- Presseaussendung als PDF
- STARTS Prize Africa & Jury 2025
- Gewinner*innen 2025 inkl. Jurystatement
- Interview mit Kairos Futura via Ars Electronica Blog
- Fotos via Flickr
(Linz/Brüssel, 11.6.2025) Im zweiten Jahr seines Bestehens verzeichnete der STARTS Prize Africa der Europäischen Union 537 Einreichungen aus 33 Ländern. Nun stehen die Gewinner*innen des internationalen Wettbewerbs fest, der erneut von Ars Electronica organisiert und durchgeführt wurde.
Der mit 15.000 Euro dotierte Grand Prize geht an das Kollektiv Kairos Futura (KE) und The Wild Future Lab. Das Projekt entwirft eine alternative Zukunftsvision für Nairobi im Jahr 2045 – eine Zeit, in der die Natur große Teile der urbanen Infrastruktur zurückerobert haben wird. The Wild Future Lab erkundet in diesem Kontext Textilien, Kleidungsstücke sowie ihre Herstellung und untersucht, wie innovative Produktions- und Designansätze auf ökologische sowie kulturelle Herausforderungen reagieren können. Dabei bringt das Projekt Künstler*innen, Designer*innen, Technolog*innen und Wissenschafter*innen zusammen, um gemeinsam eine nachhaltige, kreative und selbstbestimmte Zukunft Kenias zu gestalten – auf Basis heute verfügbarer Ressourcen.
Darüber hinaus werden fünf Awards of Distinction verliehen, die jeweils mit 3.000 Euro dotiert sind. Sie gehen an Fisherchild von Traci Kwaai (ZA), Lo-Def Film Factory (ZA) und Kyle Marais (ZA), Sands Of Time: Walls We Can Walk Through von Ala Praxis (NG), The Founders Pillars von Meghna Singh (IN), Simon Wood (IE) und Lesiba Mabitsela (ZA), Black Planetarium – Uncharted: Anthologies Across the Atlantic von Kidus Hailesilassie (ET) und Written To Not Remain von Tewa Barnosa (LY).
Der diesjährigen Jury des STARTS Prize Africa gehörten Andrea Barschdorf-Hager (AT), Mónica Bello (ES), Joy Mawela (ZA), Kathleen Siminyu (KE) und Tau Tavengwa (ZW/GB) an.
Ausstellung beim Ars Electronica Festival 2025
Eine Auswahl der prämierten Projekte des STARTS Prize Africa wird auf dem Ars Electronica Festival 2025 von 3. bis 7. September in der POSTCITY in Linz präsentiert. Die feierliche Preisverleihung findet am Donnerstag, dem 4. September 2025, im Design Center Linz im Rahmen der Prix Ars Electronica Award Ceremony statt.
Über den S+T+ARTS Prize Africa
Mit dem STARTS Prize Africa knüpft die Europäische Union an den Erfolg des renommierten STARTS Prize an, der seit 2016 die europäische Innovationspolitik an der Schnittstelle von Wissenschaft, Technologie und Kunst stärkt. Der STARTS Prize Africa richtet sich gezielt an Künstler*innen und Organisationen, die aus einem afrikanischen Land stammen, dort leben oder arbeiten. Ausgezeichnet werden interdisziplinäre Projekte, die sich mit zentralen Herausforderungen des afrikanischen Kontinents auseinandersetzen und innovative Impulse für sozialen, wirtschaftlichen oder politischen Wandel setzen.
Internationales Netzwerk
Als Schlüsselinitiative der Europäischen Kommission unterstreicht der STARTS Prize Africa das wachsende Engagement der EU für eine vertiefte Zusammenarbeit mit afrikanischen Ländern. Im Mittelpunkt steht dabei die Sichtbarmachung der dynamischen, kreativen Ökosysteme Afrikas. Der Wettbewerb wird von einem Netzwerk internationaler Partnerinstitutionen unterstützt und von Ars Electronica (AT) geleitet. Zu den Partner*innen zählen GLUON (BE), CHRONIQUES (FR) sowie das Königliche Museum für Zentralafrika (BE).
Seit 2024 legt die EU einen Schwerpunkt auf kunstorientierte Innovation in wichtigen Weltregionen, um globalen Herausforderungen nachhaltig begegnen zu können. Dieser strategische Schwerpunkt wird nicht nur durch die zweite Ausgabe des STARTS Prize Africa, sondern auch durch die erste Ausgabe des STARTS Prize South America im Jahr 2025 verdeutlicht.
S+T+ARTS Afropean Intelligence is funded by the European Union under the STARTS – Science, Technology and Arts initiative of DG CNECT under grant agreement LC-03568051. Views and opinions expressed are those of the author(s) only and do not necessarily reflect those of the European Union or DG CNECT. Neither the European Union nor the granting authority can be held responsible for them.
S+T+ARTS PRIZE AFRICA ’25
Grand Prize
Awarded for artistic exploration and art works where appropriation by the arts has a strong potential to influence or alter the use, deployment, or perception of technology.
The Wild Future Lab
Kairos Futura (KE)
“Kairos Futura, through The Wild Future Lab, and in the rest of their work, boldly proposes what a re-imagining process might look like in ways that challenge the familiar, are fun, and transcend genre, form, discipline, and appeal. By directly challenging how we imagine the future from a Kenyan/Nairobi perspective, Kairos Futura is daring Africans to wildly engage one aspect of life on the continent—developing a new, homegrown imaginary of both the present and the future—that is in desperate need of attention, and new approaches. Many such attempts exist, but most are exercises in mere, often shallow image-making without substance. […] Kairos Futura’s Wild Future Lab attempts to build the beginnings of that roadmap in modest but inspiring ways through continuing experiments that involve dreaming, developing, and testing, and prototyping new ideas and objects.”
Auszug aus dem Jurystatement
Seit 2021 beschäftigt sich das kenianische Kollektiv Kairos Futura mit möglichen Zukunftsszenarien und ökologischer Resilienz – mit einem besonderen Fokus auf soziale und ökologische Herausforderungen in Ostafrika. Das aktuelle Projekt, The Wild Future Lab, entwirft eine Vision von Nairobi im Jahr 2045: Einer Stadt, in der verlassene Gewächshäuser und vergessene Infrastrukturen von einheimischer Flora und Fauna zurückerobert wurden. Die Frage lautet: Wie kann Mode auf die Rückkehr der Natur in städtische Räume reagieren – und diesen Wandel mitgestalten?
Obwohl Storytelling im Mittelpunkt steht, geht es Kairos Futura nicht um reine Zukunftsfantasien – vielmehr entstehen greifbare Resultate. The Wild Future Lab verbindet traditionelle kenianische Handwerkstechniken mit innovativen Methoden der Textilproduktion. Durch den Bau elektronischer Spinnapparate aus 3D-gedruckten Bauteilen und Open-Source-CNC-Dateien, die Verarbeitung lokal angebauter Fasern und Upcycling wird Modedesign zu einer Form kritischer Zukunftsgestaltung. Ziel dabei ist es, regenerative Möglichkeiten nicht nur zu imaginieren, sondern auch konkret zu materialisieren und auf diese Weise erfahrbar zu machen.
Neben Forschung und praktischen Experimenten entwickelte The Wild Future Lab einen Designansatz, der sich mit möglichen Zukunftsmodellen und alternativen Realitäten beschäftigt, und im Rahmen einer Workshop-Reihe weiterentwickelt wurde.
Das Projekt setzt sich damit auseinander, wie afrikanische Städte angesichts klimatischer Unsicherheit resilienter werden könnten – und welche neuen Formen des Zusammenlebens zwischen Mensch und Natur dann möglich sind. Für die visionäre Auseinandersetzung mit einem zukunftsgerichteten und tief in lokalen Kontexten verankerten Verständnis von aktuellen und kommenden Entwicklungen in Kenia erhält Kairos Futura den Grand Prize.
Credits
Lead creative team: Kairos Futura
Kairos Futura: Abdul Rop, artist; Lincoln Mwangi,
artist; Willie Nganga, scientist; Stoneface Bombaa, artist; Ajax Axe, artist; Coltrane McDowell, designer
Workshop facilitation: Kairos Futura Team and New Order of Fashion
Photography: Ajax Axe and Adams Rop
With support from Stimuleringsfonds and Netherlands programs by New Order of Fashion
S+T+ARTS PRIZE AFRICA ’25
5 Awards of Distinction
Fisherchild
Traci Kwaai (ZA), Lo-Def Film Factory (Francois Knoetze & Amy Louise Wilson) (ZA), Kyle Marais (ZA)
Fisherchild ist ein gemeinschaftsbasiertes Projekt, das die jahrhundertealte Fischereigemeinschaft von Kalk Bay in Südafrika ins Zentrum rückt. Es übersetzt mündlich überlieferte Erzählungen in ein interaktives digitales Archiv an indigenem Fischereiwissen und untersucht, wie gelebte Traditionen durch neue Technologien wie 360°-Video, Fotogrammmetrie und Virtual Reality bewahrt werden können. Als Fischerkind in sechster Generation archiviert und erzählt Traci Kwaai die Geschichten ihrer Gemeinschaft, deren Lebensgrundlage durch den mangelnden Zugang zu den Ressourcen des Meeres gefährdet ist.
Fisherchild bewahrt das kulturelle Erbe und die Identität der Gemeinschaft durch ein virtuelles Erlebnis, das 3D-Aufnahmen wichtiger Artefakte und Orte, mündliche Überlieferungen sowie eine ortsspezifische Audiotour umfasst. Jugendliche aus Kalk Bay wirkten direkt an der VR-Erfahrung mit und arbeiteten mit den Künstler*innen und Technolog*innen zusammen.
Über die digitale Arbeit hinaus initiierte das Projekt eine Gemeinschaftsküche, die lokal hergestellte Produkte über eine App verkauft und den Menschen dadurch eine alternative Einkommensquelle ermöglicht.
Credits
Youth participants: Amy Jacobs, Aliyah Pettersen, Lila Wackernagel, Jorja Williams
With oral history contributions by: Gigi Fisher, Haya Fisher, Marie Boltman, Faez Poggenpoel
Sound: Hilton Schilder
Additional imagery: Justin Blake
With support from: the Heritage Management
Organization and the Mellon Foundation
Sands Of Time: Walls We Can Walk Through
Ala Praxis (NG)
Sands of Time: Walls We Can Walk Through ist eine architektonische, multisensorische Installation, die das fragile Gleichgewicht zwischen städtischem Wachstum und Umweltzerstörung in Dar es Salaam untersucht. Es geht um die widersprüchliche Rolle des Sandes – einerseits eine schwindende Ressource, die das schnelle Wachstum der Stadt antreibt, und andererseits eine zerstörerische Kraft, wenn er rücksichtslos abgebaut wird. Denn die Folgen des Abbaus sind klar: erodierende Küstenlinien, zerstörte Lebensräume und verdrängte Gemeinschaften. Durch interaktive Projektionen, Klang, Fotografie, Text, Found-Object-Art, Animation und experimentelle Bautechniken verdeutlicht das Projekt die Spannung zwischen dem pulsierenden Küstenleben in Dar es Salaam und der wachsenden Gefahr eines ökologischen Kollapses.
Sands of Time verortet den Sandabbau in einer größeren, zutiefst menschlichen Krise. Das Projekt fordert auf, sich den weitreichenden Folgen rasant wachsender Städte zu stellen – und zu hinterfragen, ob unsere Zukunft von zerstörten Landschaften geprägt sein soll oder von Alternativen, die Entwicklung, Teilhabe und Nachhaltigkeit anstreben.
This project was realized through the STARTS4AFRICA project co-funded by the European Union under the STARTS – Science, Technology and Arts initiative of DG CNECT (GA no. LC-01960720).
Credits
Residency hosts: INOVA+, Nafasi Art Space
Ala Praxis: Philip Fagbeyiro, Peace Olatunji, Timilehin Osanyintolu, Jadesola Olaniyan, Noah Okwudini, Josh Egesi
Installation and construction: Mufaddal Nagree, Abubakari Ibondo, Salamu Abdala, Haji China, Siyani Mponda, Imanueli Sanga, Omari Hamis, Acley
Mwalusamba
Technical support: Bukunmi Oyedapo
Sound, audio & translation: John Kitime, Salma Mun-de, Rhoda Kambenga
Curatorial research and support: Jesse Mpango,
Mariam Gichan Athman, George Freemason Msuya
Animation: Gwamaka Mwabuka, Dianne-Maryline Charles, Shalom Micky, Ally Mtandilla, Efraim Lyimo, Tai Animations Studio
The Founders Pillars
Meghna Singh (IN), Simon Wood (IE), Lesiba Mabitsela (ZA)
The Founder’s Pillars ist ein ortsbezogenes Augmented-Reality-(AR)-Memorial und eine multimediale Installation, die sich mit dekolonialen Praktiken auseinandersetzt und koloniale Architektur mit afrofuturistischem Storytelling verbindet.
In seiner aktuellen Umsetzung verwandelt das Projekt die New Yorker Börse und das Rogers Building am MIT in dynamische Denkmäler der afrikanischen Diaspora: Die Säulen der Gebäude werden digital mit animierten Textilien überlagert. Das Projekt bezieht sich auf sechs Regionen des afrikanischen Kontinents, von denen jede durch ein eigenes Textildesign und eine zugehörige Erzählung oder Legende repräsentiert wird. KI-generierte Filme und Augmented Reality lassen die Inhalte lebendig werden. Eine begleitende Installation bei den Water Street Projects zeigt einen elektronisch gesteuerten Webstuhl, der afrikanische Stoffe digital webt und das in ihren Mustern gespeicherte Ahnenwissen sichtbar macht.
Als wanderndes Memorial nutzt The Founder’s Pillars Klang, Animation und textile Visualisierungen, um überliefertes Wissen von Vorfahr*innen und kosmologische Vorstellungen in digitale Stoffe einzuschreiben. Es eignet sich Symbole kolonialer und institutioneller Macht im öffentlichen Raum neu an und verwandelt sie in Orte des Gedenkens und des Widerstands.
Credits
Co-creators: Dr Meghna Singh, MIT Open Documen-tary Lab & School of Communications and Culture, Aarhus University Denmark; Simon Wood, MIT Open Documentary Lab; Lesiba Mabitsela, AFRI Africa Fashion Research Institute
Editor and After Effects: Michael Carter
Augmented Reality: Nicolas Robbe @ Hoverlay
Incubated at the MIT Open Documentary Lab
Black Planetarium – Uncharted: Anthologies Across the Atlantic
Kidus Hailesilassie (ET)
Black Planetarium – Uncharted: Anthologies Across the Atlantic ist eine kosmische Performance-Installation, inspiriert von 5.000 Jahren Wissensproduktion auf dem afrikanischen Kontinent. Sie ist als kollaboratives Erlebnis konzipiert, das Ahnenwissen, spekulatives Erzählen, Kartografie und Live-Performance zusammenführt.
Uncharted: Anthologies Across the Atlantic ist beeinflusst von Kidus Hailesilassies früherer Installation Ancestral Algorithm (2019–2023), in der über 6.500 Piktogramme, Ideogramme, Silbenschriften, Alphabete und Bildzeichen aus zwanzig afrikanischen Sprachen gesammelt, digitalisiert und kartiert wurden. Mittels eigens entwickelter Workflows, KI-Tools, maschineller Bilderkennung und durch Crowd-Sourcing unterstützte räumlich-akustische Datenverarbeitung verbindet das Projekt aufkommende Technologien mit einigen der ältesten in afrikanischen Traditionen verankerten Wissenssystemen. Daraus entsteht eine kosmische Performance, die vom „Adowa“, einem Tanz der Ashanti-Gemeinschaft in Ghana, inspiriert ist.
Das Projekt greift das Erbe afrikanischen Widerstand auf, stärkt dekoloniale Wissensproduktion und folgt der Strömung des Afro-Surrealismus, um neue kollektive Zukünfte zu imaginieren.
Credits
Motif Art Studio
Algaada Centre for Small Scale Farming and Agricultural Research
The film DESERT PHOSfate is part of the PHOSfate Artistic Research Project together with Pekka Niskanen, funded by Kone Foundation, Osker Öflunds Stiftelse, and Arts Promotion Centre Finland.
Written To Not Remain
Tewa Barnosa (LY)
Written To Not Remain ist ein fortlaufendes visuelles Projekt über Schriftzüge an Hauswänden im postrevolutionären Libyen. Die Arbeit versteht die kollektiven Aussagen als Zeugnisse aktueller und historischer Ereignisse – aber auch als gesellschaftliche Kommentare, persönliche Mitteilungen und als stillen Protest. Indem das Projekt die vom Westen geführten Kriege in Libyen veranschaulicht, regt es zum Nachdenken über den Zustand unserer Welt an.
Das Ergebnis der Auseinandersetzung ist eine Videoarbeit, die Archivbilder mit Inszenierungen innerhalb einer VR-Simulation kombiniert. Tewa Barnosa kontextualisiert ein Fotoarchiv mit über 200 Wandinschriften, das sie 2019 zu sammeln begann, und arbeitet die Ereignisse heraus, auf die sie verweisen. Viele der Graffiti stellen sich gegen die Normalisierung alltäglicher Gewalt und des Todes. Einige verweisen auf düstere, dystopische oder beunruhigende Realitäten, die mit früheren Frontlinien und Schlachtfeldern verbunden sind – andere wiederum tragen die surreale Ironie ihrer Zeit in sich.
Written To Not Remain fragt danach, wie soziale Gesten wie beispielsweise politische Graffiti unsere Wirklichkeit mitgestalten. Zeitgleich reflektiert die Arbeit, wie sich solche Ausdrucksformen in einer digitalisierten Welt entwickeln könnten, in der Technologie zunehmend von militärischen und wirtschaftlichen Interessen bestimmt wird.
Credits
Edited by Moon studio
With support from: Amsterdam Kunst Fonds