Bereits im Jahr 2008 fand man im Zuge von Bauarbeiten für die Umfahrung Enns-Nord in Oberösterreich einige römische Kalkbrennöfen aus dem 2. und 3. Jahrhundert. Damals wurden bereits zwei bedeutende Funde geborgen: Der Fuß einer Hercules-Statue und der Teil einer Weiheinschrift. Im April 2016 begannen dann die Forschungsgrabung an einer weiteren Kalkbrennanlage. Was hier freigelegt wurde, hat alle Erwartungen übertroffen.
Neben zahllosen Steinen, vor allem Kalk, konnten mehrere tausend Fundobjekte geborgen werden. Die größte Fundgruppe bilden die typisch römischen Ziegel, in erster Linie Dachziegel, aber auch Hohlziegeln von Wandheizungen. Des Weiteren wurden etliche Tierknochen gefunden: mehrere Rinderschädel und Teile von mindestens zwei Pferde- bzw. Maultierskeletten, Knochen von Ziegen bzw. Schafen und ganz am Boden des Ofens im sogenannten Aschenkanal lag das Skelett eines Hundes. Außerdem wurden Wandmalereifragmente, Keramikbruch und einige Metallobjekte, darunter zehn Münzen, gefunden. Der größte Fund aber waren Fragmente von zwei Hercules-Statuen sowie ein vollständiger Weihealtar.
Am SA 5.11. und SO 6.11.2016 widmen wir uns im Ars Electronica Center ein ganzes Wochenende lang der Archäologie. ArchäologInnen setzen vermehrt auf Laserscan-Technologie, wie das Beispiel des Oberösterreichischen Landesmuseums in Zusammenarbeit mit EF Tech zeigt. Diese macht es möglich, historische Orte und Gebäude als dreidimensionale Objekte zu erfassen und damit für die Nachwelt zu bewahren. So auch die Grabungsstätte und die spektakulären Funde in Enns. An diesem Deep-Space-Wochenende werden unter anderem erstmals die ersten Ergebnisse dieser Grabungskampagne in einem öffentlichen Vortrag präsentiert. Im Interview verrät Dr. Stefan Traxler vom OÖ. Landesmuseum bereits jetzt näheres zum „Hercules im Kalkbrennofen“.
Credit: Robert Koch
Wie fühlten Sie sich in dem Moment, als der Kalkbrennofen geöffnet wurde? Haben Sie gleich gemerkt, dass es sich bei dieser Ausgrabung um einen Sensationsfund handelt?
Stefan Traxler: Eine archäologische Ausgrabung ist ein längerer Prozess. Das schichtweise Abtragen hat in diesem Fall über zwei Monate gedauert. Einmal arbeitet man mit Krampen und Schaufel, dann wieder mit Kelle und Besen. Und alles wird sorgfältig erfasst, vermessen und fotografiert. Es gibt Tage, an denen weniger passiert, und an anderen Tagen überschlagen sich die Dinge. Es war ein schönes Gefühl, als wir festgestellt haben, dass nicht nur Steine und Ziegel im Ofen sind. Etwas ganz Besonderes waren die Entdeckungen des unteren Teils einer weiteren Hercules-Figur, der Teil einer Inschrift mit der Nennung eines Soldaten der in Lauriacum/Enns stationierten Zweiten Italischen Legion und der wiederum dem Hercules gewidmete vollständige Weihealtar. So etwas findet man nicht alle Tage, da schlägt das Archäologenherz schon etwas schneller!
Credit: 3-D Laserscan von EF TECH
Was genau befand sich im Inneren des Kalkbrennofens?
Stefan Traxler: Neben zahllosen Steinen, vor allem Kalk, konnten wir mehrere tausend Fundobjekte bergen. Die größte Fundgruppe bilden die typischen römischen Ziegel, in erster Linie Dachziegel, aber auch Hohlziegeln von Wandheizungen. Die zweite große Gruppe bilden die Tierknochen. Neben diversen Einzelknochen haben wir mehrere Rinderschädel und Teile von mindestens zwei Pferde- bzw. Maultierskeletten herausgeholt. Außerdem Knochen von Ziege bzw. Schaf und ganz am Boden des Ofens im sogenannten Aschenkanal lag noch das Skelett eines Hundes. Außerdem haben wir Wandmalereifragmente, Keramikbruch und einige Metallobjekte, darunter zehn Münzen, gefunden.
Credit: OÖ. Landesmuseum
Warum befanden sich so viele Fundstücke in diesem Ofen und was bedeutet das aus wissenschaftlicher Sicht?
Stefan Traxler: In seiner Letztverwendung diente der Kalkbrennofen als Abfallgrube. Ein Loch mit einem Fassungsvermögen von über 20 Kubikmetern eignet sich eben hervorragend als überdimensionaler Mülleimer. Neben der schieren Menge ist für uns besonders auch die Zusammensetzung des Fundmaterials interessant. Die Ziegel dürften zum Teil von einer entsprechenden Dachkonstruktion stammen, es ist aber auch eindeutig Bauschutt dabei, wie die Hohlziegel und die Wandmalerei verdeutlichen. Die Knochen könnten in erster Linie von Schlachtabfall stammen. Da sind aber noch archäozoologische Untersuchungen notwendig, um hier konkret etwas sagen zu können. Das meiste andere ist typischer Kleinabfall und was versehentlich im Müll landet. Besonders interessant sind aber die vielen Kalksteine und natürlich die Römersteine. Hier handelt es sich offensichtlich um Material, das zum Kalkbrennen gedacht gewesen ist. Offensichtlich ist in der Spätantike dafür sogar das Inventar eines Hercules-Heiligtums zerschlagen worden. Zum Glück für die Wissenschaft ist es bei den hier aufgefundenen Stücken nicht mehr zur Verbrennung gekommen.
Credit: OÖ. Landesmuseum
Was passiert jetzt mit den Fundstücken?
Stefan Traxler: Die Objekte werden nun gereinigt, restauriert und wissenschaftlich bearbeitet. Das heißt, dass sich in den nächsten Monaten etliche Spezialistinnen und Spezialisten mit den Funden beschäftigen werden. Ein Archäozoologe schaut sich die Tierknochen genauer an, ein Numismatiker bestimmt die Münzen, Geologen widmen sich den Steinen und ein Archäologenteam der Universität Salzburg und des OÖ. Landesmuseums kümmert sich um die restlichen Funde und die Gesamtauswertung.
Das bedeutendste Objekt ist der Ofen selbst. Mit einer erhaltenen Höhe von über 4 Metern und einem oberen Durchmesser von 3,8 Metern zählt er zweifellos zu den am besten erhalten römischen Kalkbrennöfen, die bis jetzt ausgegraben worden sind. Selbst das Feuerloch ist noch intakt. Nun wird für diesen und den benachbarten Ofen ein Schutzbau zur langfristigen Sicherung und Präsentation geplant. Dieser Schutzbau wird im Rahmen der OÖ. Landesausstellung 2018 eröffnet und der Nachbarofen wird während der Landesausstellung live ausgegraben.
Wer noch nähere Infos haben will, sollte am Samstag 5.11.2016 zum Deep-Space-Wochenende Archäologie kommen. Dort präsentiere ich mit Dr. Felix Lang von der Universität Salzburg alle Ergebnisse der Grabungskampagne und die spektakulärsten Funde.
Stefan Traxler, geboren 1975 in Linz, studierte Klassische Archäologie, Alte Geschichte und Altertumskunde an der Universität Salzburg; Magisterabschluss 2001; Doktorat 2008; 1995–2003 Kulturvermittler u.a. am OÖ. Landesmuseum; 2002–2004 und 2006 Forschungsassistent an der Universität Salzburg; 2004–2013 Geschäftsführer des Österreichischen Museumsbundes; 2006–2013 (Gründungs-)Obmann der Gesellschaft für Archäologie in Oberösterreich (sonius.at); seit 2013 Sammlungsleiter für Römerzeit, Mittelalter- und Neuzeitarchäologie am OÖ. Landesmuseum; Autor von zwei Monographien und zahlreicher Beiträge zu archäologischen und musealen Themen, sowie für Ausstellungskataloge; Mitherausgeber von mehreren Sammelbänden; Forschungsschwerpunkte: Archäologie der Römerzeit in Noricum, Donaulimes und Hinterland, Steindenkmäler, Forschungsgeschichte.