Was macht ein Wissenschaftler, der sich unter Künstler mischt, also mit einer Gruppe, die von manchen als das genaue Gegenteil seiner eigenen Profession angesehen wird? Geht es um den Widerspruch zwischen Rationalität und Instinkt, zwischen Vernunft und Emotion?
Aber nicht so schnell. C. P. Snow hat sich auf fundamentaler Ebene geirrt: Die zwei Kulturen durchmischen sich, in der Herangehensweise an ihre Arbeit, in der Umsetzung und in der Reflexion über ihr Werk. Und so könnte ein Wissenschaftler in einer Kunstjury einen unerwart emotionalen und instinktiven Impuls für den Entscheidungsprozess liefern. Wenn ich weder Experimente durchführen kann, um den Wert eines Konzepts abzuschätzen, noch die interne mathmatische Kohärenz analysieren kann, muss ich mich auf meine Eindrücke des Werks verlassen, wie es sich in die Landschaft meines Wissens einfügt, als wie mutig ich es empfinde, ob es neue Konzepte auslotet oder neue Perspektiven eröffnet, und schließlich, ob das Werk meinen intellektuellen und ästhetischen Ansprüchen gerecht wird. Dieser Mix aus rationeller und emotionaler Entscheidungsfindung ist noch besser dazu geeignet, Themen zu beurteilen, die zwischen Kunst und Wissenschaft stehen, Themen, die an beiden Tischen speisen, ohne sich zwischen die Stühle zu setzen.
Die Themen des Wettbewerbs (Energie, Mobilität, Zugänglichkeit) sind zentral für unsere Zukunft und waren im Fokus vieler akademischer Studien, aber man wird außerhalb des üblichen Rahmens denken müssen, um der Größe des Wettbewerbs zu entsprechen. Die Welt hat sich immer verändert, die Veränderung fand schneller und schneller statt, und wir sind mitten in dieser sich immer mehr beschleunigenden Veränderung. Veränderung verursacht Folgen, und Folgen verursachen Veränderung. Wissenschaft und Technologie sind beide Teil dieses Motors und gemeinsam mit der Kunst sind sie Werkzeuge, mit denen die Veränderungen betrachtet, reflektiert, verstanden und vielleicht korrigiert werden können.
Das Betrachten von dringenden Problemen der Menschheit hat noch keine sehr lange Geschichte, und dass Künstler und Wissenschaftler zu den ersten gehören, die sich ernsthaft mit diesen Themen beschäftigen, ist keine Überraschung: Die besten aus beiden Gruppen tendieren dazu, unbekanntes Terrain zu erforschen. Genausowenig überraschen kommen beide oft mit Berichten über Monster zurück.
Ich hoffe darauf, solche Monster bei den Projekten zu sehen, halbflüchtige Konstruktionen, rau in ihrer Erzählung und unglaubliche Tiere mit den Füssen einer Ente, dem Horn eines Narwals, dem Schwanz eines Pferdes. Werden die Konzepte funktionieren? Wer kann das zum jetztigen Zeitpunkt schon sagen? Aber sie sind ein essentieller Bestandteil des Nachdenkens darüber, wie wir unsere Zukunft gestalten werden. Und wie die Zukunft uns gestalten wird.
Michael Doser
Senior Research Physicist, Abteilung für Physik am CERN
1978—1983 Diplomstudium der Physik an der ETH Zürich
1983—1988 Doktoratsstudium Teilchenphysik an der Uni Zürich
1981—1991 Forschungsassistent bei KEK, Japan
1991—1993 Forscher am CERN
1993—jetzt Mitglied der Forscherteams am CERN
1997—1998 Sabbatical am SLAC der Stanford University, Kalifornien
2006—2008 Vize-Abteilungsleiter der Abteilung Physik, CERN
Mitgliedschaften in internationalen Beratungskomitees und Redaktionen: Mitglied des SPSC (CERN); Mitglied des INTC (CERN); Herausgeber der Zeitschrift für Partikeleigenschaften (seit 1988); Herausgeber der Physics Letters B (seit 2003); Mitglied des Globalen Wissenschaftsforums für Nuklearphysik der OECD; Mitglied des Gremiums für Kulturpolitik, CERN 2011—2013