Der Datenvernichter

datadistortion_small,

In der neuen Ausstellungsreihe „TIME OUT .01“, die in Zusammenarbeit mit dem Studiengang „Zeitbasierte und Interaktive Medien“ der Kunstuniversität Linz Ende Jänner 2014 eröffnet wurde, präsentiert der österreichische Künstler Stefan Tiefengraber gleich drei seiner Arbeiten im Foyer des Ars Electronica Center in Linz. Im Interview stellt der 32-Jährige diese genauer vor.

Ein sich auf Knopfdruck selbst zerstörender Server, ein Shredder, der SMS-Textnachrichten vernichtet, und eine Zeichenmaschine, die absichtlich Daten verzerrt. Das unwiederbringliche Löschen von digitalen Daten scheint eine der Gemeinsamkeiten Ihrer Arbeiten zu sein…

Das ist ein Eindruck, mit dem man die Arbeiten am Anfang gut verbinden kann – das Löschen, die Zerstörung und die Vernichtung. Es geht mir aber auch darum, zu zeigen, dass es einerseits Spaß machen kann, etwas zu vernichten, und dass andererseits dahinter auch mehr steckt, wenn man sich darauf einlassen möchte.  Bei „User Generated Server Destruction“ hat man die Gelegenheit, einmal selbst einen Webserver ein zu schlagen, den man im normalen Leben meist nie zerstören kann. Sie sind immer weggesperrt, es gibt von ihnen viele Kopien und man hat als Benutzer nie einen echten Zugang zu diesen Webservern. Meine Arbeiten sollen aber auch zeigen, was Technik aushält. Bei „Your Unerasable Text“ wird die SMS-Nachricht visuell zerstört, im Hintergrund jedoch digital gespeichert und nach außen hin nur kopiert. Die Nachricht selbst bleibt aber unzerstörbar, weil sie zuvor vom Handyprovider gespeichert werden konnte. Wie weit kann man gehen, um Technik zu zerstören? Und was kann man aus den Geräten noch herausholen und wie kann man sie anderweitig verwenden? Die Benutzer sollen Freude haben, die Exponate zu benutzen, und aber auch beginnen, sich selbst zu fragen, was hinter der Technik steckt.

Was macht den Reiz aus, einen Server eigenhändig zu zerstören?

„User Generated Server Destruction“ gibt den Benutzern die Möglichkeit, einen Server im Internet zu zerstören, wenn sie wollen, und das weltweite Netzwerk damit kurzfristig wieder kleiner zu machen. Ein Anreiz war für mich, die Installation dort aufzustellen, wo es immer ruhig sein soll – wie in Museen. Der Besucher selber wird zum Produzenten von Lärm: Ein simples Klicken ist normalerweise sehr leise, hier fallen jedoch große Hämmer auf den Server. Über das Internet ist es vielleicht leichter zu klicken als direkt vor Ort, wenn man sieht, was das tatsächlich auslöst. Zuerst sind die Besucher ein bisschen erschrocken, weil sie nicht darauf gefasst sind. Die Installation soll auch bewusst machen, dass die Inhalte wie zum Beispiel von Facebook oder Google auch auf Server liegen und die Wolke im Internet irgendwo physisch vorhanden sein muss. Es gibt Kabeln, an dem alles angesteckt werden muss, und beim Abrufen verbindet man sich auf Rechner und Festplatten. Das braucht Strom und die Hardware – auch wenn man nicht weiß wo – existiert wirklich auf dieser Welt. Wie andere physische Dinge, kann man auch Webserver materiell zerstören. Die Installation bringt Benutzer und Webserver also besonders nahe zusammen.

Wie lange dauert es, bis ein Server mit diesen Hämmern zerstört ist?

Das ist sehr unterschiedlich, man weiß es nie genau. Der erste Server war nach drei Schlägen nicht mehr funktionsfähig. Vor kurzem hat ein Server 250 Schläge ausgehalten und es gab Server, die zwei Tage durchgelaufen sind und nie zerstört werden konnten. Mir gefällt dabei jedoch, dass man nie genau weiß, wie lange ein Server hält. Bei der Installation sind tatsächlich Webserver im Einsatz, die laufen, die die Website http://www.ugsd.net/ hosten und auf die man sich verbinden kann. Sobald dieser kaputt ist, ist dies nicht mehr möglich und die Website ist auch nicht mehr erreichbar.

Was macht bei „Unerasable Text“ den Text unlöschbar?

„Unerasable Text“ bringt visuell zum Ausdruck, dass eine digitale Nachricht analog zwar vernichtet werden kann, aber im Hintergrund weiterhin digital gespeichert wird. Was tatsächlich mit der eigenen Nachricht geschieht, weiß man und sieht man nie. Es ist nicht offensichtlich, dass eine SMS von einem Handy auch an einem anderen Ort gespeichert wird als auf dem Speicher meines Telefons. Den visuellen Beweis der Vernichtung gibt es nicht, die Daten sind digital immer noch vorhanden. Die Installation speichert Telefonnummer, Zeit und die Nachricht selber. Im Vordergrund steht auch hier vor allem der Spaß der Zerstörung, doch lässt die Installation dem Benutzer auch den Freiraum, sich näher mit der Thematik auseinander zu setzen, wenn er möchte.

Der analoge Ausdruck ist nur eine Kopie von der Nachricht, die man geschickt hat. Man weiß nie genau, wer im Hintergrund Zugriff auf die Daten hat. Die Arbeit ist im Jahr 2011/12 entstanden, als die Vorratsdatenspeicherung in Österreich umgesetzt wurde – darum auch diese Thematik. Wie sich die Zeiten und das Umgehen mit digitalen Daten ändern, sieht man eindeutig an einem Beispiel: Lange Zeit war es von Behörden oder Unternehmen nicht anerkannt, Rechnungen einzuscannen und sie per E-Mail zu versenden – heute stuft die Mehrzahl der Empfänger die Unterschrift auf einem digitalen Bild, das als Anhang einer E-Mail beiliegt, als gültig ein. Das hat sich gewandelt mit der Zeit.

Normalerweise druckt man eine SMS ja nicht aus. Es geht mir hier um den Zugang, dass man etwas schickt, man dies dann sehen kann und es dann auch wieder zerstört wird – ein Moment, der dazu führt, dass man sich mehr damit beschäftigt. Außerdem möchte ich zeigen, dass diese alte Technologie der SMS ziemlich lange besteht, noch heute genutzt wird und auch jeder mit einem Handy benutzen kann – ganz ohne Smartphone und ohne sich irgendwo mit einem Benutzernamen und einem Passwort einzuloggen. Man braucht nur eine gültige Telefonnummer.

Meine Arbeiten sind keine Belehrungen, sie sollen zum Nachdenken anregen. Man soll sich selber über den eigenen Gebrauch von Technologien Gedanken machen. Warum schicke ich eine SMS? Wie funktioniert das eigentlich, dass diese ausgedruckt werden kann – muss da nicht etwas dazwischen sein?

Was passiert bei der Zeichenmaschine genau?

Es ist ein weißes Papier, das von mir mit schwarzem Pastell eingerieben wird, und dann in die Maschine an der Wand eingespannt wird. Die Maschine schleift die schwarze Farbe wieder ab. Diese generiert damit eine Datenvisualisierung als Reverse Drawing. Die Daten, die sie dafür benutzt, werden durch den Visualisierungsprozess aber wieder zerstört, weil die Maschine absichtlich ungenau arbeitet. Man kann das Ergebnis noch erkennen, aber wenn man dieselben Daten noch einmal zeichnen lässt, kommt es nicht zur exakten Kopie. Wie die Daten schließlich aussehen, ist der Maschine selbst überlassen. Das Pendel kann sich in zwei Richtungen bewegen: Das Fortschreiten der Zeit von oben nach unten, sowie die Höhe des Werts nach links und rechts. Ich habe bereits mit verschiedenen Daten experimentiert, um abstrakte Bilder entstehen zu lassen: Zuerst habe ich RGB-Daten aus Bildern, die Überwachungskameras zeigen, verwendet. Denn das, was Überwachungskameras abbilden, ist nie objektiv sondern immer verzerrt – es kommt auf ihren Standpunkt an, sie zeigen nur Ausschnitte, und es gibt viel zu viele Einflüsse, um „objektive“ Daten erhalten zu können.

Dann habe ich die Luftgütedaten von Beijing, Shanghai und Guangzhou verwendet, die von US-amerikanischen Botschaften in den jeweiligen Städten gemessen und von diesen auf Twitter veröffentlicht wurden, obwohl dies nach internationalem Recht nicht zugelassen ist. Weiters habe ich mit Zufallsdaten gearbeitet, wo das Programm selber entscheidet, wie lange es zeichnet und es so zur Verzerrung von diesen zufälligen Daten kommt. Und für „TIME OUT .01“ im Ars Electronica Center speise ich die Zeichenmaschine mit Daten über elektromagnetische Strahlungen an verschiedenen Orten in Linz – unter anderem auch direkt vom Ars Electronica Center. Gezeichnet werden zehnminütige Aufnahmen dieser Strahlen, die durch die Zeichenmaschine visuell dargestellt werden, aber auch für die Ausstellung hörbar gemacht wurden. Wenn die Maschine während der Öffnungszeiten des Museums durchzeichnet, dauert es mehrere Tage pro Bild. Ein langer Prozess, die Daten zu verzerren und ungenau zu machen, obwohl der Datensatz dahinter doch sehr kurz ist. Auch die Maschine müht sich ab, ein Bild über einen langen Prozess hinweg zu malen. Und das Einschwärzen, das mir keine Maschine abnimmt, dauert über eine halbe Stunde. Alles braucht Zeit.

Wie sind Sie zur Medienkunst gekommen?

Vor meiner Zeit als Medienkünstler habe ich sechs Jahre lang bei einer Medienproduktionsfirma gearbeitet. Doch nach einiger Zeit habe ich gemerkt, dass ich in eine andere Richtung gehen muss und bin auf die Kunstuniversität Linz aufmerksam geworden. Dort konnte ich mich endlich auf meine eigenen Arbeiten konzentrieren. Es ist ein gutes Gefühl, die Freiheit und Möglichkeit zu haben, eigene Arbeiten umzusetzen und diese auch auszustellen. An der Kunstuniversität beschäftigte ich mich seit 2010 nicht mehr nur mit Videoarbeiten, sondern auch mit interaktiven Installationen – teilweise auch ganz ohne Elektrizität.

In Linz nutzte ich damals die Möglichkeit, meine Arbeiten in der Auslage des Fernsehsenders Dorf TV auszustellen. So habe ich auch angefangen, meine Arbeiten nach außen hin zu präsentieren. Im Jahr 2012 war ich dann auch in Südkorea im Rahmen eines Austauschjahres – hier hatte ich die Möglichkeit, eine Einzelausstellung in der Gallery 175 umzusetzen. Auch beim Pikselfestival’13 in Norwegen und beim B-Seite Festival in Mannheim konnte ich meine Werke der Öffentlichkeit zeigen. So probiere ich jede Chance zu nutzen, meine Arbeiten zu präsentieren, damit sie nicht nur geschlossen in einem Atelier stehen.

Die Arbeiten von Stefan Tiefengraber sind im Rahmen von „TIME OUT .01“ noch bis Mitte April 2014 im Ars Electronica Center zu sehen. Am SA 8.2. und SO 9.2.2014, jeweils 14:00, ist der Medienkünstler selbst vor Ort und präsentiert seine Arbeiten. Mehr zur Ausstellungsreihe finden Sie auf ars.electronica.art. Alle Arbeiten von Stefan Tiefengraber werden auf www.stefantiefengraber.com dokumentiert.

,