Kommt uns Technologie zu nahe?

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Zukunftsforscher und Jurymitglied Alexander Mankowsky, Foto: Florian Voggeneder

Während der Jury-Sitzungen des Prix Ars Electronica 2014 Anfang Mai 2014 hatten wir die Gelegenheit mit Alexander Mankowsky zu sprechen – neben seiner temporären Tätigkeit als Jury-Mitglied in der Kategorie „[the next idea] voestalpine Art and Technology Grant“ ist er vor allem als Zukunftsforscher für den Autohersteller Daimler in Deutschland tätig. Die Zukunft der Mobilität und vor allem der Weitblick über mehr als ein Jahrzehnt nach vorne sind dort ganz klar die Themen, die das Unternehmen bewegen. Bevor er uns aber Zukunftstrends in diesem Bereich skizziert, fragen wir zunächst nach, welche Zukunftsideen beim Prix Ars Electronica in dieser Kategorie eingetroffen sind.

Welche Anforderungen stellen Sie als Juror der Kategorie „[next idea] voestalpine Art and Technology Grant“ an eine „next idea“?

Alexander Mankowsky: Eine „next idea“ sollte den Zeitgeist ausdrücken und ihn vorantreiben. Sie muss noch nicht fertig zu Ende gedacht sein, aber sie muss wegweisend sein. Für mich sind auch künstlerische Empfindungen ausreichend – das können skizzierte Chancen oder Probleme sein, aber auf jeden Fall sollen es Themen sein, die sich damit beschäftigen, wie es vorwärts geht. Die „next idea“ soll einen Beitrag leisten, um die Zukunft zu erkunden.

In welchem Zeitraum spielt sich “next” für Sie ab?

Alexander Mankowsky: “Next” bedeutet für mich, dass eine Idee bei den Menschen in den nächsten zehn bis 15 Jahren ankommt – das sollte schon der Zeitraum sein. Die eingereichten Arbeiten sollten schon heute die Bewegungstreiber von morgen erkennen und ausdrücken können, welche gerade im Nukleuszustand sind. Zum Beispiel, dass man den Zusammenhang von Biologie, Natur und Technologie auf eine andere Art ausdrückt als es bisher der Fall war. Oder dass die Art und Weise ausgedrückt wird, wie sich das Internet und Kommunikation im Allgemeinen weiterentwickelt. Ich sage hier absichtlich „ausgedrückt“, da es nicht gleich eine konkrete Lösung für ein Problem geben soll. Darauf bin ich nicht aus. Das wäre zu viel verlangt von einem einzelnen Menschen, der seine Gedanken an der Schnittstelle zwischen Kunst und Technologie einbringt.

Alexander Mankowsky in seinem Büro, Foto: Daimler

Wenn Sie einen Blick auf die eingereichten Arbeiten legen, wie beurteilen sie deren Qualität?

Alexander Mankowsky: Wenn man nach Qualität frägt, ist damit immer auch die Frage verbunden, was sind die Kriterien von Qualität? Nach meinen Kriterien – so wie ich gesagt habe, sollen sie einen Weg in die Zukunft weisen und ausdrücken, was gerade in Bewegung ist – sind mir viele poetische Arbeiten aufgefallen, die den Zustand der Gesellschaft durchaus kritisch darstellen. Der große Aufbruchsoptimismus ist derzeit nicht zu spüren, aber die Kritik, dass es mit der Technik zu weit geht. Die Einreichungen sind nicht so lösungsorientiert, dass man sagt, man entwickelt jetzt etwas Neues und in einem bestimmten Bereich wird es nun besser, sondern es treffen eher Ideen ein, die sich damit beschäftigen, wie man sich die Technologie fernhalten oder sie downgraden kann. Das fand ich in Summe sehr interessant und hatte auch gute Qualität.

Den Menschen geht es um Reflexionen. Was macht ein Algorithmus mit mir und meinem Körper? Was machen Kommunikationswerkzeuge mit mir und meinen sozialen Beziehungen? Werden die besser oder schlechter?

Solche Fragen finde ich sehr spannend. Natürlich rumort es in der Gesellschaft. Jeder von uns spürt es ja auch so, dass man diese vielversprechenden Kommunikationswerkzeuge hat, die alles ändern sollen. Man merkt aber auch, dass es die Einsamkeit weiterhin gibt. Viele Menschen benutzen ihre sozialen Netzwerke als Schutzschild gegen wirkliche Kontakte und verstecken sich weiterhin hinter den Bildschirmen. Das finde ich sehr wichtig als Thema: Die Schnittstelle von Körper, dem Empfinden bzw. dem Menschsein, wie man ist, und der digitalen Welt mit ihren Versprechungen, Lösungen und durchaus Verführungen.

Das Thema des Festival Ars Electronica 2014 lautet „C… what it takes to change“. Welches Wort, beginnend mit C, brauchen wir für einen Wandel?

Alexander Mankowsky: Caution! Wandel klingt natürlich zuerst sehr gut, er mag es aber nicht immer sein. Nicht jeder Wandel führt auch ins Positive. Man soll immer auch überlegen, was man lieber lassen oder nicht tun sollte. Und besonders, wenn es viele Möglichkeiten gibt, sollte man mehr darüber nachdenken.

Einer der Zukunftstrends im Bereich Mobilität: Autonomes Fahren (Foto: Daimler)

Sie sind Zukunftsforscher bei Daimler. Welche Zukunftstrends erkennen Sie im Bereich der Mobilität?

Alexander Mankowsky: In der Mobilität ist das wesentliche Momentum gerade das autonome Fahren. Autonome Technologien werden sich in den nächsten 15 Jahren sehr weit verbreiten. Sie eröffnen ganz andere Formen des Transports von Gütern und des Komforts der Menschen. Hier sind auch sehr viele fast schon philosophische Fragen zu beantworten. Wie wollen wir eigentlich mit Maschinen und maschineller Intelligenz umgehen? Das ist der zweite Trend, den ich im Bereich Mobilität erkenne. Wir bei Daimler gestalten unsere Ideen dazu und schauen gleichzeitig, ob die Menschen das auch annehmen und kaufen. Wir bringen Gestaltungsvorschläge ein, die im Wesentlichen auf Kooperationen beruhen, dass der Mensch selbstbestimmter durch diese Technologien werden kann. Das dritte wesentliche Thema der Mobilität ist die Urbanisierung. Der Begriff klingt immer so toll, aber viele Menschen machen das nicht freiwillig. Es ist nicht so nett, verdichtet zu sein. Mobilität wird auch dazu dienen müssen, Menschen die Möglichkeit zu geben, nicht in die Städte zu ziehen, sondern auch Lebensqualität herzustellen und zu erhalten. Und in den Städten, wo Verdichtung tatsächlich der Fall ist und nicht viel Platz ist für die Trennung von Fahrspuren zwischen Autos, Fahrrädern, neuen Elektrofahrrädern und noch nicht erfundenen Geräten, den Menschen und Kinderwägen und so weiter, muss der Shared Space der Zukunft neu erfunden werden. Soziale und technologische Innovation ist ein weiterer Punkt – wir müssen lernen, damit umzugehen, wir alle.

Alexander Mankowsky
Der 1957 in Berlin geborene Alexander Mankowsky studierte Sozialwissenschaft, Philosophie und Psychologie an der Freien Universität Berlin. 1989 begann er seine Tätigkeit im Forschungsinstitut von Daimler in Berlin. Der multidisziplinäre Zugang am Institut vereinte eine Fülle von Disziplinen, von Sozialwissenschaften bis zu künstlicher Intelligenz. Seine aktuellen Arbeitsthemen sind Zukunftsstudien, die sich mit der sich ständig ändernden Kultur der Mobilität, der gegenseitigen Abhängigkeit von sozialer und technologischer Innovation und anderen Aspekten in Verbindung mit möglichen Wegen in die Zukunft befassen.

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