Wenn sich ein Strom vergnügter Menschen unterschiedlichster Herkunft und Milieus tanzend durch die Linzer Innenstadt schiebt, die ihre Lippen synchron zum laut schallenden ABBA-Klassiker „Take A Chance on Me“ bewegen, dann ist weder der Fasching verfrüht dran, noch ist der kollektive Irrsinn ausgebrochen, sondern lediglich ein kollektives emotionales Experiment im Gang: ein LipDub.
Menschen unterschiedlichster Herkunft, Interessen und sozialem Stand bilden einen gemeinsamen Strom durch die Stadt und damit den emotionalen Höhepunkt des Ars Electronica Festival 2014 … die Großübung zum CHANGE!
Dieses unübersehbare Statement für Fortschritt, Kreativität und innovatives Handeln wird zu einem verbindenden Erlebnis und soll sich, durch spontan entstehende Happenings während der Tour, immer wieder neu generieren.
In einem Interview verrät uns Roland Krenn, Projektverantwortlicher des LipDub, warum dies der emotionale Höhepunkt des Ars Electronica Festival 2014 wird und welche Attraktionen und Highlights der LipDub zu bieten hat.
Roland Krenn, Projektverantwortlicher des LipDub
Hi Roland! Wie entstand die Idee zu einem LipDub?
Roland Krenn: Die Idee kam vom künstlerischen Leiter der Ars Electronica, Gerfried Stocker, und der Festivalleitung der Ars Electronica, Martin Honzik, die miteinander diese großartige Idee hatten, dass man durch einen LipDub sozusagen die Großübung zum Change macht. Im Rahmen des Ars Electronica Festival wird sicher sehr viel über das diesjährige Festivalthema „Change“, also Veränderung, gesprochen, diskutiert und Ausstellungsstücke gezeigt. Was aber zur Veränderung oft fehlt, ist, dass man selbst den Hintern hochbekommt und eine Aktion setzt und sagt, ‚jetzt packen wir es an!‘ Da ist die Idee, mittels einer Parade durch die Stadt zu ziehen und zu versuchen etwas zu bewegen, genau die Richtige.
Was genau ist ein LipDub?
Roland Krenn: LipDub kommt von Lippen-Synchronisierung. Dabei geht es um ein Musikvideo, das in einer One-Take-Aufnahme gemacht wird und die Darsteller ihre Lippen passend zum Text des Musikstücks, so als würden sie den Text selbst singen, bewegen. Wir organisieren für das Ars Electronica Festival 2014 eine Art Parade, in der die verschiedensten Happenings passieren und wir mit nur einer einzigen Aufnahme das ganze Geschehen drehen. Wir haben aber die Idee des ursprünglichen LipDubs, wie man sie häufig im Internet findet, ein wenig verändert. Wir werden das Musikvideo nicht nur mittels einer Kamera aufnehmen, sondern aus hundert verschiedenen Blickwinkeln darstellen.
Warum habt ihr euch nicht für die klassische Variante entschieden?
Roland Krenn: Es geht darum den Blickwinkel ein wenig zu verändern. Die originale Form des LipDubs zeigt uns die Parade von außen. Das sind Bildeinstellung, wie man sie kennt und wie man sie gewohnt ist. Wir wollen aber den Blickwinkel verändern und uns das Ganze aus dem Geschehen heraus ansehen und zwar indem sich sämtliche Teilnehmerinnen und Teilnehmer während der Aktion selber filmen, entweder durch selbstmitgebrachte oder ausgeliehene Actionkameras oder durch Smartphones. So bekommen wir von jeder Teilnehmerin und jedem Teilnehmer die eigene, persönliche Sicht auf den LipDub. Das erscheint doch viel interessanter!
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Warum habt ihr euch für das Lied „Take A Chance on Me“ von Abba entschieden?
Roland Krenn: Einerseits, weil einem das Lied sofort ein Lächeln ins Gesicht zaubert. Es geht ja darum, dass die Leute bei diesem Song tatkräftig mitsingen und performen. Das heißt man braucht ein einfaches Lied, das jedem bekannt ist. Bei dem jeder ziemlich schnell und leicht einsteigen und mitsingen kann. Andererseits spielt der Titel „take a chance“ natürlich auch ein bisschen auf „take a change“, das diesjährige Festivalthema, an.
Es wird mehr als eine gewöhnliche Parade…
Roland Krenn: Genau, der LipDub ist gespickt von einer Vielzahl an Attraktionen. Wir wollen nicht nur eine einfache Parade durch die Stadt machen. Aus diesem Grund haben wir diverse Highlights eingebaut. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer werden ein ziemlich interessanten Querschnitt durch die Gesellschaft sein. Wir können ja nicht Veränderung propagieren und dann nur eine einfache Party organisieren. Mir geht es darum Leute zu mobilisieren, die von sich aus in ihrem Umfeld irgendwo eine Veränderung verlangen. Ob das Kinder, Senioren, Väter, Mütter, Menschen mit Migrationshintergrund oder wer auch immer ist. Das werden wir sehen, aber auf Grund dieser Basis soll man teilnehmen.
Welche Attraktionen wird der LipDub passieren?
Roland Krenn: Start ist um 13 Uhr auf der Linzer Spittelwiese beim Eingang zum Akademischen Gymnasium Linz. Startschuss für die Tour setzt die Bergrettung Linz, die eine Abseilaktion von einem Kran macht und das ganze dann auch schon selbst mit einer Actionkamera filmt.
Danach wollen wir vor allem Familien mit Kindern ansprechen. Alle anwesenden Kinder sind herzlich dazu eingeladen mit ihren Bobby-Cars die Spittelwiese entlangzufahren.
Dann biegen wir ein in die Arkade. Dort gibt es die erst schöne Aktion mit der Bar Schneiderei zusammen. Dort werden Tänzerinnen und Tänzer positioniert, die gerade beim Frisör, vorm Spiegel, sitzen und gerade ihre Haare gemacht bekommen und sobald der Zug vorbeikommt, singend und tanzend aufstehen und sich der Masse anschließen.
Der nächste Programmpunkt findet dann bei Springer Blumen statt, dort wird es von oben einen Rosenblütenregen geben, wo die Masse durchgeht. Wenn man dann weiter auf den „Hauptplatz“ der Arkade kommt, wird es das erste Mal sehr turbulent. Hier kommt es quasi zum Flashmob im LipDub. Es wird ein Stichwort geben und alle beginnen dieselbe Choreographie zu tanzen. Die Danceschool Horn choreographiert einen speziellen LipDub-Dance. Das ist eine Choreographie mit nur ein paar Takten, die vorher schon abgefilmt und im Internet zu Verfügung gestellt wird. Alle, die Lust haben, sind vorher schon dazu eingeladen diese einfache Choreographie zu lernen, damit möglichst viele vor Ort mittanzen können.
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Hier finden Sie die Anleitung zum Tanz: http://danceschool.at/LipDub. Wir freuen uns, wenn Sie die Schritte erlernen und beim Happening mittanzen.
Im oberen Stockwerk der Arkade, auf den beiden Brücken, werden anschließend Tänzer von der Tanzschule Andexlinger sein, die einen Paartanz präsentieren. Auch die Steelsharks Diamonds Cheerleadern proben momentan ebenfalls eine besondere Choreographie.
Dann zieht die Parade weiter Richtung Landstraße. Vor dem Ausgang ist noch in der Arkade drinnen eine kleine Brücke. Dort werden die Turnakrobaten vom ÖTB Turnverein Linz eine kleine Jonglage und andere akrobatische Kunststücke vorführen.
Bevor wir weiter auf die Landstraße ziehen, werden wir versuchen den Medienpartner Life Radio miteinzubinden. Wir versuchen die Moderatorinnen und Moderatoren irgendwie aus ihrem Studio aus dem ersten Stock der Arkade abzuholen und ebenfalls in die Masse einzugliedern.
Dann geht’s hinaus auf die Landstraße, wo es auch sehr spektakulär wird, weil wir da eine Straßenbahn in Beschlag nehmen werden. Die Straßenbahn wird für ein paar Minuten aufgehalten und wir gehen mit der Masse in die Straßenbahn auf der einen Seite hinein, durch die Straßenbahn durch und auf der anderen Seite wieder hinaus. Das sehe ich ein bisschen als Wechselzone, in der quasi die Leute „gechanged“, also verändert, werden. Man sieht zum Beispiel Männer, die auf der einen Seite hineingehen und auf der anderen Seite als Frauen wieder hinausgehen. Ohne diesen Genderbereich zu sehr zu forcieren, werden wir aber auch andere Veränderungen in der Straßenbahn durchführen. Hier arbeiten wir beispielsweise gerade sehr intensiv mit der Bar Schneiderei zusammen und überlegen, wie sie die Frisur von Personen, die durch die Straßenbahn gehen, in der kurzen Zeit von nur zwei bis drei Minuten, verändern. Sie gehen beispielsweise mit braunen Haaren vorne hinein und hinten mit blonden Haaren wieder heraus.
Wenn wir dann aus der Straßenbahn rauskommen und weiter in Richtung Schmidtorstraße gehen, sperren wir die Kreuzung beim Taubenmarkt ab, weil mitten auf der Kreuzung ein Riesentrampolin vom ÖTB Turnverein stehen wird, wo Turnerinnen und Turner Riesensaltos vorführen werden.
Von der Schmidtorstraße kommt uns dann die Magistratsmusikkapelle der Stadt Linz entgegen marschiert, die ABBA – „Take a Chance on Me“ live spielen werden. Gleichzeitig machen wir einen Konfettiregen vom Dach des Schuhgeschäfts Humanic herunter, damit eine wirklich kitschige, lustige Parade entsteht.
Dann marschieren wir gemeinsam mit der Musikkapelle rauf in die Promenade. Wenn man zu der Kreuzung kommt, wo es wieder links in die Arkade hineingeht, marschiert die Magistratsmusikkapelle weiter und die Masse stoßt auf einige Teilnehmerinnen und Teilnehmer von u19 – CREATE YOUR WORLD, die sich heuer speziell mit Film beschäftigen. Diese werden den LipDub als Filmkulisse verwenden und eine kleine Szenerie entstehen lassen, sei es ein Heiratsantrag oder ein detektivischer Fall, der gelöst werden wird.
Danach biegt die Parade wieder links in die Arkade ein. Wenn man zum „Hauptplatz“ in der Arkade kommt, haben wir oben auf den Brücken im 1. und im 2. Stock den Landesjugendchor stehen, die „take a chance, take a chance, take a chance,..“ durch das Arkadenhaus hallen lassen. Was auch sehr schön und integrativ werden wird, ist eine Aktion des Manus deaf Theaters, das sich auf Theater für Hörbehinderte spezialisiert hat. Sie werden ebenfalls an diesem Chor teilnehmen und „take a chance“ in Gebärdensprache darstellen. Das heißt es gibt dadurch wieder einen anderen Blickwinkel auf die Performance.
Dann ist es nicht mehr weit. Von dort gehen wir weiter in den Innenhof der Sparkasse, den Arkadenhof und dort ist quasi das Ende. Von Hinten aus der Herrenstraße kommt dann wieder die Magistratsmusikkapelle, die in diesen Hof marschiert und dort dann den musikalischen Endpunkt setzt, indem sie das Lied „Take a chance on Me“ von ABBA fertig spielen.
Was wird die größte Herausforderung werden?
Roland Krenn: Das schwierigste dabei ist einfach, dass es eine One-Take Aufnahme ist. Es ist nicht so, dass man etwas wiederholen könnte, wenn etwas nicht funktioniert. Das heißt wir hoffen einfach, dass sich alle Leute selbständig auch ein bisschen mit Kameras ausstatten und sich selber filmen. Wir erarbeiten gerade noch, gemeinsam mit Ars Electronica Solutions und Ars Electronica Futurelab, an einem Sicherheitsnetz, damit einfach an gewissen Punkten wirklich Leute mit Kameras stehen und bestimmte Sachen auch bewusst abfilmen.
Ab wann wird man die ersten Videos zu sehen bekommen?
Roland Krenn: Noch am gleichen Abend, an dem der LipDub stattfindet werden schon erste Videos beim „Beehive-Projekt“ auf der Spittelwiese zu sehen sein. Am Montag darauf werden wir im DeepSpace des Ars Electronica Center eine halbe Stunde gestalten, wo man schon einen kleinen Grobschnitt des Musikvideos zu sehen bekommt. Außerdem wird dort ein bisschen die Entstehungsgeschichte und ein paar Backgroundfotos des Projekts gezeigt werden. Ein paar Wochen später wird dann das Musikvideo fertig sein und alle, die daran teilgenommen und mitgewirkt haben und auch alle anderen, die es interessiert, werden noch einmal in den DeepSpace eingeladen, wo wir dann das fertige Produkt, das fertige Musikvideo, herzeigen. Man könnte dann auch überlegen, das als bleibende Installation im DeepSpace einzurichten.
Wollen auch Sie teil diese emotionalen Höhepunkts des Ars Electronica Festival 2014 werden? Dann kommen Sie am Samstag, 6. September 2014 um 13.00 Uhr auf die Linzer Spittelwiese und begeben Sie sich auf Selfie-Fahrt durch die Linzer Innenstadt. Nähere Informationen unter:
https://ars.electronica.art/c/lipdub und https://www.facebook.com/events/890474197648800/