Zukunftsvisionen für Gesundheit, Medizin und Wohlbefinden

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Das Ars Electronica Futurelab ist auf der Suche nach KünstlerInnen, die Visionen von neuen Technologien in den Bereichen Gesundheit, Medizin und Wohlbefinden haben. Worum es sich bei dem Open Call zum Projekt „Sparks“ genau handelt, wie man daran teilnehmen kann und was die Teilnehmerinnen und Teilnehmer bei der Residency im Ars Electronica Futurelab erwartet, verrät Claudia Schnugg, Senior Curator des Ars Electronica Residency Networks, im Interview. Bewerben auch Sie sich! Die Einreichfrist wird bis 30. September verlängert!

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Ein Beispiel für ein Projekt, das Kunst und Medizin miteinander verbindet: Holoman vom Ars Electronica Futurelab (Credit: rubra)

Hallo Claudia! Zunächst einmal, was ist Sparks eigentlich?

Claudia Schnugg: Sparks ist ein von der EU, im Rahmen des Horizon 2020 Programms, gefördertes Projekt, an dem sich europaweit Forschungsinstitutionen, Museen und Wissenschaftsvermittlungsinstitutionen wie Science Galleries und Science Shops beteiligen. Bei Sparks geht es grundsätzlich um die Vermittlung von zwei zentralen Anliegen der Europäischen Union an die europäische Bevölkerung: Einerseits sollen die aktuellen Entwicklungen im persönlichen Alltag und neue Möglichkeiten durch Einbringung neuer Technologien im Bereich der Gesundheit, Medizin und Wohlbefinden veranschaulicht werden, und andererseits soll durch die dargebrachten Beispiele die Idee von „verantwortungsvolle Forschung und Innovation (Responsible Research & Innovation, kurz RRI)“ verständlich vermittelt werden. Dazu organisieren die an Sparks beteiligten Organisationen eine Wanderausstellung, die in 28 Ländern der EU und in der Schweiz gezeigt wird. Außerdem werden insgesamt 230 Veranstaltungen, wie Science Cafés, Szenario Workshops und Hackatons organisiert.

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Wer kann an diesem Open Call teilnehmen?

Claudia Schnugg: Wir erwarten Beiträge von Künstlerinnen und Künstlern mit den unterschiedlichsten inhaltlichen Ansätzen. Wichtig ist, dass sie in der Lage sind, mit neuen Medien und Technologien zu arbeiten und daraus greifbare Objekte entwickeln können, mit denen sie die thematisierten Inhalte eindrucksvoll veranschaulichen. Mit welcher Art digitaler Medien oder Technologien die Bewerberinnen und Bewerber arbeiten, bleibt ihnen offen. Sie sollen jedoch in der Lage sein, selbständig damit Arbeiten zu entwickeln.

Darüber hinaus sollten sie ein Interesse an der Thematik von Sparks mitbringen und sich auf die gemeinsame Arbeit mit den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern des Ars Electronica Futurelabs einlassen. Dennoch steht natürlich der künstlerische Zugang, mit dem die Bewerberinnen und Bewerber auf das Thema zugehen, im Vordergrund.

Wir freuen uns auch über Einreichungen, in denen sie zeigen, dass sie schon einen gewissen Background mitbringen. Dies kann eine besondere Expertise im genutzten Medium sein, oder aber auch vorangegangene Ideen, an denen sie schon gemeinsam mit Wissenschaftlerinnen oder Wissenschaftlern in diesem Bereich gearbeitet haben und die sich anbieten, im Rahmen von Sparks weiterzuentwickeln. In diesem Sinne können sich auch Künstlerduos bewerben.

E.Chromi (2009) von Alexandra Daisy Ginsberg (UK), James King (UK) & the University of Cambridge iGEM 2009 team als Beispiel

Was wären Beispiele für neue Entwicklungen von Technologien im Bereich Gesundheit, Medizin und Wohlbefinden?

Claudia Schnugg: Neue Technologien lassen sich in den unterschiedlichsten Bereichen finden. Dabei braucht man sich aber nicht nur die high-tech Labors der Medizinerinnen und Medizinern, Bio-Modifikationen durch Genetikerinnen und Genetikern oder Maschinen auf Intensivstationen vorstellen, sondern diese Entwicklungen reichen oftmals schon jetzt in unseren Alltag oder betreffen den täglichen Umgang mit Patientinnen und Patienten.

Das erste Beispiel ist die Nutzung von Big Data und auch persönlichen Logs als Basis für die Berechnung wichtiger Informationen zur persönlichen gesundheitlichen Unterstützung, aber auch im Umgang mit Impfungen, zur Eindämmung von Epidemien oder anderen globalen Gefährdungen. Techniken zur Erfassung all dieser Daten können schon durch Apps oder tragbare Messgeräte das Alltagsleben geringfügig verändern und dennoch viele Leben erleichtern oder gar retten. Auch E-Coaches oder als Spiele gestaltete Apps zur Verbesserung der eigenen Fitness fallen in diesen Bereich.

Als zweites Beispiel lassen sich konkret jene Geräte, Modifikationen und Implantate nennen, mit denen zur Behandlung psychischer Erkrankungen und zur Verbesserung der geistigen Leistungsfähigkeiten experimentiert wird.

Als drittes Beispiel wären da zum Beispiel neuartige Interfaces, die Patientinnen und Patienten oder aber auch Menschen im Umgang mit Medikamenten, Nahrung oder bei alltäglichen Tätigkeiten unterstützen. So werden Prototypen von Prothesen entwickelt, die gedankengesteuert sind und helfen sollen, Phantomschmerzen zu überwinden. Es wird auch mit diversen Wearables oder der Anbringung von Interfaces direkt auf der Haut experimentiert, um die Steuerung diverser Geräte zu übernehmen. In diesem Bereich hat heuer beim [the next idea] voestalpine art and technology grant die brasilianische Künstlerin und Interface Designerin Katia Vega mit ihrem Projekt eine Honorary Mention gewonnen, in dem sie mit Conductive Paint arbeitet und so Controller für diverse Interaktionen direkt am Körper anbringt. Derartige Ansätze würden für Patientinnen und Patienten mit locked-in Syndrom Lösungen bieten, da sie rein durch Blinzeln und Bewegungen der Augen Technologien bedienen könnten.

Weiters kann der Umgang mit Robotern bei der Pflege von Menschen genannt werden. Dazu haben wir auch einiges im Ars Electronica Center, das mittlerweile schon seit längerem Einsatz findet, wie unter anderem Paro seit 2003. Paro ist ein, wie eine weiße Robbe aussehender, lernfähiger Roboter, der in Japan und Europa zur Therapie von Alzheimerpatientinnen und –Patienten eingesetzt wird. Ein anderes sehr großes Thema in diesem Bereich ist die Entwicklung von Roboter-Krankenpflegerinnen und –Pflegern, die künftig zur Pflege von bettlägerigen Patientinnen und Patienten oder auch in Hospitälern eingesetzt werden können.

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LillyBot 2.0 (2014) von Cesare Griffa (IT)

Wer entscheidet, wer an der Residency teilnehmen darf?

Claudia Schnugg: Die Einreichungen werden den Konsortiumsmitgliedern von Sparks im Rahmen eines Treffens am 8. Oktober in Amsterdam vorgestellt. Die Entscheidung über die drei Gewinnerinnen beziehungsweise Gewinnern trifft eine Jury, die aus Vertreterinnen und Vertretern von denjenigen Partnerinstitutionen zusammengesetzt ist, die für die inhaltliche und künstlerische Gestaltung der Ausstellung sowie das Ausstellungsdesign verantwortlich sind. Diese Partner sind die Ars Electronica, das Science Museum London und das AIGHD/AHTI (Amsterdam Institute for Global Health and Development/Amsterdam Health and Technology Institute).

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Gene Gun Hack von Rüdiger Trojok (DE)

Was erwartet die Teilnehmerinnen und Teilnehmer bei der Residency im Ars Electronica Futurelab?

Claudia Schnugg: Geplant ist eine kollaborative Erarbeitung der Ausstellungsstücke zwischen den Künstlerinnen und Künstlern und den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern beziehungsweise den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus dem Ars Electronica Futurelab. Dabei sollte sich ein gemeinsamer hybrider Arbeitsstil entwickeln. Es liegt an den Künstlerinnen und Künstlern sich mit ihrem spezifischen Interesse und Background für die Residency zu bewerben, jedoch sollte der Prozess zur Entwicklung der Kunstwerke sowohl Inputs aus dem Bereich der Wissenschaft, als auch das Mentoring und die Ideen der Futurologinnen und Futurologen aus dem Ars Electronica Futurelab zulassen. Im Ars Electronica Futurelab haben wir durch die laufenden Residencyprogramme mit diversen Forschungsinstitutionen, wie CERN und der ESO, aber auch durch frühere Projekte, wie Studiolab und den Connecting Cities Research Residencies, schon einiges an Erfahrung mit dem Aufbau derartiger Projekte gesammelt. Dadurch stehen wir diesen Kollaborationen zuversichtlich gegenüber und können erreichen, dass sowohl die Kunst als auch die Wissenschaft einen essentiellen Beitrag zum künstlerischen Ergebnis leisten können.

Die Wanderausstellung Sparks geht dann ab Juni 2016 auf Reise, wobei der erste Ausstellungsort das Science Museum London sein wird. Ab Juli 2016 ist sie dann immer gleichzeitig an vier Orten in Europa für zwei Monate zu sehen. Bis Dezember 2015 sollten die KünstlerInnen gemeinsam mit den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus dem Ars Electronica Futurelab ein Konzept oder einen Prototypen ihrer Arbeit entwickelt haben. Dabei müssen sie natürlich nicht durchgehend vor Ort sein, aber eine gemeinsame Entwicklungsphase in Form einer zwei- bis dreiwöchigen Residency wird es geben. Die Vervielfältigung und Fertigstellung der Arbeiten für die vier Klone der Ausstellung muss dann bis Mai 2015 abgeschlossen werden.

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Metabodies von Sonja Bäumel (AT) mit Manuel Selg (AT)

Kannst du uns schon mehr über die Wanderausstellung verraten?

Claudia Schnugg: Die Ausstellung wird sich mit einer Reihe von Beispielen beschäftigen, womit sich wissenschaftliche Forschung und technologische Entwicklung im Bereich Gesundheit, Medizin und Wohlbefinden aktuell beschäftigen und wie dabei auf die Bedürfnisse der unterschiedlichen Interessensgruppen eingegangen wird. Momentan entwickeln AIGHD (Amsterdam Institute for Global Health and Development) bzw. das daraus entstandene AHTI (Amsterdam Health Technology Insitute) die relevanten wissenschaftlichen Inhalte der Ausstellung und das Science Museum London das Ausstellungsdesign.

Die Themen der Ausstellung werden sich mit dem Einfluss von Technologien in den unterschiedlichsten Bereichen von Gesundheit, Medizin und Wohlbefinden beschäftigen, wie sie auch die zuvor genannten Beispiele widerspiegeln. An jedem Ausstellungsort wird die Vermittlung der Inhalte durch interaktive und partizipative Veranstaltungen unterstützt. Außerdem werden lokale Fallbeispiele die Inhalte der ansässigen Bevölkerung greifbar machen. Für den künstlerischen Beitrag und Ausblick auf mögliche zukünftige Technologien wird das Ars Electronica Futurelab gemeinsam mit den Teilnehmerinnen und Teilnehmern dieser Residency sorgen. Das Ars Electronica Center wird im Verlauf des Projekts die Sparks Ausstellung zeigen und die Veranstaltungen organisieren.

Claudia Schnugg ist Senior Curator des Ars Electronica Residency Networks und verantwortet in diesem Rahmen auch das Sparks Projekt, zu dem das Ars Electronica Futurelab im Rahmen der Residencies gemeinsam mit den KünstlerInnen und WissenschaftlerInnen die künstlerischen Beiträge liefert. Als Senior Researcher ist sie aufgrund ihres interdisziplinären akademischen Hintergrunds an Kunst- und Wissenschaftskollaborationen interessiert.

Bewerben Sie sich jetzt für diese Residency am Ars Electronica Futurelab! Vielleicht bekommen Sie die Möglichkeit Ihre künstlerische Visionen für den Bereich Gesundheit, Medizin oder Wohlbefinden mit Unterstützung des Ars Electronica Futurelabs umzusetzen. Die Einreichfrist wird bis 30. September verlängert! Hier geht’s zum Open Call: https://ars.electronica.art/sparks/

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