Gib dem Heimassistenten einen neuen Namen und achte darauf, dass er nie zuhört.
Grand Prize – Artistic Exploration: Für künstlerische Erforschung und Kunstwerke, bei denen die Aneignung durch die Kunst großes Potenzial zur Beeinflussung und Veränderung von Technologie und deren Nutzung, Entwicklung und Wahrnehmung hat.
Alias ist ein lernfähiger „Parasit“, der BenutzerInnen mehr Kontrolle über ihre intelligenten Assistenten geben soll, im Hinblick auf Individualisierung als auch auf Privatsphäre. Mithilfe einer einfachen App können BenutzerInnen Alias trainieren, auf ein benutzerdefiniertes Aufwachwort zu reagieren. Anschließend kann Alias die Kontrolle über den Heimassistenten übernehmen, indem er ihn für dich aktiviert. Solange das Wake Word nicht verwendet wird, unterbricht Alias die Mikrofone des Assistenten und stellt damit sicher, dass dieser gelähmt ist und nicht zuhören kann.
Dadurch fungiert Alias als Mittelmann, das zur Besitznahme und Steuerung von sprachaktivierten Geräte entwickelt wurde. Ausgestattet mit Lautsprechern und einem Mikrofon, ist Alias in der Lage, mit dem Heimassistenten zu kommunizieren und ihn zu manipulieren, sobald man ihn darauf platziert. Die Lautsprecher von Alias dienen dazu, den Assistenten mit einem konstanten, leisen Geräusch zu unterbrechen, welches direkt in das Mikrofon des Assistenten eingespeist wird. Sobald Alias das neu vom Benutzer oder der Benutzerin erstellte Aufwachwort erkennt, stoppt es das Geräusch und aktiviert den Assistenten leise mit einer Tonaufnahme des ursprünglichen Aufwachworts. Darauf folgend kann der Assistent wie gewohnt verwendet werden. Alias ist mit einem Raspberry Pi ausgestattet, der ein kleines neuronales Netzwerk lokal zur Erkennung von Aufwachwörtern betreibt. Dieses Konzept funktioniert lokal und damit getrennt vom Internet. Alias hostet auch sein eigenes Wi-Fi, welches den BenutzerInnen ermöglicht, über einen Browser mit ihm zu kommunizieren, um Alias zu trainieren, zurückzusetzen sowie ein- und auszuschalten.
Unsere Beziehung zur Technologie wird dadurch geprägt, wie wir mit ihr umgehen. Allerdings neigen kommerzielle smarte Produkte für unser Zuhause dazu, die NutzerInnen als passive VerbraucherInnen zu behandeln. Vor allem Designmuster von smarten Heimassistenten zeigen, wie sich die Interaktions- und Handlungsmöglichkeiten aus Nutzersicht einschränken, sogar im privatesten und persönlichsten Bereich – dem Heim. Unsere Interaktionsmuster werden von den EntwicklerInnen dieser Produkte stark bestimmt. Mit Alias interessieren wir uns dafür, wie dieses Machtverhältnis neu definiert werden kann, insbesondere in Bezug auf die Privatsphäre. Die aufregende Zukunft, die uns „intelligente“ Technologien bieten können, bringt oft Bedingungen mit sich, die unsere Privatsphäre und das Gefühl der Kontrolle beeinträchtigen. Mit Alias wollen wir diesen Zustand hinterfragen und nachdenken, welche Art von „smart“ wir in Zukunft eigentlich wollen.
Um diese Werte zu manifestieren und zu kommunizieren, haben wir untersucht, wie Cordyceps Pilze und Viren Insekten beeinflussen und kontrollieren können, um ihre eigenen Vorstellungen zu verwirklichen. Diese eher beängstigende Seite der Natur haben wir als Inspiration genutzt, um unseren eigenen Parasiten für Smart Home Systeme zu entwickeln. Daraus folgte die Entwicklung von dem Project Alias, als Demonstration dafür, wie Maker Culture und Open Source genutzt werden können, um unsere Beziehung zu Smart Home Technologien neu zu definieren, indem mehr Macht und Kontrolle von den DesignerInnen/Unternehmen an die EndverbraucherInnen der Produkte delegiert wird.
Definition von „Alias“:
1. Wird verwendet, um anzugeben, dass eine Person auch unter einem anderen angegebenen Namen bekannt oder bekannter ist.
2. Fehlinterpretation (einer Signalfrequenz), die Verzerrung oder Fehler verursacht.
Credits
Bjørn Karmann ist ein dänischer Designer, und arbeitet bei Tellart, Amsterdam. Er hat einen Master-Abschluss in Interaction Design vom Copenhagen Institute of Interaction Design und einen Bachelor-Abschluss in Communication Design von der Kolding Design School. Sein Diplomprojekt (*The Objectifier*) hat mit höchster Auszeichnung am CIID abgeschlossen wurde, mehrere Auszeichnungen erhalten und das Denken des maschinellen Lernens als Mittel zum Prototyping und zur Bereicherung der räumlichen Interaktion vorangetrieben. Bjørn verbindet seine Neugierde für neue und aufkommende Technologien mit seiner Leidenschaft für physische und menschliche Interaktionen und findet gleichzeitig ein Gleichgewicht zwischen Natur und Technik. Mit Erfahrung in Design, Installationskunst, Robotik und Physical Computing arbeitet er disziplinübergreifend und manifestiert sich zwischen physischem und virtuellem Raum.
Tore Knudsen geboren 1992, ist ein Interaction Designer mit Sitz in Kopenhagen, Dänemark. Er hat einen Master-Abschluss in Interaction Design von der K3, Universität Malmö, und war zuvor als Digital Designer tätig. Derzeit arbeitet er als User Experience Designer bei Topp Innovation & Design in Malmö, Schweden. Tores Interesse an Design und Technologie begann mit der Fotografie und hat sich auf viele verschiedene Medien ausgedehnt, von Web bis hin zu physischen Installationen. Seine Arbeit wird oft von dem Interesse getrieben, unsere Beziehung zu modernen Technologien hauptsächlich durch Design und Prototyping zu erforschen und zu hinterfragen.
Jury Statement
Da viele Bereiche unseres privaten und sozialen Lebens durch neue Technologien der Identifikation, Überwachung, Analyse und Kontrolle verändert werden, bietet Karmanns und Knudsens pilzartig aussehendes „parasitäres“ Gerät eine poetische und doch konkrete DIY-Intervention, die es jedem erlaubt, sich alle sprachaktivierten Geräte anzueignen und so intelligente Assistenten weniger invasiv zu machen. Wie der Projekttitel schon sagt, nutzen Karmann und Knudsen effektiv den künstlerischen Entfremdungseffekt („making it strange“ oder Verfremdung), um die Technologie anders und fremd für uns zu machen, als etwas, das sorgfältig beobachtet, gelernt und möglicherweise verändert werden muss. Es ist ein großartiges Beispiel dafür, wie Poesie in die Praxis umgesetzt werden kann, indem es ein Gleichgewicht zwischen der Förderung technischer Kommunikationsmittel und der effektiven Veränderung ihrer Medialität herstellt.
Project Alias veranschaulicht, wie zeitgemäße Technologien – in diesem Fall intelligente Assistenten – erfordern, dass wir uns der passiven Rezeption der Bedingungen hingeben: Der Benutzer oder die Benutzerin wird vom Sprachassistenten verwendet, um Daten über unser Privatleben und unsere Umwelt zu sammeln. Das Medium ist in der Tat die Botschaft, wie McLuhan zu sagen pflegte, und wir, die NutzerInnen und unsere privaten Daten, werden zunehmend, und in einigen Fällen unbeabsichtigt, zum Inhalt dieser Botschaft. Project Alias bietet die Möglichkeit, diese Machtverhältnisse auf den Kopf zu stellen: weißes Rauschen zu erzeugen, um den Lautsprecher daran zu hindern, ständig zuzuhören, oder ihm beizubringen, unsere Stimme zu erkennen, um zum Schutz unserer Privatsphäre beizutragen.
Project Alias haucht der Metapher des Parasiten neues Leben ein, indem es ihn zu einem anwendbaren politischen Werkzeug macht. Ein technologischer „Wirt“ wird überfallen, um seine Operationsweise zu ändern und seine Beziehungen zu seiner Umgebung zu beeinflussen. Die parasitäre Intervention kann eine von zwei Folgen haben: Der Wirt könnte sein Möglichstes versuchen, um den Parasiten auszumerzen, oder er könnte die Dinge neu anordnen, um den Bedürfnissen des Parasiten zu entsprechen. In beiden Fällen bedeutet die Anwesenheit des Parasiten, dass die Umstände sich verändern müssen und werden. Project Alias, so hofft die Jury, wird die Branche auffordern, sich auf diese parasitäre Störung einzustellen und uns Transparenz und Kontrolle über unsere eigenen technologischen Umgebungen zu verschaffen.