Von Las Vegas über das schwedische Umea bis nach Dubai, überall flogen die Spaxels des Ars Electronica Futurelab schon – und faszinierten tausende Menschen mit ihrer spektakulären Lichtershow. Im Auftrag der Intel™ Corporation schaffte das Ars Electronica Futurelab im November 2015 dann den Eintrag ins Guinness Buch der Rekorde: 100 Drohnen schwirrten gleichzeitig durch die Luft, einmalig in der Weltgeschichte. Seither war die Show „DRONE 100“ nur in Sydney zu sehen. Das wird sich aber schon bald ändern, denn am 10. September 2016 fliegen alle hundert Drohnen auch in Linz, direkt vor Beginn der visualisierten Klangwolke „Fluss des Wissens“.
Im Ars Electronica Futurelab haben wir einen Blick hinter die Kulissen geworfen und uns mit Chris Bruckmayr und Andreas Jalsovec vom Spaxels-Team darüber unterhalten, was alles nötig ist, damit die hundert Drohnen überhaupt abheben können.
Zuerst: Was sind eigentlich Spaxels?
Chris Bruckmayr: Ganz einfach ausgedrückt, sind es Drohnen, Quadcopter, mit LED-Modulen. Die LED-Module sind frei programmierbar – man kann sie zum Beispiel mit Musik synchronisieren und regulieren, wie schnell die Lichter schalten. Etwas abstrakter formuliert, heißt Spaxels eigentlich Space Pixel, das heißt frei im Raum positionierbare Lichtpunkte, die in diesem Fall Quadcopters sind – man könnte aber natürlich auch andere Flugkörper verwenden.
Andreas Jalsovec: Die Idee zu den Spaxels war eigentlich, dass wir ein möglichst großes, möglichst nahtloses Display in den Nachthimmel zaubern wollten. Dahinter steckt ein Leinwand-Gedanke, dass man den ganzen Raum ausfüllen kann, die Pixel dort positioniert, wo man möchte, sie aus- und einschaltet. Im Idealfall fliegen sehr viel mehr als hundert und formen alle möglichen 3D-Körper oder Symbole, fast wie ein Hologramm.
Credit: Vanessa Graf
Was ist das Besondere an den Spaxels im Gegensatz zu anderen Drohnen?
Chris Bruckmayr: Einzelne Drohnen werden schon jetzt für die verschiedensten Dinge eingesetzt, in der Landwirtschaft oder beim Transport von Gerätschaften. Was wir anders machen ist, dass wir an einem Ort eine Art Schwarm haben. Wir haben eine Software, die viele Drohnen gleichzeitig steuern kann. Man kann schlecht 100 Pilotinnen und Piloten hinstellen und 100 Drohnen gleichzeitig mit der Fernbedienung steuern. Wir haben eine Software entwickelt, die in der Lage ist, über einen zentralen Rechner die Flugbewegungen von 100 Drohnen zu steuern. Im Idealfall verhalten sie sich fast wie ein Vogelschwarm, führen gemeinsam ein Manöver aus und formen dadurch 3D-Objekte, die sich laufend verändern. Ohne die Lichter wären sie aber noch keine Spaxels – es ist eigentlich eine Licht-Show, die ursprünglich einen medienkünstlerischen Ansatz hatte.
Andreas Jalsovec: Das mit den 100 Pilotinnen und Piloten und ihren 100 Fernsteuerungen würde kommunikationstechnisch gar nicht funktionieren, rein technisch gesehen. Das war für uns übrigens auch das erste Problem, das es zu lösen galt. Die Ground-Control-Software, die wir geschrieben haben, ist mittlerweile sehr weit fortgeschritten und sehr gut entwickelt. Der nächste Aspekt, der uns dann wichtig war, war die Frage, wie man eigentlich so ein komplett neues Display gestalten kann.
Chris Bruckmayr: Mittlerweile können wir mit diesem Drohnen-Schwarm eine visuelle Komposition in den Himmel zaubern. Ein Objekt kann sich frei in ein anderes Objekt transformieren, wir können fließende Übergänge schaffen, die immer mit der Musik synchron sind. Natürlich gibt es da Beschränkungen, wie man tatsächlich dann fliegen kann oder wie man Kollisionen vermeidet, aber im Prinzip komponieren wir im Nachthimmel eine Art Licht-Symphonie.
Andreas Jalsovec demonstriert, wie hell das LED-Modul leuchtet. Credit: Vanessa Graf
Man benötigt also eigentlich nur eine Person, die die Software überwacht, und keine 100 Pilotinnen und Piloten für 100 Drohnen. Wer steuert die Spaxels bei den Auftritten?
Andreas Jalsovec: Bei Auftritten haben wir vier Pilotinnen und Piloten, wobei nur eine Pilotin oder ein Pilot alle Drohnen auf einem Screen überwacht. Die anderen drei Pilotinnen und Piloten haben jeweils ein Drittel vom Schwarm auf dem Screen, weil das ungefähr die maximale Anzahl ist, die man im Überblick haben und auf die man sich wirklich konzentrieren kann. Die Aufgabe der Pilotinnen und Piloten ist es eigentlich, die Einzeltests vor der Show zu machen. Da werden alle Drohnen durchgecheckt und durchgeflogen – bei hundert Drohnen dauert das relativ lange, weshalb wir auch vier Pilotinnen und Piloten einsetzen. Während der Show konzentriert sich dann jede und jeder auf einen kleinen Teil vom Schwarm, kontrolliert, ob alle Parameter in Ordnung sind, und greift im Notfall ein.
Chris Bruckmayr: Die Drohnen werden dabei nicht im Flug, sondern auf der Software beobachtet – wie ist die Funkkommunikation, wie viele Satelliten sehen die Drohnen, oder auch wie ist der Batterie-Stand?
Credit: Vanessa Graf
Die Flugbahn wird also bei einem Auftrifft gar nicht nachjustiert?
Chris Bruckmayr: Die Flugbahn ist vorgegeben. Wenn die Software aber dann zum Beispiel meldet, dass es eine Kollision geben könnte, greifen die Pilotinnen und Piloten ein. Wir können Drohnen aus dem Schwarm hinaus ziehen und sogar zur Landung zwingen. Dass so etwas möglich ist, ist auch wichtig für die Sicherheitsbehörden.
Andreas Jalsovec: Wenn eine Drohne tatsächlich abweicht, etwa weil ein Windstoß sie bewegt oder weil das GPS-Signal schlecht ist, dann sehen wir das natürlich auch in der Software. Wenn sie zu nahe an eine zweite Drohne kommt, bekommen wir eine Kollisions-Warnung und können auf das reagieren. Oft heißt es abwägen und mit der Ground-Control-Software überprüfen – wo ist das tatsächliche Fluggerät, und wo soll es eigentlich sein? Man kann das natürlich noch optisch überprüfen und dann entscheiden, ob man eingreift oder nicht.
Welche kreativen, technischen oder administrativen Herausforderungen sind mit so einer Show verbunden?
Chris Bruckmayr: Das schwierigste Thema sind immer die Vorschriften der Flugsicherheitsbehörden. Wir sind mit dieser Schwarm-Steuerung, die wir entwickelt haben, in einem Bereich, der für Flugsicherheitsbehörden Neuland ist. Wir haben deshalb auch immer starke Auflagen – wie groß unser Sicherheitsradius sein muss, dass man nie über Leute fliegen darf und dass wir in gewissen Gegenden einfach grundsätzlich nicht fliegen dürfen, wenn sie zum Beispiel zu dicht bebaut oder besiedelt sind. In Linz gibt es die Auflage, dass wir nicht in der Nacht fliegen dürfen, sondern nur in der Dämmerung. Der Grund: Bei einem Nachtflug hat man keinen visuellen Kontakt mehr und das widerspricht dem österreichischen Drohnen-Gesetz. Dieser erste Schritt, überhaupt fliegen zu dürfen, ist also der komplexeste. Erst danach kann der Design-Prozess beginnen.
Andreas Jalsovec: Dann wird der Sicherheitsradius abgesteckt und die Position des Publikums festgelegt. Danach geht es um das Flugfeld, das Airfield: Wie positionieren wir die Drohnen am Boden? Was machen wir, damit sie nicht kollidieren? Wir haben im Flug eine Mindestdistanz von einer Drohne zur anderen von sechs Metern, wenn sie übereinander fliegen sogar ein bisschen mehr. Im Flug muss dieses Spacing eingehalten werden. Am Boden können wir sie aber nicht sechs Meter auseinander stellen – stattdessen stellen wir sie dichter auf und starten dafür in mehreren Gruppen.
Andreas Jalsovec bei der Arbeit. Credit: Vanessa Graf
Gibt es auch beim Design-Prozess Schwierigkeiten, die man überwinden muss?
Andreas Jalsovec: Ja, klar. Am Anfang der Spaxels war unser Design-Prozess relativ geradlinig, wir nahmen einfach 3D-Objekte und animierten sie. Bei 50 Drohnen ging das gerade noch, obwohl es auch da schon ein großer Aufwand ist – man muss Kollisionen vorbeugen, Geschwindigkeiten einhalten und sich an den physischen Eigenschaften der Flugmodelle orientieren. Wie schnell kommt eine Drohne von A nach B? Wie schnell kann ein Körper in einen anderen Körper transformiert werden? Gleichzeitig muss man beachten, wie lange die Batterielaufzeit ist oder wie viel Zeit für das Starten und Landen gebraucht wird. Das sind alles Aspekte, die in das Show-Design einfließen. Bei 50 Drohnen kann man das noch manuell machen, als es dann aber immer mehr Drohnen wurden, wurde auch der Design-Prozess komplizierter. Mittlerweile haben wir einen neuen Ansatz entwickelt und mehrere unterschiedliche Animationsansätze vereint. Einerseits werden die Drohnen als Partikel behandelt, andererseits funktioniert es wie in der Animation von Characters oder der Animation von Körpern. Sobald die Animation fertig ist, wird sie für unsere Ground-Control-Software exportiert. Das ist das Software-Modul, das wir selbst geschrieben haben. Dort wird ein Testflug simuliert: Die simulierten Drohnen verhalten sich wie die echten Drohnen, das heißt, sie fliegen nicht schneller, sie haben eine Trägheit und auch eine Ungenauigkeit. Die Simulation wird von uns beim Design immer in Verbindung mit dem Audio-Track oder mit dem gespielten Musikstück gebracht, damit auch die LED-Animation darauf abgestimmt ist.
Chris Bruckmayr: Erst wenn die Simulation einigermaßen klappt, wird das dann in GPS-Daten übertragen – wo muss die Drohne tatsächlich hinfliegen, um das darstellen zu können, was ich auf der Software animiert habe.
Im Computerprogramm fliegen die Drohnen schon über der Donau in Linz. Credit: Vanessa Graf
Dieser letzte Schritt ist dann immer schon auf den konkreten Ort zugeschnitten, wo die Drohnen fliegen werden?
Andreas Jalsovec: Ja, genau. Es macht einen Unterschied, ob wir hier in Linz fliegen, über die Bäume auf die Donau, und ob die Drohnen dann auch wirklich noch weit genug weg sind vom Publikum, oder, wie es in Sydney war, ob wir direkt über dem Airfield aufsteigen können, wo wir eigentlich nur mehr schauen mussten, dass der Sicherheitsabstand zu unseren Pilotinnen und Piloten gewahrt ist.
Chris Bruckmayr: Die eigentliche großartige Leistung besteht darin, dass wir in der Lage sind, 100 Drohnen in einem Animationsprogramm vorzugeben, wie sie sich verhalten sollen und das dann in Funkbefehle zu übertragen. Das ist die Schnittstelle, die wir wirklich gut beherrschen – deshalb sind wir bis jetzt auch scheinbar die einzigen, die 100 Drohnen als synchrone Animation fliegen können.
Im nächsten Teil unserer Interview-Reihe zu den Spaxels erinnern sich Andreas Jalsovec und Chris Bruckmayr an die Anfänge der Drohnen-Flugshow und erzählen von den bisherigen Flügen in der ganzen Welt. Der Beitrag erscheint in Kürze hier auf dem Ars Electronica Blog.
Wenn Sie erleben möchten, wie eine solche synchrone Animation von 100 Drohnen tatsächlich aussieht, sollten Sie am 10. September 2016 bis spätestens um 19:45 im Linzer Donaupark kommen. Wer nach dieser Europapremiere dann Lust auf noch mehr (Drohnen) bekommen hat, kann das Drohnenlab in der POSTCITY beim Ars Electronica Festival 2016 besuchen – von 8. bis 12. September 2016 wird hier beim Ars Electronica Festival mit einer Vielzahl von Exponaten, Präsentationen und Vorführungen gezeigt, was Drohnen alles können.