Wir freuen uns den diesjährigen Gewinner der CAT@Ars Electronica Residency, Hyungjoong Kim, im Ars Electronica Futurelab begrüßen zu dürfen. Im Rahmen seiner Residency wird er die traditionelle koreanische Musik erforschen und ein Interface entwickeln, um den Rhythmus dieser Musik zu verändern. Ziel ist es, dass die traditionelle koreanische Musik so verändert wird, dass auch heutige Generationen diese Musik wieder öfter hören wollen.
Während seiner Residency möchte er sich vor allem mit dem Musikgenre namens „nongak“ auseinandersetzen. Der Name seines Projekts „Jangdna“ setzt sich aus „Jang“, das koreanische Wort für Rhythmus, und DNA zusammen, weil er durch die Eingriffe in die Musik sozusagen die DNA der Musik ändert. Der Rhythmus kann somit als DNA der Musik verstanden werden. Das Ergebnis von Hyungjoong Kims Projekt „Jangdna“ wird erstmals am Ars Electronica Festival 2015 präsentiert. Im Interview erzählt uns Hyungjoong Kim über dieses Projekt.
Hallo Hyungjoong! In deiner künstlerischen Forschung beschäftigst du dich mit der Frage, wie mit der Hilfe einer Visualisierung von Klängen und Musik eine Verbindung zwischen Mensch und Technologie entstehen kann. Wie können Menschen mit Technologie verbunden sein?
Hyungjoong Kim: Wir nehmen unsere Welt heutzutage meistens nur noch durch den Einsatz von Technologien war, die ja eigentlich nur aus Nullen und Einsen bestehen. Warum nehmen wir die Welt nicht so wahr, wie sie wirklich ist? Aus meiner Sicht, ist der Mensch ein Wesen, dessen größte Angst die Veränderung ist. Wir versuchen immer und überall Regelmäßigkeiten herzustellen, um diese Angst zu vermeiden. Bei der Untersuchung der Verbindung von Mensch und Technologie behandle ich genau dieses Thema. Dabei möchte ich aber nicht darüber urteilen, ob das gut oder schlecht ist. Ich möchte, dass sich jeder und jede darüber im Klaren ist und sich selbst darüber Gedanken macht.
Credit: Hyungjoong Kim
Bei deinem Projekt „Jangdna“ möchtest du ein Interface entwickeln, um den Rhythmus der traditionellen koreanischen Musik zu verändern. Wie bist du auf die Idee gekommen?
Hyungjoong Kim: Ausgehend von meinem Interesse für Soundsequenzen habe ich mich mit unterschiedlichen Musikrichtungen beschäftigt. Für mich stellt die Abfolge von Tönen und Rhythmen Muster dar, die nicht nur als Sound, sondern auch als Strukturen gesehen werden können. Diese Strukturen sind für mich, da sie sich im Zeitablauf wiederholen, wie Kreise. Diese Kreise oder Strukturen dieser Soundsequenzen setze ich mit der Grundinformation über das Musikstück gleich – wie die DNA der Musik, die das Grundgerüst jeder einzelnen Zelle ist. Deshalb wollte ich traditionelle Musik erforschen, um die Entwicklung der DNA dieser Musik zu verstehen. Da mich Musik sehr berührt, fühle ich, dass sich der Rhythmus irgendwie auf mich überträgt – also auch die Information meines Körpers verändert. Jetzt habe ich mir die Frage gestellt, wie ich denn mit Information aus meinem Körper, die DNA der Musik verändern kann. Da der Rhythmus aus Zeit, Beat, und Tonhöhen besteht, habe ich versucht den Sound des Menschen – also die Sprache – in DNA der Musik zu verwandeln und so die Musik zu verändern. Das mache ich, indem ich die Sprache in Zeit, Beat und Tonhöhen zerlege, ebensolche Rhythmus-Strukturkreise bilde und diese dann mit der DNA, also den Rhythmus-Strukturkreisen der Musik, vereinige.
Credit: Michael Mayr
Wie wichtig ist die traditionelle koreanische Musik in Korea? In Österreich wird traditionelle Musik heutzutage nur mehr selten gehört…
Hyungjoong Kim: Bei uns in Korea ist es genauso. Traditionelle Musik wird heute meistens nur mehr von älteren Menschen in Korea gehört. Ich bin Mitte zwanzig und höre auch lieber elektronische Musik. Vielleicht wird das aber irgendwann mal zur traditionellen Musik, wenn meine Generation alt ist. Ich glaube, das ändert sich einfach mit der Zeit. Ich zweifle an Aussagen, wie „Traditionen müssen weitergeführt werden“. Ich glaube, wenn eine Generation einer Tradition nichts abgewinnen kann, dann sollte diese auch nicht weiter betrieben werden und Platz für etwas Neues machen. Aber ich glaube auch, dass die meisten Traditionen tief in uns verwurzelt sind, auch, wenn sie nicht mehr genauso gelebt werden wie früher. Sie werden neu interpretiert oder in irgendeiner Weise weiterentwickelt. So, wie ich es auch bei diesem Projekt mache.
Du wirst dich bei deiner Arbeit mit einer bestimmten Musikrichtung, namens „nongak“, beschäftigen? Was ist das für eine Art von Musik?
Hyungjoong Kim: Ja, „nongak“ ist eine bestimmte Musikrichtung aus der traditionellen koreanischen Musik, bei der fünf Instrumente, die jeweils für ein Naturelement stehen, zum Einsatz kommen: kkaenggwari, gong, buk, janggu und taeyeongso. Die Struktur und ganz speziell der Rhythmus von nongak basiert auf der Idee von Ying Yang. Es soll harmonisierend wirken, die Naturgötter rufen, um das Böse zu bekämpfen und für reiche Ernte sorgen.
Mit dem Interface, das du entwickelst, möchtest du den traditionellen nongak Rhythmus verändern, um es auch für die heutige Generation interessant zu machen. Wie willst du nongak genau verändern?
Hyungjoong Kim: Um die Grundform meiner rhythmischen Zelle zu erforschen – also die Kreise, die die unterschiedlichen Ebenen des Rhythmus darstellen – habe ich ein paar traditionelle koreanische Rhythmen als DNA analysiert und daraus „Jang DNA“ extrahiert, das als elementaren Bestandteil gesehen werden kann. Beim Ars Electronica Festival werde ich das mit anderen Komponenten, die vom Publikum extrahiert werden, kombinieren. So sollen ein Rhythmus in Echtzeit und eine dazu passende Visualisierung entstehen. Ich kann nicht sagen, wie sich der „neue“ Nongak Rhythmus anhören wird. Aber es ist zumindest ein großes Experiment, das sich mit dem traditionellen koreanischen Rhythmus und dazu passenden Visualisierungen befasst.
Credit: Hyungjoong Kim
Wie wird das Interface aussehen?
Hyungjoong Kim: Das Interface wird sehr simpel sein. Sobald ein Besucher oder eine Besucherin des Ars Electronica Festivals in ein Mikrophon spricht, wird ihre oder seine unterschiedlichen Ebenen des Rhythmus extrahiert und mit dem von mir bereits jetzt extrahierten Rhythmus des Jangdna kombiniert.
Als Medienkünstler is Hyungjoong Kim an der Frage interessiert, wie digitale Technologie und das Leben der Menschen verschmelzen. Dabei zielt er in seiner künstlerischen Forschung auf audio-visuelle Interaktionen, mit denen er mit Hilfe von Visualisierung von Klängen und Musik die Verbindung des Menschlichen und der Technologie erforscht. Zusäätzlich forscht er über Fragen der Entwicklung kultureller Inhalte in Übereinstimmung mit Anwenderbedürfnissen im Rahmen der aktuell vorhandenen technischen Möglichkeiten. Momentan arbeitet er als Forschungsassistent an der KAIST Graduate School of Culture Technology in Südkorea. Dort ist er einerseits Teil der Information Based Design Research Grup und andererseits der Gruppe am Music and Audio Computing Lab.
Das Ergebnis von Hyungjoong Kims Projekt „Jangdna“ können Sie am Ars Electronica Festival 2015, von 3. bis 7. September, in der diesjährigen Festival-Location, dem ehemaligen Post- und Paketverteilzentrum, sehen und selbst ausprobieren.