Prix Ars Electronica Ausstellung 2024

(Linz, 2.9.2024) „HOPE – who will turn the tide“ lautet das Thema der Ars Electronica 2024. Mehr denn je rückt das Festival für Kunst, Technologie und Gesellschaft in diesem Jahr Menschen, Projekte und Initiativen in den Mittelpunkt, die uns trotz aller Krisen Hoffnung geben. Nicht nur, weil sie konkrete Vorschläge unterbreiten, wie wir uns als Einzelne und Gesellschaft weiterentwickeln können. Sondern weil sie all das verkörpern, was uns darauf vertrauen lässt, dass wir notwendige Veränderungen herbeiführen können: Kreativität und (Fach-) Wissen, Offenheit und Respekt, die Bereitschaft zur Kooperation, Mut. Fassbar wird das in der Prix Ars Electronica Ausstellung, einer exklusiven Auswahl der besten Medienkunstprojekte des Jahres 2024.

Prix Ars Electronica: Rund 90.700 Einreichungen seit 1987

Der Prix Ars Electronica ist der traditionsreichste Medienkunstwettbewerb der Welt. 1987 ins Leben gerufen, hat der Linzer Wettbewerb bis heute rund 90.700 Einreichungen verzeichnet. Sein Renommee rührt nicht davon, großen Namen einen (weiteren) Preis zu verleihen, sondern neue Trends aufzuspüren und jene Künstler*innen vor den Vorhang zu holen, die morgen in aller Munde sind. Tausende Arbeiten werden jedes Jahr gesichtet und auf die Frage hin untersucht, was Künstler*innen rund um die Welt beschäftigt, mit welchen Methoden und Technologien (und mit wem) sie (zusammen-) arbeiten.

Prix Ars Electronica: Plattform für weitere Wettbewerbe

Die Anziehungskraft des Prix Ars Electronica spiegelt sich nicht nur in den Einreichzahlen wider, sondern auch in neuen Kooperationen und Allianzen. Über die Jahre ist der Wettbewerb zu einer gefragten Plattform für Institutionen und Initiativen geworden, die – genau wie Ars Electronica – Grenzüberschreitungen zwischen unterschiedlichen Bereichen unserer Gesellschaft fördern und nutzen möchten.

2016 kam mit dem S+T+ARTS Prize die erste große Kooperation mit der Europäischen Kommission zustande. 2023 folgte mit dem European Union Prize for Citizen Science ein weiterer gemeinsamer Preis.

Auch mit dem Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten werden mittlerweile zwei Wettbewerbe auf der Bühne des Prix Ars Electronica durchgeführt: Der Ars Electronica Award for Digital Humanity sowie State of the ART(ist), eine Initiative, die Künstler*innen prämiert, die unter Gefahr für Leib und Leben arbeiten.

Prix Ars Electronica 2024: Goldene Nicas für Beatie Wolfe (GB), Diane Cescutti (FR) und Paul Trillo (US)

Allein 2024 verzeichnete der Prix Ars Electronica 2.950 Einreichungen. Die Goldene Nica in der Kategorie „New Animation Art“ wurde Beatie Wolfe (GB) für ihre Animation Smoke and Mirrors zugesprochen, in der Kategorie „Interactive Art+“ setzte sich Diane Cescutti (FR) mit ihrer interaktiven Installation Nosukaay durch. Unter allen Einreichungen wurde zudem der erste „AI in Art Award“ vergeben, der an Paul Trillo (US) und seine mit Sora, dem Text-zu-Video-Modell von OpenAI, kreierte Animation Washed Out “The Hardest Part” ging. Die Goldene Nica in der österreichweit ausgeschriebenen Kategorie „u19–create your world“ gewann der 17-jährige Jakob Gruber für seine bemerkenswerte Animation Fluten der Freiheit zu den tödlichen Fluchtrouten über das Mittelmeer.

Prix Ars Electronica Ausstellung im Lentos Kunstmuseum Linz

Eine Auswahl dieser und weiterer herausragender Arbeiten ist im Rahmen der Prix Ars Electronica Ausstellung von 4. bis 8. September in Linz zu erleben. Die Schau umfasst 13 Projekte und wird erstmals im Lentos Kunstmuseum Linz präsentiert. Weitere ausgezeichnete Werke sowie die Preisträger*innenprojekte der Kategorie „u19–create your world“ sind in der POSTCITY zu sehen.

Führungen mit Künstler*innen und Kurator*innen

Die Prix Ars Electronica Ausstellung im Lentos Kunstmuseum Linz kann individuell oder im Rahmen von vier verschiedenen Führungen besucht werden:

Mittwoch, 4. September 2024, 13:00 bis 14:30 Uhr, lädt Emiko Ogawa (Head of Prix Ars Electronica) zur „Künstler*innentour: Interactive Art+“. Im Mittelpunkt steht das vielschichtige Spektrum interaktiver Kunst, das am Beispiel der in der Ausstellung gezeigten Projekte veranschaulicht wird. Präsentiert und erläutert werden die Arbeiten von den Künstler*innen selbst. Die Führung wird in englischer Sprache angeboten.

Donnerstag, 5. September 2024, 13:00 bis 14:30 Uhr, empfängt Daniela Duca De Tey (Co-Curator Ars Electronica Animation Festival) zur „Künstler*innentour: New Animation Art”. Sie widmet sich den preisgekrönten Animationen des Jahres 2024, die Künstler*innen erörtern Erzähltechniken, technologische Innovationen und ihr Engagement für gesellschaftlichen Wandel. Die Führung wird in englischer Sprache angeboten.

Freitag, 6. September 2024, 15:00 bis 16:30 Uhr, thematisiert Emiko Ogawa (Head of Prix Ars Electronica) „Künstlerische Aktionen an den Schnittstellen der Medienkunst“. Ihre Kurator*innenführung fragt nach den Wechselwirkungen zwischen Aktivismus, Technologien und dem kritischen künstlerischen Ausdruck in der globalen Medienkunstszene. Die Führung wird in englischer Sprache angeboten.

Samstag, 7. September 2024, 14:00 bis 15:30 Uhr, wirft Christl Baur (Head of Ars Electronica Festival) einen kuratorischen Blick auf die Prix Ars Electronica Ausstellung. Anhand der gezeigten Projekte gibt sie vor allem Einblick in künstlerische Praktiken. Die Führung wird in deutscher Sprache angeboten.

Die Prix Ars Electronica Award Ceremony

Die feierliche Preisverleihung des Prix Ars Electronica geht dieses Jahr am Donnerstag, 5. September über die Bühne. Die Preisträger*innen bekommen dann ihre Goldenen Nicas überreicht. Ebenfalls im Rampenlicht stehen an dem Abend die Preisträger*innen des S+T+ARTS Prize, des S+T+ARTS Prize Africa, des European Union Prize for Citizen Science, des Ars Electronica Award for Digital Humanity und der Initiative State of the ART(ist). Die Prix Ars Electronica Award Ceremony findet zum ersten Mal im Design Center Linz statt.

Die Prix Ars Electronica Foren

Samstag, 7. September 2024. Die traditionellen Prix Ars Electronica Foren finden 2024 erstmals im Rahmen des dreitägigen Symposiums zum Festivalthema statt. Am Samstag, 7. September 2024, kommen die Preisträger*innen zu Wort und sprechen gemeinsam mit Forscher*innen, Technolog*innen und Aktivist*innen – vor allem über KI und Kreativität. Nicht die Leistungsfähigkeit der Technologie, sondern ihr Potential im kreativen Prozess steht dabei im Mittelpunkt. Die Künstler*innen erzählen von Erfolgen und Misserfolgen beim Einsatz von KI, loten aus, wie ein nachhaltiges und inklusives Ökosystem für kreative KI aussehen könnte und diskutieren, was die KI-Ära für die aktuelle Definition von geistigem Eigentum und die darauf basierenden Geschäftsmodelle bedeuten könnte.

Das Ars Electronica Animation Festival

Das Ars Electronica Animation Festival präsentiert aktuelle künstlerische Produktionen im Bereich der digitalen Animation. Die eigens kuratierte Auswahl stammt größtenteils aus den Einreichungen des Prix Ars Electronica 2024, der seinen Fokus im letzten Jahr von „Computer Animation“ hin zu „New Animation Art“ verlagert hat. Programmschienen wie das „Prix Ars Electronica Best-Of“, „AI & Human“, „H-O-P-E“ oder „Austrian Panorama“ zeigen Breite und Vielfalt des Mediums – nicht nur in Bezug auf Erzähltechniken, konzeptionelle Experimente und technologische Innovationen, sondern auch mit Blick auf das Engagement für sozialen Wandel und neue politische Visionen. Rund 40 Projekte werden präsentiert. Ergänzt wird diese Auswahl durch drei herausragende Gastprogramme, die von SIGGRAPH, ISEA und dem Runway AI Film Festival zusammengestellt wurden.

Das Ars Electronica Animation Festival mit täglich wechselnden Programmen ist von 4.-8. September erstmals im JKU medSPACE zu erleben, der mit einer Projektionsfläche von 14 mal 7 Metern ein immersives 4K-Erlebnis bietet. Der Raum befindet sich am JKU MED Campus und wurde vom Ars Electronica Futurelab entwickelt und umgesetzt.

Die Prix Ars Electronica Ausstellung 2024 / Projekte

Smoke and Mirrors / Beatie Wolfe (GB)

Smoke and Mirrors kontrastiert auf eindringliche Weise die Marketingkampagnen der Ölindustrie mit dem alarmierenden Anstieg der Methankonzentration in der Atmosphäre. Die viereinhalbminütige Animation macht den rasanten Methanzuwachs seit 1970 sichtbar, während gleichzeitig irreführende Slogans wie „Lügen, die unseren Kindern erzählt werden“ (Mobil, 1984), „Ungesicherte Wissenschaft“ (ExxonMobil, 2000), „Öl pumpt Leben“ (American Petroleum Institute, 2017) oder „Netto-Null“ (Shell, 2023) angeführt werden, mit denen die Ölkonzerne weltweit Zweifel an der Wissenschaft und ihren Messwerten schüren.

Beatie Wolfes Visualisierung basiert auf dem ikonischen „Blue Marble“-Foto der Apollo 17-Besatzung von 1972. Die Klimadaten stammen von der Ozean- und Atmosphärenbehörde NOAA und der europäischen Umweltagentur. Unterlegt ist die animierte Erdkugel mit „Oh My Heart“ – der ersten Platte aus nachhaltigem Bioplastik, die Beatie Wolfe gemeinsam mit dem Musiker Michael Stipe und Brian Eno’s „EarthPercent“ produziert hat. Der Titel Smoke and Mirrors spielt auf die Darstellung des Methanausstoßes an, aber auch auf unseren achtlosen Umgang mit der Natur selbst.

Für Smoke and Mirrors erhielt Beatie Wolfe eine Goldene Nica des Prix Ars Electronica.

I’m Feeling Lucky / Timothy Thomasson (CA)

Mit der Echtzeit-Animation I’m Feeling Lucky hinterfragt Timothy Thomasson auf faszinierende Weise die Beziehungen zwischen Bild, Geografie, virtuellem Raum, Medientechnologie und Datenerfassung. Er schafft dafür eine surreale 3D-Landschaft ohne klaren historischen oder geografischen Bezug. Flüsse, Wälder und hohes Steppengras verschmelzen zu einer filmischen Erzählung, bevölkert von tausenden unbeweglichen 3D-Figuren, die per Zufallsprinzip aus Google-Street-View-Aufnahmen extrahiert wurden.

Timothy Thomasson thematisiert so die massenhafte Archivierung und Nutzung von Fotomaterial aus unserem Alltag – den realen Vorbildern ist dabei weder bewusst, von Google erfasst worden zu sein, noch dass ihre Bilder in völlig neuem Kontext auftauchen können. Inspiriert von den immersiven Panoramagemälden des 19. Jahrhunderts, die Naturlandschaften, kriegerische Szenen, religiöse Ereignisse oder Stadtlandschaften darstellten, schafft I’m Feeling Lucky ein grenzenlos wirkendes Erlebnis ohne festen Rahmen. Eine virtuelle Kamera gleitet endlos und gemächlich über die surreale Szenerie, frei von hektischen Bewegungen oder rasanten Schnitten.

Credits
Timothy Thomasson
Sound design & composition: Tatum Wilson
With support from: Canada Council for the Arts, Société des arts technologiques (SAT) Residency Program, Canadian Cultural Center Paris

Stained / Jeremy Kamal (US)

Mit faszinierenden 3D-Animationen entwirft Stained eine alternative Zukunftsvision: In der fiktiven Welt „Mojo“ haben Black Cultures die amerikanischen Landschaften nachhaltig geprägt. Protagonist Demetrius ist Mitglied der Gang „Crimson Needles“, die ihr Revier mit rotgefärbten Pflanzen markiert. In einer Rückblende erinnert Demetrius sich daran, wie einst seine Faszination für eine blaue Pflanze zu seiner Ächtung führte – Hinwendungen dieser Art sind in der Gang tabu. Intime Momente offenbaren Demetrius‘ inneren Konflikt beim Ringen um emotionale Bewältigung. 

Jeremy Kamal erschafft in Stained eine neuartige Symbiose: Gangkultur wird zur landschaftlichen Erscheinung, ihre Mitglieder wandeln sich zu Umweltschützer*innen und Teeproduzent*innen. Menschen, Technologien, Natur und Fiktion verschmelzen zu einer alternativen Lebensform, die versucht, reale Gräben zu überwinden. Jeremy Kamal regt an, Landschaften aus neuen Blickwinkeln zu betrachten und ihre Gestaltung als gemeinschaftliches Projekt mit vielfältigen Möglichkeiten zu begreifen. Seine animierte Vision vereint Klimaaktivismus, Umweltschutz und Ökologie mit der Lebenswirklichkeit von Black Americans. Der fiktive Ort Mojo dient ihm als Projektionsfläche für neuartige Rituale, Mythologien und Landschaftsvisionen jenseits gängiger Naturvorstellungen.

Credits
Created by Jeremy Kamal
Music: Nathan Buttel & Jeremy Kamal
AI creative direction: Case Miller
Additional AI work: Jonathan Penvose

Mid Tide #3 / Ryu Furusawa (JP)

Mid Tide #3 ist eine Videoinstallation, die durch digitale Manipulation von Videodaten erstellt wurde und die Bedingungen von Raum und Zeit neu schreibt. Ryu Furusawa hat dafür eine Software entwickelt, die Videodaten in ein dreidimensionales Objekt verwandelt und dabei die Zeit als Tiefendimension nutzt. Das Zusammenspiel von Bewegung und der sich ändernden Raum-Zeit-Bedingung im Bild wird zur immersiven Erfahrung.

Credits
With support from: Project to Support Emerging Media Arts Creators, Agency for Cultural Affairs, Government of Japan, 2023; Tokyo University of the Arts Graduate School of Film and New Media

Unknown Label / Nicolas Gourault (FR)

Unknown Label ist eine Videoinstallation, die die täglichen Erfahrungen von Online-Mikroarbeiter*innen aus dem Globalen Süden zeigt, die Bilder für selbstfahrende Autos identifizieren, kennzeichnen und damit für KI nutzbar machen. Sie untersucht die Machtasymmetrien und den neokolonialistischen Missbrauch, der mit der manuellen Arbeit verbunden ist, die notwendig ist, um KI-Systeme zu trainieren. Unknown Label will auf die vielen Menschen aufmerksam machen, die im Verborgenen dazu beitragen, dass Maschinen die Welt sehen und wie sie es tun.

Unknown Label ist eine digitale Collage, die Fragmente annotierter Bilder mit einer virtuellen Weltkarte, wie sie von selbstfahrenden Autos gesehen wird, miteinander verwebt und einen Raum schafft, in dem die Betrachter*innen die Perspektive der Datenarbeiter*innen teilen können. Die Videoinstallation stellt die Frage, wie Bilder von unserer Welt, die ohne unser Wissen oder Einverständnis aufgenommen wurden, kategorisiert und zurückerobert werden können.

Credits
Testimonies: Oliver, Elvina, Ivon, Yonaille, Jonel
Research Assistants: Leonard Nally Simala, Andrea Paola Hernandez, Niside Panebianco
Editing: Lucas Azémar, Nicolas Gourault
Screenwriting Advisor: Quentin Faucheux
Image Assistant: Héléna Michaud
Sound editing, re-recording: Etienne André
Thanks: Inès Sieulle, Antoine Chapon, Claire Williams, Clara Chapus, Charlotte Cherici, Yuyan Wang, Peter Zorn, Marcie Jost, Amir Borenstein, Mary Jimenez, Jorge Leon, Effi Weiss, Julie Pfleiderer, Jan De Coster, Susanne Weck, Julien Chapelle, Sasha Litvintseva & Beny Wagner, Don Quichotte Films, Yannick Beauquis, Quentin Brayer, Julian Posada, Milagros Miceli, Paola Tubaro, Sana Ahmad, Alex Roy, Phil Koopman, Adrien Gaidon

Nosukaay / Diane Cescutti (FR)

Diane Cescuttis vielschichtige Kunst verknüpft unterschiedliche Medien – wie Webkunst, Skulptur, Installation, Video und 3D-Visualisierung – und versucht, unsere Beziehung zu Technologie und Textilien als Träger von Wissen, Daten, Traditionen und Spiritualität zu überdenken.

In der interaktiven Installation Nosukaay erzählt sie eine alternative Geschichte der Computertechnik. Im Zentrum stehen Verbindungen zwischen Computern, Mathematik und dem traditionellen Webwissen der Manjago im westafrikanischen GuineaBissau. Ein Manjago-Webstuhl verschmilzt mit einem Computer zur „textilen Maschine“, ein handgewebter Lendenschurz dient als Tastatur zur Steuerung einer filmischen Erzählung. Durch die Berührung der Tastatur werden die Betrachter*innen selbst Teil des Systems – je nach Art und Ort der Interaktion verändert sich der Handlungsverlauf und damit die eigene Erfahrung. Wer das traditionelle, spirituell aufgeladene Wissen dabei missachtet, wird aus der Geschichte „geworfen“ – ein Hinweis darauf, dass Wissensvermittlung Vertrauen und Respekt erfordert.

Mit Nosukaay (bedeutet „Computer“ auf Wolof) spürt Cescutti antiken Technologiekonzepten nach, die Mensch und Maschine als Einheit begriffen. Gleichzeitig widerlegt sie den Irrglauben, dass afrikanische Kulturen keinen Beitrag zum technologischen Fortschritt geleistet hätten und dass afrikanische Sprachen keine Terminologie für Technik und Wissenschaft besäßen.

Diane Cescutti wurde für Nosukaay mit einer Goldenen Nica des Prix Ars Electronica ausgezeichnet.

Credits
Video: Sarah Maupin
Photos: Blanche Lafargue
Woven Manjak loincloth: Edimar Rosa
With support from: École nationale supérieure des beaux-arts de Lyon (ENSBA Lyon); Post-diplôme Art, Centre d’art image/imatge

If You Have Starry Skies in Your Eyes / Rib (JP)

Menschen mit Behinderungen fühlen sich häufig „unsichtbar“ und der Gesellschaft entzogen – das berichtet die japanische Künstlerin Rib aus eigener Erfahrung. Mit ihrem Projekt If You Have Starry Skies in Your Eyes will sie dem entgegenwirken und rückt ihr Anderssein selbstbewusst in den Vordergrund.

Bis zu ihrem 12. Lebensjahr war Rib häufig häuslicher Gewalt ausgesetzt, die unter anderem zur Erblindung ihres rechten Auges führte. Statt diese Einschränkung mit einer möglichst naturgetreuen Prothese zu verbergen, trägt sie heute eine selbst entwickelte, leuchtende Augenprothese. Diese besteht aus einem integrierten Magnetsensor, einer LED-Leuchte und einer in medizinischem Acrylharz eingekapselten Batterie. Für Rib ist Anderssein Teil ihrer Geschichte und ihrer Individualität – keine Einschränkung, sondern eine Möglichkeit sich auszudrücken. If You Have Starry Skies in Your Eyes feiert den Charme und das Potenzial körperlicher Unterschiede und ruft dazu auf, diese nicht zu verstecken, sondern mit Stolz nach außen zu tragen.

Credits
Artist: Rib
Videos, Shooting: Shiki Sakai
With support from: Sam Murai

Third World: The Bottom Dimension / Gabriel Massan (BR)

Third World: The Bottom Dimension ist ein visionäres Single-Player PC-Spiel von Gabriel Massan. In Zusammenarbeit mit Künstler*innen, Forscher*innen und Sounddesigner*innen erschafft er eine virtuelle Welt – die Third World –, die die Erfahrungen Schwarzer Brasilianer*innen im Kontext des Kolonialismus erforscht und jene Systeme und Verhaltensweisen herausfordert, auf denen unsere sozialen Realitäten aufbauen.

Seine Inspirationsquellen sind die Simulationsmechanismen von „The Sims“, Saidiya Hartmans Methode der Critical Fabulation und ihre Geschichten von Auslassungen in Archiven, sowie die Theorien der „Bewusstseinsbildung“ des brasilianischen Pädagogen Paolo Freire.

Über zwei miteinander verknüpfte Ebenen fließen in jedem Level des Spiels neue Ideen und Ansätze in die Mythologie ein, die für die beteiligten Personen von besonderer Bedeutung sind. Die immersive Erkundung der Spielwelt sensibilisiert zunehmend für miteinander konkurrierende Bewusstseinsformen: Einerseits das vom virtuellen „Hauptquartier“ auferlegte koloniale Bewusstsein und sein Verständnis von „Erkundung“, „Natur“ und „Wissen“, andererseits alternative Formen, die neue Navigationsmöglichkeiten in der Welt eröffnen.

Credits
Lead artist, Creative director, 3D sculptor, concept: Gabriel Massan
Featured artists: Castiel Vitorino Brasileiro, Novíssimo Edgar, LYZZA
Sound design: LYZZA
Unreal development: Alexandre Pina, Marchino Manga, Ralph McCoy
Capture mode development & Unreal consultant: Iraj Montasham
Animation, cinematography, film VFX: Carlos Minozzi
Additional cinematography: Alexandre Pina
Graphic, UI design: Masako Hirano
Writing, narrative design support: Sweet Baby IncTranslator: Adriana Francisco
Translation support: Manuela Cochat
Mastering Engineer: Rainy Miller
QA Testing: Keiran Cooper
Curator: Tamar Clarke-Brown
Producer: Róisín McVeigh
Commissioned and produced by Serpentine Arts Technologies
Powered by Tezos
Game commissioned in association with the Julia Stoschek Collection

Conversations Beyond the Ordinary / Jan Zuiderveld (NL)

Die Kaffeemaschine will motiviert werden, sich Mühe zu geben, der Kopierer zur Interpretation der eigenen Kritzelei bewegt und eine Mikrowelle über die eigenen Besitztümer befragt werden: Conversations Beyond the Ordinary verwandelt in einer interaktiven Installation alltägliche Geräte in Wesen mit „eigenem Bewusstsein und – widerspenstigem – Charakter“. Durch die Einbettung generativer KI in vertraute Objekte lädt Conversations Beyond the Ordinary dazu ein, über die sich entwickelnde Dynamik von Macht, Handlungsspielraum und Kreativität zwischen uns und unseren Maschinen nachzudenken.

Credits
Large Language Models – Mistral AI
Multimodal Large Language Models – Haotian Liu, Chunyuan Li, Yuheng Li, Bo Li, Yuanhan Zhang, Sheng Shen, Yong Jae Lee / Special thanks to Marcel van der Bilt, Olivier Blom, Arthur Elsenaar, Matteo Marangoni and Martie Verweij

G80 / Fragmentin (CH)

G80 ist eine interaktive Installation, die eine zeitgenössische Interpretation von Richard Buckminster Fullers World Game vorschlägt: ein von War Games inspiriertes Strategie-Simulationswerkzeug, das auf eine „gerechte Verteilung der Ressourcen“ auf planetarischer Ebene abzielt. Es wurde in der Ära der Kybernetik in den frühen 1960er Jahren entwickelt und verkörpert das Versprechen, dass Computer und mathematische Modelle zur Lösung soziopolitischer und ökologischer Probleme beitragen können.

Im Gegensatz zu dieser technokratischen Hypothese hinterfragt G80 die Absurdität der Idee selbst, die in einem techno-kapitalistischen System verwurzelt ist, das sich weigert, über mathematische Modelle hinauszublicken. Das Kunstwerk zeigt eine Konsole mit einer Matrix aus 80 motorisierten Schiebereglern, die an einen Kontrollraum erinnert. Jeder Schieber entspricht einer Variablen, deren Name auf einem Schild eingraviert ist. An den Enden der Schieberegler zeigen die Zeichen „+“ und „-“ die Einsätze an. Einige Variablen sind direkt von den von Buckminster entwickelten Variablen inspiriert, während andere, neue Variablen, die großen Fragen unserer Zeit beleuchten. Die Nutzer*innen sind eingeladen, mit dem Werk zu interagieren und die Welt spielerisch zu stabilisieren, indem sie die Werte der einzelnen Variablen verändern. Nehmen sie eine Änderung vor, stellen sie fest, dass alle Schieberegler miteinander korrelieren und die Variablen ohne ihr Zutun wechselnde Muster bilden.

Credits
Fragmentin (Laura Nieder, David Colombini, Marc Dubois)
The original edition of G80 was commissioned by Mudac (Lausanne)
With the support of Pro Helvetia

Kazokutchi / So Kanno (JP), Akihiro Kato (JP), Takemi Watanuki (JP)

Der Lebenszyklus eines „Kazokutchi“ umfasst Fortpflanzung, Geburt, Wachstum und Lebensende. Jeder dieser „Kazokutchi“ ist mit einem NFT verknüpft, das seinen Namen, sein Geburtsdatum, seinen Familiennamen und sein Gen enthält. Diese Eintragung in die Blockchain repräsentiert digitales Leben, das nicht zurückgesetzt werden kann. So Kanno, Akihiro Kato und Takemi Watanuki gestalten ein Diorama, das der Stadt Tokyo nachempfunden ist und mit dem Ökosystem aus digitalen künstlichen Lebensformen überlagert wird.

Credits
Logo design by Chihiro Oyama
Diorama production by Yuji Onoda

REPEAT AFTER ME, 2022 / Open Group – Yuriy Biley (UA), Pavlo Kovach (UA), Anton Varga (UA)

Das Video Repeat After Me zeigt Menschen, die aus der Ostukraine flüchten mussten und in einem temporären Lager in Lwiw (Westukraine) Schutz gefunden haben. Indem sie mit ihren Stimmen verschiedene Waffentypen imitieren, teilen sie nicht nur ihre Kriegserfahrungen, sondern geben auch gleichzeitig eine Art Karaoke-Anleitung rund um die Geräusche des Krieges. Ausgangspunkt der Tonsequenzen bleibt die dramatische Realität im Kriegsgebiet.  

Credits
REPEAT AFTER ME, 2022, Open Group (Yuriy Biley, Pavlo Kovach and Anton Varga), video installation, karaoke, video 17’7’‘

Washed Out “The Hardest Part” / Paul Trillo (US)

Washed Out The Hardest Part“ des US-amerikanischen Filmemachers Paul Trillo ist das erste offizielle Musikvideo, das mit dem Text-zu-Video Modell Sora von OpenAI umgesetzt wurde. Entstanden ist ein eindringliches Video über Verlust und Erinnerung, Trauer und Glück, Vergangenheit und Zukunft. Paul Trillo porträtiert die fiktiven Erinnerungen einer jungen Frau, die sich Anfang der 1980er Jahre in der Mittelschule verliebt, mit ihrem Partner älter wird, ein Kind bekommt und den Partner schließlich verliert. Während sie mit ihrem Leben weitermacht, träumt sie immer wieder von ihm. Wie alle Erinnerungen sind auch ihre subjektiv und ein verzerrter Spiegel der Realität.

Paul Trillo nutzt die halluzinatorischen, traumähnlichen Qualitäten von Sora, um einen befremdlichen Raum und eine einzigartige Bildsprache zu kreieren. Er gestaltet eine Zeitreise durch surreale ineinander übergehende Umgebungen und Erlebnisse. Künstliche Intelligenz dient ihm dabei als perfektes Werkzeug, um einen unheimlichen Widerschein unserer Realität zu erzeugen, der uns etwas glauben lässt, das so nie geschehen ist.

Für Washed Out “The Hardest Part” erhielt Paul Trillo eine Goldene Nica des Prix Ars Electronica.

Credits
Written, directed, edited: Paul Trillo
Music: Washed Out
With support from: SubPop

REPETAE / Sasha Stiles (US)

REPETAE ist eine hybride Sprachkunstserie, in der Algorithmen und Poesie miteinander verschmelzen und die zeigt, wie ständige Wiederholung Bedeutung bestätigt und hervorbringt. Sasha Stiles nutzt generative Elemente wie KI-gestützte Sprache, codebasierte Bilder sowie digital geloopte und überlagerte Worte, um aufzuzeigen, wie unsere Emotionen und unsere Wahrnehmung durch vorgegebene Muster geformt werden. Sie zeigt aber auch, dass wir diese Muster aufbrechen und umkehren können. Mit REPETAE demonstriert Sasha Stiles, dass Wiederholung nicht bloß Vervielfältigung bedeutet, sondern eine Neuinterpretation des Vertrauten, die unendlich viele neue Möglichkeiten eröffnet.

Credits
Works from REPETAE have been featured by: Kunstmuseum Bern, Gucci Art Program, Christie’s, Venus Over Manhattan, NYC, Tribute to Herbert W. Franke, Right Click Save: The New Digital Art Community (Vetro Editions, 2024), Decentralization, Please Save Culture (New Society, 2023), Outland, This is Paper.

STATEMENTS

„Die Tatsache, dass die Prix Ars Electronica Ausstellung erstmals im Lentos Kunstmuseum Linz gezeigt wird, betont eine Linzer Qualität, die im Rahmen der Ars Electronica jedes Jahr aufs Neue sichtbar wird: die Offenheit und Bereitschaft zur Zusammenarbeit. Für fünf Festivaltage verwandeln sich nahezu alle Kunst- und Kulturinstitutionen, Universitäten und die freie Szene in eine gemeinsame Bühne, ein Labor und ein Forum für eine einzigartige künstlerisch-wissenschaftliche Erkundung unserer Gegenwart und Zukunft, die weltweite Aufmerksamkeit erregt.“

Dietmar Prammer, Stadtrat für Planung und Liegenschaften der Stadt Linz

„Der Prix Ars Electronica ist der weltweit traditionsreichste und prestigeträchtigste Wettbewerb für Medienkunst. Jedes Jahr werden Tausende von Arbeiten aus zahlreichen Ländern eingereicht, doch nur vier erhalten am Ende die begehrte Goldene Nica. Eine exklusive Auswahl dieser herausragenden Projekte wird im Rahmen des Ars Electronica Festivals präsentiert – erstmals im Lentos Kunstmuseum Linz, einem Ort, der perfekt dafür geeignet ist.“

Doris Lang-Mayerhofer, Kulturstadträtin und Beiratsvorsitzende von Ars Electronica

„Ich freue mich sehr, dass das Lentos Kunstmuseum Linz beim Ars Electronica Festival 2024 erstmals die Preisträger*innen des Prix Ars Electronica ausstellt. Die prämierten Werke bieten inspirierende Einblicke und setzen wichtige Trends in der Medienkunst. Unsere langjährige Zusammenarbeit mit dem Ars Electronica Festival wird durch diese Ausstellung im Lentos weiter gestärkt. Wir laden alle herzlich ein, diese zukunftsweisenden Arbeiten im Lentos zu erleben.“

Hemma Schmutz, Künstlerische Direktorin Lentos Kunstmuseum Linz

Washed Out “The Hardest Part” / Paul Trillo (US)

Photo: Courtesy of the artist/Paul Trillo

G80 / Fragmentin (CH)

Photo: Fragmentin

Stained / Jeremy Kamal (US)

Photo: Courtesy of the artist / Jeremy Kamal

If You Have Starry Skies in Your Eyes / Rib (JP)

Photo: Courtesy of the artist/Rib