Ihr habt die Uhren, wir haben die Zeit. Aber Zeit ist relativ. Du musst dir die Zeit schon nehmen, selbst wenn sie dir wie Sand durch die Finger rinnt. Ist meine Zeit wertvoller als deine Zeit? Lebenszeit, Garzeit, Weihnachtszeit, Hochzeit. Hochzeit? Zeit ist etwas, das unseren Alltag bestimmt, prägt, in messbare, objektivierbare Einheiten teilt, einen Puls vorgibt, an den sich bitte möglichst alle zu halten haben. Wir haben Atomuhren, die uns aufs Allergenaueste sagen, wie lange eine Sekunde dauert, wir haben Fahrpläne für Züge, Straßenbahnen und Busse, Arbeitszeiten, wir wissen genau, um wieviel Uhr Kinofilme beginnen, oder wann am nächsten Tag die Sonne aufgehen wird. Man könnte meinen, wir hätten die Zeit unter Kontrolle, und doch können wir sie nicht beeinflussen, obwohl sie objektiven Parametern scheinbar folgt, ist Zeit für jeden und jede anders. Die neue Ausstellung im Ars Electronica Center wird sich ab 6. Dezember mit dem Thema Zeit auseinandersetzen, damit, was wir mit unserer Zeit anfangen, wie wir sie wahrnehmen, wie sie unser Leben beeinflusst. Zeit ist Held, sie ist eine Ressource, die unendlich ist, und trotzdem immer knapp ist.
Die Ausstellung lässt sich im Wesentlichen in 3 Bereiche einteilen, die thematisch miteinander verknüpft sind, aber sich verschiedenen Aspekten der Zeit widmen: Zeitstrukturen, Zeitempfindung und Zeitgestaltung, das sind die Kernbereiche, in denen insgesamt 9 Installationen dazu einladen, sich Zeit zu nehmen, um sich mit Zeit zu beschäftigen.
Zeitstrukturen
Stellvertretend für den Bereich Zeitstrukturen sei hier der Zug der Zeit erwähnt. Als die Eisenbahn erfunden wurde und die industrielle Revolution so richtig Fahrt aufnahm, wurde es notwendig, die Zeitmessung und die Uhrzeit an verschiedenen Orten zu synchronisieren. Auch wenn man heute manchmal den Eindruck hat, dies wäre noch nicht überall gelungen, so war es doch eine fundamentale Leistung, die Uhrzeiten von Dörfern und Städten, später auch Ländern und Kontinenten abzugleichen und so einheitliche Fahrpläne zu ermöglichen. Der Zug der Zeit fängt diese Entwicklung metaphorisch ein, in dem 3 Modelleisenbahnen, die jeweils Sekunden, Minuten und Stunden darstellen, 3 magnetische Kugeln hinter sich herziehen, um so die Synchronisierung und gewissermaßen auch Verschleppung der Zeit abzubilden.
Zeitempfindung
Im Bereich Zeitempfindung, in dem es um die persönliche Wahrnehmung von Zeit geht, kann man sich beispielsweise mit dem eigenen Lebenstempo auseinandersetzen. Dieses wird laut dem US-Psychologen Dr. Robert Levine im Wesentlichen von folgenden 5 Faktoren bestimmt: Ökonomie, Industrialisierung, Population, Klima und kulturelle Werte. Diese fünf Faktoren lassen sich bei der Installation beeinflussen, man sieht das eigene Lebenstempo als Kreis dargestellt und kann es in Relation zu verschiedenen Ländern setzen. Je mehr das eigene Tempo mit dem des jeweiligen Landes übereinstimmt, desto mehr verschwimmen die Grenzen und vice versa.
Zeitgestaltung
Im Bereich Zeitgestaltung schließlich geht es um die Art und Weise, wie wir uns unsere Zeit einteilen, Stichworte wie Work-Life-Balance werden hier behandelt. Zum Beispiel zeigt die Installation Momente und Erdbeeren 5 sehr persönliche Situationen, die scheinbar aus der Zeit herausgerissen wurden, man räumt sehr viel Zeit für eine Empfindung ein, obwohl Zeit gerade mehr als knapp ist. Alles um eine Person herum scheint zu rasen, doch der Stress, die Hektik dringt nicht durch, es ist, als wäre man losgelöst von Zeit und Raum.
Am 6. Dezember wird Zeit ist Held im Ars Electronica Center eröffnet, nehmen Sie sich die Zeit! Zum Beispiel, um mit Thomas Altmanninger, Marlene Eggenreich, Tobias Furtschegger, Friederike Krepela, Vinzenz Mayrhofer oder Thomas Mühlberger zu plaudern, dem Team hinter Zeit ist Held.
Bis dahin können Sie das untenstehende Radiointerview mit den Macherinnen und Machern der Ausstellung anhören oder hier im Blog lesen. Weitere Fotos zur Ausstellung gibts auf Flickr.
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