Eine immersive Reise durch Anton Bruckners Klangwelten

Zum 200. Geburtstag eines Großen

(Linz, 30.1.2024) Being Anton? Playing Anton! Mit zwei eigens geschaffenen Erlebniswelten startet Ars Electronica in das Brucknerjahr 2024. Der einzigartige Klangraum Being Anton und die „spielerische“ Deep-Space-Applikation Playing Anton laden zu einer ebenso ungewöhnlichen wie immersiven Annäherung an die Kompositionen und Klangwelten Anton Bruckners ein. Die Eröffnung findet am 31. Januar 2024 um 18 Uhr statt.

„Anton Bruckner 2024“ – der Geburtstag des heimischen Komponisten jährt sich zum 200. Mal und wird im Rahmen der ersten, von Norbert Trawöger geleiteten, OÖ KulturEXPO gebührend gefeiert. 12 Monate lang stehen Spezial-Angebote für Bruckner-Enthusiast*innen und solche, die es werden wollen, auf dem Programm. Ars Electronica setzt dabei auf menschliche Kreativität, das immersive Potential neuer Audiosysteme und Virtual Reality, um Bruckners biografische Pfade und Werk für ein breites Publikum zu öffnen.

Anton Bruckner & Ars Electronica

Der Name Anton Bruckner steht für Improvisationskunst im Orgelspiel und eine einzigartige Tonsprache, für zukunftsweisendes Denken und Komponieren. Wenig melodisch und voller Fragmente, dafür mit Energie und Groove – das macht Bruckners sinfonisches Repertoire aus. Was in der Romantik des 19. Jahrhunderts kaum angenommen wurde, wird heute als avantgardistisch und originär gefeiert. Kein Wunder also, dass die 1979 gegründete und von vielen als schräg und nerdig angesehene Ars Electronica sich Bruckners Spirit von Anfang an verbunden fühlte und die allererste Klangwolke zum „sinfonischen Open Air mit Bruckners 8.“ in den Donaupark lud. Die Menschen stellten ihre Radios in die Fenster und überall in Linz und Oberösterreich ertönten die Klänge des Bruckner Orchesters. 45 Jahre später zeigt Ars Electronica wieder zwei innovative Bruckner-Experimente.

Being Anton und Playing Anton sind das Ergebnis einer Kooperation von Ars Electronica mit der OÖ KulturEXPO Anton Bruckner 2024; finanziell unterstützt wurde die Realisierung vom Land Oberösterreich und der Stadt Linz. Die Konzeption und Umsetzung oblagen dem Ars Electronica Futurelab im Austausch mit Norbert Trawöger und Lydia Zachbauer (Leitung der Vermittlung bei der OÖ KulturEXPO).

Being Anton – in Bruckners Klangwelten eintauchen  

Being Anton unternimmt den Versuch, einem Anton Bruckner näherzukommen, der in der Zeit der Industriellen Revolution – einer Ära tiefgreifender Umwälzungen – lebte und sich als Musiker und Komponist zu behaupten suchte. Im Mittelpunkt steht dabei weder sein Beitrag zur Musikgeschichte noch sein Karriereweg, sondern die Frage, wie er seine Welt wohl erlebt haben mag? Eine Welt, in der die Industrie aufblüht, die Dampflok ungeheure 60 km/h schnell fährt, der Bau des Suezkanals die Weltwirtschaft befeuert, die Glühbirne auf den Markt kommt und das städtische Leben floriert.

Basierend auf einer intensiven historischen Recherche und in Verschränkung mit Ausschnitten aus Bruckners 1., 2., 7. und 8. Sinfonie (eingespielt vom Bruckner Orchester Linz) sowie Chor- und Orgelstücken wurde ein komplexes Sounddesign entwickelt, das die Besucher*innen auf einen unkonventionellen Audiowalk mitnimmt.

Soundlandschaften und patentiertes Trackingsystem

Die Dramaturgie von Being Anton obliegt dem mit Kopfhörern ausgestatteten Publikum selbst. Soundlandschaften werden mittels eines räumlichen Trackingsystems (usomo, Berlin) gesteuert, das Klänge an Positions-Markierungen knüpft und in Echtzeit zusammensetzt: Was man hört, hängt davon ab, wo man sich befindet und wohin man sich bewegt. Regenprasseln und klappernde Pferdehufe symbolisieren dabei Bruckners Alltag in Wien, gelesene Tagebucheinträge geben Einblick in sein Gefühlsleben, Zeitungstitelseiten charakterisieren das damalige Zeitgeschehen, bevor der Klang von Orgelmusik die Geschichte durchdringt und Orchesterklänge die Ausstellung erfüllen.

Die einzelnen Soundscapes gehen ineinander über, werden lauter und leiser, lösen sich an bestimmten Punkten ab, verlieren sich aber nie zur Gänze.

Vier Kernthemen und das Orgelspiel

Being Anton kreist um die Themenkomplexe Industrie, Stadt, Natur und sakrales Leben. Einen fünften Schwerpunkt bildet das Orgelspiel, mit dem Bruckner schon in seiner frühesten Kindheit vertraut war und das seine Art des Notenschreibens nachhaltig prägen und seinen Werken ihre Charakteristik verleihen sollte. Im Ars Electronica Center nimmt man akustisch beinahe selbst Platz an der Orgelbank: Pumpgeräusche, Schuhe streifen am Boden, Register werden getauscht, Balken setzen sich in Bewegung, Orgelmusik ertönt. Die Tonspuren von Being Anton vermitteln den Eindruck, ganz nah dran an Bruckners musikalischem Schaffensprozess zu sein, während zu Orgelpfeifen stilisierte Holzelemente den Weg weisen. Analoge Infotafeln, Fotografien sowie Originalzitate über und von Bruckner ergänzen den Spaziergang ins 19. Jahrhundert.

Playing Anton – die erste Geige im Bruckner Orchester Linz spielen                                    

Playing Anton macht das Scherzo aus Bruckners 9. Sinfonie – interpretiert vom Bruckner Orchester Linz – zum spielerischen und interaktiven Erlebnis im Deep Space 8K. Auf der Projektionsfläche von 16×9 Meter wird kein passives Setting eines Konzertsaales suggeriert – ganz im Gegenteil. Das Publikum ist aufgerufen, sich der Komposition Bruckners über 3D-Visualisierungen anzunähern und sie in ihren tonalen Einzelteilen verstehen zu lernen.

Besucher*innen werden gewissermaßen zu Musiker*innen des Orchesters, indem sie steuern, ob die Celli, die Oboen oder das Schlagwerk in Bruckners 9. sich in den Vordergrund spielen sollen. Im Deep Space 8K lassen sich auf diese Weise die vielfältigen Kombinationsmöglichkeiten von Orchesterklängen und ihr Zusammenspiel erproben. Möglich wird das erneut durch Trackingpoints, die mit den jeweiligen Musiker*innengruppen verbunden sind: Steht ein*e Besucher*in auf einer der programmierten Flächen, ändern sich Bild und Lautstärke der jeweiligen Musiker*innengruppe. Da Playing Anton eine Multi-User-Applikation ist, bedeutet das, dass eine ganze Gruppe das Orchester „spielen“ kann.

Aufforderung zum Mitmachen

Dirigiert werden die Deep-Space-Besucher*innen von Markus Poschner, seit 2017 Chefdirigent des Bruckner Orchester Linz und im Deep Space lebensgroß abgebildet. Den Taktstock in der Hand, wendet er sich den Spieler*innen zu und fordert sie auf, mit ihren Bewegungen Bild und Ton mitzugestalten. Wer aufmerksam ist, merkt am Takt, wann die nächste Musiker*innengruppe gefragt ist und erlebt die Wucht, mit der Bruckners 9. das Publikum mitzureißen vermag, wenn erst die richtige Balance zwischen den Instrumenten gefunden ist.

Mit Being Anton und Playing Anton hat das Ars Electronica Futurelab zwei Klangwelten geschaffen, die einen unmittelbar körperlich erfassen und neue sinnliche Zugänge zu Bruckners Kompositionen bieten. Es reicht nicht aus, zuzuhören und zu beobachten, die Besucher*innen sind aktiv aufgerufen, sich auf neue Erzählwelten einzulassen und ihre Erfahrungen auf Eigeninitiative hin zu lenken.

Ausblick: Programm im Ars Electronica Center

Der immersive Klangraum Being Anton und die Deep-Space-Applikation Playing Anton werden am Mittwoch, 31. Januar 2024, um 18 Uhr im Ars Electronica Center eröffnet und sind ab Donnerstag, 1. Februar 2024, und vorerst bis Jahresende in den Ausstellungsbetrieb des Ars Electronica Center integriert.

Am 3. und 4. Februar 2024 findet ein entsprechendes Themenwochenende statt, an dem die Führung „Playing, Being … Experiencing Anton“ ihre Premiere feiert und Playing Anton im Deep Space an beiden Tagen gleich zwei Mal gezeigt wird; jeweils 11 bis 11.30 Uhr sowie 16.30 bis 17 Uhr. Das vollständige Programm ist hier zu finden.

Speziell auf die Interessen von Volksschulkindern (3. und 4. Klasse) zugeschnitten, startet im April die neue Highlightführung „AnTon und Töne“, die die Klanginstallation Being Anton in den Mittelpunkt von Experimenten mit Musik und Klang stellt.

Statements

„Die KulturEXPO wird das Werk, das Schaffen Anton Bruckners in allen Facetten zeigen. Oberösterreich war Anton Bruckners Heimat. In Ansfelden wurde er 1824 geboren, im Stift St. Florian musikalisch sozialisiert, gefördert und ausgebildet. In Linz entwickelte er sich zum Orgelimprovisator und zu einem Komponisten mit unverwechselbarer Tonsprache. Sein 200. Geburtstag ist willkommener Anlass, gemeinsam oberösterreichische Kultur in ihrer ganzen Vielfalt zu präsentieren. Wir präsentieren, wie unglaublich anspruchsvoll und vielfältig Bruckners sinfonische Werke sind, die damals, als er sie komponiert hat, revolutionär waren. Bruckners Schaffen hat die Musikwelt beeinflusst. Bruckner hat weit über seine Zeit hinaus gewirkt und ist bis heute in vielen Bereichen nach wie vor spürbar. Bruckner ist einer der wenigen Komponisten, der fast immer am Land zu Hause war. Das werden wir in den 35 Gemeinden, in denen er tätig gewesen ist, unterrichtet oder etwas geschaffen hat, hervorheben und das wird auch nach diesem Bruckner-Jahr noch spürbar sein. Vieles in seinem Werk ist mit der Tradition des Landes verbunden.“

Thomas Stelzer, Landeshauptmann von Oberösterreich

„Die ersten Hochöfen werden mit Koks befeuert, Fabriken schießen aus dem Boden, Glühbirnen erhellen die Städte, die Naturwissenschaften setzen zu ihrem Siegeszug an und gesellschaftliche Spannungen gipfeln in politischen Zäsuren wie der Französischen Revolution oder dem Amerikanischen Bürgerkrieg – Anton Bruckner lebte in einer Zeit des Umbruchs, die einige Parallelen mit unserer heutigen Zeit aufweist. Während sich viele seiner Zeitgenoss*innen in ‘romantische’ Gefilde flüchteten, suchte und fand Bruckner inmitten einer aus den Fugen geratenen Welt seinen eigenen Weg. Mit den Technologien unserer Zeit spürt Ars Electronica diesem Künstler und Innovator nach und macht Bruckner auf ungewöhnliche Weise hör- und ein Stück weit erfahrbar.”

Klaus Luger, Bürgermeister der Stadt Linz & Eigentümervertreter von Ars Electronica

„Bruckner und Ars Electronica – das ist eine lange und stimmige Geschichte. Nicht nur, dass die allererste Klangwolke während des Ars Electronica Festivals 1979 Bruckners 8. in ganz Oberösterreich zum Erklingen brachte; das Bruckner Orchester Linz und Ars Electronica sind seit vielen Jahren enge Kooperationspartner.

2003 von Dennis Russell Davies und Gerfried Stocker ins Leben gerufen – und seit 2017 mit Chefdirigent Markus Poschner und Norbert Trawöger als Künstlerischem Direktor weiterentwickelt – bildet die ‘Große Konzertnacht’ ein Highlight jedes Festivals. Wie sehr diese künstlerische Zusammenarbeit von der Offenheit für das Neue und der Lust zum Experimentieren geprägt ist, wird nicht zuletzt in den jüngsten Projekten Being Anton und Playing Anton für das Bruckner Jubiläumsjahr deutlich.“

Doris Lang-Mayerhofer, Kulturstadträtin und Beiratsvorsitzende von Ars Electronica

„Das Jahrhundert, in dem Anton Bruckner gelebt hat, war ein in vielerlei Hinsicht sehr interessantes. Viele Grundsteine des Wissens, das unsere Welt von heute ausmacht, wurden damals gelegt. Mit Bruckner bewegen wir uns gerade im Jubiläumsjahr im Spannungsfeld digitaler und analoger Welten. Und dies wird auch in den Vermittlungsformaten offenbar. Während man beim Crashkurs über haptische Materialien zum Bruckner-Profi avanciert, lädt die Vermittlungs-App hublz zur interaktiven Beschäftigung mit Bruckners Leben und Schaffen ein. Auch bei Being Anton und Playing Anton kommt es zu einer spannenden Verknüpfung zwischen Anton Bruckners Werk und der Technologie, die heute state of the art ist. Und das ist kein Zufall. Anton Bruckner war nämlich der Klavierlehrer von Ludwig Boltzmann, jenem Physiker, der bekannt für seine statistische Mechanik ist und dessen Theorien Modelle der Künstlichen Intelligenz angeregt haben. Ob der musikalische Boltzmann in seinen Forschungen durch die Musik inspiriert wurde, lässt sich nur mutmaßen. Für die Macherinnen und Macher der immersiven Projekte trifft es zweifelsohne zu.“

Margot Nazzal, Direktorin Kultur und Gesellschaft, Land Oberösterreich

„Anton Bruckner hat in seiner Musik Tradition und Avantgarde in einer hörbaren Gleichzeitigkeit verschmolzen, die beispiellos in der Weltmusikgeschichte ist. Diese Traditionsavantgarde hat hierzulande Tradition, auch in der schon jahrzehntelangen Zusammenarbeit zwischen der Ars Electronica und dem Bruckner Orchester Linz. Ich freue mich unbändig, dass im Rahmen der KulturEXPO im Ars Electronica Center mit Being & Playing Anton Erfahrungsräume für Menschen unserer Zeit geschaffen wurden, um von Bruckner ergriffen zu werden – dabei muss man nicht einmal stillsitzen!“

Norbert Trawöger, Künstlerischer Leiter OÖ KulturEXPO Anton Bruckner 2024 & Künstlerischer Direktor Bruckner Orchester Linz

„Mit Being Anton und Playing Anton versuchen wir dem Menschen Anton Bruckner ein Stück weit näher zu kommen. Wir hören in seine Welt und in sein Werk hinein. Es ist ein sehr subjektiver Weg, der jeder und jedem die Freiheit gibt, einen eigenen Zugang zu Bruckner zu suchen und hoffentlich zu finden. Ob die Klanglandschaften von Being Anton oder die 3D-Visualisierungen von Playing Anton –Technologien des 21. Jahrhunderts werden zur Brücke in eine Zeit, die ähnlich wie unsere, von Technologiesprüngen und gesellschaftlichen Spannungen geprägt war. Ich bedanke mich bei Markus Poschner und dem Bruckner Orchester Linz, bei Norbert Trawöger von der OÖ KulturEXPO für die inspirierende Zusammenarbeit und beim Land Oberösterreich und der Stadt Linz für die finanzielle Unterstützung.“

Gerfried Stocker, Künstlerischer Leiter Ars Electronica

Being Anton / Ars Electronica Futurelab, Sounddesign by Julian P. Schmiederer, OÖ KulturEXPO Anton Bruckner 2024

Photo: Martin Hieslmair

Playing Anton / Ars Electronica Futurelab, Bruckner Orchester Linz, Studio Weinberg, OÖ KulturEXPO Anton Bruckner 2024

Photo: Birgit Cakir

Playing Anton / Ars Electronica Futurelab, Bruckner Orchester Linz, Studio Weinberg, OÖ KulturEXPO Anton Bruckner 2024

Photo: Martin Hielsmair

Playing Anton / Ars Electronica Futurelab, Bruckner Orchester Linz, Studio Weinberg, OÖ KulturEXPO Anton Bruckner 2024

Photo: Martin Hielsmair