Mit dem „Kinderforschungslabor“ bietet das Ars Electronica Center seit Mitte Jänner 2015 ein neues Museumsangebot für Kinder von 4 bis 8 Jahren an. Nicole Grüneis von der Abteilung „Bildung und Kulturvermittlung“ des Museums der Zukunft hat das Pilotprojekt mitkonzipiert und erklärt im Interview den pädagogischen Grundgedanken, bei dem das aktive Experimentieren, Entdecken und vor allem Spielen im Mittelpunkt steht.
Das Kinderforschungslabor wurde für 4- bis 8-Jährige konzipiert – warum ist das Labor so spannend für Kinder?
Nicole Grüneis: Die meisten Angebote in unserem Museums- und Schulprogramm haben bisher bei Kindern ab 6 Jahren begonnen. Und wenn man sich die Museumslandschaft in Österreich oder vielleicht sogar in ganz Europa ansieht, findet dieser Kontakt mit technologischen und wissenschaftlichen Themen erst mit dem Schuleintritt statt. Wenn wir uns jedoch die Kinder heutzutage ansehen, kommen sie aber schon relativ früh mit Technologien und neuen Medien in Kontakt. Deswegen denke ich, es ist gut, wenn man das vorab schon etwas kennenlernt und trainiert. Natürlich muss der Zugang ein ganz anderer sein. Die Haptik, das Aussehen und die Herangehensweise muss eine andere sein, wenn man Kindergartenkinder miteinbezieht. Ich glaube, es ist wichtig, diesen Kontakt früher zu beginnen als mit dem Schuleintritt.
Warum gibt es diese Brücke zur Ausstellung „Device Art“?
Nicole Grüneis: Wir haben vor einem Jahr bereits eine temporäre Ausstellung für 4- bis 8-Jährige in Zusammenarbeit mit OTELO gehabt. „Kinder erleben Technik“ stand damals gesondert von allen Themen des Hauses im Foyer. Jetzt mit dem Entschluss, dass wir das selber machen, organisieren und konzipieren, lag natürlich die Idee ganz nahe, dass diese Themen, die im Kinderforschungslabor stattfinden sollen, an unseren Themen konkret andocken. Das sollte aber kein herkömmliches Führungsformat sein – wir waren gleich der Meinung, dass es ein stationäres Format sein soll. Kinder in diesem Alter brauchen einen geschützten, einen abgeschlossenen Raum. Unser Konzept haben uns dann auch der Linzer „Kindergarten der Zukunft“ und das Kinder- und Jugend-Service Linz bestätigt.
Für das Kinderforschungslabor greift ihr auf das Zitat von Albert Einstein zurück: „Das Spiel ist die höchste Form der Forschung“…
Nicole Grüneis: Das Zitat von Albert Einstein schließt ganz schön an das Konzept des Homo Ludens an, den spielenden Menschen, der durch das Spiel die Welt erforscht und sich Wissen aneignet. Und dieses Konzept haben wir auch für die Vermittlung der unmittelbar in der Nähe liegenden Ausstellung „Device Art“ verwendet. Darum passt das ganz gut. Bei „Device Art“ geht es darum, dass man mit spielerischer Entfremdung von Funktionen Geräte umgestaltet oder ganz anders mit Geräten umgeht. Dieser spielerische Umgang, finden wir, dockt sehr schön an diese magische, kreative und inspirative Weltsicht der Kinder an. Die Ausstellung passt ganz gut dazu. Natürlich war es auch eine Herausforderung, die „Device Art“, die ursprünglich für eine erwachsenere Zielgruppe konzipiert war, für Kinder zugänglich zu machen. Aber gerade hier können die Dinge durch diese verspielten Kinderaugen einfacher betrachtet werden als in einer anderen Ausstellung.
Uns blinzeln gerade zwei Augen an…
Nicole Grüneis: Die „Nikodamas“ sind ein gutes Beispiel. Sie stehen für diese Device Art und knüpfen an das Mitate, an diesen japanischen Humor, perfekt an, wo man einem Objekt eine Eigenschaft des anderen verleiht, damit eine Reibung und Entfremdung erzeugt und genau das das humoristische Element ausmacht. Man kann die „Nikodamas“ an einen Gegenstand wie einen Sessel anbringen und der Sessel ist jetzt kein Sessel mehr – man will sich vielleicht auf das Ding dann gar nicht mehr draufsetzen, weil man sich denkt, den störe ich jetzt lieber nicht. Wenn man das den Erwachsenen erklärt, dann erwischt man sie in so einer kindlichen – nicht naiven sondern verspielten – und alles so animistischen Weltsicht, dass das mit den Kinderaugen sehr gut einhergeht.
Wenn wir weiter durch das Kinderforschungslabor gehen, was können die Kinder zum Beispiel machen?
Nicole Grüneis: Neben sieben Experimentierstationen arbeiten wir aber auch konkret mit den Objekten in der Ausstellung „Device Art“. So hatten wir zum Beispiel am Anfang lang überlegt, wie wir mit der Arbeit „Tateye“ umgehen. Eine sozialkritische Konzeptkunst, eine Brille, die in die Retina eine Tätowierung lasert und das Bild der Welt damit verändert. Sie zeigt, wie wir geprägt werden durch Medien und unsere Sicht auf die Dinge damit sehr stark verändert wird. Zuerst habe ich mich gefragt, wie bekommen wir das mit Kindern hin? Schließlich haben wir die Ausstellung mit anderen veränderten Brillen erweitert – in einer Brille haben wir ein Röntgenbild gegeben, wo man den Röntgenblick machen kann. Oder eine Brille mit rosarotem Filter, wo man die Welt durch die rosarote Brille sehen kann. Hier kann man Kindern zeigen, wie man rein durch Verschiebungen von Aufmerksamkeiten das Bild verändern kann. Damit ist es möglich, mit Kindern überhaupt über das Thema Sehen zu sprechen. Oder eine alte Deep-Space-Brille mit dunklen Flecken zeigt blinde Flecken – damit kann man gut an die Dauerausstellung „Neue Bilder vom Menschen“ anknüpfen. Hier kann man normalerweise bei der Retina-Cam ein Bild von der eigenen Retina machen und den blinden Fleck sehen, den ja jeder von uns im Auge hat und den wir ja nicht erkennen. Wir glauben, wir können mit unseren Augen perfekt sehen, was aber nicht so ist, weil jeder diese blinden Stellen hat. Und das Thema kann man hiermit perfekt aufgreifen und das knüpft auch an die Themen des Hauses an. Das nur als Beispiel.
Nicole Grüneis
Es gibt dann auch noch Stationen, wo Kinder experimentieren können…
Nicole Grüneis: Ja genau, zum Beispiel haben wir auch wie im BioLab hier ein Auflichtmikroskop, wo die PädagogInnen schon in einer Vorbereitungseinheit gebeten worden sind, vom Kindergarten etwas mitzunehmen und sich Themen zu überlegen, ob sie die Natur anschauen, den Körper oder technische Geräte betrachten wollen. Das können sie hier mit 50-facher Vergrößerung tun. Was total spannend ist, sind diese Cubelets, diese modularen Robotikbausteine. Hier können die Kinder ausprobieren und sehen, wie komplexe Abläufe durch kleinteilige Interaktionen veränderbar sind. Es gibt Sensorenwürfel, es gibt Motorenwürfel, es gibt Beschwerungswürfel oder Batteriewürfel. Und je nachdem wie die Kinder diese Roboterbausteine zusammensetzen hat dieses Würfelkonglomerat eine andere Eigenschaft. Sie können dann auch entdecken, wie man den Würfel drehen muss, damit diese Roboterwürfeleinheit nach vorne fährt. Durch ganz einfache Veränderungen können die Kinder dieses System beeinflussen – dass es im Kreis fährt, dass es rückwärts oder vorwärts fährt. Dabei lernen sie das systemische Denken, wobei nicht nur ein Einzelding verändert wird sondern es eine Auswirkung auf das gesamte System gibt. Dabei haben sie auch die volle haptische Erfahrung. Die Würfel haften aneinander mit Magneten – wenn Kinder mit diesem Robotikthema überhaupt nichts anfangen können, dann kann man zumindest auf Magnetismus eingehen. Hier hat man recht schöne Möglichkeiten.
Vorsicht, hier kommt eine blinkende Roboterbiene herangekrabbelt…
Nicole Grüneis: Diese BeeBot-Experimentierstation mögen die Kinder auch sehr gerne. Die gelbe Roboterbiene kann mit Tastendruck programmiert werden. Am Boden haben wir Muster aufgeklebt, die Kinder können aber auch jede andere Form verwenden. Durch Drücken der Taste auf der Biene und der richtigen Häufigkeit des Drückens – vorwärts, seitwärts, rückwärts und Drehungen – können die Kinder lernen, wie sie Maschinen Befehle erteilen können. Hier geht es auch um das strategische Denken, das ich normalerweise auch aktivieren muss, wenn ich programmiere. Im Ars Electronica Center gibt es ja bereits andere Programmierworkshops für Kinder ab 8 Jahren. Dies basiert aber auf visuellen Bausteinen als Software am Computer, die man wie so ein Stecksystem zusammenbauen kann. Das ist aber für 4-Jährige noch zu schwierig. Was sie hier haben, ist die direkte Umsetzung ihrer Befehle bei einem physischen Objekt. Und das ist auch für das Alter wichtig, diese Verfolgbarkeit und die Möglichkeit, daraus Rückschlüsse ziehen zu können. Die Kinder zeigen hier ein sehr hohes Maß an Konzentration und Durchhaltevermögen. Die BeeBots eignen sich auch ganz gut zur Distanzabschätzung und das Verbalisieren von Richtungen und Bewegungen. Sie werden im Informatik-Unterricht eingesetzt, um die Befehlseingabe und das Vorausdenken zu trainieren – das funktioniert aber auch sehr gut mit den 4-jährigen Kindern.
Wann kann man das Forschungslabor besuchen?
Nicole Grüneis: Die Kindergärten können mit Kindern ab 4 Jahren zum Beispiel am Vormittag kommen, oder auch Hortgruppen bis 8 Jahren am Nachmittag. Die ersten Wochen sind für die Kindergärten des Magistrats der Stadt Linz reserviert, die ja auch vom Kinder- und Jugendservice der Stadt Linz gefördert werden, und dann können sich auch alle anderen Kindergärten und Volksschulen gerne bei uns vorab anmelden und vorbeikommen. Am Wochenende oder werktags über Mittag oder nach den Nachmittagsterminen der Kindergärten können alle kommen – auch wenn dabei nicht alle Stationen wie bei einem Gruppentermin zur Verfügung stehen. Wir haben auch schon gemerkt, dass Erwachsene darauf gut ansprechen und sich im Kinderforschungslabor richtig wohlfühlen. Die geringe Höhe der Möbel scheint sie überhaupt nicht zu irritieren.
Hinweis: Weitere Informationen zum Kinderforschungslabor finden Sie auf ars.electronica.art/center/kinderforschungslabor.