Die Gleichstellung von Frauen und Männern in vielen Bereichen des Lebens ist über 100 Jahre nach dem ersten Weltfrauentag noch immer nicht in der Gesellschaft angekommen. So erinnert auch heuer der 8. März daran, dass es nach wie vor notwendig ist, Frauen dazu zu ermutigen, in ungewöhnliche Berufsfelder einzusteigen, ihren eigenen Visionen zu folgen oder sich einen Job in stereotypischen „Männerdomänen“ wie der Technikbranche zuzutrauen.
Der Österreichische Rundfunk (ORF) hat anlässlich des Weltfrauentags 2017 die Kampagne #einefueralle gestartet. In insgesamt sieben TV-Clips kommen österreichische Frauen zu Wort, die eigenwillige Wege gehen oder in untypischen Jobs arbeiten. Eine davon ist Martina Mara, Leiterin des Forschungsbereichs RoboPsychology am Ars Electronica Futurelab. Wir haben das zum Anlass genommen, um über Männer, Frauen und Roboter zu sprechen.
Du erzählst in einem der ORF-Clips zum Weltfrauentag, dass Du in der Robotik oft die einzige Frau in der Runde bist. Ist das im Jahr 2017 tatsächlich immer noch so?
Martina Mara: Es kommt natürlich ein bisschen auf den Kontext an. Für Fragen der Mensch-Roboter-Interaktion oder der sogenannten sozialen Robotik interessieren sich mittlerweile auch einige junge Frauen. Starke weibliche Vorbildfiguren wie etwa Cynthia Breazeal vom MIT helfen da mit. Trotzdem passiert es mir immer noch häufig, dass ich bei Podiumsdiskussionen oder Forschungskooperationen mit Robotik-Instituten als einzige Frau mitrede. Besonders im Ingenieursbereich, also in der technischen Gestaltung von Robotern, gibt es einfach noch viel zu wenig weiblichen Nachwuchs. Es ist nach wie vor wirklich schwierig, weibliche Programmiererinnen und Entwicklerinnen zu finden, das sehen wir am Ars Electronica Futurelab oft genug.
„Somit entscheidet aber eben auch eine stark männerlastige, meist weiße und zwischen 30 und 50 Jahren alte Technikerschicht, wie die Roboter von morgen aussehen.“
Entwerfen Männer Roboter denn anders, als dies Frauen tun würden?
Martina Mara: Das ist eine interessante Forschungsfrage, die man mal genauer beleuchten müsste. Mit Sicherheit wäre es aber Blödsinn zu sagen, dass „die Männer“ oder „die Frauen“ das generell besser oder schlechter machen. Man darf hier nicht in eine „Kampf der Geschlechter“-Falle tappen. Trotzdem ist aber anzunehmen, dass sozialisierte Vorstellungen, Wünsche und beispielsweise auch Bilder aus Science-Fiction-Serien, die man als Kind gern gesehen hat, Einfluss darauf haben, wie die heutigen Roboter-Ingenieure an die Sache herangehen. Und ganz ehrlich, bei manchen Roboter-Designs frage ich mich schon, aus welchen rückwärtsgewandten Wertehaltungen heraus sie entstehen: Androide Roboterdamen mit apartem Schleifchen um den Hals, Serviceroboter mit angedeuteter Schürze oder das virtuelle Bot-Weibchen, das seinen User mit „Meister“ anspricht. Gibt’s ja alles.
Wie stehst Du aus Sicht der Roboterpsychologie generell dazu, Robotern ein Geschlecht zu geben?
Martina Mara: Ich vertrete grundsätzlich ja eher die Meinung, dass wir in vielen Robotik-Bereichen viel zu humanoid denken. Langfristig wird sich herausstellen, dass die klassische Idee des hochgradig menschenähnlichen Haushaltsroboters weder effektiv noch gewollt ist. Warum sollte der Roboter mit dem Staubwedel in der Hand denn auch praktischer sein als etwa ein Schwarm wendiger Putzmaschinen, die autonom über Böden und Wände flitzen? Nichtsdestotrotz gibt es aber Forschung zur Wirkung von Geschlechts-Merkmalen bei Robotern. Wie zu erwarten, werden rosa Roboter mit hoher Stimme als weiblich wahrgenommen, blaue Roboter mit tiefer Stimme als männlich. Darüber hinaus zeigen Studien, dass Roboter mit stereotypisch weiblichen Features als besonders kompetent für soziale Aufgaben eingeschätzt werden und dass sie außerdem in der Lage sind, männliche Kunden besser zum Geldausgeben zu animieren. Das ist – aus wissenschaftlicher Perspektive – interessant. Aber wohin soll die Anwendung solcher Ergebnisse in der Praxis denn bitte führen? Meine Einstellung dazu ist klar: Ich bin für mehr Frauen in der Robotik. Nicht für mehr Roboterfrauen.
Credit: Christian Ernst
Können Kampagnen wie jene des ORF etwas in diese Richtung bewirken?
Martina Mara: Nur mit ein paar TV-Clips kann es natürlich nicht getan sein, davon geht ohnehin niemand aus. Aber ich sehe es schon als eine meiner Aufgaben an, öffentlich präsent zu sein und gerade jungen Frauen zu zeigen: Hey, uns Mädels gibt’s auch in der Robotik und wir haben Ideen, wir sind kritisch, wir gestalten mit. Dazu hat die ORF-Kampagne Gelegenheit gegeben und ich freue mich darüber, neben ein paar anderen sehr coolen Charakteren dabei zu sein. Bei der Ars Electronica gibt’s in unterschiedlichen Bereichen ja viele kompetente und kreative Frauen, darunter auch einige, die so wie ich Mutter sind. Das ist toll, aber längst keine Selbstverständlichkeit. Und wie gesagt, gerade in der technischen Entwicklung und Programmierung gibt es noch viel Luft nach oben. Wenn die #einefueralle-Clips nur eine Handvoll Schülerinnen von der Idee abgebracht haben, dass die Technik nichts für sie sei, hat sich das Mitmachen bereits voll für mich ausgezahlt.
Martina Mara ist Medienpsychologin und leitet am Ars Electronica Futurelab den Forschungsbereich RoboPsychology. Gemeinsam mit internationalen Partnern aus Industrie und Wissenschaft untersucht sie dabei, wie Roboter in unterschiedlichen Einsatzgebieten künftig aussehen und kommunizieren sollen, damit wir Menschen uns mit ihnen wohlfühlen und die autonome Technologie nicht als Bedrohung erleben. Neben dieser anwendungsorientierten Arbeit ist Martina auch in der sozialwissenschaftlichen Grundlagenforschung tätig und hat am Institut für Kommunikationspsychologie und Medienpädagogik der Universität Koblenz-Landau zur Wahrnehmung menschenähnlicher Maschinen promoviert. Sie referiert regelmäßig bei internationalen Fachkongressen und Publikumsevents – darunter etwa der Future Day des deutschen Zukunftsinstituts, das X Media Lab oder der Daimler Future Talk – und unterrichtet als Lektorin an mehreren Universitäten. Im Jahr 2014 wurde Martina vom Land Oberösterreich mit der Talentförderungsprämie für Wissenschaft ausgezeichnet. Seit 2015 ist sie Mutter einer kleinen Tochter, die allerdings von keiner Robo-Nanny betreut wird. In ihrer Tech-Kolumne für die Oberösterreichischen Nachrichten schreibt Martina Mara jeden Dienstag über soziale Implikationen digitaler Medien.