Foto: Florian Voggeneder
Visionäre Pionierinnen und Pioniere haben die Grundsteine der heutigen Medienkunst gelegt und damit das Schaffen vieler MedienkünstlerInnen international entscheidend mitgeprägt. Um auch diesen Menschen und ihrem Lebenswerk Respekt und Anerkennung zu zollen, verleiht der Prix Ars Electronica seit 2014 eine Goldene Nica in der Kategorie „Visionary Pioneers of Media Art“. Erster Preisträger ist Roy Ascott, er wurde von jenen KünstlerInnen auserwählt, die seit dem Bestehen des Prix Ars Electronica, seit 1987, eine Goldene Nica gewonnen haben. Wir haben uns mit Roy Ascott kurz vor der Preisverleihung im Rahmen der Ars Electronica Gala im Linzer Brucknerhaus getroffen.
Der am 26. Oktober 1934 geborene britische Künstler, Theoretiker und Denker ist seit den 1960er Jahren aktiv, seine zahlreichen Publikationen und Arbeiten hatten und haben einen großen Einfluss auf die weltweite Digital Art Community. Ascott’s Arbeiten wurden unter anderem auf der Biennale in Venedig, der Shanghai Biennale, der Milan Triennale, beim Ars Electronica Festival, im Plymouth Arts Centre und im Rahmen des Incheon International Arts Festival in Südkorea, gezeigt. In den frühen 1980er Jahren war er für eines der ersten Online-Kunstprojekte verantwortlich, in einer Zeit als es zwar noch kein Internet jedoch schon das sogenannte ARPANET für Universitäten gab. 1989 war Roy Ascott mit seiner Installation „Aspects of Gaia“ beim Festival Ars Electronica in Linz zu Gast, ein Jahr später war er Mitglied der Prix-Jury in der damals neu geschaffenen Kategorie „Interactive Art“.
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Herr Ascott, angenommen, Sie haben die Möglichkeit, selbst einen Lexikoneintrag über sich als Visionary Pioneer of Media Art zu schreiben, wie würde dieser lauten?
Roy Ascott: Ich denke, ich habe es geschafft, glücklich zu sein und die Sehnsüchte der Zukunft zu erkennen. Alles lässt sich auf Sehnsüchte zurückführen, sowohl Technologie als auch Kunst. Eine Vision und konkrete Ideen von etwas zu haben – wie es bei mir der Fall ist – und dann Unterstützung finden bei Menschen, Institutionen und Situationen, um diese verwirklichen zu können, das macht glücklich. Es ist nicht leicht, das jetzt genau zu beschreiben, aber ich denke, es bedeutet, eine ziemlich klare Vorstellung davon zu haben, was wir uns für die Zukunft wünschen. Und es geht darum, auf Hände, Werkzeuge, Menschen und Situationen zugreifen und diese zusammenbringen zu können, um etwas zu verwirklichen. Da ist gar nichts Geheimnisvolles daran, ich stand nie auf der Spitze eines Berges, aber ich hatte eine ziemlich klare Vorstellung davon, wie sich Dinge entwickeln könnten. Ich schrieb sehr viel darüber und ich war sehr froh, dass sich die Dinge dann auch so tatsächlich entwickelten. Mehr kann ich dazu nicht sagen *lacht*
Roy Ascott beim Festival Ars Electronica 2014, Foto: Tom Mesic
Zurück zu Linz – Sie haben das Konzept des “Interactive elevator” oder “Televator” entworfen, eine dauerhafte Installation im Ars Electronica Center seit seines Bestehens, seit 1996…
Roy Ascott: Das erste Design des Lifts kam eigentlich dem Gedanken am nächsten, den ich ursprünglich hatte. Im Fahrstuhl stand man auf einem Bildschirm und man konnte dabei mitverfolgen, wie man vom Erdgeschoß des Gebäudes bis hinauf in den Weltraum katapultiert wurde. Und das war wirklich schön umgesetzt, vor allem wenn die Rakete nach oben in den Weltraum schoss. Aber ich kenne auch die nachfolgenden Designs, wie beispielsweise die Reise durch den menschlichen Körper.
Sie haben in den letzten Jahren immer wieder das Festival Ars Electronica besucht, und Sie waren schon in den frühen Jahren des Prix Ars Electronica dabei. Was war ihre erste Verbindung zur Ars Electronica?
Roy Ascott: Ich kann mich nicht genau an die Chronologie erinnern, aber ich hatte einen Lehrstuhl für Informationstheorie an der Angewandten, der Universität für Angewandte Kunst in Wien, für fünf oder sechs Jahre. Ich war eng mit einem kanadischen Künstler verbunden, der viele Jahre in Österreich lebte, Robert Adrian X, und ich verwirklichte eine Menge an Projekten mit ihm und seiner Frau Heide Grundmann. Sie war für das Kunstradio verantwortlich. Ich verbrachte mit ihnen sehr viel Zeit und sie stellten mir eigentlich die Angewandte vor.
Roy Ascott in der Prix-Jury 1990, Foto: ORF
Es ist lange her, aber ich war in Linz, Wien und Graz aktiv. In frühen Jahren, als ich hierher kam, fragten mich beide gleichzeitig und Peter Weibel, ob ich nicht einen Artikel schreiben könnte. Wir hatten damals 1989 unabhängig voneinander die Idee, dass es eine Kategorie für interaktive Kunst geben sollte. Es war eine Kunstform, über die wir sprechen konnten. Ein Jahr später, 1990, führte der Prix Ars Electronica eine Goldene Nica in der Kategorie “Interactive Art” und ich war Teil der ersten Jury in dieser neu geschaffenen Kategorie. Für mich war das der Beginn des Erwachsenwerdens unseres Feldes. Zu dieser Zeit gab es bereits Spezialeffekte, Sounds und andere Bilder, als die Interaktivität hinzukam und es den BetrachterInnen ermöglichte, daran teilzunehmen. Ich glaube, wir sind damals an dem Punkt angekommen, der uns die Legitimität dieser Kunstform gab.
Wie gesagt, ich kenne die genaue Chronologie meines ersten Kontakts mit der Ars Electronica nicht genau, das ist etwas in der Zeit verloren gegangen. Jedenfalls hat 1982 Robert Adrian X ein privates Netzwerk für seine Performance „The World in 24 Hours“ aufgebaut und 24 KünstlerInnen auf der ganzen Welt mit der Stadt Linz verknüpfte. Das war eines meiner ersten telematischen Werke, mit denen ich mich beschäftigt habe.
Roy Ascott bei der Preisverleihung 2014, Foto: Florian Voggeneder
Heute gibt es sehr viele junge MedienkünstlerInnen, die ihre eigenen Werke erschaffen. Können Sie ihnen als Visionary Pioneer of Media Art einen Rat mit auf den Weg geben?
Roy Ascott: Ich glaube, wir sollten unserem Herzen folgen. Wir müssen von innen heraus arbeiten anstatt emotional auf die jeweilige Situation zu reagieren. Ein Großteil der Kunst ist – egal ob es nun Medienkunst ist oder eine andere Kunst – eine Reaktion auf diese Tools, eine Reaktion auf die Technologie, die Antwort auf die Konventionen der Galerien dieser Zeit. Ich denke, hier lauert eine große Gefahr in unserem Bereich, da wir alle iPhones, iPads und die aktuellsten Dinge lieben, und je technisch ausgeklügelter sie sind umso traumhafter sind ihre technologischen Möglichkeiten. Aber ich glaube, wir sollten unserem Herzen folgen und von dem ausgehen, was wichtig ist, und dann die Werkzeuge ergreifen, die dafür geeignet sind. Wenn es diese Werkzeuge nicht gibt, dann ja, muss man schauen, was möglich ist. Das ist meiner Meinung nach der Schatten, der über dem Bereich der interaktiven Kunst hängt: All die Technologie um ihrer selbst willen. Deshalb glaube ich, wir brauchen eine viel rundere ganzheitliche Position. *lacht*