Honorary Mention
This is grown. entstand aus einer Frustration über Kunststoffe und einer sichtbaren Diskrepanz zwischen wissenschaftlicher Forschung und Designmanifestationen rund um natürliche Materialien.
Das Projekt entstand unter der Prämisse, dass ein besseres Verständnis der Natur uns helfen könnte, die heutigen Materialien auf petrochemischer Basis nicht nur durch nachhaltigere zu ersetzen, sondern vielleicht auch völlig neue Herstellungssysteme und Kategorien von Materialien zu entwickeln, die bisher ungeahnt blieben. Schließlich hatte die Natur 3,8 Milliarden Jahre Zeit, um die ultimative Kreislaufwirtschaft zu perfektionieren: Das Leben. Vielleicht können wir noch etwas lernen.
WissenschaftlerInnen des Imperial College London, die bakterielle Cellulose und die Bakterien, die es produzieren, untersuchen, führten mich an das Material heran. Mich inspiriert nicht nur dessen Materialeigenschaften, sondern auch die Art und Weise, wie es wächst. Ich habe von den BiologInnen und MaterialwissenschaftlerInnen gelernt, die Bakterien selbst gezüchtet und neue Werkzeuge entwickelt, um ihren natürlichen Wachstumsprozess zu manipulieren, und sie schließlich in einer neuen Form der Textilkreation eingesetzt, die ich „mikrobielles Weben“ nenne.
Im Sinne des traditionellen Webens webe ich die Kette und die Bakterien bauen den Schuss an. Somit werden Webmuster möglich, die mit herkömmlichen Webverfahren nicht herstellbar sind, und die Materialfestigkeit wird in mehrere Richtungen optimiert. Das unglaublich leichte, transparente und in der Reißfestigkeit mit seinen synthetischen Gegenstücken konkurrierende Hybridmaterial bietet zudem ein enormes Potenzial für die Anpassung und Anwendung in zahlreichen Industrien, von Hochleistungsverbundwerkstoffen bis hin zu biomedizinischen Anwendungen.
Ich habe das Obermaterial eines Schuhs angebaut, um zu zeigen, wie dieser Materialprozess die Art und Weise beeinflussen könnte, wie wir in Zukunft Dinge gestalten und herstellen. Die Natur stellt Materialien nicht in Platten her, welche zur Weiterverarbeitung zugeschnitten werden. Es wird nur nach Bedarf hergestellt. Deshalb wurde der Schaft in einem Stück ohne Nähte entworfen und gezüchtet; ein kontinuierliches Garn, das durch die von den Bakterien produzierte Zellulose an Ort und Stelle gehalten wird.
Credits
Design: Jen Keane
Mitwirkung Schuhdesign: Markus Westerberg
Wissenschaftliche Berater:
Imperial College London: Dr. Tom Ellis, Dr. Koon-Yang Lee, Marcus Walker (Doktorand), Dr. Martin Hervy
Cornell University: Dr. Juan Hinestroza
Fotografie: Tom Mannion, Adam Toth, Vita Larvo
Jen Keane ist eine Designerin und kreative Forscherin, die an der Schnittstelle von Design und Wissenschaft, Technologie und Handwerk arbeitet. Inspiriert von Nachhaltigkeitsgedanken und der Faszination für neue digitale und biologische Tools untersucht sie, wie neue Technologien eingesetzt werden können, um eine neue Generation von Hybridmaterialien zu entwerfen und vielleicht unsere Herangehensweise an die Herstellung insgesamt zu ändern. Keane ist Absolventin des MA Material Futures Programms bei Central Saint Martins in London UK und arbeitete für die deutsche Sportbekleidungsmarke adidas in den Bereichen Materialdesign, Entwicklung und Innovationsstrategie. Als Bachelor of Science in Fiber Science and Apparel Design von der Cornell University, NY, USA, verfolgt sie einen interdisziplinären Ansatz im Bereich Materialdesign und ist der Ansicht, dass ein engerer Dialog zwischen Wissenschaft, Design und Industrie unerlässlich ist, um unsere Materialwertsysteme und Produktionsmittel wirklich zu verändern.
Jury Statement
This is grown. ist ein Projekt von Jen Keane, das eine bahnbrechende Lösung für unsere schwierige Beziehung zur Natur vorschlägt. An der Schnittstelle von Design und Forschung hat Keane ihre Frustration über die Plastikbelastung in eine umsetzbare Idee zur Reduzierung der Menge an Kunststoffabfällen umgewandelt. This is grown. verfolgt einen organismusgetriebenen Ansatz der Materialgestaltung. Dank der Erkenntnisse von WissenschaftlerInnen des Imperial College London über bakterielle Cellulose konnte Keane die Bakterien selbst kultivieren. Mit neuen Werkzeugen zur Manipulation des natürlichen Wachstumsprozesses ist es ihr gelungen, eine beispiellose Form der Textilkreation zu schaffen, die sie „mikrobielles Weben“ nennt.
Keanes multidisziplinäre Zusammenarbeit mit Biologie, Biomaterialwissenschaft und Maschinenbau legt nahe, dass die Bio-Fertigungstechnologie zu einem führenden Paradigma in der Produktion des 21. Jahrhunderts werden könnte. Durch die einzigartige Kombination von technologischer Kompetenz und ökologischer Verantwortung können wir dank This is grown. die Zukunft der Produktion nicht nur vordenken, sondern auch gestalten. Das Projekt geht weit über das ästhetische Design hinaus und schlägt vor, den schädlichen Kreislauf der petrochemischen Produktion und Verschwendung zu beenden. „Schließlich“, so Keane, „hatte die Natur 3,8 Milliarden Jahre Zeit, um die ultimative Kreislaufwirtschaft zu perfektionieren: Das Leben. Vielleicht können wir noch etwas lernen.“