Victoria Vesna ist Künstlerin und Professorin am Department of Design|Media Arts an der UCLA sowie Leiterin des Art|Sci Center an der School of the Arts und des California Nanosystems Institute (CNSI). In ihrer experimentellen, kreativen Forschung verbindet sie unterschiedliche Disziplinen und Technologien. So untersucht sie beispielsweise in ihren Installationen, wie Kommunikationstechnologien das gesellschaftliche Verhalten beeinflussen und ob sich die Wahrnehmung der eigenen Identität durch den wissenschaftlichen Fortschritt verändert.
Beim Prix Ars Electronica 2015 wird Victoria gemeinsam mit drei anderen Jurymitgliedern den Gewinner oder die Gewinnerin der Kategorie Hybrid Art küren. Wir haben mit ihr gesprochen und herausgefunden, was sie unter dem komplexen Begriff Hybrid Art versteht, woran sie gerade arbeitet und wonach sie in den eingereichten Arbeiten zum Prix Ars Electronica 2015 sucht.
Hallo Victoria! Es gab in den letzten Jahren viele Diskussionen darüber, was das eigentlich für eine Art der Kunst genau ist, die mehrere Disziplinen miteinander verbindet. Deshalb ist es auch nicht leicht zu sagen, was Hybrid Art genau ist. Könntest du versuchen zu beschreiben, was es für dich ist?
Victoria Vesna: Meiner Meinung nach bewegt sich Hybrid Art rund um all jenes, was im Allgemeinen als „Kultur“ bezeichnet wird. Meistens werden dabei experimentell neue Ideen erforscht, die die Zusammenarbeit mit anderen Disziplinen erfordern. Oftmals wird es aber von der etablierten Kunstwelt nicht einmal als Kunst wahrgenommen, weil sich Hybrid Art einfach nicht an den üblichen festgelegten Arbeitsweisen der Kunst bedient. Oft ist diese Art der Kunst ihrer Zeit bereits voraus und dadurch werden viele großartige Ideen missverstanden und verworfen. Die aktuelle Globalisierung spiegelt sich in der künstlerischen Forschung wieder, weil sie über Computer-Technologien hinausgeht und in wissenschaftliche Labore eintaucht und hier Veränderungen in rasender Geschwindigkeit passieren. Und nachdem herkömmliche Methoden aufgrund der schnellen Veränderungen in der Forschung nicht immer für die jüngsten Entdeckungen angewandt werden können, öffnen sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler immer öfter Künstlerinnen und Künstlern, um mit ihnen zusammenzuarbeiten und neue Wege zu ergründen. Hybrid Art wird aus diesem Grund immer komplexer und noch verwirrender zu erklären.
Zero @ Wavefunction (Credit: Victoria Vesna)
Die Werkzeuge der Medienkunst ändern sich ständig. Hat sich dadurch auch schon die Bedeutung des noch sehr jungen Konzepts der Hybrid Art verändert?
Victoria Vesna: Die Werkzeuge der Medienkunst ändern sich je nachdem, was in der Technologie gerade entwickelt wird und was Künstlerinnen und Künstler mit diesen Technologien kreieren. Deshalb beeinflusst sich das gegenseitig. Technologische Fortschritte gehen Hand in Hand mit der künstlerischen Erforschung neuer Ausdrucksweisen. Künstlerinnen und Künstler reflektieren den aktuellen Stand des kollektiven Bewusstseins, der sich ständig von einem Extrem ins andere bewegt und können dabei die Richtung in geringem Maße vorgeben oder auch einfach nur andere Sichtweisen aufzeigen.
Gibt es momentan irgendwelche Trends in der Hybrid Art? Gibt es Prallelen zu aktuellen politischen oder sozialen Themen?
Victoria Vesna: Es gibt nicht nur einen Trend. Es gibt extrem viele und das ist vielleicht auch schon die Antwort auf deine zweite Frage. Ich würde sagen, dass Umweltfragen – angefangen von der Nahrung, die wir essen, das Wasser, das wir trinken, bis hin zu Treibstoff- und Energiefragen – zunehmend in künstlerischen Arbeiten reflektiert werden. Dabei spiegelt jeder einzelne Ausdruck die aktuellen Themen und damit auch die aktuelle globale Situation wieder. Wir sind momentan in einem Zustand der ständigen Unruhe und Künstlerinnen und Künstler, die mit Hybrid Art arbeiten, reagieren darauf, indem sie die Werkzeuge nehmen, die am leichtesten zugänglich und verständlich sind – nämlich Kommunikationstechnologien.
Quantum Tunneling (Credit: Victoria Vesna)
Deine Arbeiten sind meistens auch transdisziplinär und verbinden Kunst, Wissenschaft und (Nano-) Technologie. Was reizt dich daran verschiedene Disziplinen miteinander zu verbinden?
Victoria Vesna: Neue Wissenschaftsbereiche, wie die Nano- und Biotechnologie würden ohne Computertechnologien nicht existieren und deren Entwicklung erfolgte parallel zur Entstehung der Medienkunst. Traditionelle wissenschaftliche Methoden funktionieren in diesen Bereichen, die ja grundsätzlich interdisziplinär sind, nicht so gut und das gleiche gilt auch für die Hybrid Art in Bezug auf Kunst. Deshalb kann das Zusammenspiel dieser unterschiedlichen Genres ziemlich kreativ sein. Viele meiner langjährigen Freundschaften zu Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern entwickelten sich bisher bei Projekten, in denen wir beispielsweise gemeinsam versuchten philosophischen Ideen auf den Grund zu gehen. Wir sind von der gleichen Neugier angetrieben, die Welt um uns herum zu verstehen, unsere Rolle darin und auch nach dem Sinn unserer Existenz zu suchen und nach einer Weile hat es uns gelangweilt uns nur darüber zu unterhalten. Deshalb sind die Projekte der Ausdruck unserer Ideen und Diskussionen geworden, die letztlich unsere Gedanken ändern und/oder erweitern.
In den letzten Jahren hast du auch viel mit dem Nanowissenschaftler James Gimzewski zusammengearbeitet. Wie war die Zusammenarbeit? Woran habt ihr gearbeitet?
Victoria Vesna: Eigentlich waren es mehr als ein paar Jahre – die Zusammenarbeit mit James Gimzewski dauerte mehr als ein Jahrzehnt! Wir arbeiten jetzt schon seit 2002 zusammen und versuchen in unseren Projekten Kunst und Wissenschaft miteinander zu verbinden. Ich bin von der Nanotechnologie begeistert, seit ich die Arbeit von Buckminster Fuller für mich entdeckt habe. Mich interessiert dabei vor allem, wie natürliche, biologische Systeme seine architektonischen Bauwerke und die Philosophie dahinter beeinflusst haben. Nach ihm wurde die dritte bekannte elementare Modifikation des Kohlenstoffs benannt, die Fullerene, deren chemische Struktur an seine Kuppelbauten erinnert. Das bisher am besten erforschte Fullerene, C60, wird auch als Buckminster-Fulleren bezeichnet. Das führte zur Verleihung des Nobelpreises 1996 an Sir Harry Kroto von der Sussex University und an Robert Curl und Richard Smalley von der Rice University.
2001 habe ich das Symposium “From Networks to NanoSystems” organisiert und James Gimzewski eingeladen, weil ich nicht nur eine Diskussion unter Künstlerinnen und Künstlern zu diesem Thema führen wollte, sondern auch jemanden dabei haben wollte, der tatsächlich im Bereich der Nanowissenschaft tätig ist. Es stellte sich heraus, dass er, genau wie ich, Nachforschungen über Fullerene machte, er aber kaum Kenntnisse von Buckminster Fuller hatte. Also haben wir begonnen voneinander zu lernen und schon bald entstand unser erstes gemeinsames Projekt “Zero @ Wavefunction”, bei dem das Publikum projizierte Fullerene mit ihren Schatten manipulieren konnte. Darauf folgte eine Reihe weiterer Werke, wie Nanomandala, Quantum Tunnel, Cell Ghosts und zuletzt Blue Morph. In den letzten paar Jahren hat James an der Entwicklung eines künstlichen Gehirns gearbeitet und wir sprechen gerade darüber damit ein weiteres gemeinsames Projekt zu machen.
Wonach suchst du als Jurorin bei den eingereichten Arbeiten in der Kategorie Hybrid Art beim Prix Ars Electronica 2015?
Victoria Vesna: Ich suche immer nach Arbeiten, die gewagt und komplex sind und auf vielen verschiedenen Ebenen interpretiert werden können. Es gibt keine besonderen Regeln oder Formeln für meine Auswahlmethode – ich höre auf mein Bauchgefühl, wenn ich mir die Arbeiten ansehe. Ich mag es, Unerwartetes zu sehen und einfach überrascht zu werden. Die Arbeiten des Prix Ars Electronica sind dafür bekannt neue, innovative technologische und konzeptionelle Ideen aufzuzeigen. Deshalb freue ich mich schon sehr darauf sie endlich zu sehen.
Victoria Vesna, Ph.D., ist Künstlerin und Professorin am Department of Design|Media Arts an der UCLA sowie Leiterin des Art|Sci Center an der School of the Arts sowie des California NanoSystems Institute (CNSI). Sie promovierte 2000 an der University of Wales. In ihren Installationen untersucht sie, wie Kommunikationstechnologien das Kollektivverhalten beeinflussen und ob sich die Identitätsauffassung in Zusammenhang mit wissenschaftlichem Fortschritt verändert. Sie unterhielt im Rahmen ihrer Projekte langfristige Kooperationen mit Komponisten, Nanowissenschaftlern, Neurowissenschaftlern, Evolutionsbiologen und vermittelt die dabei gewonnenen Erfahrungen ihren Studenten. Vesna ist Herausgeberin der Zeitschrift AI & Society und publizierte die Sammelbände Database Aesthetics: Art in the Age of Information Overflow (2007) sowie Context Providers: Conditions of Meaning in Media Arts (2011).
Mehr Informationen zum Prix Ars Electronica finden Sie unter: https://ars.electronica.art/prix/