Prix Ars Electronica & S+T+ARTS Ausstellung

(Linz, 5.9.2023) 2023 widmet sich die Ars Electronica brennenden Fragen unserer Zeit. Während neue Technologien der Wissenschaft ein immer tiefergehendes Verständnis unserer Welt eröffnen, begünstigen sie gleichzeitig die Verbreitung von Fake News, Deep Fakes, esoterischem Gedankengut und Verschwörungstheorien. Dass Chatbots zunehmend in der Lage sind, Texte, Bilder und Videos zu erzeugen, verschärft die Schwierigkeit, zwischen wahr und falsch, zwischen Faktum und Fiktion zu unterscheiden…

Was aber ist die Natur der Wahrheit und wie ist es um die Kontrolle über ihre Interpretation und unsere Autonomie bestellt? Kann man die Wahrheit für sich beanspruchen, sie besitzen, und falls ja, welche Konsequenzen und Verantwortlichkeiten ergeben sich daraus? Haben wir ein Recht auf Wahrheit?

„Who Owns the Truth? – Wem gehört die Wahrheit?“ fragen sich hunderte Künstler*innen, Wissenschaftler*innen, Entwickler*innen, Designer*innen, Unternehmer*innen, Aktivist*innen und Studierende aus aller Welt im Rahmen der diesjährigen Ars Electronica.  Ihre Antworten – und ihre weiterführenden Fragen – präsentieren sie von 6. bis 10. September in zahlreichen Ausstellungen, Konzerten, Performances, Interventionen, Vorträgen, bei Konferenzen und Workshops an 13 Locations in Linz. Mit dabei die Preisträger*innen des Prix Ars Electronica – und einer ganzen Reihe weiterer Wettbewerbe.

Der Prix Ars Electronica – Grenzüberschreitungen im besten Sinne

1987 ins Leben gerufen, hat der Prix Ars Electronica bis heute unglaubliche 87.743 Einreichungen verzeichnet. Der Linzer Wettbewerb ist der traditionsreichste und prestigeträchtigste Medienkunstpreis der Welt. Sein Stellenwert gründet nicht auf Stars und Glamour, sondern auf der schieren Fülle künstlerischer Qualität und disruptiver Innovation der eingereichten und von einer hochkarätigen Jury prämierten Projekte. Wer eine Goldene Nica des Prix Ars Electronica gewinnt, ist nicht zwangsläufig ein Star der Medienkunstszene, macht aber meist bald von sich reden.

Die Gravitation, die der Prix Ars Electronica über die Jahre entwickelt hat, macht sich aber nicht nur in den Einreichzahlen bemerkbar, sondern auch in neuen Kooperationen und Allianzen. Der Wettbewerb ist zu einer Plattform für Institutionen und Initiativen geworden, die – genau wie Ars Electronica – sinnstiftende Grenzüberschreitungen zwischen unterschiedlichen Bereichen unsere Gesellschaft befördern und nutzen wollen.

Vor sieben Jahren kam in Gestalt des STARTS-Prize eine erste große Kooperation mit der Europäischen Kommission für die Synergie von Kunst und Technologie zustande, mit dem European Union Prize for Citizen Science folgte dieses Jahr ein weiterer prestigeträchtiger Preis.

Auch mit dem Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten werden mittlerweile zwei Wettbewerbe auf der Bühne des Prix Ars Electronica ausgerichtet: Der Ars Electronica Award for Digital Humanity, der Projekte auszeichnet, die sich mit internationaler Wirkung und Relevanz den gesellschaftlichen und kulturellen Problembereichen der Digitalen Transformation widmen sowie State of the ART(ist), eine Initiative, die Künstler*innen vor den Vorhang holt, die – sei es durch Krieg oder Verfolgung, Ausbeutung oder durch die Folgen von Naturkatastrophen – unter Gefahr für Leib und Leben arbeiten.

Das Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung wiederum nutzt die Bühne des Prix Ars Electronica, um Lehrer*innen, die sich kreativ und innovativ um die Digitale Transformation des Schulunterrichts kümmern, mit dem Bildungspreis „Klasse! Lernen. Wir sind digital“ auszuzeichnen.

Ein Sonderpreis für Musiker*innen und Komponist*innen wird alle zwei Jahre von der Familienstiftung des legendären japanischen Synthesizer-Pionier Isao Tomita vergeben und in einer Kooperation mit dem CultTech-Accelerator-Programm wird dieses Jahr ein auf die Förderung der Kultur und Kreativwirtschaft in Südafrika spezialisiertes Startup ausgezeichnet.

Die Prix Ars Electronica Award Ceremony

Donnerstag, 7. September, findet die Prix Ars Electronica Award Ceremony in der Gleishalle der POSTCITY statt und holt die Preisträger*innen des Prix Ars Electronica, des STARTS Prize, des European Union Prize for Citizen Science, des Ars Electronica Award for Digital Humanity, des CultTech x Ars Electronica Award, des Klasse! Lernen. Wir sind digital Bildungspreises, des State of the ART(ist) Wettbewerbs sowie des Isao Tomita Special Prize ins Rampenlicht. Ein Abend der Kunst für die Kunst.

Die Prix Ars Electronica Ausstellung

6.-10. September 2023, POSTCITY (Prix Ars Electronica Building)

2023 wurden 3.176 Arbeiten aus 98 Ländern zum Prix Ars Electronica eingereicht. 19 davon werden während des Festivals in einer exklusiven Ausstellung präsentiert. Aus der Kategorie „Artificial Intelligence & Life Art“ sind Projekte zu sehen, die zeigen, dass vermeintlich neutrale Technologie menschliche Schwächen und Vorurteile in sich trägt und reproduziert. Aus der in diesem Jahr neu ausgerichteten Kategorie „New Animation Art“ werden Werke präsentiert, die das klassische Konzept der Animation hinter sich lassen und bildgebende Verfahren, neue Technologien und Kommunikationsformen auf innovative Weise miteinander verweben. Die Projekte der Kategorie „Digital Musics & Sound Art“ wiederum kreisen diesmal um unsere Sinne und damit die Wahrnehmung, die Interpretation unserer Welt sowie ihrer Geschichte. Die Prix Ars Electronica Ausstellung ist von 6. bis 10. September in der POSTCITY zu sehen.

Delivery Dancer’s Sphere / Ayoung Kim (KR)

Ernst Mo – ein Anagramm von Monster – ist Gigworker. Sie arbeitet als Zustellerin für die Plattform Delivery Dancer, ihr Arbeitsort ist ein fiktives Seoul. Wie alle anderen „Dancer“ rast Ernst Mo auf ihrem Motorrad durch das Labyrinth der nie schlafenden, glitzernden Metropole. Wo und wann sie dabei Waren abholt, wem und wohin sie diese Waren bringt, entscheidet der „Dancemaster“ – eine KI, die immerfort Aufträge annimmt, Start- und Zielpunkte definiert, kürzeste und schnellste Routen berechnet, Fahrer*innen zuteilt und Empfänger*innen verständigt. Mit Delivery Dancer’s Sphere widmet sich Ayoung Kim (KR) der boomenden Gig-Economy und bedient sich dafür einem Mix aus 3D-Animation und Live-Action-Dreh.

Project Credits: Written and directed by Ayoung Kim / Produced by Heejung Oh / Assistant director: Chae Yu / Project managers: Junyoung Lee, Yoojin Jang / Delivery riding advisor: Yiseul An / Physics advisor: Mankeun Jeong / Mathematics advisor: Seoyeon Kim / Actors: Seokyung Jang, Soojeong Hwang / Director of photography: Syeyoung Park / Music, sound mixing and mastering: Đ.K. (aka Dang Khoa Chau) / Editing: Hyunji Lee, Ayoung Kim, Chae Yu / VFX and motion graphics: Hyunji Lee / Unity level design: B. Paul Sandoval Lopez, Sanghun Heo / Unity animation: Sanghun Heo / Maya Modeling and Animation: Jaehwan Hwang / Lidar Scanning: Jieun Kim

A Tale of Two Seeds: Sound and Silence in Latin America’s Andean Plains / Atractor Estudio (CO) + Semantica Productions (UK)

Die lateinamerikanische Landwirtschaft ist Schauplatz eines Richtungsstreits. Während Konzerne den Aufbau großflächiger Soja-Monokulturen vorantreiben, kämpft die indigene Bevölkerung darum, weiterhin Amaranth kultivieren zu können, ein Getreide, das eng an ihre Kultur und Geschichte geknüpft ist. Noch ist der Streit nicht beigelegt: Statt sich dem Glyphosat-Einsatz der Big Player zu beugen, zeigte sich die Amaranth-Pflanze widerständig und entwickelte innerhalb weniger Jahre eine Resistenz gegen die Giftmischung. Das Kollektiv Atractor Estudio + Semantica Productions ließ sich davon inspirieren und macht mittels Sound und Film auf die agroindustrielle Kolonisierung Lateinamerikas, insbesondere Kolumbiens, aufmerksam. Eine Blockchain-Anwendung bringt die Patentregelungen gentechnisch veränderter Pflanzen und die Frage nach (geistigem) Eigentum aufs Tapet.

Unerasable Characters Series / Winnie Soon (HK/UK)

Am Beispiel der Plattform Weibo – die von der chinesischen Regierung verbotene Tweets löscht – erforscht Winnie Soon (HK/UK), wie digitale Infrastrukturen für Zensur genutzt werden. Mit der dreiteiligen Serie Unerasable Characters finden mehr als 50.000 zensierte Tweets ihren künstlerischen Ausdruck. Aus aneinandergereihten verbotenen Online-Meldungen entstand ein (unlesbares) dickes Buch, eine blinkende Installation, die Anzahl und Frequenz der gelöschten Tweets visualisiert, sowie ein Text, der nur Interpunktionen, Emojis und Sonderzeichen zeigt – eben das, was ohne den verbotenen Inhalt noch bleibt. Auf diese Art verhilft Soon „ungehörten Stimmen“ zurück in den Diskurs.

3SDC project (Sunlight, Soil & Shit (De)Cycle) /Oron Catts (AU), Ionat Zurr (AU), Steve Berrick (AU)

Sunlight, Soil & Shit (De)Cycle-3SDC beschäftigt sich mit der Zukunft der Lebensmittelproduktion, die ganz ohne natürliches Licht, Erde oder Düngemittel auskommen könnte. Oron Catts (AU), Ionat Zurr (AU) und Steve Berrick (AU) hinterfragen technische Lebensmittelsysteme, die von Tech-Konzernen oft als umweltfreundlich inszeniert werden. Sie haben eine Anlage mit vier Stationen entworfen: Den Anfang macht ein Kompostbrutkasten, in dem Muskelzellen von Mäusen als im Labor gezüchtetes Fleisch aufbewahrt werden. In der alkalischen Hydrolyseanlage wird das gezüchtete Gewebe wiederum zum Dünger, der Pflanzen – im erdlosen Anbau – ernährt. Indem diese Pflanzen als Futtermittel für den Kompostinkubator verwendet werden, schließt sich der biologische Wachstumszyklus. Der einzige Output von 3SDC stammt aus dem Kontrollraum, wo Sensoren große Mengen zumeist nutzloser Daten generieren.

Project Credits. Lead artists: Oron Catts & Ionat Zurr / Lead media artist/tech director: Steve Berrick / This project was researched, developed and produced at SymbioticA, The University of Western Australia. / Promo video for the 3SDC project: Ionat Zurr and Oron Catts in collaboration with Steve Berrick / With support from: DLGSC, Western Australia; The Seed Box, Linköping University Sweden; The Australia Council.

Shadows from the Walls of Death /Adam Brown (US)

Shadows from the Walls of Death untersucht die historische, chemische und materielle Wirkung von „Paris Green“, einem hochgiftigen Pigment, das im 19. Jahrhundert Kunst und Industrie mit seiner Leuchtkraft und Langlebigkeit begeisterte. Über die Gefahren des arsenhaltigen Produkts, das eingesetzt als Insektizid Hunderttausende krank machte, klärte Robert Kedzie schon 1874 auf. Adam Browns (US) Performance-Reihe Shadows from the Walls of Death ist von diesem Buch inspiriert. Synthese, Herstellung und Verwendung von „Paris Green“ werden dabei nachgestellt und wichtige Fragen zu den zahllosen Kunstwerken aufgeworfen, die noch heute Museumswände zieren und hochgiftig sind.

Project Credits. Rebekah Blesing, Robert Root-Bernstein / With support from: Michigan State University College of Arts and Letters Fellowship

Interspecies Robot Sex / Miriam Simun (US)

Ein Leben ohne Bienen? Wie können Menschen und ihre Roboter die Reproduktion von Früchten in Zukunft sichern, wenn das wertvolle Bestäuberinsekt ausgestorben ist? Interspecies Robot Sex beschäftigt sich mit zwei Reaktionen auf den Kollaps der Bienenvölker: “Robobee” als maschineller Ersatz und das künstliche Bestäuben von Hand durch den Menschen. Miriam Simun (US) legt ihr Projekt als eine Untersuchung an, die sich mit Leben und Tod, Arbeit und Technologie sowie Sex zwischen den Arten in der Ära des Spätkapitalismus und der ökologischen Krise auseinandersetzt.

Project Credits. A work by Miriam Simun. / This work is supported by Creative Capital with additional support by MIT List Visual Arts Center and La Becque.

ERBSENZÄHLER EZ Quality Sorter V2 / Verena Friedrich (DE)

Wer entscheidet, was gut und was schlecht ist? Und was passiert, wenn komplexe Entscheidungsprozesse zunehmend automatisiert und an Maschinen delegiert werden? Der EZ Quality Sorter V2 mutet an wie eine industrielle Sortieranlage. Er trennt, analysiert und sortiert Erbsensamen mittels eines Zuführmechanismus und eines Förderbandes automatisch in gute und schlechte Qualität. Wird eine Erbse als „schlecht“ eingestuft, wandert sie in den Abfallbehälter. Wird sie für „gut“ befunden, gelangt sie in den Container zur weiteren Verarbeitung. Besucher*innen können die Erbsen per Knopfdruck optisch nach Qualität beurteilen – die Maschine setzt den Vorgang dann entsprechend fort. Mit ERBSENZÄHLER macht Verena Friedrich (DE) deutlich, dass viele unserer „intelligenten“ Systeme auf unsichtbarer menschlicher Arbeit und sehr subjektiven Entscheidungsprozessen beruhen, die durch ihre Automatisierung zum Fakt werden.

The EZ Quality Sorter V2 is part of the ERBSENZÄHLER (EN: bean counter; lit.: pea counter) project which explores the increasing quantification of life through mathematical-technical procedures and systems— from counting and sorting to statistics, to computer-aided processes—and the worldview that goes along with it.

IT’S DANGEROUS TO GO ALONE! TAKE THIS / Bassam Issa (IE)

Äußere Welten verschmelzen mit inneren, das Selbst des Körpers löst sich von der Oberfläche, Emotionen kochen hoch und kühlen wieder ab – Traum-Erotik vermischt sich mit Körper-Horror, Szenen der Zerstörung und des Verfalls stehen Szenen der Widerstandsfähigkeit und Wiedergeburt gegenüber. IT’S DANGEROUS TO GO ALONE! TAKE THIS ist ein 30-minütiger Film und als Teil eines imaginären Videospiels angelegt. Die „Logik” computeranimierter Welten wird dabei umgekehrt und deren politisierte und konstruierte Natur hinterfragt. Bassam Issa thematisiert die übersteigerte Männlichkeit von Gaming-Avataren und die damit verknüpften idealistischen Konnotationen von Fortschritt, Wachstum und Transformation.

Project Credits. Written, directed, and animated by: Bassam Issa / Commissioned by the Douglas Hyde Gallery. Supported by the Arts Council of Ireland.

Oneroom-Babel /SANGHEE (KR)

Mit Oneroom-Babel widmet sich SANGHEE der bedrückenden Lebensrealität tausender junger Südkoreaner*innen, die in „Onerooms“ hausen – winzigen Wohneinheiten, die aus einem einzigen Raum bestehen, der als Schlafzimmer, Küche und Wohnzimmer dient. Das VR-Projekt lädt Spieler*innen ein, in die Tiefsee zu tauchen und dort ein Bauwerk zu erkunden, das wie so viele Hochhäuser Südkoreas aus unzähligen „Onerooms“ besteht. Gefüllt sind diese Räume nicht mit Habseligkeiten, sondern mit Texten und Sounds aus Interviews, die SANGHEE mit jungen Menschen geführt hat. SANGHEE inszeniert die Erfahrungen des „Wohnens in einem Zimmer“ als kollektive Erinnerung junger Menschen, die einst ihre Dörfer verließen, um sich in der großen Stadt ein neues Leben aufzubauen – und dort am Ende kein Zuhause fanden.

Project Credits. Artist: SANGHEE / Story: SANGHEE, Seonghun / Music: Guinneissik / Sound design: SANGHEE, Guinneissik / Narration: Hyunjung Go / Narration mixer: Yoonkyung Lee / Special thanks to: Jeonghoon Han, Hoonida Kim, the twenty-three people who told me their stories. With support from: Seoul Foundation for Arts and Culture, Unfold X

Lebensraum / Living Space / Sven Windszus (DE)

Überbevölkerung, die Zerstörung unseres Lebensraumes, der Anstieg des Meeresspiegels – mit seinem Projekt Lebenraum reduziert Sven Windszus (DE) die Komplexität der Realität auf ein einfaches physikalisches Experiment, das auf purer Muskelkraft basiert. Drückt man eine Pumpe, erscheinen auf einem Screen menschliche Köpfe. Werden zu viele Köpfe hochgepumpt, vergrößert sich zwar der verfügbare Raum, das Problem des steigenden Wasserspiegels verschlimmert sich allerdings. Werden alle Köpfe aufgeblasen, flutet das Wasser den Raum fast vollständig; die Fehlermeldung „UNEXPECTED ERROR. LEBENSRAUM WIEDERHERSTELLEN“ wird angezeigt.

Project Credits. Work and concept: Sven Windszus / Programming: Johannes Deml (https://deml.io/ ) and Alexander Jasper / Engineering support: Ulrich Kwade 

Harmonic Motion / Alba Triana (CO)

Harmonic Motion ist eine musikalische Komposition und immersive Installation gleichermaßen. Alles dreht sich dabei um Schwingungen, (Klang-)Wellen und Resonanzen. Die Installation besteht aus einem Becken, dessen Bewegung von einem elektrischen Signal ausgelöst wird. Die Klänge, die dabei entstehen, werden also ohne jede Berührung erzeugt. Dank vierzehn spiralförmig angeordneter Reflexionen, die durch ein Lasersystem kreiert werden, sind die Schwingungen des Beckens nicht nur hör- sondern auch sichtbar. Der getaktete elektrische Antrieb kontrolliert die Klangebene dabei nie zur Gänze, denn das Becken reagiert auch auf Veränderungen der Luftfeuchtigkeit, der Temperatur oder Bewegungen im Raum. Harmonic Motion macht Prozesse und Beziehungen erfahrbar, die uns sonst verborgen bleiben.

Project Credits. Harmonic Motion, 2021 / Cymbal, audible and visible cymbal vibrations / Alba Triana

zwischenraum—interspace—acoustic cartography / Julia Jasmin Rommel (DE)

In Julia Jasmin Rommels zwischenraum—interspace—acoustic cartography wird die Wahrnehmung von Räumen zur akustischen Unternehmung. Ihre audiovisuelle Installation basiert auf realen kartografischen Dokumenten, also geographischen und geopolitischen Informationen, und fragt, wie wir mental reagieren, wenn wir uns von A nach B bewegen. Es geht um Übergänge, Rastlosigkeit, Kontinuität und Orientierung, kurz um Dinge, die unsere Bewegung durch Räume prägen. Julia Jasmin Rommel belässt es dabei nicht bei faktischen Beschreibungen, sondern übersetzt Bewegungsmuster, insbesondere ihre Veränderungen, in Klangwelten. Die akustische Aufbereitung wird zum Werkzeug für die räumliche Orientierung, aus der Kartografie eine „Kartophonie“.

Project Credits. Concept, cartography, sound: Julia Jasmin Rommel / Residency at Hertz Lab at the ZKM | Center for Art and Media Karlsruhe

Temporary Stored / Joseph Kamaru (KE)

Temporary Stored hinterfragt das Aufbewahren von Objekten in Museen vor dem Hintergrund ihrer Bedeutung für jene Kulturen, die sie hervorgebracht haben. In afrikanischen Kulturen gelten viele dieser „Objekte“ als Geschichtsträger, als geistige Wesen und kulturelle Einheiten, die von Generation zu Generation weitergegeben werden. Sie spiegeln vergangene und künftige Geschichten wider. Anhand ausgewählter Elemente aus dem Sound Archive of Royal Museum of Central Africa hat Joseph Kamaru (KE) ein Stück entwickelt, das die Klänge in einen neuen Kontext zum kulturellen Erbe der Länder in Ost- und Zentralafrika stellt. Sein Werk konzentriert sich auf Erzählungen über archivierten Sound, Feldaufnahmen und Synthesizer-Einsatz und zeigt einen Weg des klanglichen Denkens.

Project Credits. Artist: KMRU / Archive recordings: Royal Museum for Central Africa / Special thanks to: Daisuke Ishida, Jessica Ekomane, Rémy Jordan, Simon Scott, Joe Gilmore, Marcus Gammel / With support from: Deutschlandfunk Kultur, Center for Arts, Design + Social Research, Royal Museum for Central Africa, DEKKMMA, UdK SoundS

زبانی که خاموش است / A TONGUE THAT IS TURNED OFF” /Rogine Moradi (IR)

A TONGUE THAT IS TURNED OFF ist eine Installation, die aus skulpturalen Wandstücken und Klang besteht. Verwendet werden dabei Materialien, die normalerweise im Baugewerbe, in der Fischerei und beim Verpacken eingesetzt werden. Im Kontext dieser Installation werden die Materialien ihrer eigentlichen Bestimmung und Funktionalität beraubt. Während die einzelnen Stoffe nichts weiter tun, läuft im Hintergrund ein Klangstück auf Wiederholung – es ist leise in Dauerschleife zu hören und rezitiert auf meditative Art und Weise den Projekttitel in Farsi. A TONGUE THAT IS TURNED OFF zeigt, wie es ist, fremd in einer Umgebung zu sein, zu der man eigentlich gehören sollte. 

klimaton ARCTIC≈2020 / Adnan Softić and Nina Softić (feat. Thies Mynther & MOSAiC Expedition Team) (INT)

Was macht man eigentlich mit all den Daten, die in den riesigen wissenschaftlichen Archiven gespeichert sind? In Gestalt eines generativen Klangobjekts fragt klimaton ARCTIC≈2020 nach der Vermittelbarkeit wissenschaftlicher Fakten im Kontext des Klimawandels. Gemeinsam mit einer Gruppe von MOSAiC-Wissenschaftler*innen, dem Komponisten Thies Mynther und einem Team von Techniker*innen entwickelte das Künstler*innenduo Adnan Softić und Nina Softić ein Instrument, das Forschungsdaten aus der Arktis in Klänge umwandelt und so ein großformatiges sonifiziertes Porträt einer verschwindenden Landschaft schafft.

Project Credits. Concept, artistic direction, production: Adnan Softić, Nina Softić / Sound design, musical interpretation: Thies Mynther / Data management: Dr. Sebastian Mieruch / Technical team: Juan Duarte, Martin Edelmann, Chris von Rautenkranz, Jan Münther / Scientific consulting: MOSAiC team of scientists

SHIFT /Géraldine Honauer (CH)

SHIFT ist ein prozessorientiertes Kunstwerk, das die Ökonomie der Arbeit thematisiert und die Kluft zwischen der realen Welt und der zunehmend kommerzialisierten virtuellen Welt überbrückt. Mittels ihrer web3-fähigen Plattform untersucht Géraldine Honauer neue Normen der Arbeit, die von Maschinen und Menschen geteilt werden, die daraus abgeleiteten sozioökonomischen Werte und die neuen Praktiken der Monetarisierung in der Kunstwelt. SHIFT präsentiert eine reflektierende und erfahrungsorientierte Perspektive auf die Verbindung zwischen dem Physischen und dem Digitalen – und zeigt, wie wir sie steuern und verstehen können.

Project Credits. 3D Animation: Elen Kimi / Special thanks to: Armin Blasbichler, Tizian Baldinger, Amelie Mckee & Melle Nieling (Plicnik Collective), Raphael Stucky, Toby Üpson, Boris Magrini

From Paradigm

To Paradigm,

Into The Biomic Time / Nandita Kumar (IN)

Die Installation From Paradigm To Paradigm, Into The Biomic Time erinnert an eine Zeitungspresse in Endlosschleife. Das Projekt veranschaulicht das ständige Wiedergeben falscher Informationen in Bezug auf Umweltthemen, durch das Personen und Organisationen die öffentliche Meinung beeinflussen. From Paradigm To Paradigm, Into The Biomic Time mahnt, die Fehler der Vergangenheit nicht gedankenlos zu wiederholen. Nandita Kumars Klanginstallation besteht aus fünf Klangreisen, die die Elemente Erde, Feuer, Wasser, Luft und Raum repräsentieren, und gipfelt in einer Performance, bei der 91 Haikus (eine japanische Gedichtform) von einem Pianospieler, einer Collage aus gefundenen Klängen und Live-Foley mit Abfall und recycelten Objekten vertont werden.

Project Credits. Pianola Mechanical Engineer: Subhadeep Biswas / Pianola Code: Matt Gingold / Researcher & co-writer: Pooja Das / Haiku co-editor: Priyanka Tagore / Co-graphic designer: Shikha Usgaonker / Book Editors: Tim Rutherford-Johnson / Malcolm Riddoch / Sound production: Merche Blasco & Felicity Mangan / Voices: Christian Kesten, Alex Nowitz, Ute Wassermann / Co-Conception of the realization: Christian Kesten / Sound production: Merche Blasco & Felicity Mangan / Voices: Christian Kesten, Alex Nowitz, Ute Wassermann / With support from: DAAD Artist in Berlin Program; Goa Open Arts: The Catalyst New Media Grant in collaboration with Goethe-Institut / Max Mueller Bhavan Mumbai

QT.bot – Sitting here with you in the future / Lucas LaRochelle (CA)

QT.bot ist ein KI-System, das auf Basis von Daten der Community-Mapping-Plattform Queering The Map spekulative Queer- und Trans-Erzählungen sowie Bilder jener Umgebungen, in denen sie sich entfalten könnten, generiert. QT.bots erster Video-Output trägt den Titel Sitting here with you in the future und zeigt sich als Auslotung von Möglichkeiten gemeinsamer Zukünfte, verwischt die Grenze zwischen dem Plausiblen und Fantastischen und hebt das queere Potential von Desorientierung im Machine Learning hervor.  Datensätze werden so zum Träger vielfältiger Erzählweisen und Stimmen.

Project Credits. Project by: Lucas LaRochelle / Sound design: Rouzbeh Shadpey / StyleGAN implementation: Mattie Tesfaldet / Mastering: Philippe Vandal / With support from: Ada X, Social Services Club, Mutek / Mastering: Philippe Vandal / With support from: Ada X, Social Services Club, Mutek

OSZILOT / Luc Gut (CH), Rolf Hellat (CH), OSZILOT (CH) https://oszilot.com

OSZILOT ist ein Mix aus Klanginstallation und interaktiver Performance. An Schnüren aufgehängte Alltagsgegenstände werden dabei zu schwingenden Klangobjekten. Durch die erzeugten Rhythmusmuster, Klanglandschaften und musikalischen Strukturen verwandeln sich die hängenden Objekte in Lebewesen, rituelle Instrumente oder futuristische Manifestationen. Das audiovisuelle Pendelensemble ist eine einzigartige Form der Live-Performance elektronischer Musik, bei der die Klangerzeugung intuitiv verstanden wird.

Project Credits. Sound design, composition, performance: Luc Gut / Performance, dramaturgy: Rolf Hellat / Video: Andri Weidman / With support from: ProHelvetia; Stadt Zürich Kultur; Extrakredit Kanton Zürich; Aargauer Kuratorium; Ernst Göhner Stiftung; Mictic AG / Arendi AG

Die Prix Ars Electronica Foren

10. September 2023, POSTCITY (Conference Hall)

Die Prix-Foren eröffnen die einmalige Möglichkeit, die Pionier*innen der internationalen Medienkunstszene persönlich zu treffen und mehr über ihre Zugänge, Methoden und Strategien zu erfahren. Moderiert werden die Künstler*innen-Gespräche von Juror*innen des Prix Ars Electronica.

In der 2023 neu adaptierten Kategorie „New Animation Art“ werden Ayoung Kim (KR) (Goldene Nica für Delivery Dancer’s Sphere), Bassam Issa (IE) (Auszeichnung für IT’S DANGEROUS TO GO ALONE! TAKE THIS) und SANGHEE (KR) (Auszeichnung für Oneroom-Babel) erwartet.

In der Kategorie „Artificial Intelligence and Life Art“ werden Winnie Soon (HK/UK) (Goldene Nica für Unerasable Characters Series), Adam Brown (US) (Auszeichnung für Shadows from the Walls of Death), sowie Oron Catts (AU) und Steve Berrick (AU) vom 3SDC-Projekt (Auszeichnung für Sunlight, Soil & Shit Cycle) Auskunft über ihre künstlerischen Zugänge geben.

Die Kategorie „Digital Musics & Sound Art“ ist mit Juan Cortés (CO) (Goldenen Nica für A Tale of Two Seeds: Sound and Silence in Latin America’s Andean Plains), Alba Triana (CO) (Auszeichnung für Harmonic Motion) sowie Julia Jasmin Rommel (DE) (Auszeichnung für zwischenraum-interspace-acoustic cartography) bestens vertreten.

Die S+T+ARTS Exhibition

6.-10. September 2023, POSTCITY

STARTS ist eine großangelegte Initiative der Europäischen Kommission, die innovative Kooperationsprojekte im Bereich von Wissenschaft, Technologie und Kunst fördert. Teil dieser Initiative ist der S+T+ARTS Prize, der seit 2016 von Ars Electronica durchgeführt wird. 2023 wurden 1.637 Projekte aus 78 Ländern zum Wettbewerb eingereicht, 10 davon werden im Rahmen des Ars Electronica Festival in der S+T+ARTS Prize Ausstellung präsentiert. Die Schau eröffnet Einblicke in wegweisende Konzepte und Projekte in den Bereichen Umwelt-Commons, Ökologie, Künstliche Intelligenz, digitales Besitzrecht, Politik sowie Kommunikations- und Medientechnologien. Die Projekte repräsentieren umfangreiche transnationale und interdisziplinäre Kooperationen, gemeinschaftlich gestaltete digitale Forschungsprojekte, Partnerschaften zwischen Künstler*innen und Techniker*innen sowie lokale Basisinitiativen.

Pollinator Pathmaker / Alexandra Daisy Ginsberg (GB)

Wie würden Insekten ihre Gärten und Parks wohl gestalten? Diese Frage ist Ausgangspunkt eines Experiments, mit dem Alexandra Daisy Ginsberg dem verheerenden Insektensterben, verursacht durch Bodenversiegelung, Monokulturen, Pestizideinsatz, invasive Arten und Klimawandel, entgegenwirken will. Pollinator Pathmaker ist eine Online-Plattform, die mithilfe eines speziell entwickelten Algorithmus einen Bepflanzungsplan für den eigenen Garten erstellt. Ausgewählt werden Pflanzen, die am jeweiligen Standort gedeihen und so viele Bestäuberarten wie möglich anlocken. Jeder Garten, der auf diese Weise entworfen wird, sieht anders aus und ist ein algorithmisch erzeugtes, lebendes Kunstwerk für Tier und Mensch.

Project Credits. Artist: Alexandra Daisy Ginsberg / Algorithm developer: Dr Przemek Witaszczyk / Designer and Researcher: Iman Datoo / Horticulture: Colin Skelly / Producers: Hannah Andrews, Ruby Dixon / Studio manager: Freire Barnes. Originally commissioned by the Eden Project and funded by Garfield Weston Foundation. / Additional founding supporters: Gaia Art Foundation / Collaborators: Google Arts & Culture. /The International Edition Founding / Commissioners are LAS Art Foundation.

Broken Spectre /Richard Mosse (IE)

Broken Spectre ist das Porträt einer vorsätzlichen Umweltkatastrophe, die sich entlang des 4.000 Kilometer langen Trans-Amazonian Highway ereignet. Illegaler Holzeinschlag, Brandrodung, das Graben, Schürfen und Waschen von Gold, das Aufstauen der Flüsse und die daraus resultierenden Überflutungen, der Diebstahl von indigenem Land, das Anlegen riesiger Monokulturen und die Massentierhaltung – Richard Mosse dokumentiert die unsichtbaren Fronten des industrialisierten Ökozids im Amazonasbecken und nutzt dafür spezielle Techniken: Eine Multispektralkamera für Luftaufnahmen, UV-Mikroskopie für reflektierende und fluoreszierende ultraviolette Makro-Zeitrafferaufnahmen des Waldbioms und analogen S35-mm-Infrarotfilm, um das vom Chlorophyll des Regenwaldes reflektierte Infrarotlicht über 720 nm sichtbar zu machen. Bei den Dreharbeiten vor Ort arbeitete Richard Mosse mit indigenen Gemeinschaften zusammen.

Project Credits. Director, producer: Richard Mosse / Cinematographer, editor: Trevor Tweeten / Composer, sound design: Ben Frost

VFRAME: Computer Vision for OSINT/OSI Research /Adam Harvey (US), Josh Evans (US), Jules LaPlace (US)

VFRAME entwickelt Open-Source-Bildverarbeitungssoftware und neuronale Netzwerkmodelle zur Identifikation und Dokumentation von Menschenrechtsverletzungen in Konfliktgebieten. Neue Technologien, die 3D-Fotogrammetrie, 3D-Rendering und 3D-Druck kombinieren, helfen, synthetische Daten für das Training neuronaler Netze zu generieren. Anstatt Daten aus Online-Quellen zu schürfen, setzt VFRAME auf einen künstlerischen Ansatz aus digitaler Fabrikation, Bildhauerei, Fotografie und 3D-Kunst, um eine praktisch unbegrenzte Quelle von Trainingsdaten zu erschließen. Das Ergebnis sind leistungsstarke Computer-Vision-Modelle, mittels derer die automatisierte Identifikation von illegaler Streumunition in Videos aus Konfliktgebieten möglich ist.

Project Credits. Director, founder, computer vision: Adam Harvey / 3D design and emerging 3D technologies: Josh Evans / Information architecture and front-end development: Jules LaPlace / With support from: Prototype Fund (Bundesministerium für Bildung und Forschung); NLNet Foundation and Next Generation Internet (NGI0); NESTA; SIDA; Tech 4 Tracing

It Could Be You / HsienYu Cheng (TW)

Privatsphäre und Identität in den Fängen digitaler Technologie – It Could Be You regt zum Nachdenken und kritischen Hinterfragen ein. Mithilfe von maschinellem Lernen, Pentesting (Sicherheitsübungen im Bereich Cyber-Security) oder ethischem Hacking generiert das Projekt fiktive persönliche Daten und wirft durch das Sammeln von Nachrichten aus Online-Foren und Chatrooms Fragen zur Privatsphäre und ihrem Schutz auf. It Could Be You fragt danach, wie Technologie unser Leben prägt und wie unsere Vorstellung einer gerechteren Welt aussieht.

Project Credits. With support from: Panasonic Taiwan & Hong’s Foundation, Taiwan Contemporary Culture Lab, Google Colab, Python Jupyter, PaperSpace

Labyrinth Psychotica – The Anoiksis Experiment by Roomforthoughts /Jennifer Kanary (NL) https://www.labyrinthpsychotica.org

Jennifer Kanary (NL) forscht zu Psychose-Simulationen und hat eine Mixed-Reality-VR-Psychose-Simulation entwickelt, die Proband*innen in einen sicheren interaktiven Wachtraumzustand versetzt und acht Minuten lang eine ganze Reihe subjektiver Psychose-Erfahrungen simuliert. Das Projekt soll die Behandlung von Psychosen und die Art und Weise, wie wir mit psychotischen Menschen umgehen, verbessern. Grundlage bietet die Anoiksis-Theorie, die Halluzinationen und Wahnvorstellungen nicht als Störung des Gehirns beschreibt, sondern als Teil eines Heilungsprozesses versteht.

Project Credits. Thanks to: The Doen Foundation, The Creative Industry Funds, The Mondriaan Funds, Jolijn Friederichs, Tim Knoote, Teresa Feldman (EE), Sigrid Bannenberg, Pinar Temiz, Alec Kopyt (USSR), Laura Schuster, Konstantin Leonenko (UKR), Jeanette Groenendaal, Suleika Elfassi, Dora Grootman, Megan Mateer (USA), Jeroen Zwaal, Linda Maissan, Kasia Szmigiero (P), Xiomara Vado Soto, Renana Elran (ISR), Suzanne Meyer, Dr. Wouter Kusters, Dr. Karlijn Roex, Dr. Wim Veling, Alwin Verdonk, Josephine Bosma, Rokus Loopik, Dr. Anna Cornelia Beyer (UK), Sam Gerrits, Angèle De Jong, Lieselotte Nooyen, Christien Oudshoorn, Nina Boas, Iris Jousma, Anneke de Weerd, Fausto, Marie-Anne Soyez (D), Dr. Sabine Wildevuur, Dr. Tycho Hoogland, Marjelle van Hoorn, Selma Steenhuizen, Ewout Stumphius and Nikola Nikolov (BG). TNO, Dutch Police Academy Ossendrecht (Harold + Frans), AMC UMC Academic Hospital (Jacqueline + Franka + Ellen), Zaans Justitieel Centrum (Ingrid + Remco) and all the teachers and students of the University of Applied Sciences Amsterdam and St Joost Avans!

Inside the NYPD’s Surveillance Machine / Amnesty International (INT), Superposition (NL)

Inside the NYPD’s Surveillance Machine präsentiert sich als Web-App, die die rassistischen Vorurteile beim Einsatz von Gesichtserkennungstechnologie (FRT) durch das New York Police Department aufzeigt. Diese Zusammenarbeit zwischen Amnesty International und dem Designstudio Superposition wurde mit mehr als 7.000 Freiwilligen realisiert und zeitgleich mit einer Klage gegen das NYPD veröffentlicht. Nutzer*innen der App können eine Route durch New York planen und sehen, wie viele Abschnitte dieser Strecke von FRT überwacht werden könnten.

Project Credits. Data & Research: Amnesty International, project lead: Sophie Dyer, Matt Mahmoudi / Design & Development: Superposition: Bram Bogaerts, Casper Schipper, Robin Smits / Amnesty International would like to thank the more than 7,000 digital volunteers from around the world who analyzed every intersection in New York City to find and categorize surveillance cameras and gave invaluable feedback and peer-to-peer support. Without them this project would not have been possible. / Inside the NYPD’s Surveillance Machine was commissioned and paid for by Amnesty International, an international nongovernmental organization (NGO) that gets the majority of its income from individual donations.

ALL PLAYERS TOOL LAB / Masatane Muto (JP), Dentsu Lab Tokyo (JP)

Das ALL PLAYERS TOOL LAB wurde ins Leben gerufen, um Menschen mit Behinderung durch Technologie und Kreativität mehr Ausdrucksmöglichkeiten zu verschaffen. Speziell für ALS-Patient*innen, die an einer Lähmung der Gliedmaßen leiden, ist die Bedienung von Computeranwendungen mit Hilfe des Blicks ein primäres Werkzeug. Die drei in Japan entwickelten Live-Performance-Tools – EYE XY PAD, EYE MIDI PAD und EYE SHOOTING PAD – sowie eine Remote-Live-Performance mit Eye-Gaze-Eingabe sollen mit gesellschaftlichen Klischees aufräumen.

Project Credits. Creative director: Naoki Tanaka, DENTSU INC. / Art director: Yusuke Koyanagi, DENTSU INC. / Creative technologist: Shintaro Murakami, DENTSU INC. / Creative technologist: Keita Kuki, DENTSU INC. / Copywriter: Tina Toda, DENTSU INC. / Producer: Kohei Ai, DENTSU INC. / Producer: Miyuki Fujishima, DENTSU INC.

FANGØ a Facebook, Amazon, Netflix and Google Obfuscator / Martin Nadal (ES) http://fango.martinnadal.eu/

FANGØ von Martin Nadal ist ein Kunst- sowie ein offenes Do-It-Yourself-Projekt, das sich als Verteidigungswaffe gegen den Überwachungskapitalismus versteht. Algorithmische Prozesse, die in die Privatsphäre der Menschen eindringen und ihre Entscheidungen beeinflussen, sollen damit gestört werden. Getarnt als Handy-Ladegerät funktioniert FANGØ als Mikrocontroller, der die Kontrolle über das Smartphone übernimmt. Indem er zufällige Suchanfragen stellt und Beiträge auf beliebten sozialen Plattformen liked, erzeugt er eine Art Rauschen, das die Erfassung von Daten durch Datenbroker stört. Der dazugehörige Code und das 3D-Modell werden im Rahmen des Festivals frei verteilt.

Project Credits / Thanks to: EMAP/Onassis Stegi 2020/2021, Deutscher Künstlerbund NEUSTART Modul D 2022mur.at 2023

Future Materials / Jan van Eyck Academie

Das Workshop-Programm Future Materials will den Übergang zu ökologisch bewussten Kunst- und Designpraktiken unterstützen. Das Zusammenspiel des Online-Archivs der *Future Materials*-Bank und dem Offline-Lab bietet Künstler*innen und Designer*innen Zeit, Raum und Infrastruktur, um ihre eigene Materialforschung voranzutreiben – theoretisch, praktisch und vor allem nachhaltig. Die Website demokratisiert das verfügbare Wissen und liefert Inspiration für zukünftige Forschungen, das *Future Materials*-Lab ergänzt das digitale Archiv durch eine physische Sammlung von Materialproben.

Project Credits. Future Materials is a project by the Jan van Eyck Academie. It receives support from Innovationlabs, a program on behalf of the Dutch Ministry of Education, Culture and Science, the Creative Industries Fund NL, and CLICKNL. Previously supported by the DOEN Foundation.  Future Materials is part of GALA – Green Art Lab Alliance and collaborates with the MA program Material Futures at Central Saint Martin (UK) and with CHILL – Chemelot Innovation and Learning Labs, at the Brightlands Chemelot Campus (NL). 

Geo-Llum / Samira Benini Allaouat (IT) 

Wie funktioniert die symbiotische Beziehung zwischen der künstlichen und der natürlichen Welt? Geo-Llum von Samira Benini Allaouat (IT) ist ein performatives, autonomes Kunstwerk, das die Rolle der öffentlichen Beleuchtung in urbanen Grünflächen neu definiert. Im Mittelpunkt steht dabei ein Bakterium, das während der Bodendekontamination Elektrizität erzeugt.

Thanks to: Derek Lovley / Abraham Esteve Nuñez / Bioe Group / Miguel Alegre / Akasha Hub / Green City Lab

Der European Union Prize for Citizen Science

Citizen Science steht für wissenschaftliches Forschen, das interessierte Laien über Online-Plattformen, mobile Anwendungen oder persönlich vor Ort einbindet. Wissenschaftlerinnen erhalten dabei Zugang zu Daten(-mengen), die für sie sonst nicht verfügbar wären, Bürgerinnen wiederum Einblicke in komplexe Zusammenhänge und wissenschaftliche Methoden. Um Citizen Science zu befördern und wegweisende Projekte vor den Vorhang zu holen, hat die Europäische Kommission 2023 den „European Union Prize for Citizen Science“ initiiert. Mit der erstmaligen Ausschreibung des Wettbewerbs wurde Ars Electronica im Rahmen des IMPETUS-Projekts beauftragt – das in Kooperation mit dem King’s College London (GB), der European Science Engagement Association (AT), Zabala Innovation (ES), T6 Ecosystems (IT), Science for Change (ES) und Nesta (GB) durchgeführt wird.

Von 10. Januar bis 13. März 2023 wurden 321 Initiativen eingereicht, die Communities in 61 Länder vernetzen. Eine internationale Jury sichtete und prüfte die Einreichungen und prämierte das Projekt *Isala: Citizen-science map of the vaginal microbiome* mit dem ersten “European Union Prize for Citizen Science – Grand Prize”.

Isala: Citizen-science map of the vaginal microbiome

In vielen Bereichen der medizinischen Forschung findet Frauengesundheit noch immer zu wenig Beachtung; ein Missstand, der im März 2020 die Initiative Isala anstieß. Ein transdisziplinäres Team aus Belgien nahm sich vor, das Mikrobiom – Bakterien, Viren und Pilze – des Vaginaltrakts wissenschaftlich zu untersuchen, um Krankheitsbilder frühzeitig erkennen und entsprechende therapeutische Maßnahmen einleiten zu können. Erstes Ziel des Forschungsteams rund um Initiatorin Sarah Lebeer (Laboratory of Applied Microbiology and Biotechnolgy, Universität Antwerpen) war es, Vaginalabstriche von Frauen zu sammeln. Sie setzten dabei auf die freiwillige Beteiligung der Bevölkerung und stießen auf unerwartete Resonanz – 200 Frauen wollte das Team zum Mitmachen motivieren, 5.500 Frauen registrierten sich innerhalb von zehn Tagen. Der Großteil davon füllte in der Folge einen Online-Fragebogen aus und nutzte das vom Isala-Team entwickelte Toolset, um einen Abstrich ihres vaginalen Mikrobioms zu machen und einzuschicken. Innerhalb eines Jahres erhielten alle Teilnehmerinnen ihre Testergebnisse und damit das Profil ihres vaginalen Mikrobioms. 275 Frauen wurden schließlich ausgewählt, um an einer langfristigen Studie teilzunehmen, die auf Veränderungen des Mikrobioms im Vaginaltrakt fokussiert. Parallel zu seiner Forschungstätigkeit organisiert das Isala-Team Online- und Offline-Infoevents, die Monat für Monat bis zu 10.000 Interessierte erreichen.

Eine verbesserte Datenlage und effektivere Diagnoseverfahren einerseits, die Arbeit an einem gesellschaftlichen Bewusstsein für die Notwendigkeit von Forschung zum weiblichen Körper und reproductive health andererseits – die nach der ersten Ärztin Belgiens sowie Feministin und Aktivistin für Frauenrechte, Isala Van Diest (1842-1916), benannte Initiative zeigt eindrucksvoll, welch positive Wirkung Citizen Science sowohl für einzelne Menschen als auch unsere Gesellschaft insgesamt entfalten kann. Das in Antwerpen entwickelte Projekt Isala: Citizen-science map of the vaginal microbiome wird mit dem „European Union Prize for Citizen Science – Grand Prize 2023“ ausgezeichnet.

Project Credits. Sarah Lebeer (BE), Sarah Ahannach (BE), Thies Gehrmann (BE), Stijn Wittouck (BE), Tom Eilers (BE), Sandra Condori (BE), Jelle Dillen (BE), Irina Spacova (BE), Leonore Vander Donck (BE), Caroline Masquillier (BE), Camille Allonsius (BE), Isabel Erreygers (BE), Inas Rahou (BE), Caroline Dricot (BE), Charlotte De Backer (BE), Gilbert Donders (BE), Veronique Verhoeven (BE) 

STATEMENTS

„Sowohl der Prix Ars Electronica als auch der STARTS-Prize zeigen, worauf jeder nachhaltige Fortschritt gebaut ist: auf Kreativität und Neugierde, Offenheit und Inklusion, Dialogbereitschaft. Kunst vermag all dies zu entfalten und damit eine treibende Kraft für eine pluralistische und zukunftsorientierte Gesellschaft zu sein, die Fortschritt nicht bloß als ökonomische Größe begreift, sondern auch dessen soziale, ökologische und politische Dimensionen wertschätzt und einfordert.“

Klaus Luger, Bürgermeister der Stadt Linz

Rund 5.000 Projekte aus über 100 Ländern wurden zum Prix Ars Electronica und zum S+T+ARTS Prize eingereicht – allein in diesem Jahr. Linz ist in diesen Tagen die Weltstadt der Medienkunst. Die Ars Electronica öffnet uns Türen, wenn mitten in unserer Stadt die weltweit interessantesten Projekte aus dem Schnittstellenbereich von Kunst, Technologie, Wissenschaft und Gesellschaft präsentiert werden. Und es ist ein Privileg, wenn zudem die Köpfe hinter diesen Projekten zu uns nach Linz kommen. Man hat die Möglichkeit, die Pionier*innen unserer Zeit persönlich kennenzulernen und mehr über ihre Ideen und Projekte zu erfahren, die morgen vielleicht für weltweite Schlagzeilen sorgen.“

Doris Lang-Mayerhofer, Kulturstadträtin, Beiratsvorsitzende Ars Electronica

 

New Animation Art / Goldene Nica

Delivery Dancer’s Sphere / Ayoung Kim (KR)

Credit: Courtesy of the Artist / Ayoung Kim

A Tale of Two Seeds: Sound and Silence in Latin America’s Andean Plain / Atractor Estudio (CO) + Semantica Productions (UK)

Bild: Courtesy of the Artists / Atractor Estudio + Semantica Productions

Broken Spectre / Richard Mosse (IE)

Film Still / Credit: Richard Mosse, Jack Shainman and Carlier Gebauer

OSZILOT / Luc Gut (CH), Rolf Hellat (CH), OSZILOT (CH)

Credit: Luc Gut, Rolf Hellat