Expanded Animation – den Ausfransungen auf der Spur

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Wer sich für Animationen interessiert, hat beim Ars Electronica Festival 2015, das von 3. bis 7. September 2015 in Linz stattfinden wird, eine zentrale Anlaufstelle – einen Ort, an dem sich alle Aktivitäten zum Thema Computeranimation bündeln werden. Das CENTRAL, ein ehemaliges Kino mitten in der Stadt, wird zum Schauplatz für eine Auswahl der besten zum Prix Ars Electronica eingereichten Animationen. Neben den Screenings wird auch das Prix-Forum der Kategorie „Computer Animation / Film / VFX“ an diesem Ort stattfinden, bei dem die JurorInnen des Prix Ars Electronica ihre Gedanken mit dem Publikum teilen. Am 4. und 5. September 2015 steht dann noch eine weitere Ausgabe des Symposiums „Expanded Animation“ auf dem Programm. Die Organisatoren Jürgen Hagler und Alexander Wilhelm vom Studiengang „Digital Arts“ der FH OÖ Campus Hagenberg geben einen ersten Einblick.

Expanded Animation – was kann man sich darunter vorstellen?

Jürgen Hagler: Die Idee zu diesem Symposium hat sich im Jahr 2013 entwickelt. Wir wollten ein Symposium schaffen, bei dem die Studierenden der Fachhochschule Hagenberg auf internationale KünstlerInnen und ForscherInnen treffen und zum Thema Computeranimation und deren Ausfransungen diskutieren können. Dann hat sich die Kooperation mit der Ars Electronica ergeben und da denkt man natürlich größer.

Alexander Wilhelm: Es gibt ein riesiges Feld an synthetischer Bilderzeugung, das sich total ausfranst. Dadurch verliert man etwas den Ãœberblick, wo eigentlich Animation und digitale Bilderzeugung zum Einsatz kommen. Wir wollten das einfach wieder bündeln und den Studierenden zeigen, welches Potential es da gibt und in welchen Bereichen sie arbeiten können. Animation ist eigentlich die Essenz von einem mensch-gemachten Bild – eine Disziplin, die weit hinausragt und sehr gut zeigt, was wir eigentlich so alles aus uns Menschen herauszaubern können.

Jürgen Hagler, Alexander Wilhelm

Jürgen Hagler und Alexander Wilhelm, Foto: Martin Hieslmair

„Von mensch-gemachte Bewegtbilder“, das ist also die äußerste Definition von Animation?

Alexander Wilhelm: Ja, das würde ich ganz krass formuliert so sagen.

Jürgen Hagler: Das ist auch das Unterfangen. Man stellt Animation und Computeranimation ins Zentrum und schaut sich die Ausfransungen an. Und dadurch, dass man alle möglichen Satelliten betrachtet – die Verbindungen zu Computerspielen, zu Interaktionen, zu Medienkunst, zu Wissenschaft, und so weiter – versucht man natürlich auch wieder das, was in der Mitte steht, ein Stück weit zu definieren.

Wir schauen uns andere Disziplinen und Schnittmengen an, um diese Ausfransungen als Definition von Computeranimation herzunehmen. Am Schluss entsteht ein riesengroßer Fundus an Dokumenten, Screenings und Events, der versucht, Animation und deren Erweiterungen zu definieren und darzustellen.

Das hat in den letzten zwei Jahren ganz gut funktioniert. Das versuchen wir weiterzutreiben und es gibt mit expandedanimation.com auch eine umfassende Website mit den einzelnen Vorträgen. Und in diese Richtung soll es auch 2015 so weitergehen.

Alexander Wilhelm: Zum Thema Definitionen hat man natürlich vor Ort eine riesige Auseinandersetzung. Wenn man sich diesen kleinen Schatz an Vorträgen über Jahre denkt, kommt dann ein Fundus heraus, bei dem sich letztendlich eine Definition finden kann – ein Kern an ganz vielen Kompetenzen, die zu diesem Thema gesprochen haben, sei es aus der Perspektive von KünstlerInnen oder aus der theoretischen Perspektive. Und mit dem Prix-Forum und den Begründungen der Jury, warum diese Arbeiten in dieser Form relevant sind, haben wir noch einmal einen Schritt mehr an einer wunderbaren Zusammenfassung aktueller Entwicklungen im Bereich Animation.

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Prix-Forum, Foto: Tom Mesic

Jürgen Hagler: Zu Beginn der Kategorie „Computer Animation / Film / VFX“ des Prix Ars Electronica war man sich klarer, was Computeranimation ist. Wenn man sich diese Entwicklung anschaut, wurde sie immer wieder neu überdacht und der Juryprozess war immer sehr befruchtend mit neuen Ideen. Auch in den Einreichungen zum Prix Ars Electronica hat man dies gemerkt. Ein Symposium, wo diese Entwicklung thematisiert wird, und weitere Events rund um Animation sind sehr gute Ergänzungen zur Kategorie mit ihren verschiedenen Blickwinkeln und aktuellen Trends.

Alexander Wilhelm: Ein ganz wichtiger Teil des Symposiums ist natürlich immer die Idee, dass man Fachleute aus verschiedensten Richtungen zusammenbringt und die dann ins Gespräch kommen. Und daher ist das natürlich auch gedacht als Kondensationskeim für Österreich, um Leute aus Animation Studies und KünstlerInnen zusammenzubringen. Sie sehen innerhalb dieses international renommierten Festivals auch, dass da Ernsthaftes ist, das auch wirklich als Beruf funktionieren kann. Diese Ernsthaftigkeit wollen wir hier mitforcieren und einen Kommunikationspool generieren.

Ein ganz wichtiger Seiteneffekt, dass hier Leute angeregt werden, sich selber mit ihrer Arbeit wahrzunehmen – während anderswo rundherum in Europa und auf der ganzen Welt Milliarden Euro damit generiert werden.

Welchen Themen wird sich „Expanded Animation“ heuer zuwenden?

Alexander Wilhelm: Ganz großes Thema dieses Jahr ist die Hybridisierungsthematik, wo man merkt, hier verzahnen sich Techniken. Es passiert einfach, weil Leute auf der Suche nach spontanen Ausdrucksmöglichkeiten plötzlich Dinge in einen Pool werfen und mit Methoden arbeiten, die zuerst gar nicht so gedacht waren.

Jürgen Hagler: Wir werden uns heuer verstärkt die Schnittstelle Technologie, Kunst und Animation anschauen. Hier versuchen wir, neue Wege im Umgang mit Technologie aufzuzeigen. Die Fragen nach der neuesten Technologie und den schönsten Bildern interessieren uns dabei weniger – wir wollen zu den Wurzeln der Animation zurückgehen und schauen, wo FilmemacherInnen auch ErfinderInnen von Animationstechniken waren. Ganz am Anfang der Animation war schon festzustellen, dass Technologie, die nicht für Animation bestimmt war, für künstlerische Arbeiten verwendet hat. Das passiert immer wieder – auch in den Einreichungen zum Prix Ars Electronica.

Man ist dann plötzlich überrascht, was man mit der Technologie, die man womöglich auch selbst benutzt, anstellen kann.

Können Sie uns da ein Beispiel nennen?

Alexander Wilhelm: Ein ganz klassisches Beispiel ist der Bullet-Time-Effekt aus dem Film „Matrix“. Hier ist jemand auf die Gedanken gekommen, Kameras radial aufzustellen und den Film durchzuziehen. Aus einem Experiment heraus ist dieser Effekt generiert worden. Ein weiteres Beispiel sind 3-D-Scans. Heute haben wir so schöne Methoden, über Fotos 3-D-Scans zu machen. Mittlerweile gibt es verschiedene Softwarepakete, viele davon kostenlos. Ich kann eine Situation komplett geometrisch erfassen, indem ich ein paar aus der Hand geschossene Fotos mache. Plötzlich ist es möglich geworden, in einer Form mit 3-D zu arbeiten, wie es vorher nicht möglich war. Jetzt geht die Tür auf, und wir sehen die Potentiale. Wir können zwar noch nicht erahnen, wohin dies führt, aber wir sehen schon die kleinen Ausfransungen davon.

Jürgen Hagler: Ein weiteres aktuelles Beispiel ist „Shadowland“ von Kazuhiro Goshima – er hat beim Prix Ars Electronica 2014 mit dieser experimentellen Arbeit eine Auszeichnung in der Kategorie „Computer Animation / Film / VFX“ bekommen. Goshima setzt Stereoskopie, eine Technologie, die es seit über 150 Jahren gibt, in einer ganz neuen Art und Weise ein: Mit einer herkömmlichen Videokamera werden bewegte Schatten aufgenommen und in eine dreidimensionale stereoskopische Bildwelt transferiert Die Stereoskopie bekommt hier eine neue Funktion: aus bewegten zweidimensionalen Formen werden räumlich Bildkonstruktionen.

Passiert das erst jetzt, dass sich Menschen Gedanken machen, das alles zu kombinieren?

Alexander Wilhelm: Passiert ist das schon immer. Wir haben jetzt zwar eine Schallmauer durchbrochen, wo die Verfügbarkeit der Technologie und die Demokratisierung der Technik so rapide angewachsen sind. Das hat mit vielen Dingen zu tun – allein wenn man die mobilen Geräte denkt, die tragbare Computer für jeden sind.

Es war noch nie so gedacht, dass man mit Computern spontan spazieren geht. Plötzlich gibt es das.

Hier kommt die Kombination zusammen, dass es Leute gibt, die sich für Fotografie und Videoaufzeichnung interessieren, einen riesigen Markt, und es gibt diesen digitalen Flaneur, der mit dem Smartphone durch die Welt wandert und auch den Alltag zum Teil seines Ausdrucks macht. Dort schnell mal ein Foto, hier noch ein Video, und da ein 3-D-Scan von einem Raum, weil es eben möglich ist. Das ist ein technologischer Zufall, dass es sich gerade alles so schön verzahnt. Natürlich hat es immer KünstlerInnen gegeben, die ganz schnell Fantasie für Kombinationen hatten – das beschleunigt sich jetzt sehr stark.

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Jürgen Hagler und Wilhelm Alexander während des Jury-Meetings, bei dem die JurorInnen des Prix Ars Electronica 2015 die GewinnerInnen der Kategorie „Computer Animation/Film/VFX“ nominierten, Foto: Martin Hieslmair

Das Auswählen von Animationen wird also auch viel schwieriger…

Jürgen Hagler: Das heißt jetzt nicht, weil viele Menschen diese Möglichkeiten haben, dass man dann automatisch ganz viele innovative neue Wege beschreitet. Wir interessieren uns für ForscherInnen, die kreativ mit der Technologie umgehen. Es gibt auch Menschen, die selbst Technologie entwickeln, indem sie sie modifizieren oder hacken.

https://www.youtube.com/watch?v=E2lNz1LqYyQ

Alexander Wilhelm: Das Kino hatte von Anfang an einen Trick in sich, wenn man beispielsweise an Georges Méliès denkt. Er hat schon an den ersten Tricks gebastelt, da war die Kamera noch nicht fertig. Allein mit der Tatsache, dass man die Spur anhalten, etwas verändern und wieder einschalten kann, hat er ganz viele Sachen sehr schnell entwickelt. Und dann gibt es Leute wie den Youtube-Star Zach King, der ganz einfach schnelle Effektfilme macht und denselben Trick wie Georges Méliès verwendet – aber auf eine so raffinierte Art und Weise, dass man es nicht merkt. Die Effekte haben die Leute wochenlang zum Grübeln gebracht. Dann hat es ein Making-of gegeben, wo man sieht, wie banal das gelöst ist. Das ist auch eine Grundlage, was Animation repräsentiert. Innovation kann oft auch wieder ein Schritt zurück sein.

Animation braucht immer eine Oberfläche, um dargestellt zu werden, wenn man an die Kinoleinwand denkt. Auch hier verschwimmen die Grenzen.

Jürgen Hagler: Natürlich! Beim Expanded Cinema, wo es darum geht, hinaus aus dem Kino zu gehen, gibt es bewusst Anknüpfungen. Animation kann auch keine Oberfläche haben, sie kann dreidimensional sein, es kann eine Performance sein oder auf unterschiedlichen Projection-Mappings skulptural werden. Wenn man Projection-Mappings, Installationen und Skulpturen dokumentiert, die für einen anderen Kontext gedacht sind, erhält man eine Dokumentation, die man auch im Kino zeigen kann. Hier zeigt sich auch die Schwierigkeit des Zeigens.

Alexander Wilhelm: Eine Dokumentation wird in diesem Sinne der Arbeit nicht gerecht. Projection-Mappings beziehen sich auf einen Ort, das lässt sich momentan schwer lösen.

Auf dem Ars Electronica Blog stellen wir Ihnen laufend weitere Programmpunkte vor, die Sie beim Ars Electronica Festival, von 3. bis 7. September 2015, in Linz erwarten werden. Mehr Infos zum Festival finden Sie auf ars.electronica.art/postcity!

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