Eine Stadt, die spürt und reagiert

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Das bekannte Wired Magazine setzte seinen Namen auf die Liste der „50 Menschen, die die Welt verändern werden“ und spielte dabei auf seine Ideen an, dass die Architektur der energiesparenden Städte der Zukunft fühlt und reagiert. Das Konzept von Carlo Ratti nennt sich „SENSEable City“, ein Stadtkonzept in Echtzeit, das derzeit am Massachusetts Institute of Technology entwickelt wird. Er wird einer der JurymitgliederInnen des Prix Ars Electronica 2014 sein – in der Kategorie „Digital Communities“ – und hat mit uns über seine Idee gesprochen. Nehmen auch Sie teil und reichen Sie noch heute Ihre Arbeit ein zum Prix Ars Electronica 2014! Die verlängerte Einreichfrist geht noch bis zum 19. März 2014 (23:59 MEZ)!

„SENSEable cities“ – was ist das genau?

Carlo Ratti: Ich weiß nicht, ob wir die Welt verändern werden, aber wir tun unser Bestes, um die Lebensqualität in den Städten zu verbessern. Am SENSEable City Lab forschen wir vor allem danach, wie Technologien unsere Städte verändern. Für uns hat das Word „Senseable“ zwei Bedeutungen: Einerseits steht es für die Fähigkeit, zu spüren und zu fühlen, andererseits steht es für „vernünftig“. Wir bevorzugen eher den Begriff „SENSEable City“ anstatt „Smart City“, da er den Menschen in den Mittelpunkt stellt: Der gemeinsame Nenner all unserer Projekte ist in der Tat dass sie sich alle an den Menschen orientieren anstatt an Technologie. Wir glauben an einen von Grund auf neu geschaffenes Konzept, um Städte zu erschaffen, in denen die Menschen die Agenten des Wandels werden.

Sie sind zum ersten Mal Jurymitglied und werden die Arbeiten der Kategorie „Digital Communities“ beurteilen. Welche Rahmenbedingungen benötigen diese – ist es mehr als der freie Zugang zu öffentlichen Daten?

Carlo Ratti: Der freie Zugang zu öffentlichen Daten ist eine wichtige Voraussetzung. Wir haben die beispiellose Fähigkeit, die Welt um uns herum zu verstehen und darauf zu reagieren – ob es die Natur ist, die gebaute Umgebung oder die sozialen und verbindenen Landschaften der menschlichen Netzwerke. Zum Beispiel eröffneten wir vor kurzem in Singapur die Ausstellung Data Drives: – ein Software-Werkzeug für die Manipulation und Visualisierung der Informationsfülle, die eine Stadt erzeugt. „Big Data“ ist nicht mehr nur die Domäne von großen Spezialistenteams; sie ist jetzt immer mehr für alle zugänglich. Die Daten ermöglichen es uns, die Realität besser zu verstehen und den „Puls der Stadt“ einzufangen. Es ist dann wichtig, auf die aufgezeichneten Informationen zu reagieren, z.B. um die „Stadt in Bewegung zu setzen“. Das Ingangsetzen kann viele Formen haben und passiert vor allem durch Menschen.

Wie können wir von modernen Technologien in Zukunft profitieren, wenn wir an digitale Communities denken?

Carlo Ratti: Das funktioniert vor allem durch fühlen und reagieren: Feedback und Reaktion in Echtzeit. Nehmen Sie viele aktuelle Beispiele: Die Benutzer von Waze laden automatisch detaillierte Straßen- und Verkehrsdaten hoch, sodass ihre Community davon profitieren kann. 311-Apps ermöglichen es Menschen, von Vorkommnissen in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft zu berichten, von Schlaglöchern bis hin zu heruntergefallenen Ästen, und organisieren schließlich Menschen, die das reparieren. Die Open Street Map macht das Gleiche und ermöglicht es den Bürgern, gemeinsam Karten von Orten zu zeichnen, die vorher noch nie systematisch erfasst wurden – besonders in Entwicklungsländern, denen Google noch nie seine Aufmerksamkeit mit einem Besuch geschenkt hat.

Sie haben neuartige Wege gefunden, um bestehende Daten wie Mobilfunkaktivitäten während Fußballspielen zu analysieren oder neue Daten von Wegen gesammelt, die einzelne Abfälle in mehreren Wochen zurücklegen. Wie sind Sie auf solche ungewöhnliche Ideen gekommen?

Carlo Ratti: Die Datenmenge, die wir heute erzeugen, ist beeindruckend. Wie Sie wissen, hat der Vorstandsvorsitzende von Google, Eric Schmidt, geschätzt, dass wir die Datenmenge, die wir von den Anfängen unserer Zivilisation bis zum Jahr 2003 erzeugt haben, heute alle paar Tage generieren – und die Schätzung ist auch schon ein paar Jahre alt. Es ist die Zeit des „Big Urban Data“. In unserem Labor sind wir daran interessiert, verborgene Dimensionen von uns Menschen aufzudecken und zu teilen – so wie die, die Sie gerade erwähnt haben. Aber auch hier liegt der Fokus vor allem auf die Reaktion der Bürger, z. B. zu handeln. Eines der Dinge, die wir zum Beispiel vom Projekt Trash Track gelernt haben, das Sie zuvor angesprochen haben, ist, dass das Teilen von Information das Handeln der Menschen verändern kann. Die Menschen, die an diesem Projekt beteiligt waren, konnten den Weg ihres Mülls verfolgen und dies führte dazu, dass sie ihre Gewohnheiten änderten. Eine Person sagte uns: „Früher habe ich Wasser stets in Plastikflaschen getrunken, ich warf sie dann weg und vergaß sie. Jetzt weiß ich, dass sie nur ein paar Kilometer weiter von zuhause in einer Deponie landen. Daran muss ich jetzt immer denken. Also habe ich beschlossen, Wasser nicht mehr aus Plastikflaschen zu trinken…“

Nehmen Sie teil am Prix Ars Electronica 2014 und reichen Sie Ihre Arbeit ein!

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