„openAIR – Accessibility in Radio Production“

„openAIR – Accessibility in Radio Production“
Erstes barrierefreies Radiomischpult

(Linz, 10.7.2013) Radio FRO 105.0, das Freie Radio in Linz, unterstützt bereits seit 2006 Menschen mit Beeinträchtigung dabei, ihre eigene Radiosendung zu gestalten. Mit dem Projekt „openAIR – Accessibility in Radio Production“ hat Radio FRO einen weiteren wichtigen Schritt in Richtung Barrierefreiheit im Radiostudio unternommen. In Kooperation mit dem Ars Electronica Futurelab wurde Österreichs erstes barrierefreies Mischpult entwickelt, das auch Menschen mit Bewegungseinschränkungen die selbständige Bedienung der Studiotechnik ermöglicht.

Ein barrierefreies Radiostudio ist machbar

Seit 2006 unterstützt Radio FRO, das Freie Radio in Linz, auch Menschen mit Beeinträchtigung bei der selbständigen Produktion von Radiosendungen. Insgesamt senden auf der Frequenz 105.0 MHz im Großraum Linz mehr als 200 Personen Programm zu ihren eigenen Interessen, von Musik bis Politik.

Die Redaktion „Radiabled“, in der Menschen mit Beeinträchtigung Radio machen, wird dabei speziell begleitet. „Für Menschen mit körperlichen Beeinträchtigungen kann die Studiotechnik eine große Hürde sein“, meint Sabina Köfler, Programmverantwortliche beim Freien Radio. „Für die Radiabled-Redaktion, die mittlerweile aus sehr erfahrenen Radiomachern und Radiomacherinnen besteht, stellte speziell das Mischpult ein letztes Hindernis zum eigenständigen Radiomachen dar. Das war Grund genug für Radio FRO, im vergangenen Jahr ein Forschungsprojekt zur Entwicklung einer barrierefreien Studiotechnik zu starten.“ Mit Erfolg: der Prototyp „openAIR“ wird bereits erfolgreich eingesetzt.

Was ist openAIR?

Es handelt sich um eine eigens mit dem Ars Electronica Futurelab entwickelte Radiosteuerung, die über Druckknöpfe bedient wird. Ein handelsübliches Mischpult, dessen Regler allesamt sehr klein ausgeführt sind, kann so nun auch von Personen bedient werden, die beispielsweise Probleme mit der Feinmotorik oder der Beweglichkeit der Hände und Arme haben. „Die von uns entwickelte Steuerung kommt mit nur 10 Druckknöpfen aus“, so Veronika Pauser vom Ars Electronica Futurelab: „Die Knöpfe erinnern ein bisschen an jene von Automaten in Spielhallen und machen es möglich, eine Vielzahl von Befehlen auszuführen, vom Ein- und Ausfaden über das Hin- und Herwechseln zwischen Audioquellen bis zum Scharf- oder Stummschalten der Mikros.“ Ein einziger Knopf eröffnet dabei Möglichkeiten, für die es üblicherweise bis zu fünf unterschiedliche Regler braucht. „Eine weitere Besonderheit dieser Entwicklung ist, dass die Produktionskosten sehr gering gehalten werden konnten und trotzdem eine immense Verbesserung der Bedienbarkeit der Studiotechnik erreicht wird“, betont Sabina Köfler, Initiatorin des Projekts „openAIR“ bei Radio FRO.

Ein wichtiger Schritt in eine inklusive Gesellschaft

Ebenso wichtig ist für das Freie Radio, dass das Steuerungstool als „Open Hardware“ veröffentlicht wird und somit von jeder und jedem nachgebaut werden kann. Dadurch ist es auch auf längere Sicht möglich, gemeinsam mit Interessierten an einer weiteren Verbesserung und Anpassung an Menschen mit unterschiedlichen Bedürfnissen zu arbeiten.
Sabina Köfler begreift den Einsatz von „openAIR“ als wichtigen Schritt in eine inklusive Gesellschaft. „Radio zu machen bedeutet mitzubestimmen, worüber in der Öffentlichkeit gesprochen wird. Menschen mit Beeinträchtigungen hier einzubinden ist zwingend notwendig, um deren Forderungen nach einem selbstbestimmten Leben in der Gesellschaft zu verankern.“

Hintergründe zu „openAIR“

Unter dem Titel „openAIR – Accessibility In Radio Production“ startete Radio FRO ein Forschungsprojekt, um den technischen Hürden im Radiostudio auf die Schliche zu kommen und diese zu beseitigen.

Einer der wichtigsten Bestandteile der Freien Radios ist der Offene Zugang. Alle Menschen sollen die Möglichkeit haben, Medieninhalte zu produzieren und zu veröffentlichen. Um den InteressentInnen den Zugang zum Medium Radio zu ermöglichen, versucht Radio FRO 105.0 MHz laufend, noch vorhandene Schwellen (z.B. technische Hürden) abzubauen.

Barrierefreie Radioworkshops – Redaktionskollektiv „Radiabled“

Da selbst dieser niederschwellige Zugang für Menschen mit Beeinträchtigung noch unüberwindbar sein kann, bietet Radio FRO 105.0 seit 2006 barrierefreie Radioworkshops an. In diesem Bereich konnte Radio FRO eine Vorreiterrolle in Österreich übernehmen.

Die jahrelange Zusammenarbeit mit Menschen mit Beeinträchtigung im Ausbildungsbereich wie auch im laufenden Betrieb führte schrittweise zu einer Expertise im Bereich der Barrierefreiheit. Ein Grundverständnis, das bei allen Aktivitäten, ob Ausbildungsprojekten oder technischer Weiterentwicklung des Tonstudios, hilfreich ist.

Momentan sind bei Radio FRO 105.0 neun ehrenamtliche RadiomacherInnen mit Beeinträchtigung im freien Redaktionskollektiv „Radiabled“ tätig. Dennoch gibt es weder im öffentlich-rechtlichen noch im kommerziellen Rundfunk umfassende Ausbildungsmöglichkeiten bzw. Arbeitsplätze für Menschen mit Beeinträchtigung. Um die gleichberechtigte Zusammenarbeit zwischen Menschen mit und ohne Beeinträchtigung zu erreichen, braucht es unter anderem technische Innovationen, welche im Rahmen dieses Projekts entwickelt wurden.

Barrieren identifizieren und überwinden

Menschen mit Beeinträchtigungen (ebenso wie ältere Menschen) werden bei der Entwicklung technischer Geräte für den täglichen Gebrauch (Maus, Tastatur, Display, Handy…) oft nicht berücksichtigt. Der Trend geht hierbei immer noch in Richtung möglichst kleiner, mobiler Produkte mit möglichst umfangreicher Funktionalität. Diese sind jedoch für Menschen mit besonderen Bedürfnissen schwer zu handhaben. Nur in den wenigsten Bereichen finden sich mittlerweile bereits spezielle Eingabegeräte, wie Trackballs oder Joysticks bzw. sind auch nur wenige an die Bedürfnisse angepasste Ausgabegeräte vorhanden.

Vor allem in der Radioproduktion gibt es noch enorme Hindernisse. Die zentrale Hardware in diesem Bereich bildet das Mischpult, ein technisches Gerät mit einer Unzahl an Kleinstbauteilen, von denen jeder Einzelne das Hörerlebnis beeinflusst. Für Menschen mit eingeschränkten feinmotorischen Fähigkeiten bildet dieser Teil der Technik eine unüberwindbare Hürde. Darüber hinaus ist es notwendig, verschiedenste analoge und digitale Zuspielgeräte für die Produktion einer Radiosendung mit zu bedienen. Gerade im Radiobereich wären jedoch Entwicklungen im Hinblick auf die Barrierefreiheit wünschenswert, da dadurch ein wesentlicher Kommunikationskanal mit einer breiten HörerInnenschaft gegeben ist.

Unser Projekt analysiert jeden einzelnen Arbeitsschritt in diesem Produktionsprozess und versucht einen zugänglichen und funktionstüchtigen Weg zu finden, identifizierte Barrieren zu überwinden. Dabei kann auf eine mittlerweile immer größer werdende Produktpalette an technischen Hilfen und assistierenden Technologien zurückgegriffen werden, vor deren Hintergrund die genaue Betrachtung der konkreten Problemstellung erfolgt.

Radio FRO 105.0 – Das Freie Radio in Linz

Radio FRO (Freier Rundfunk Oberösterreich) ist das Freie Radio im Großraum Linz. Es ist nicht-kommerziell, werbefrei und offen: Radio FRO ist ein Radio von Menschen für Menschen, in einer Vielfalt an Formaten, Kulturen, Generationen und Sprachen. Als freier Umschlagplatz für Information, Musik, Kunst und Experiment stehen die Redaktions- und Studioräume von Radio FRO engagierten Menschen, Initiativen und Organisationen offen. Über 200 ehrenamtliche RadiomacherInnen sorgen unter professioneller Anleitung für die programmatische Vielfalt von über 140 verschiedenen Sendungen in mehr als 10 Sprachen auf Radio FRO 105.0.

Seit 2006 gibt es bei Radio FRO 105.0 die Initiative Radiabled – Radio von Menschen mit und ohne Behinderung.
Aktuell sind zwei Sendungen von Redaktionskollektiven und Einzelpersonen, die aus der Radiabled-Initiative entstanden sind, regelmäßig on Air.

no handicap: 1. Donnerstag im Monat, 19 – 20 Uhr
Infosendung mit Berichten, Interviews, Live-Gästen und Infoblocks. Interviews von und mit Menschen mit Handicaps. Öffentliche Orte werden auf Barrierefreiheit überprüft und danach bewertet. Infos und Veranstaltungsankündigungen runden die Sendung ab.

Radiabled: 2. & 4. Dienstag im Monat, 19 – 20 Uhr
Talk-Sendung mit Live- und Telefongästen, Informationen zu barrierefreien Freizeitmöglichkeiten, Vereinen und Interessensvertretungen für Menschen mit Beeinträchtigung.

Radio FRO 105.0 hören: weltweit via Live-Stream auf www.fro.at, im Großraum Linz auf 105.0 MHz, im LIWEST-Kabel auf 95.6 MHz.

Ars Electronica Futurelab

Das 1996 initiierte Ars Electronica Futurelab fragt nach der Zukunft im Nexus von Kunst, Technologie und Gesellschaft. Das Team des Labors vereinigt unterschiedliche Fachrichtungen und ist in seiner Arbeitsweise vor allem durch Transdisziplinarität und internationale Vernetzung geprägt. Von fundamentaler Bedeutung sind hierbei die ganzjährige Zusammenarbeit mit KünstlerInnen und WissenschaftlerInnen weltweit, sowie die regelmäßige Anwesenheit von „Artists-in-Residences“ in Linz. Das Leistungsspektrum des Ars Electronica Futurelab umfasst über Jahre entwickelte Expertisen in Fachgebieten wie radikaler Innovation, Medienkunst, Architektur, Design, Interaktive Ausstellungen, Virtual Reality und Echtzeitgrafik. Das Labor ist Teil der Ars Electronica Linz GmbH, einer Tochter der Stadt Linz.

Pressetext „openAIR – Accessibility in Radio Production“ / PDF

Zwei Beiträge mit Fotos und Video rund um openAIR finden Sie am AE Blog.

Photo:

openAIR – Accessibility in Radio Production / Veronika Pauser / Printversion / Album

Photo:

openAIR – Accessibility in Radio Production / Veronika Pauser / Printversion / Album