Honorary Mention
Biocomputer Rhythms ist ein Stück für ein präpariertes Klavier und Schlaginstrumente. Es ist ein musikalisches Duett zwischen einem Klavier und einem Biocomputer: Der Biocomputer hört auf das Klavier und erzeugt während der Aufführung musikalische Reaktionen. Die Antworten werden auf Schlaginstrumenten und auf dem gleichen Klavier des Pianisten gespielt. Das Klavier ist mit elektromagnetischen Stellgliedern im Inneren des Instruments präpariert, um die Saiten in Schwingung zu bringen. Elektromagnetische Stellglieder werden auch zur Schwingung von Schlagwerken eingesetzt. Der Biocomputer spielt seine musikalischen Reaktionen ab, indem er Spannungen an diese Stellglieder sendet.
Die musikalischen Reaktionen des Biocomputers basieren auf der Musik, die er zuvor über Mikrofone wahrgenommen hat. Das System merkt sich das Klangbild und variiert es. Im Wesentlichen funktioniert der Biocomputer wie ein Musiksystem der Künstlichen Intelligenz. Allerdings gibt es hier keine komplizierte Modellierung oder Programmierung der Künstlichen Intelligenz (KI). Der Biocomputer verwendet elektronische Komponenten aus biologischen Organismen, die standardmäßig intelligentes Verhalten erzeugen.
Meine Forschung zielt darauf ab, biologische Organismen zu Komponenten von Computerarchitekturen für neue Arten von KI zu machen, die ich paradoxerweise als Natural AI (natürliche KI) bezeichne. Ich bin daran interessiert, biologische Wirkstoffe als Komponenten eines Computers und nicht als Inspirationsquellen zu nutzen, um abstrakte Modelle für die Softwaresimulation zu implementieren.
Den Kern des Biocomputers bilden Biomemistoren, die ich zusammen mit meinem Assistenten Edward Braund am Interdisciplinary Centre for Computer Music Research (ICCM), University of Plymouth, UK, entwickelt habe. Der Biomemristor wird aus Schleimpilzen aus Wäldern hergestellt, welche normalerweise auf verwesenden Blättern und Baumrinde wachsen. Seine intrazelluläre Aktivität produziert schwankende Mengen an Elektrizität, die durch seinen Körper geleitet werden kann, somit verhält er sich wie ein Memristor. Der Memristor ist ein relativ unbekanntes elektronisches Bauteil: Er ist ein Widerstand mit Speicher. Der Memristor ist deshalb so interessant, weil sein Verhalten mit dem Verhalten biologischer Neuronen und bestimmter Prozesse im Gehirn vergleichbar ist, und den Weg für die Entwicklung hirnähnlicher Prozessoren ebnet. Die Entdeckung, dass ein Schleimpilz als Memristor genutzt werden kann, bietet eine alternative und vielleicht umweltfreundlichere Möglichkeit, Memristoren herzustellen: sie aus biologischem Material zu züchten.
Credits
Komponist: Eduardo Reck Miranda
Assistenzingenieur: Edward Braund
Eduardo Reck Miranda: Eduardos unverwechselbare Musik wird durch seinen einzigartigen Hintergrund als klassisch ausgebildeter Komponist und Wissenschaftler der Künstlichen Intelligenz (KI) geprägt. Er studierte Musik und Informatik in seiner Heimat Brasilien und an der University of York in England. Anschließend promovierte er an der University of Edinburgh, Schottland, in Sound Design mit künstlicher Intelligenz. Er arbeitete am Sony Computer Science Laboratory in Paris als Forschungswissenschaftler in den Bereichen KI, Sprache und Evolution der Sprache. Derzeit ist er Professor für Computermusik an der Universität Plymouth, wo er das Interdisciplinary Centre for Computer Music Research (ICCMR) gründete.
Jury Statement
Kann zwischen Mensch und Mikroorganismus ein echtes Gefühl der kreativen Partnerschaft entstehen? Mit dem Projekt Biocomputer Rhythms untersucht Miranda, wie ein Computer aus lebender Schleimhaut auf einem Musikinstrument – in diesem Fall einem Klavier – zusammen mit einem professionellen Musiker spielen und improvisieren kann. Das daraus resultierende Duett zwischen den beiden Lebewesen ist unvorhersehbar und suggeriert eine neue Art der „Kreation einer Maschine, die kreativ ist“, wie Miranda es beschreibt. Die Jury war sich einig, dass Biocomputer Rhythms ein bedeutendes Beispiel für die jüngsten Biokunst-Praktiken ist, welche die Grenzen zwischen dem Programmierbaren, dem Berechenbaren und dem Unvorhersehbaren immer weiter verwischen. Die Arbeit erweitert das Spektrum der bestehenden Interaktionen zwischen Menschen und siliziumbasierten Computern und bietet eine spekulative kreative Anwendung, die vielleicht eher den menschlichen Tendenzen zum Zögern, Improvisieren und Erfinden entspricht.