerative Architektur an der KU Leuven), Meinhard Lukas (Jurist und Rektor der JKU Linz) und andere mehr.

(Un)Earthing the Truth: Ownership and Narratives about the Planet (Teil II)

Eine More-than-Planet Konferenz

Teil zwei des diesjährigen Themensymposiums nimmt die Frage „Wem gehört die Wahrheit?“ ziemlich wörtlich und denkt die Wahrheit als ein Objekt der Ökonomie. Das wiederum wirft umgehend die Frage auf, ob man Wahrheit wirklich besitzen kann. In Zusammenarbeit mit More-than-Planet, einem europäischen Netzwerk, das gesellschaftliches Bewusstsein für Umweltprobleme schärfen, kreative Kooperationen zur Bewältigung von Umweltproblemen anregen und die Umweltkompetenz in Europa stärken will, zieht das Symposium Parallelen zwischen dem Eigentum an der Natur und der Natur des Eigentums. In Debatten und Keynotes, die von der Tiefsee bis in die Stratosphäre vordringen, geht es um ein neues Verständnis von Eigentum und darum, unsere Wirtschaftssysteme und Machthierarchien in einen anderen Kontext stellen. Künstler*innen, Wissenschaftler*innen, Forscher*innen und Ökonomen*innen hinterfragen dabei „Wahrheiten“ über unseren Planeten, die durch Konzerne und ihre Marketingkampagnen geprägt werden und die immer weitergehende Zerstörung der Umwelt zur Folge haben. Es sprechen unter anderen Sian Proctor (Astronautin, Geologieprofessorin, Künstlerin, Autorin und Wissenschaftskommunikatorin), Stefan Brunnhuber (Autor, Psychiater und Soziologe), Mordecai Ogada (Ökologe und Autor) oder Alexandra Daisy Ginsberg (Künstlerin).

END OF TRUTH? (Teil III)

Eine EU Digital Deal Konferenz mitveranstaltet von EUMETA – EUROPEAN SCHOOL OF METAVERSE

Der dritte und letzte Tag des Themensymposiums widmet sich den demokratiepolitischen Auswirkungen einer sich stetig beschleunigenden Einführung neuer Technologien. Politiker*innen, Überwachungsorganisationen, Whistleblower, Aktivist*innen und Journalist*innen diskutieren über die Anfänge und das Ende der Wahrheit und über die Unterscheidung von Fakten und Fiktion im Laufe der Zeit. Anschließend sprechen Regierungsvertreter*innen über KI und Demokratie. Stets geht es um einen kritischen Blick auf unser Verhältnis zur Wahrheit und um die vielen Wege, auf denen uns Fehlinformationen erreichen und beeinflussen. Es sprechen Sarah E. Kreps (Politikwissenschaftlerin, Veteranin der United States Air Force und Politikanalytikerin), Claudia Chwalisz (Autorin, Aktivistin und Unternehmerin), Nina Jankowicz (Forscherin und Schriftstellerin) oder Nandini Jammi (Aktivistin und Beraterin für Markensicherheit).

FOUNDING LAB Konferenz: Eine neue Universität beginnt

6. September 2023 | POSTCITY | Lecture Stage

Wie soll eine Universität im 21. Jahrhundert aussehen? Welche Skills müssen wir lernen und lehren, um im Zeitalter der KI als demokratische Gesellschaft bestehen und die Herausforderungen des Klimanotstands und der globalen wirtschaftlichen und politischen Instabilität meistern zu können? Und wem „gehört“ eigentlich das Wissen, das an Universitäten geschaffen wird? Die FOUNDING LAB Konferenz des neu gegründeten Institute of Digital Sciences Austria (IDSA) und der Ars Electronica markiert den Startpunkt einer neuen Universität, die sich allen Dimensionen der digitalen Transformation widmet und dabei neue Wege geht. Inspiriert von einer gemeinsamen Keynote von Studierenden aus aller Welt, diskutieren Stipendiat:innen, Studierende und Expert*innen mit der Gründungsrektorin und dem Gründungskonvent des IDSA über Visionen für und Erwartungen an die neue Universität in Linz.

Symposium Perspektiven der politischen Bildung: Kleber. Unüberwindbare Konflikte oder sozialer Zusammenhalt

6. September 2023 | POSTCITY | Conference Hall

Gesamtgesellschaftliche Herausforderungen nachhaltig zu lösen, setzt eine Kultur der Partizipation voraus, die allen voran junge Menschen miteinbezieht. Allzu häufig ist deren Mitspracherecht bei politischen Entscheidungen allerdings derart beschnitten, dass bloß die Straße und Protest bleiben. Die diesjährige Fachtagung von Arbeiterkammer Oberösterreich, Pädagogischer Hochschule Oberösterreich und Ars Electronica fragt daher, wie digitale Infrastrukturen in den Dienst gesellschaftlicher Teilhabe gestellt werden können. Die Keynotes halten Barbara Blaha und Knut Cordsen, danach gibt es Workshops, Vorträge und eine Podiumsdiskussion, die vor allem jungen Teilnehmer*innen die Chance eröffnen, ihre Ideen vorzustellen. Ebenfalls Teil der Fachtagung ist die Verleihung des Bildungspreises „Klasse! Lernen. Wir sind digital.“, den Ars Electronica und Österreichs Agentur für Bildung und Internationalisierung (OeAD) im Auftrag des Bildungsministeriums durchführen.

Forum: digitale Bildung

6. September 2023 | POSTCITY | Conference Hall

Mit ihrem ersten gemeinsamen „Forum: digitale Bildung“ wollen Kunstuniversität Linz, österreichische Gesellschaft für Forschung und Entwicklung im Bildungswesen und Pädagogische Hochschule Oberösterreich den offenen Austausch zu innovativen Lehrmethoden forcieren. Vertreter*innen aus Didaktik, Pädagogik, Kulturwissenschaft und Bildungspolitik gehen der zentralen Frage nach Notwendigkeit und Entwicklung neuer Vermittlungsmethoden für Inhalte digitaler Bildung nach. Mitreden sollen vor allem jene, die das zuallererst betrifft: die Schüler*innen selbst.

Expanded Animation Symposium

8.-10. September 2023 | Ars Electronica Center, Skyloft

Das elfte und diesmal dreitägige Expanded Animation Symposium trägt den Titel „The Art of Performance“ und versammelt wieder Künstler*innen, Wissenschaftler*innen und Entwickler*innen aus aller Welt. Panels zu den Themen Art & Industry, Artist Position, Performative Acts, Virtual Stages stehen ebenso auf dem Programm wie Screenings, Ausstellungen und Performances. Zielgruppe sind sowohl Expert*innen als auch Newcomer.

Die Prix Ars Electronica Foren

10. September 2023 | POSTCITY | Conference Hall

Der Prix Ars Electronica ist der traditionsreichste und prestigeträchtigste Medienkunstpreis der Welt. Dabei glänzt der 1987 in Linz ins Leben gerufene Wettbewerb weder mit Stars noch Glamour, sondern ausschließlich durch innovative Konzepte, neue Anwendungen und inspirierende Initiativen, die von einer stets hochkarätigen Jury prämiert werden. Wer hier eine Goldene Nica gewinnt, ist nicht zwangsläufig ein Star der Medienkunstszene, macht aber meist bald von sich reden. Die Prix-Foren eröffnen die einmalige Möglichkeit, diese Pionier*innen persönlich zu treffen und mehr über ihre Zugänge, Methoden und Strategien zu erfahren. Moderiert werden die Künstler*innen-Gespräche von Juror*innen des Prix Ars Electronica.

In der neu adaptierten Kategorie „New Animation Art“ werden Ayoung Kim (KR) (Goldene Nica für *Delivery Dancer’s Sphere*), Bassam Issa (IE) (Auszeichnung für IT’S DANGEROUS TO GO ALONE! TAKE THIS) und SANGHEE (KR) (Auszeichnung für Oneroom-Babel) erwartet.

In der Kategorie „Artificial Intelligence and Life Art“ werden Winnie Soon (HK/UK) (Goldene Nica für *Unerasable Characters Series*), Adam Brown (US) (Auszeichnung für *Shadows from the Walls of Death*), sowie Oron Catts (AU) und Steve Berrick (AU) vom 3SDC-Projekt (Auszeichnung für Sunlight, Soil & Shit Cycle) Auskunft über ihre künstlerischen Zugänge geben.

Die Kategorie „Digital Musics & Sound Art“ ist mit Juan Cortés (CO) (Goldenen Nica für A Tale of Two Seeds: Sound and Silence in Latin America’s Andean Plains), Alba Triana (CO) (Auszeichnung für Harmonic Motion) sowie Julia Jasmin Rommel (DE) (Auszeichnung für zwischenraum-interspace-acoustic cartography) bestens vertreten.

Re-build Together: Digital, human and arts-driven innovation in Africa

10. September 2023 | POSTCITY | Conference Hall

Mehr als 2.000 Sprachen werden in Afrika gesprochen, in Maschinenübersetzungs- und Kommunikationsprogrammen sind sie jedoch kaum repräsentiert. Die Konferenz “Re-build Together: Digital, human and arts-driven innovation in Africa” nimmt das zum Anlass, darüber nachzudenken, welche Rolle Innovation für Afrika spielt und spielen könnte. Gleichzeitig sollen Bereiche identifiziert werden, in denen eine stärkere und gleichberechtigte Zusammenarbeit zwischen Afrika und Europa die nachhaltige Entwicklung beider Kontinente fördert.

Kulturhauptstadt Bad Ischl Salzkammergut 2024 Jour-Fixe

Diskussionspanels, 7.-9. September 2023 | POSTCITY | Lecture Stage

Die Kulturhauptstadt Europas erstreckt sich im kommenden Jahr über zwei österreichische Bundesländer: Insgesamt 23 Partnergemeinden aus Oberösterreich und der Steiermark erarbeiten unter dem Titel „Kulturhauptstadt Bad Ischl Salzkammergut 2024“ Zukunftsvisionen für die gemeinsame Region. Auf der Agenda: Mobilität und Digitalisierung, Förderung der lokalen Landwirtschaft, nachhaltiger Umgang mit der Natur sowie die Schaffung von Bildungsräumen für Kunst. Die entstehenden Diskussionen rund um Chancen und Möglichkeiten sind beim Festival öffentlich zugänglich.

IV Die Specials

FOUNDING LAB

Mit dem FOUNDING LAB haben das neue Institute of Digital Sciences Austria (IDSA) und Ars Electronica ein prototypisches Labor entwickelt, in dem seit 23. August 2023 neue Formen der künstlerisch-wissenschaftlichen Erforschung der digitalen Transformation skizziert werden. 75 PhD- und MA-Studierende sowie 25 Fellows aus aller Welt und aus unterschiedlichen Disziplinen nehmen daran teil und entwickeln ihre Vision einer Universität des 21. Jahrunderts. Das Ars Electronica Festival dient dabei als initiale Plattform, die einerseits den interdisziplinären Austausch mit Expert*innen eröffnet, andererseits den Dialog mit einer breiten Öffentlichkeit erschließt.

create your world

Wahrheit *oder* Pflicht? Wahrheit *und * Pflicht!

Wir alle haben dieses Spiel gespielt und wir alle haben überlegt, ob wir uns für die – meist unangenehme – Wahrheit oder die – meist wagemutige – Pflicht entscheiden sollten. Das Zukunftsfestival der nächsten Generation der Ars Electronica meint 2023, dass uns angesichts diverser Krisen wohl keine andere Wahl bleiben wird und wir der Wahrheit ins Auge blicken und handeln müssen. Gefragt sind dabei neue Technologien, alternative Lebensmodelle und innovative Konzepte, die in zahlreichen Workshops und Open-Labs dann auch im Mittelpunkt stehen. Kids und Jugendliche können hier KI-Tools, 3D-Drucker und Lasercutter auszuprobieren, Recycling-Roboter entwerfen und Extended-Reality-Storys erleben. Mitten rein in die Zukunftsgestaltung, lautet das Motto.

Open Futurelab: Technologie als soziales Werkzeug  

Im Open Futurelab dreht sich diesmal alles darum, Technologie als soziales Werkzeug neu zu erleben und die Frage „What are the Futures?“ zu diskutieren. Das Ars Electronica Futurelab lädt die Besucher*innen ein, aktiv zu werden und neue Ideen zu schaffen: mit einem großen Ausstellungs- und Mitmach-Bereich in der POSTCITY ebenso wie Programmen im Deep Space 8K. In der POSTCITY präsentiert *Future Teams* in Zusammenarbeit mit Ricoh eine Zukunft, in der Menschen mit vielfältigen Lebewesen wie Mikroorganismen, KI und Robotern zusammenarbeiten. Das Kartenspiel Bridge 2040 schlägt eine Brücke zwischen den Generationen, und Deep Sync lässt uns mit dem eigenen Herzschlag Empathie und Synchronisation erkunden. Anatomy of Nudging lädt mithilfe der KI des Partners Godot zum sozialen Experiment ein. Mit Oribotic Instruments erleben wir Musik mit Origami und Elektronik auf eine ganz neue Weise. Ori Shelter verbindet Origami mit sozialer Innovation, um bezahlbare Lebensräume in Extremsituationen zu schaffen. Artist in Residence Tom Bogaert wiederum hat sich der Logik des Krieges angenommen. Data Art & Science zeigt mit Partner Toyota Coniq Alpha im Deep Space 8K, wie Datenkunst und Datenwissenschaft künstlerisch vereint werden können. Dort ist auch Faust VR zu sehen, wo in Zusammenarbeit mit den Salzburger Festspielen das Werk des Theatermagiers Max Reinhardt zu neuem Leben erweckt wird. Einen guten Einblick in die vielfältige Arbeit des Zukunftslabors geben die Futurelab Night Performances am Samstagabend – ein einzigartiges Erlebnis im Deep Space 8K.

Ars Electronica Solutions

Ars Electronica Solutions inszeniert im Rahmen des Festivals eine installative und interaktive Begegnungszone, in der gemeinsam mit Partner*innen wie der Europäischen Weltraumorganisation (ESA) oder der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) Fragen zur Aneignung und Weitergabe von Wissen in unserer Gesellschaft gestellt werden. „Science2Public“ lautet das Motto. Am Beispiel eigener Projekte werden Strategien, Methoden und Formate des Wissenstransfers vorgestellt, im Rahmen von Salongesprächen wird über „Sustainable Transformation of Climate Data“ und „Sensuality of Spaces“ diskutiert. Am Freitag lädt das Team von Ars Electronica Solutions in den Deep Space 8K und präsentiert großflächige Projektionen zum Thema.

Suche nach der Wahrheit – Meilensteine der Kunstgeschichte  

Werke von Pablo Picasso und Ángeles Santos im Ars Electronica Center: In Kooperation mit dem Museo Nacional Centro de Arte Reina Sofía Madrid und der spanischen Botschaft in Wien werden zwei Meilensteine der Kunstgeschichte mithilfe der Gigapixel-Technologie zum Live-Event im Deep Space 8K. Die Videopräsentation A Portrait of the Artist as a Young Man (and as a Young Woman Too) zeigt die Werke Mujer en azul von Pablo Picasso und Un mundo von Ángeles Santos. Außerdem spüren Besucher*innen GOYA’S TRUTH nach: In Zusammenarbeit mit dem Prado Museum in Madrid macht Ars Electronica Meisterwerke des spanischen Künstlers Francisco de Goya zum digitalen Erlebnis. Medienkünstler Franz Fischnaller sorgt mit LAST SUPPER INTERACTIVE dafür, dass das Letzte Abendmahl von Leonardo da Vinci im Deep Space 8K 2023 noch einmal miterlebt werden kann. Gemeinsam mit dem Grand Palais Immersif und der Fondazione Musei Civici Venezia wurde eine weitere Besonderheit für historisch Begeisterte geschaffen: Venedig mit seinen Kanälen, Stadtvierteln und Geheimnissen kann in der Festivalwoche auch im Deep Space 8K entdeckt werden.

Durch die Tiefsee, den Weltraum und virtuelle Gefilde – das Festival-Line-Up im Deep Space 8K

Das Ars Electronica Center macht den Deep Space 8K zur einmaligen Bühne für Innovationen aus Film, Animation und Datenwissenschaft. Dan Tell (US), Manager für Planetariumstechnik an der California Academy of Sciences, begibt sich auf The Quest for Cosmic Truth und zeigt, wie immer leistungsfähigere Technologien unsere Wahrnehmung des Universums verändern. Die Performance Homodyne macht Quantenphysik zum Erlebnis, Dokumentarfilmer Patrick Dykstra (US) präsentiert eine filmische Erzählung von seinen Tauchgängen mit Walen und das Team des Ars Electronica Futurelab lädt mit Faust VR zum virtuellen Rundgang durch eine legendäre, von Max Reinhardt beauftragte Theaterkulisse der Salzburger Felsenreitschule aus dem Jahr 1933. Das Festival-Line-Up im Deep Space 8K umfasst diesmal mehr als 50 Präsentationen.  

Transformation Lounge

Die Transformation Lounge bietet Raum für Dialoge, Workshops und Ausstellungen in lockerer Atmosphäre. 2022 erstmals realisiert, wollen Ars Electronica und Hakuhodo, eines der weltweit Top-Ten-Unternehmen für integriertes Marketing und Innovation aus Japan, hier über Nachhaltigkeit sprechen. Angeboten wird hier der „Future Compass“, der im ersten Schritt zur Selbstreflexion und im zweiten Schritt zu einer Erkundung des Festivals einlädt, die ganz im Zeichen einer nachhaltigen Zukunft steht. Präsentiert werden Initiativen wie „Biosmocking“, das digitale Fertigungsmethoden nutzt, um statt ein und dasselbe Kleidungsstück, einzigartige Stücke für alle herzustellen, oder „DFT Textile“, das Trockenfasertechnologie von Seiko Epson verwendet, um weggeworfene Textilien wieder in neue Kleidungsstücke zu verwandeln. Das „FASHION FRONTIER PROGRAM“ dagegen will eine neue Generation von Modedesigner*innen ausbilden, die Nachhaltigkeit und Inklusion nicht als nachträgliche Korrekturen, sondern als integrale Bestandteile ihres kreativen Prozesses begreift und mit dem „City Intelligence Lab“ und „SIMULATE“ präsentiert das AIT Austrian Institute of Technology gleich zwei Projekte, die auf die nachhaltige Transformation urbaner Räume fokussieren. Thematisiert und diskutiert wird in der Transformation Lounge nicht zuletzt auch die Nachhaltigkeitsagenda der Ars Electronica selbst: Was sind die Handlungsfelder und Ziele? Wie sollen sie erreicht werden? Was sind dabei die größten Herausforderungen und warum?

missimo

Ein MINT-Erfahrungsraum für Volksschulkinder auf vier Rädern: missimo ist ein zweistöckiger LKW, der ab dem Schuljahr 2023/2024 als mobiles Klassenzimmer durch die österreichischen Bundesländer rollt. Initiiert wurde das didaktische Projekt, das auf die Zugänglichkeit von technischen Lerninhalten in ländlichen Gebieten setzt, von der Gemeinnützigen Privatstiftung Kaiserschild. Die Umsetzung der Installationen und kreativen Workshop-Kits, die Auswahl der Geräte und die grafische Aufbereitung der Anwendungen oblag dem Ars Electronica Futurelab. Die interaktiven Stationen inklusive entsprechender missimo-Webplattform richten sich an Schüler*innen und Lehrer*innen der 3. und 4. Schulstufe und wollen zur frühen Auseinandersetzung mit neuen Technologien anregen. Die mobile, 100 Quadratmeter große Ausstellungsfläche kann während des gesamten Ars Electronica Festival am Linzer Hauptplatz erkundet werden.

WE GUIDE YOU

Es gibt viele Wege, um die Ars Electronica zu erkunden – einige davon können gemeinsam mit Künstler*innen und Kurator*innen begangen werden. Mit dem „WE GUIDE YOU“-Programm entdecken Interessierte ausgewählte Ausstellungsbereiche in drei geführten Formaten. Spotlight Tours, Expert Tours und eine Highlight Tour im Ars Electronica Center stehen zur Auswahl.

Während Christl Baur (Head of Ars Electronica Festival) und Martin Honzik (Managing Director Ars Electronica Festival) durch die diesjährige Themenausstellung „(Co)Owning More-than-Truth“ führen, lädt Masha Zolotova (RU) zu einer Runde durch die „STARTS Prize Ausstellung“ und führt Emiko Ogawa (JP/AT) durch die „Prix Ars Electronica Ausstellung“. Für Höhenluft sorgt die „Expert Tour“ mit dem Ökologen und Botaniker Friedrich Schwarz (AT), der die Biodiversität der Dachlandschaften der POSTCITY näherbringt. Im Lentos Kunstmuseum und der hier befindlichen Ausstellung „Dualities in Equalities: Art, Technology, Society in Latin America“ eröffnet Co-Kurator Sergio Fontanella (CIFO) Einblicke in die lateinamerikanische Kunstszene.

„Wer und welche Strukturen sind schuld am Klimawandel? Welche Faktoren treiben die Inflation? Warum hat das russische Regime den Angriff auf die Ukraine befohlen? Oder ist KI der Anfang vom Ende der Menschheit? In krisenhaften Zeiten wird ‚die Wahrheit‘ noch heftiger hinterfragt oder aus nicht-empirischer Sicht abgelehnt. Die Ablehnung des Faktischen steigt, subjektive Empfindungen und Verschwörungstheorien nehmen breitere Räume ein. Ausgetragen werden diese Debatten vermehrt im digitalen Raum, insbesondere auf Social-Media-Plattformen, deren Algorithmen die Polarisierung unsere Gesellschaft verstärken. ‚Wem gehört die Wahrheit‘ fragt die Ars Electronica 2023 also aus gutem Grund – und zum richtigen Zeitpunkt. Die Universitätsstadt Linz wird ausgebaut und erhält mit dem ‚Institute of Digital Sciences Austria‘ einen weiteren Ort, an dem neue Erkenntnisse – neue Wahrheiten – über die digitale Transformation geschaffen werden. Niemand wäre besser geeignet als die Ars Electronica, um die Gründungsphase dieser Universität zu inspirieren und für eine breite Öffentlichkeit transparent und zugänglich zu machen.“

Klaus Luger, Bürgermeister der Stadt Linz

„Wem gehört die Wahrheit will die sehr politische Ars Electronica 2023 wissen. Wie brisant und schwierig diese Frage ist, zeigt sich wohl nirgends besser als am Beispiel von KI: Utopie oder Dystopie? Selbst die führenden Wissenschaftler*innen sind uneinig. Die Ars Electronica behauptet nicht, dass Kunst alle Antworten hätte. Sie macht aber deutlich, dass uns Kunst zum Nachdenken anregt und miteinander ins Gespräch bringt. Mit einer Vielzahl von Ausstellungen, Performances, Konzerten und Vorträgen bringt das Festival zum Ausdruck, dass wir nicht in allem einer Meinung sein müssen, dass es aber essenziell ist, immer wieder zu gemeinsamen Wahrheiten zu finden. Nur so bleiben wir als Gesellschaft handlungsfähig und nur so werden wir eine nachhaltige Zukunft gestalten können.“

Doris Lang-Mayerhofer, Kulturstadträtin und Beiratsvorsitzende Ars Electronica


Cartographies of the Unseen / Felipe Castelblanco (CO), Lydia Zimmermann (CH)

Credit: Lydia Zimmermann


Inter net / Zi Yin Chen (TW), Hsiang Feng Chuang (TW)

Credit: Zi Yin Chen, Hsiang Feng Chuang


Gentleman Scientist: Microecologies / Jennifer Willet (CA)

Credit: Lauren Silberman


It Could Be You / HsienYu Cheng (TW)

Credit: Taiwan Contemporary Culture Lab – CLab.


TRIPTYCH / Robin Fox (AU)

Credit: Lachie Douglas