Computer, die in Wolken Gesichter erkennen, Katzengesichter, die als menschliche Gesichter wahrgenommen werden, Spiegel in die man nicht blicken kann und noch vieles mehr präsentieren die Featured Artists Shinseungback Kimyonghun beim Ars Electronica Festival 2014.
Insgesamt 10 beispielhafte Projekte werden die beiden Südkoreaner Kim Yong Hun und Shin Seung Back beim Ars Electronica Festival zeigen, bei denen sich alles um die Frage, „wie beeinflusst Technologie das menschliche Leben?“, dreht.
Wir haben uns mit den beiden Computerspezialisten über die ausgestellten Projekte unterhalten und konnten so einiges über die Hintergründe ihrer Arbeit erfahren, in der sie versuchen das digitale Leben zu verstehen und den Computer als Wesen zu begreifen.
Wie entstand die Zusammenarbeit zwischen euch?
Kim Yong Hun: Seung Back ist, als Ingenieur, sehr an kreativen Arbeiten interessiert und ich als Künstler, wollte die Welt der Technik verstehen. Kennengelernt haben wir uns im Master-Studium, weil wir im selben Jahrgang waren. Wir haben bereits während unseres Studiums viele verschiedene Experimente zusammen durchgeführt und haben nach unserem Abschluss beschlossen als Team weiterzuarbeiten. Wir haben uns gedacht, damit wir das digitale Leben besser verstehen, müssen wir einerseits die Technologie und andererseits aber auch das Menschsein verstehen. Aus diesem Grund waren wir der Meinung, dass eine Zusammenarbeit zwischen uns sehr sinnvoll ist.
Welche Frage stellt ihr euch in euren Arbeiten?
Shin Seung Back: Wir stellen uns hauptsächlich die Frage, „wie beeinflusst Technologie das menschliche Leben?“ und wir versuchen diese Frage mittels computational imaging, also Computervisualistik und Computer-Visionen zu beantworten. Ich bin dabei vor allem am technischen Aspekt und Yong Hun an der menschlichen Natur interessiert.
„Cloud Face“ ist eine Sammlung von Wolkenbildern, die einem Gesicht ähneln und vom Computer mit einem Gesichtserkennungsprogramm irrtümlich als menschliche Gesichter gelesen werden. Unterstützt der Computer Menschen dabei Gesichter in Wolken zu erkennen?
Kim Yong Hun: Diese Arbeit ist eigentlich nicht dazu da, um Menschen dabei zu unterstützen Gesichter in Wolken zu erkennen. Das Phänomen, dass Menschen in Wolken Gesichter erkennen existiert und dasselbe passiert hier auch bei Computern. Wir haben versucht die Ähnlichkeit zwischen menschlichen Visionen und Computer-Visionen aufzuzeigen und die Parallelen nachzuvollziehen.
Wie Ähnlich sind sich die Visionen von Computern und Menschen?
Kim Yong Hun: Sie haben viele Gemeinsamkeiten. Einerseits wurden Computerberechnungen genutzt, um die menschliche Wahrnehmung zu studieren und andererseits haben physiologische und neurologische Studien über den Menschen die Entwicklung von Computer-Visionen beeinflusst. Allerdings könnten Computer-Vision in Zukunft ganz andere Ansätze annehmen und als Folge könnte eine Veränderung der Bedeutung des Begriffs Vision entstehen.
Bei „Cat or Human“ werden menschliche Gesichter von einem Katzengesichtserkennungsprogramm als Katzengesichter gelesen und umgekehrt. Sind sich menschliche Gesichter und Katzengesichter wirklich so ähnlich?
Shin Seung Back: Computer verwechseln manchmal das eine mit dem anderen und die Ähnlichkeiten sind sogar für das menschliche Auge sichtbar. Man kann es als Fehler der unausgereiften Technologie sehen, aber dieser Fehler wirft die Frage auf, wie Computer-Visionen arbeiten. So wie Illusionen uns dabei helfen den Mechanismus menschlicher Visionen zu verstehen.
Welche Eigenschaften muss ein menschliches Gesicht aufweisen, um als Katzengesicht identifiziert zu werden und umgekehrt?
Shin Seung Back: Eine Computer-Vision kann durch unterschiedliche Strategien ein Menschen- oder ein Katzengesicht wahrnehmen. Es berücksichtigt dabei beispielsweise die Hauttextur, die Kontur und andere Besonderheiten. Wir wissen nicht genau welche Eigenschaften man braucht, um Gesichter exakt zu erfassen. Wir glauben alles über Gesichter zu wissen, aber es ist ein abstraktes Konzept. Wenn wir versuchen würden Gesichter ganz exakt zu beschreiben, dann würde nur ein ganz spezielles Gesicht erkannt werden. Wenn wir es aber breiter definieren, werden auch Gesichter erkannt, die eigentlich gar keine sind.
„Nonfacial Mirror“ besteht aus einem Spiegel, der durch eine spezielle Software partout keine Gesichter zeigt. Warum vermeidet der Spiegel Gesichter? Widerspricht das nicht dem Sinn eines Spiegels?
Kim Yong Hun: Ja, es ist widersprüchlich, dass ein Spiegel Gesichter vermeidet, weil er ja eigentlich dazu da ist, um Gesichter zu spiegeln. Die Aufgabe eines Spiegels ist aber von Menschen festgelegt worden und es könnte eigentlich genauso gut sein, dass das rein gar nichts mit dem eigentlichen Grund seiner Existenz zu tun hat. So eine Art von Widerspruch passiert dann, wenn die Technik beginnt, den Sinn der eigenen Existenz in Frage zu stellen.
CAPTCHAs fordern Internetuserinnen und –user üblicherweise auf, Codes von verzerrten Bildern abzutippen und so zu verifizieren, dass die eingegebenen Daten von Menschen stammen und nicht von Computern. Damit spielt die Applikation „CAPTCHA Tweet“. Sie erlaubt es, hinter dem Rücken der Computer Tweets als CAPTCHA zu posten. CAPTCHA kann von Computern nicht dechiffriert werden. Wie wichtig ist die geheime Kommunikation zwischen Menschen in der heutigen Zeit?
Kim Yong Hun: Wir finden es wichtig ist, dass nur Personen, für die auch die Information gedacht ist, diese erhalten. Aber es ist auch wichtig zu sagen, dass CAPTCHA heutzutage weniger effektiv ist als früher. Es ist eine Art Abwehrsystem, das wir nutzen, um Computer aus bestimmten Bereichen unseres Lebens fernzuhalten. Es identifiziert Computer, indem es sie auffordert eine bestimmte Aufgabe zu erfüllen, die jedoch nur von Menschenhand durchgeführt werden kann. Dieser Test wurde jedoch immer unzuverlässiger, nachdem sich Computer ständig weiterentwickeln. Das bedeutet, dass eine dieser Aufgaben, die ursprünglich nur Menschen erledigen konnten, heute auch schon von Computern gelöst werden können und dadurch aus dem Test ausscheidet. Wenn das so weitergeht, welche einzigartigen Qualitäten zeichnen uns als Menschen dann noch aus? Das ist die große Frage, die uns im Rahmen dieses Projekts beschäftigt hat.
„FADTCHA“ (FAce Detection Turing test to tell Computers and Humans Apart) funktioniert als Test, den nur Computer bestehen können, genau entgegengesetzt: menschliche Userinnen und User sind gefordert, ein Gesicht in einem nur für Computer lesbaren Bild zu finden. Warum können Menschen in den Bildern keine Gesichter wahrnehmen? Was glaubt ihr, ist anders als bei „Cloud Face“?
Shin Seung Back: Cloud Face und FADTCHA beschäftigen sich beide mit dem Vergleich zwischen menschlicher Vision und Computer-Vision. Beide Projekte arbeiten damit, dass Computer Gesichter erkennen, die eigentlich gar keine sind. Unter vielen falsch-positiv-Klassifikationen bei Cloud Face, haben wir viele Wolken ausgewählt, die auch für Menschen wie Gesichter aussehen. Das war, um die Gemeinsamkeiten der beiden Visionen zu erforschen. Für FADTCHA haben wir dann aber absichtlich Bilder ausgesucht, in denen wir keine Gesichter erkennen konnten. Bei FADTCHA sind also die Gesichter wirklich nur für Computer sichtbar und es kann als Test verwendet werden, um Menschen zu identifizieren.
Portrait ist die Schnittmenge aller Gesichter, die es in einem Film zu sehen gibt. Eine spezielle Software erkennt sie und schafft daraus eine Art „Durchschnittsgesicht“. Funktioniert das mit jedem Film?
Kim Yong Hun: Ja, aber nur manche davon sind „fotogen“.
Kann man in den Portraits das Genre eines Films erkennen?
Kim Yong Hun: Es ist möglich die generelle Stimmung eines Films im Portrait einzufangen. Aber ich glaube es ist schwierig das genaue Genre zu bestimmen, wenn man den Film nicht kennt. Dieses Projekt soll dazu anregen, Dinge aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten. Eine andere Perspektive bedeutet aber nicht automatisch, dass sie besser ist als die andere.
In „A Million Seasons“ sind die vier Jahreszeiten in vier Bildern dargestellt. Je eine Million Fotos mit den Tags „spring“, „summer“, „fall“ und „winter“ auf Flickr sind das Ausgangsmaterial, aus dem sich die Software je eine Million Pixel holt, um daraus je ein jahreszeitentypisches Bild zu komponieren. Habt ihr euch die Bilder so vorgestellt?
Kim Yong Hun: Ja! Obwohl die Bilder jeder Jahreszeit aus vielen unterschiedlichen Fotos entstanden sind, kann man doch Unterschiede zwischen den einzelnen Jahreszeiten erkennen. Wir dachten uns, eine Kollektion dieser enorm riesigen Menge an Fotos würde ein einheitliches Bild jeder Jahreszeit zeigen und so war es dann auch.
„Memory“ besteht aus einem Bilderrahmen, der menschliche Gesichter erkennt und endlos übereinander legt. Das abgebildete Antlitz drückt somit den Durchschnitt aller Gesichter aus, die es bisher betrachtet haben. Wie wichtig ist denn die Geschichte einer Ausstellung?
Shin Seung Back: Jeder Moment unseres Lebens liegt in der Vergangenheit, daher ist Geschichte immer sehr wichtig. Bei dieser Arbeit waren wir daran interessiert, dass ein Kunstwerk selbst seine eigene Geschichte, mit den Gesichtern der Besucherinnen und Besucher, entwickeln kann und die Geschichte zum Kunstwerk selbst wird.
Diese sich in Echtzeit aktualisierende Arbeit besteht aus einer Reihe von Worten aus „The God‘s Script“ von Jorge Luis Borges, auf die das jeweils erste Resultat der Bildersuche bei Google zum jeweiligen Begriff folgt. Warum habt ihr euch dazu entschieden den Textauszug aus dem Werk „The God’s Script“ zu nehmen?
Shin Seung Back: In dieser Arbeit geht es darum die Beziehung zwischen den Wörtern und den Google Bildsuchergebnissen dieser Wörter darzustellen. In dieser Novelle wird die Nachricht eines Gottes auf der Haut unter dem Fell eines Jaguars versteckt. In gewisser Weise ist das eine Analogie zwischen dem Google Algorithmus, der ein Foto für die Suchanfrage eines Wortes vorschlägt und einem Gott, der seine Worte in die Haut eines Jaguars eingraviert. Außerdem mag Yong Hun den Autor, Borges.
„Click“ ist der Versuch, unser computervermitteltes Leben als Serie von Screenshots festzuhalten. Und zwar, indem ihr einen Tag am Computer, in Form eines Bildschirmfotos pro Mausklick, dokumentiert habt. Warum ist ein Mausklick so ein besonderer Moment?
Shin Seung Back: Ein Mausklick ist wichtig, weil wir nur dann mehr über unser computergestütztes Leben lernen können. Je mehr Klicks wir machen und je öfter wir diese wiederholen, desto mehr lernen wir dabei. Wir haben uns gedacht, dass diese Wiederholungen einen ganz bestimmten Aspekt unseres täglichen Lebens zeigen. In der gleichen Weise könnte jemand versuchen eine spezielle wiederkehrende Augenbewegung oder Geste festzuhalten.
Wer sich selbst ein Bild dieser außergewöhnlichen Arbeiten machen möchte kann das beim Ars Electronca Festival 2014, von 4- bis 8. September machen. Zu sehen sein werden die Projekte von Shinseungback Kimyonghun im Ars Electronica Center, im Rahmen der Ausstellung „Außer Kontrolle“, in der Arkade, in der Barschneiderei und im Rahmen der Ausstellung des Future Innovators Summit im Neubau des Akademischen Gymnasium Linz. Nähere Informationen auf: https://ars.electronica.art/c/featured-artists/