Das europäische Zentrum der Raumfahrt einmal selbst erleben, in Vorträgen von ExpertInnen Eindrücke der wissenschaftlichen Arbeit rund ums Weltall gewinnen, neueste Unterrichtsmaterialien zu den Themen Universum und Naturwissenschaften vor ihrer Veröffentlichung ausprobieren – das sind nur ein paar der Möglichkeiten der jährlichen ESA Teacher Workshops.
Zweimal im Jahr lädt die European Space Agency (ESA) PädagogInnen aus allen ihren Mitgliedstaaten zu den mehrtägigen Veranstaltungen in die Niederlande. Die Frage, wie man Kindern und Jugendlichen die Naturwissenschaften, Technik und Informatik über das Thema Weltraum näherbringt, steht dabei stets im Mittelpunkt.
Im Interview erklärt Andreas Leeb, ESERO Austria Manager, was die ESA Teacher Workshops beinhalten und welche Rolle ESERO Österreich dabei spielt. Außerdem berichtet die Volksschullehrerin Veronika Goller der VS Wolkersdorf vom diesjährigen Herbstworkshop in Leiden, Niederlande.
Andreas Leeb, ESERO Austria Manager. Credit: Vanessa Graf
Andreas, du bist ESERO Austria Manager. Was ist eigentlich ESERO?
Andreas Leeb: ESERO ist eine Abkürzung für European Space Eduaction Resource Office. Es ist ein Büro, das von der ESA finanziert wird, gemeinsam mit dem österreichischen Kooperationspartner FFG (Österreichische Forschungsförderungsgesellschaft) des bmvit, also des Bundesministeriums für Verkehr, Innovation und Technologie. Die ESERO Büros wurden in zehn europäischen Ländern eingerichtet, um über das Thema Weltall die Naturwissenschaften und Technik in den Schulen zu fördern. Ganz genau geht es um die sogenannten MINT-Fächer, also Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik. Die ESA möchte es über das Angebot der ESERO Büros ermöglichen und unterstützen, einen spannenden naturwissenschaftlichen Unterricht zu gestalten.
Wie schätzt du die derzeitige Ausbildung in MINT-Fächern in Österreich ein?
Andreas Leeb: Es gibt einen Trend, den man in ganz Europa verfolgen kann: Für Kinder wird es immer schwerer, Naturwissenschaften, Physik, Chemie, Technik und Informatik spannend zu finden. Immer weniger können sich vorstellen, in diesem Feld zu arbeiten. Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen wird außerdem kein gutes Gehalt in Aussicht gestellt. Auch das ist einer der Gründe, warum sich wenig Jugendliche dafür interessieren.
Credit: ESA
Was macht Ars Electronica zu einem idealen Partner der ESA für das österreichische ESERO Büro?
Andreas Leeb: Wir bei Ars Electronica bringen den künstlerischen und kulturellen Aspekt in die naturwissenschaftliche Perspektive. Es gibt im Englischen einen schönen Ausdruck dazu – während wir im Deutschen wie gesagt von den MINT-Fächern sprechen, sind es im Englischen die STEM-Fächer (Science, Technology, Engineering, Mathematics). Mittlerweile gibt es den erweiterten Ausdruck STEAM, bei dem ein A für Arts hinzugefügt wird. Neben vielen anderen Gründen ist das auch Teil davon, warum das ESERO Büro in das Ars Electronica Center gekommen ist. An anderen Orten fehlt oft der künstlerische und vor allem auch kreative Ansatz – obwohl er sehr wichtig ist.
Das Ziel ist es also, Kinder an Schulen für die MINT-Fächer zu begeistern, aber über die LehrerInnen. Welche Ressourcen bieten ESA und ESERO hier für PädagogInnen?
Andreas Leeb: Das ESERO Büro hat den Auftrag, LehrerInnenfortbildungen und Unterrichtsmaterialien zu entwickeln. Die Fortbildungen werden gemeinsam mit den Pädagogischen Hochschulen entwickelt. So können wir offiziell zertifizierte Kurse anbieten. Unser Angebot richtet sich von der Sekundarstufe in die Primarstufe, es gibt sogar einen Kurs für die Elementarstufe – es ist also sehr umfassend.
Credit: ESA
Welche Arten von Fortbildungen werden angeboten?
Andreas Leeb: In unserem Kurs für die Primarstufe, „Raumschiff Erde“, geht es ganz allgemein über Planeten, Sonnen, Sterne und das Weltall. Wie kann man ganz generell das Thema Weltraum im Unterricht behandeln? Für die Sekundarstufe bieten wir zwei Kurse, „Human Footprint“ und „Vom Marsgesicht zum Schwarzen Loch“, die sich mit den Themen Erdbeobachtung, Satellitenbilder und deren Einsatz auseinandersetzen. Der Kurs „Kosmische Entfernungsleiter“ ist für die Oberstufe an naturwissenschaftlichen Schulen oder HTLs konzipiert. Hier geht es um Entfernungsmessung – mit den Daten vom Hubble Weltraumteleskop und anderen erdgebundenen Teleskopen misst man das Weltall. Wie man Mathematik dann einsetzen kann, um Entfernungen zu berechnen, wird in diesem Kurs vermittelt. Es ist ein schönes Beispiel dafür, dass man verschiedene mathematische Tools nicht nur für Standard-Rechenbeispiele einsetzen kann, sondern auch für praktische Beispiele mit Alltagsbezug.
Diese vier Fortbildungen machen das derzeitige Angebot aus. Jeder Kurs soll ein gewisses Niveau und einen bestimmten Qualitätsstandard haben, ansonsten kann er nicht angeboten werden. Das ESERO Büro gibt es in Österreich erst seit letztem Jahr, wir entwickeln also schrittweise neue Kurse.
Zusätzlich zu den Fortbildungen gibt es mehrtägige Workshops…
Andreas Leeb: Die Workshops werden nicht nur direkt von ESERO Österreich veranstaltet, sondern zum Beispiel von der ESA selbst, oder deren Bildungsbüro, ESA Education. Diese ESA Teacher Workshops sind für Lehrer und Lehrerinnen aus allen ESA Mitgliedsländern. Es ist sehr offen und frei, Lehrer und Lehrerinnen jeder Stufe können sich bewerben. Dieses Jahr fand im Sommer ein Workshop statt, im Herbst startete der zweite, mit jeweils zwei Lehrerinnen aus Österreich.
Credit: ESA
Was passiert bei diesen Workshops genau?
Andreas Leeb: Beim ESA Workshop wird einerseits eine Führung durch das ESTEC Center gemacht, das European Space Research and Technology Center. Hier kann man sich vor Ort ansehen, wo Weltraumforschung betrieben wird. Das ist sicherlich sehr spannend für die Lehrer und Lehrerinnen. Man kommt hier mit sehr vielen Experten und Expertinnen in Kontakt, es gibt Vorträge zum Thema Weltall aus den verschiedenen Bereichen, von der Weltraumforschung bis hin zur Technik. Andererseits bekommen die Lehrer und Lehrerinnen auch Unterrichtsmaterialien, die von der ESA entwickelt werden. Sie können sie direkt vor Ort ausprobieren und dabei teilweise Unterrichtsmaterialien kennenlernen, die erst im Entstehen sind.
Credit: ESA
Veronika Goller, Sie haben am diesjährigen ESA Teacher Workshop teilgenommen. Was war Ihre Motivation, sich dafür zu bewerben?
Veronika Goller: Never stop exploring – wenn man so will, ist das mein Motto. Privat und beruflich. Gepaart mit einer großen Portion Neugier. Als ich auf Ö1 hörte, dass es Workshops für Lehrer und Lehrerinnen gibt, die von der ESA durchgeführt werden, war mein Interesse geweckt und ich bin auf die Seminarausschreibung und –Bewerbung im Internet gekommen.
Ich war hocherfreut, dass ein Seminarprogramm für Volksschulleher und –Lehrerinnen angeboten wurde. Denn oft sind die STEM Fortbildungen im Sekundarbereich angesiedelt. Dabei muss doch schon an der Basis Interesse geweckt werden und so ein Grundstein für Neugier und Freude an Wissenschaft gelegt werden.
Und ganz ehrlich: Ich habe mir auch erhofft, dass ich fachlich jede Menge lernen kann. Speziell im Gebiet der Weltraumforschung gibt es viele neue Errungenschaften und Erkenntnisse, die es zu begreifen gilt. Der Seminarort Leiden in der Niederlande, die Gelegenheit sich mit europäischen Lehrern und Lehrerinnen auszutauschen und die Unterbringung in einem sehr komfortablen Hotel waren ebenfalls nicht zu unterschätzende Trigger.
Credit: ESA
Welche Eindrücke nehmen Sie jetzt nach dem Workshop mit nach Hause?
Veronika Goller: Zuerst einmal möchte ich festhalten, dass ich auf fachlicher Ebene jede Menge Wissen erwerben konnte. Die Mischung aus Experten- und Expertinnenvorträgen und der Vorstellung didaktischer Konzepte ist äußerst gut durchdacht und gelungen. Das Team von ESA Education hat in der knappen Zeit jede Menge Inhalte untergebracht und konnte die sehr heterogene Gruppe begeistern. Gratulation zum Seminardesign.
Der Open Day, den wir am ESTEC Gelände in Noordwijk verbrachten, stand unter dem Motto „Bringing Space to Earth“. Für mich war das eine perfekte Gelegenheit, alle neuen Lerninhalte Revue passieren zu lassen und mit Hilfe der zu sehenden Objekte, der Vorstellung der aktuellen Forschungsprogramme und den Experten- und Expertinnenvorträgen gut zu verankern.
Ich freue mich schon darauf, den Schülern und Schülerinnen wesentlich sattelfester als vorher über den Weltraum zu erzählen und den Forscherkoffer in den eigenen Unterricht zu implementieren.
Credit: ESA
Können Sie uns ein bisschen davon berichten, was Sie im Workshop Neues gelernt haben?
Veronika Goller: Am ersten Tag, der unter dem Motto „Satellites and Rockets“stand, habe ich mich zum ersten Mal mit Materialkunde und der dazugehörenden Forschungsarbeit auseinandergesetzt. Die Informationen zu den unterschiedlichen Raketen und Orbits, deren Starts, Umlaufbahnen und Missionen wurden sehr verständlich und anschaulich dargeboten.
„Taking the pulse of our Planet“, so lautete das Programm am Tag zwei. Die Erkenntnisse was und wie Satelliten sehen haben mich besonders interessiert und auch berührt. Denn mit Hilfe dieser Bilder können Umweltveränderungen sehr deutlich gemacht werden. Das wiederum ist die perfekte Grundlage für den Unterricht, speziell wenn es um Themen wie Klimawandel, Meereswasserspiegel und Übersäuerung, Tierbeobachtung, Umweltschutz und Landwirtschaft geht.
“Space exploration” war ein ganz neues Thema für mich. Und so war der dritte Tag voll mit dem Programmieren des Astro Pi‘s, der Goldylock Zone und den Exoplaneten. Begrifflichkeiten die komplett neu für mich waren und sich jetzt erhellt haben.
Credit: ESA
Warum lohnt sich Ihrer Meinung nach der ESA Teacher Workshop für PädagogInnen?
Veronika Goller: Wenn man von einer Sache begeistert ist, kann man andere dafür begeistern.
Und genau darauf baut der Erfolg des Teacher Workshops auf. Ein inspiriertes ESA Education Team hat es geschafft, mich und meine Kollegen und Kolleginnen für das Thema Weltraum zu begeistern. Ich bin sattelfest geworden im Grundwissen und kann die Spacefacts deshalb besser vermitteln. Meine Neugierde wurde geweckt und ich bin mir sicher, ich kann diese weitergeben. Außerdem gab es jede Menge Material – unter anderem eine beachtliche Forscherbox – die die Umsetzung im Unterricht um ein Vielfaches erleichtert.
Ein nicht unwesentlicher Aspekt ist auch der Austausch mit den europäischen Kollegen und Kolleginnen. Kaffeepausen, das Social Dinner und die Ausflüge boten jede Menge Gelegenheit für Gespräche. Vergleiche mit anderen europäischen Schulsystemen und der Austausch über den Alltag von Lehrern und Lehrerinnen waren extrem anregend und luden zur Selbstreflexion ein. Das wiederum trug dazu bei, das Eigene in vielen Bereichen mehr zu schätzten und regte an, Neues zu probieren.
Dipl. Päd. Veronika Goller ist Volksschullehrerin in der VS Wolkersdorf/Weinviertel.
Andreas Leeb studierte Biologie und Lehramt NMS (Mathematik/ Biologie). Seit 2009 arbeitet er im Ars Electronica Center, zunächst als Infotrainer, anschließend als Projektverantwortlicher Infotrainer (Betreuung verschiedener Ausstellungen, Konzeption und Durchführung von Schulungen, Guides, Workshops, Führungen, etc.). Seit 2016 Mitarbeit bei ESERO Austria, seit Mai 2017 ESERO Austria Manager. Hauptverantwortlich für die Agenden von ESERO in Österreich, also LehrerInnen-Fortbildungen oder Unterrichtsmaterialien.
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