Tanz von Mensch und Maschine: SILK Fluegge

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Sie ist eines der absoluten Highlights des Ars Electronica Festivals 2018: Die Große Konzertnacht. In einem spektakulären Abend in der alten Gleishalle der POSTCITY Linz kommen am 9. September 2018 ein Orchester, Sprachkünstler, Tänzerinnen und Roboter für eine Performance der Extraklasse zusammen.

Silke Grabinger, Tänzerin und künstlerische Leiterin von SILK Fluegge, wird die Symphonie Fantastique von Berlioz, gespielt vom Brucknerorchester Linz, gemeinsam mit zwei Tänzern performativ begleiten. Im Interview hat sie mit uns über die Konzertnacht, ihre Arbeit als Tänzerin und den Traum von Perfektion gesprochen.

Du wirst bei der Großen Konzertnacht gemeinsam mit zwei Tänzern eine Performance zur Symphonie Fantastique von Berlioz aufführen. Was erwartet uns?

Silke Grabinger: Das Ursprungskonzept der Großen Konzertnacht stammt von Ars Electronica und dem Brucknerorchester, wir sind der dritte, performative, körperliche Teil. Das Brucknerorchester macht die Livemusik und interpretiert die Symphonie Fantastique. Ars Electronica gestaltet den Raum, es gibt Projektionen, einen digitalen Teil und auch einen zusätzlichen Körper auf der Bühne. Wenn wir als Tänzer oder Tänzerinnen arbeiten, stehen wir in Beziehung zum Publikum, zur Bühne und auch zum Raum. Die Gleishalle ist ein unglaublich schöner und toller Raum, der für uns extrem wirkt. Man hat immer diese Weite und gleichzeitig spürt man sich dadurch. Wenn man jetzt also diesen extra Körper hat, und ich sage bewusst Körper, muss man eine neue Beziehung aufbauen. Das ist etwas, was wir als große Herausforderung sehen: Nicht nur mit dem Orchester zu arbeiten, sondern mit dem zusätzlichen Körper.

Geht man in einem so großen Raum als Tänzerin nicht verloren?

Silke Grabinger: Ich habe mit SILK Fluegge schon einmal am Ars Electronica Festival getanzt, und zwar die Performance MYGRATION – beget. Damals war die Herausforderung, dass das Publikum auf der einen Seite der Bühne saß, und zwischen uns ein Durchbruch war. Wir schauten auf diese andere Seite, auf den Bahnsteig. Ich habe mich damals viel mit Sichtlinien auseinandergesetzt, und auch mit dem unglaublichen Ton, dem Hall und der Lichtstimmung in der Halle. Wir wollten die postindustrielle Architektur neu umsetzen. Normalerweise ist man als Tänzer, Tänzerin, Regisseur, Regisseurin, Choreograph oder Choreographin in einer Black Box. Jeder andere Raum ist ein Geschenk, weil er eine Problematik bringt, mit der man umgehen muss. Wenn man das kann, hat man die Möglichkeit, etwas Neues zu entwickeln. Für uns als Performer und Performerinnen ist das eine Herausforderung, gleichzeitig müssen wir das auch umarmen. In diesem Fall gemeinsam mit dem Brucknerorchester und Ars Electronica! Das bietet sehr viele Möglichkeiten und ist sehr spannend. Wir sind also in diesem postindustriellen Raum der POSTCITY, es treffen zeitgenössische Körper aufeinander, auch mit der Musik, mit der Symphonie von Berlioz – wir haben also viele Möglichkeiten, neue Räume aufzumachen.

Credit: Florian Voggeneder

Es gibt in der Performance Berührungspunkte mit Robotik, mit digitaler Technologie, aber auch mit Körpern – wie geht man im Tanz mit solchen Themen um?

Silke Grabinger:  Es geht um die Suche Qualität und Perfektion in der Unvollkommenheit. Es gibt den Körper, der gewisse Dinge kann, man kann ihn trainieren, aber man kann niemals eine Bewegung eins zu eins wiederholen. Das ist unmöglich. Ich habe 1117 Mal das gleiche Solo getanzt, es waren aber 1117 unterschiedliche Versionen davon, auch, wenn es der gleiche Bewegungsablauf ist. Eine Bewegung an sich ist nie nachahmbar. Die Suche nach der Perfektion existiert, aber eigentlich ist es ein immerwährendes Scheitern. Es gibt immer kleine Fehler, die neue Möglichkeiten bergen, Dinge neu zu interpretieren. Wenn wir jetzt mit der Robotik zusammenstoßen, mit einer scheinbar anderen Perfektion, die aber sicherlich auch wieder Fehler besitzt, eröffnet auch das Möglichkeiten neuer Interpretationen. Wir versuchen, uns aus unterschiedlichen Richtungen anzunähern, kommen aber aus einem ganz anderen Grundbaustein. Selbst die Musik, das Orchester, versucht, die Visionen des Komponisten, der Komponistin zu schaffen.  Das ist auch ein Suchen oder Versuchen einer Vollkommenheit, die zum Glück niemals erreicht wird, und zwar deswegen, weil wir damit eigentlich versuchen, uns selbst wiederzufinden. Ich glaube, die Qualität und die Perfektion würden uns im Endeffekt erstarren und ankommen lassen, dabei sind wir ständig auf der Reise.

Credit: Martin Hieslmair

Das dockt doch sehr stark an das diesjährigen Festivalthema an, the Art of Imperfection…Wie geht man mit Unvollkommenheit im Tanz um?

Silke Grabinger: Ich glaube, man muss zwischen dem kommerziellen Tanz und dem zeitgenössischen Tanz unterscheiden. Wir sind an der Schnittstelle zwischen urbanem und zeitgenössischem Tanz. Wir arbeiten in dem Dreieck zwischen der Perfektion und den Normen, die im urbanen Tanz von hoher Qualität zeugen – wie kann ich noch akrobatischer sein? Wie kann ich einen coolen Style haben? Wie kann ich mich noch besser ausdrücken? Gleichzeitig ist da die Möglichkeit des Konzeptuellen, womit man Tiefe erlangen kann, auch in Form einer gesellschaftspolitischen Reflektion, in der Thematik des Stückes. Normen sollen keine Dogmen sein, die wir uns aufsetzen, sondern Orientierungspunkte. Und wenn man diese Orientierungspunkte hat, kann man abweichen und sich auf etwas konzentrieren, das für einen selbst persönlich richtig erscheint. Von dem man sich aber auch schnell wieder abwenden kann!

Warum ist es für dich persönlich bereichernd, immer wieder mit Ars Electronica zu arbeiten?

Silke Grabinger: Ich glaube, zuallererst, weil ich eine Künstlerin aus Oberösterreich bin und Ars Electronica hier ihren Ursprung hat. Es ist für mich spannend, die Anknüpfungspunkte immer weiter zu entwickeln und zu sehen, wie sich das immer weiter ausbreitet, in einer Art und Weise auch ausufert. Ich mag auch diese Überraschung, sich über seine Grenzen so weit hinauszulehnen! Ars Electronica ist dafür bekannt, Dinge möglich zu machen, die unmöglich sind. Wir bei SILK Fluegge arbeiten viel mit digitalen Medien und Umsetzungen und sind immer daran interessiert, wo die Anknüpfungspunkte einer Entkörperung des Digitalen sind. Wir arbeiten eigentlich mit Verkörperung, aber das Digitale ist oft eine Entkörperung – da besteht das Bedürfnis einer Annäherung. Ich denke, das ist auch der Grund, warum wir so viel miteinander arbeiten – gegenseitiges Interesse und viele Anknüpfungspunkte.

Silke Grabinger ist künstlerische Leiterin von SILK Fluegge, Tänzerin und Choreographin. Sie verbindet in ihren Arbeiten und Konzepten urbanen und zeitgenössischen Tanz mit performativer und bildender Kunst. Ein besonderes Augenmerk liegt auf der kritischen Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Phänomenen, künstlerischen Paradigmen und der Funktion beziehungsweise  Stellung des Publikums.

Gemeinsam mit zwei Tänzern von SILK Fluegge begleitet Silke Grabinger die Performance des Brucknerorchesters bei der Großen Konzertnacht. Alle Informationen finden Sie hier.

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