Smart Citizen Sentiment Dashboard

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Wie es um die Gefühle und Einstellungen der Menschen in Linz zu Umwelt, Mobilität, Sicherheit, zur Wohnsituation und zum öffentlichen Raum bestellt ist, lässt sich auf dem Smart Citizen Sentiment Dashboard am Ars Electronica Center ablesen. Wie eine permanente BürgerInnenbefragung bietet das SCSD mit einem simplen Interface Gelegenheit, die urbane Lebensqualität persönlich zu bewerten. Die gesammelten Informationen kommen in eine Datenbank der Gefühle. In eine visuelle Sprache übersetzt, werden sie schließlich auf der Medienfassade des Ars Electroncia Center dargestellt. So setzt das SCSD ein ebenso unübersehbares wie ästhetisches Zeichen, das einen Dialog über das Leben in Linz anstoßen soll.

Bereits im Vorfeld zum Ars Electronica Festival 2014 wird am Samstag, 30. August 2014, 14.00 – 18.00, ein Workshop im Ars Electronica Center stattfinden, zudem alle Bürgerinnen und Bürger der Stadt Linz herzlich eingeladen sind. Bei dieser Gelegenheit wollen Nina Valkanova und  Moritz Behrens,  die Erfinder des Smart Citizen Sentiment Dashboards, herausfinden, welche die dringenden Herausforderungen für Linz sind. (Finden Sie HIER nähere Informationen zum Workshop.)

Wie haben uns vorab mit den beiden getroffen und sie im Interview gefragt, häufigsten benannt bzw. aufgezeigt städtischen Themen sind, wie die Visualisierung auf der Ars Electronica Fassade aussehen wird und welches Ziel sie eigentlich mit dem Smart Citizen Sentiment Dashboard verfolgen.

Mit dem Smart Citizen Sentiment Dashboard können Bürgerinnen und Bürger verschiedene Missstände einer Stadt aufzeigen. Welche Art Missstände können gemeldet werden?

Nina Valkanova: Zunächst einmal möchten wir deutlich machen, dass wir mit unserer Arbeit keine Anwendung schaffen wollen, die es den Bürgerinnen und Bürgern nur einfach macht. Wir möchten kein fix my street Tool entwickeln, mit dem die Menschen in der Stadt Missstände identifizieren, einer Behörde melden und damit aus ihren Diskussionen verbannen. Wir wollen keine Missstände aufdecken, sondern Bürgerinnen und Bürger die Möglichkeit geben sich auszudrücken und zu erfahren, wie ihre Mitmenschen über die Herausforderungen des Lebens in der Stadt denken. Mit der Medienfassade wollen wir den Bewohnerinnen und Bewohnern die Möglichkeit geben, ihre Empfindungen bezüglich des urbanen Lebens von heute zu teilen. Damit versuchen wir, dem öffentlichen Raum einen Teil seiner Funktion als Plattform für das Zusammentreffen und die Auseinandersetzung wieder zurückzugeben.

Was glaubt ihr, welche städtischen Themen am häufigsten benannt bzw. aufgezeigt werden?

Moritz Behrens: Unsere Erfahrungen mit einem ähnlichen Projekt in Sao Paulo zeigen, dass einige Themen immer wieder auftauchen. Als sehr wichtig werden ökologische Fragestellungen, aber auch solche der öffentlichen Sicherheit eingeschätzt. Dazu kommen Themen wie die Gestaltung des öffentlichen Raumes, der Verkehr in der Stadt und die allgemeine Wohnsituation. Interessant daran ist, dass diese Belange über verschiedene soziale Gruppen hinweg wiederkehrend wichtige Motive sind. Im Vorfeld zum Ars Electronica Festival werden wir auch in Linz einen Workshop abhalten, zudem wir alle Bürgerinnen und Bürger der Stadt herzlich einladen. Bei dieser Gelegenheit wollen wir herausfinden, welche die dringenden Herausforderungen für Linz sind. Besonders gespannt sind wir darauf, wie sich diese von denen in Sao Paulo unterscheiden – oder eben auch nicht.

Wie sieht das Smart Citizen Sentiment Dashboard aus und wie benutzt man es?

Moritz Behrens: Da möchten wir natürlich nicht zu viel verraten. Allerdings können wir sagen, dass es eine Art Stadtmöbel werden wird. Dieses wird den Bewohnerinnen und Bewohnern die Möglichkeit geben, eine der im Workshop definierten Herausforderungen für Linz auszuwählen und intuitiv ihr Empfinden diesbezüglich zum Ausdruck zu bringen.

Wie wird die Visualisierung auf der Ars Electronica Fassade aussehen?

Nina Valkanova: Die dreidimensionale Medienfassade des AECs hat gerade während der Dunkelheit eine fast ikonografische Funktion für Linz und kann weit über das Donauufer hinweg wahrgenommen werden. Im Gegensatz zu einem hochauflösenden Bildschirm, der eine detaillierte Informationsverarbeitung zulässt, hat die AEC Fassade eine sehr niedrige Auflösung. Ein Fenster entspricht einem Pixel. Mit unserer Visualisierung versuchen wir also zwischen dem ambienten Charakter der Fassade und dem Informationsanspruch des Smart Citizen Sentiment Dashboards zu vermitteln und gerade aus dieser Spannung einen Reiz zu generieren. Die Empfindungen der Benutzer werden durch die elementarsten und gleichzeitig naheliegendsten Effekte zum Ausdruck gebracht – durch Farbe und Bewegung.

Wie funktioniert das Ganze technisch?

Nina Valkanova: Die technische Bedienung ist simpel. Wir haben drei verschiedene Arten der Eingabe in das Dashboard integriert. Ein Drehknopf ermöglicht die Auswahl einer der fünf urbanen Herausforderungen, die vorab von den Teilnehmern des Workshops definiert wurden. Zwei Kartenlesegeräte ermöglichen die personalisierte Abstimmung des Benutzers mittels einer Smart Card. Ein einfacher Druckknopf visualisiert schließlich das Abstimmungsergebnis.

Wozu genau braucht man eine solche Smart Card, die MIFARE-Karte?

Moritz Behrens: Um seinem Empfinden über die Lebensqualität einer Stadt Ausdruck geben zu können wird eine so genannte Smart Card verwendet. Diese scheckkartenähnlichen Karten beinhaltet einen kleinen Chip auf dem eine Identifikationsnummer gespeichert ist. Jede dieser Karten hat eine eigene Nummer. Bisher fanden diese Smart Cards überwiegend Anwendung im Bereich des bargeldlosen Zahlens (zum Beispiel im öffentlichen Nahverkehr) oder als Zugangskarten zu Bürogebäuden. Mittlerweile tragen mehr Menschen eine dieser Smart Cards in ihrem Geldbeutel, als Smart Phones in ihren Taschen. Unser Anliegen ist es daher, die Funktion dieser Karten zu erweitern und den Bewohnerinnen und Bewohnern einer Stadt die Möglichkeit zu geben, mittels dieser Karten auch ihre Meinung kundtun zu können. Dabei jonglieren wir bewusst mit der Tatsache, dass dabei personalisierte Daten generiert werden. Man könnte beispielsweise bestimmte Verhaltensmuster von wiederkehrenden Benutzern identifizieren. Das eröffnet natürlich noch einmal ein ganz anderes Feld. Mit unserer Installation wollen wir insgesamt eine Diskussionsplattform herstellen. Es geht uns um die Möglichkeiten und Grenzen neuer digitaler Technologien für partizipative Prozesse im öffentlichen Raum.

In London und Sao Paulo gab es bereits vergleichbare Projekte. Was wurde dort gemacht?

Nina Valkanova: Das Smart Citizen Sentiment Dashboard hat seinen Ursprung in London. Die Tatsache, dass in dieser Stadt beinahe jede Bewohnerin und jeder Bewohner eine Smart Card – die so genannte Oyster Card – für den Zugang zum öffentlichen Nahverkehr besitzt und eigentlich immer bei sich trägt, hat uns dazu veranlasst, zu überlegen, welche Möglichkeiten sich daraus ergeben könnten. In einer ersten Installation haben wir Museumsbesucherinnen und -besucher gebeten, anhand konkreter prähistorischer Artefakte über archäologische Fragen, wie zum Beispiel der Besitzregelung oder der religiösen Rücksichtnahme, abzustimmen. Diese individuelle Abstimmung erfolgte mittels des erhobenen oder gesenkten Daumens, den wir aus digitalen sozialen Netzwerken kennen.

Für das „Viva Cidade“ Festival in Sao Paulo haben wir dann erstmals eine Art Dashboard für den öffentlichen Raum entwickelt. Dort haben wir das System um die bereits genannten Funktionen erweitert und erstmals an eine riesige Medienfassade in der Avenida Paulista angeschlossen. Gleichzeitig haben wir eine Serie von ethnografischen Workshops in unterschiedlichen sozialen Gruppen abgehalten. Ziel war es, das Verhältnis der Bewohnerinnen und Bewohnern zu ihrer Stadt greifbar zu machen und dringende innerstädtische Herausforderungen zu identifizieren. Außerdem wollten wir herausfinden, wie wir mit Hilfe von neuen digitalen Technologien die wichtigen Diskussionen im öffentlichen Raum und um den öffentlichen Raum befeuern können.

Welches Ziel verfolgt ihr mit dem Smart Citizen Sentiment Dashboard?

Moritz Behrens: Wir werden häufig gefragt, ob wir die gesammelten Daten weiterverwenden oder ob wir empirisch repräsentative Ergebnisse erarbeiten. Darum geht es uns zu diesem Zeitpunkt allerdings nicht. Wir sind uns darüber im Klaren, dass unsere Daten keine valide statistische Grundlage haben und auch keine Verallgemeinerungen zulassen. Das ist aber auch nicht unser Ausgangspunkt. Der Projektname weist ja gerade auf die Bedeutung der Empfindungen und Meinungen hin. Wir fragen uns, welche sozialen Prozesse wir im öffentlichen Raum mittels digitaler partizipativer Anwendungen in Gang setzen können. Zum Beispiel beobachten wir sehr oft, dass sich vollkommen Fremde gegenseitig den Sinn und die Funktion des Dashboards erklären. Oftmals geraten sie dabei in intensive Diskussionen über Sinn und Unsinn einer solchen Installation oder unterhalten sich über den Inhalt der Fragen und Motive. Andere wiederum beobachten lediglich die Fassade und schießen Fotos mit ihren Smart Phones, um die Eindrücke mit Freunden zu teilen. Gerade erst diese sozialen und gleichzeitig individuellen Verhaltens- und Existenzweisen bilden den öffentlichen Raum in unseren Städten. Es liegt uns am Herzen, diese Qualität des öffentlichen Raumes zu fördern. Deswegen ist es auch gerade das Spekulative in unseren Projekten, was den Teilnehmenden die Möglichkeit zu Erfahrung und Austausch gibt.

Nutzen auch Sie die Möglichkeit sich auszudrücken und zu erfahren, wie ihre Mitmenschen über die Herausforderungen des Lebens in Linz denken! Das Smart Citizen Sentiment Dashboard kann von Donnerstag, 4.9. bis Sonntag 7.9.2014, jeweils zwischen 21:00 – 22:00 vor dem Ars Electronica Center genutzt werden. Nähere  Infos unter: https://ars.electronica.art/c/sentiment-dashboard/

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