Animation ist mehr als Film

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Bild: „Proximity“ (2013) von Kristin Müller, Peter Affenzeller, Manuel Preuß (Bild: FH OÖ)

Was macht eigentlich eine gute Animation aus? Und welche Entwicklungen zeichnen sich 2014 in diesem Bereich ab? Prof. (FH) Mag. Dr. Jürgen Hagler ist Lehrbeauftragter des Fachbereichs für Digitale Medien an der FH OÖ Campus Hagenberg, und leitet dort die Bereiche Computeranimation und Animationswissenschaften. Im Interview präsentiert er uns eine kurze Bestandsaufnahme des Genres und stellt auch den Studiengang etwas vor, in dem die Animationen entstanden sind, die er am DO 20.3.2014, 20:00, bei einem Deep Space LIVE im Ars Electronica Center persönlich zeigen wird.

Was werden wir bei Deep Space LIVE im Ars Electronica Center sehen können?

Jürgen Hagler: Bei diesem Deep Space LIVE ist eine Auswahl von 14 Animationskurzfilmen aus den letzten fünf Jahren zu sehen, die an der FH Oberösterreich in Hagenberg im Rahmen der Ausbildung im „Department für digitale Medien“ als Semesterprojekte oder als Abschlussfilme entstanden sind. Vorwiegend handelt es sich um Masterprojekte aus dem Studiengang „Digital Arts„. Dieses Screening zeigt sehr unterschiedliche Formen und Genres: 2-D- und 3-D-Animationen, Stop-Motion-Filme, narrative Arbeiten, experimentelle Herangehensweisen sowie Hybride aus 3D-Animation und Realfilm.

Bild: „Zerebrale Dichotomie“ (2009) von Florian Juri, Andreas Atteneder, Valentin Ortner, Sabine Pils und Christoph Struber (Bild: FH OÖ)

In der Playlist finden sich auch Animationstitel wie „Zerebrale Dichotomie“…

Jürgen Hagler: „Zerebrale Dichotomie„, oder „Gurkerl“, wie das Projekt teamintern genannt wurde, ist ein mehrfach ausgezeichneter Computeranimationsfilm, der von fünf Studierenden im Rahmen eines Semesterprojektes produziert wurde. Thematisiert wird eine Grundsatzfrage wie sie banaler nicht sein könnte. Dabei treffen zwei diametral eingestellte Kreaturen in der menschlichen Schaltzentrale aufeinander und diskutieren darin eine offensichtlich wichtige Entscheidung. Die zwei Figuren sind mittlerweile einem breiten Publikum bekannt, da sie auch als Grundlage eines Kinospots für die Fakultät für Informatik, Kommunikation und Medien der FH Oberösterreich dienten, der in den letzten paar Jahren in den Kinos zu sehen war.

Die Stop-Motion-Animation „Leberkäse“ inszeniert den Herstellungsprozess des gleichnamigen Lebensmittels. Dabei halten sich die zwei Filmemacher Rafael Mayrhofer und Katja Flachberger offensichtlich nicht an die bekannte Rezeptur, sondern orientieren sich an Animationsfilmemachern wie beispielsweise Stephen und Timothy Quay oder Jan Švankmajer.

Die Animationsfilmemacherin Dominique Sellitsch zeigt in dem 2-D-Animationsfilm „Blue Jay in the Sky“ einen Jungen, der sich in seiner momentanen Situation nicht wohlfühlt und sich in eine Traumwelt flüchtet. Sellitsch animiert digital überarbeitete Handzeichnungen zu einer sinnlichen Reise an der Grenze zwischen Realität und Fantasie.

Bild: „Leberkäse“ (2010) von Rafael Mayrhofer und Katja Flachberger (Bild: FH OÖ)

Sie sind Koordinator des Master-Studiengangs „Digital Arts“ am Campus Hagenberg der FH Oberösterreich – was vermitteln Sie genau in diesen vier Semestern?

Jürgen Hagler: Der Master „Digital Arts“ bietet die drei Tracks: Animation, Games sowie Audio/Video. Wir holen unsere Studierenden bei ihren Vorkenntnissen in diesen drei Schwerpunkten ab und bieten ihnen eine Vertiefung sowohl in der Praxis als auch in der Theorie. Formale Grundlagen und praktische Produktionstechniken sind innerhalb dieses Studiums eng miteinander verschränkt und ergänzen sich gegenseitig. Die produktionsseitige Ausbildung konzentriert sich neben den konzeptuellen Elementen der Animationsproduktion und Spieleentwicklung auf den handwerklich soliden Umgang mit professionellen Werkzeugen.

Im Vordergrund steht dabei die Umsetzung kreativer Ideen durch bewusste Entwicklung einer klaren, individuellen Ästhetik und gezieltem Einsatz der technischen Mittel. Animation und Games werden dabei als breites expandierendes Feld definiert: So finden sich neben der Computeranimation und Spielekonzeption und -entwicklung im Studienplan auch traditionelle analoge Animationstechniken sowie interaktive Techniken an der Schnittstelle zwischen Game und Installation. Parallel dazu liefern Module in den Bereichen Video und Audio die technische und gestalterische Grundlage für die Ausbildung in der Postproduktion.

Bild: „Blue Jay in the Sky“ (2012) von Dominique Sellitsch (Bild: FH OÖ)

Abgesehen von den künstlerischen Zielen, die die StudentInnen mit „Digital Arts“ verfolgen können, welche Berufsaussichten gibt es in Österreich? An wen richtet sich das Studium?

Jürgen Hagler: Das Studium bietet aufgrund einer soliden Ausbildung in Praxis und Theorie eine gute Basis, um einerseits in Unternehmen Fuß zu fassen und andererseits, um sich als eigenständige MediengestalterInnen bzw. -produzentInnen zu etablieren. Unsere Alumni sind in anerkannten internationalen Studios von New York bis Berlin anzutreffen, aber genauso auch in Österreich und erfreulicherweise immer mehr in Linz, wo sich in den letzten Jahren eine aktive Games- und Animationsszene entwickelt hat.

Was macht eigentlich einen guten Animationsfilm aus?

Jürgen Hagler: Für eine gelungene Animation sind oft nur wenige Zutaten entscheidend. Die wichtigste ist das Konzept, die Story sowie die Frage, wie Animation diese Idee vermitteln kann.

Wenn Sie im Bereich der Computeranimation auf das Jahr 2020 blicken – was könnte sich bis dorthin verändern? Welche Entwicklungen erkennen Sie heute?

Jürgen Hagler: Bis in die 1990er Jahre war Computeranimation ausschließlich einem elitären Kreis aus Softwareentwicklern und Animations- und Filmemachern vorbehalten. Um digitale Animation erstellen zu können, war Spezialwissen und teures Equipment nötig. Ein ständiger Begleiter waren technische Einschränkungen und Limitationen. Mittlerweile ist die Technologie kostengünstig, verfügbar und einfach zu bedienen. In Zukunft werden die Animationstools und Schnittstellen wie beispielsweise Motion Capture oder 3-D-Scanner noch mehr den Bedürfnissen der GestalterInnen angepasst, sodass diese Werkzeuge sukzessive in den Hintergrund treten und reibungslos ineinandergreifen.

Im Film haben sich die Grenzen zwischen Animation und Realaufnahme in den letzten Jahren zusehend aufgelöst. Digitale Effekte sind, wenn sie nicht erkannt werden sollen, als solche nicht mehr ersichtlich. Sogar digitale Darsteller können vereinzelt sowohl vom Publikum als auch von den Experten nicht mehr von echten Schauspielern unterschieden werden. Computeranimation hat die Filmproduktion aber auch das filmische Erzählen, wie beispielsweise das vermehrte Aufkommen von Hybridfilmen demonstriert, grundlegend verändert. Die Revolution ist im Großen und Ganzen vorbei, wobei wir sicherlich noch eine spannende Entwicklung erwarten dürfen.

Animation ist aber mehr als Film: Animation durchdringt unseren Alltag, wenn wir beispielsweise an die vielen animierten Screens denken, denen wir täglich in öffentlichen Plätzen oder Verkehrsmitteln begegnen bzw. die uns täglich begleiten, wie Mobiltelefone oder Tablets. Animation ist die Basis für Computerspiele, für wissenschaftliche Visualisierungen, für Simulationen und für vieles mehr und wird in Zukunft in vielfältigen neue Schnittstellen zu finden sein. Aktuelle Tendenzen sind beispielsweise in den Bereichen Architektur, Theater und Performance zu finden, wie sie unter anderem bei der Fachtagung „Expanded Digital Animation“ im Rahmen der Ars Electronica 2013 thematisiert wurden.

Am DO 20.3.2014, 20:00, präsentiert Ihnen Jürgen Hagler persönlich bei Deep Space LIVE folgende Animationen aus Hagenberg: „Art? Sounds boring…“, „Kii“, „Proximity Between Two Points“, „Drop Out“, „Leberkäse“, „Watched“, „Homo Neanderthalensis“, „Mars“, „Ninetynine“, „Blue Jay in the Sky“, „The Streets of the Invisibles“, „Unrest 1000“, „Zerebrale Dichotomie“ sowie „The_Incredible_Tangerine“.

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