Inspirierende Reisen in die Welt der Wissenschaft

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Gemeinsam mit der Europäischen Südsternwarte (ESO) in Chile öffnet Ars Electronica interessierten KünstlerInnen ein weiteres Mal das „Window of Opportunity“, mehrere Wochen an einem der ESO-Standorte in Chile sowie im Ars Electronica Futurelab in Linz zu verbringen. Der Open Call läuft bis 29. November 2015 – weitere Details und die Möglichkeit, das eigene Projekt hierfür einzureichen, gibt es auf ars.electronica.art/artandscience. Doch wie läuft so eine Residency eigentlich ab? Dank María Ignacia Edwards, der ersten Künstlerin, die vom European Art and Science Network profitierte, gibt es bereits ein Paradebeispiel, wie so etwas funktionieren kann und abläuft. Wir haben darüber mit Claudia Schnugg gesprochen – sie arbeitet für das Ars Electronica Futurelab, genauer gesagt für das Ars Electronica Residency Netzwerk, das sie betreut und weiterentwickelt.

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Foto: Claudia Schnugg

Nachdem María Ignacia Edwards beim Jury-Meeting ausgewählt wurde, bist du bereits wenige Wochen später mit ihr nach Chile zu den ESO-Standorten gereist. Was habt ihr dort gemacht?

Claudia Schnugg: Grundsätzlich ist es so, dass wir bei den wissenschaftlichen Partnern wie der ESO einen „Introduction Visit“ mit der Künstlerin oder dem Künstler machen, um durch den ersten Kontakt und die Auseinandersetzung mit den Orten und Menschen vor Ort Dialoge zu beginnen und Potentiale aufzuzeigen. In diesem Fall ging es darum, mit María Edwards einen Einführungsbesuch zu allen drei möglichen Observatorien zu machen, die als Ort für eine Residency zur Verfügung stehen, da sie anfangs keinen spezifischen ESO-Standort aufgrund einer speziellen Technologie vorgeschlagen hatte.

Das war ein Schnelldurchlauf durch mehrere sehr abgeschiedene Orte in Chile: Unsere erste Station war Paranal, wo wir das VLT, ein momentan weltweit einzigartiges optisches Teleskop, und das VISTA vorgestellt bekommen und die einzigartige Abgeschiedenheit der Umgebung erlebt haben. Dann ging es weiter nach La Silla – ein ähnlich abgeschiedener Ort, der aber weniger lebensfeindlich und in seiner Struktur ganz anders aufgebaut ist. Während bei der hochmodernen Facility am Cerro Paranal ein deutlicher Fokus auf das VLT gelegt wird und man die Konzentration auf Datenproduktion spürt, konnte man in La Silla besonders die menschliche Ebene und die 50-jährige Geschichte des Standorts erleben. Der Ort ist durch die vielen kleineren Teleskope, die im Laufe der Jahre gebaut und genutzt wurden, geprägt. In La Silla lässt sich sehr gut die geschichtliche Entwicklung der Technologie sehen. Beispielsweise die Kontrollräume, die zuerst direkt bei den Teleskopen verortet waren und dann aus immer weiterer Entfernung gesteuert werden konnten.

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Foto: Claudia Schnugg

Schließlich besuchten wir ALMA – technologisch gesehen und die Umgebung betreffend ein Gegenstück zu den anderen Standorten, denn hier kommt Submillimeterteleskopie zum Einsatz. Dadurch ist der Ort weniger abgeschieden durch seine Nähe zu San Pedro de Atacama und anderen kleineren Orten. Auch das Setting bei ALMA ist ein anderes: durch die Entfernung der Operation Support Facility, wo die Kontrollräume, Unterkünfte, das Besucherzentrum und die Werkstätten zur Antennenwartung sind, zur High Site auf ca. 5000 m Seehöhe, an der sich die Antennen befinden, und bei der man bei passendem gesundheitlichen Befinden aus Sicherheitsgründen maximal zwei Stunden am Stück verbringen darf.

Konnte man dann sozusagen auch durch die Teleskope blicken?

Claudia Schnugg: Grundlegend ist zu sagen, dass es sich bei den Orten der ESO, die im Rahmen der Residency besucht werden können, um wissenschaftliche Facilities handelt – also nicht um Universitäten, wo WissenschafterInnen das ganze Jahr über an Projekten arbeiten, Daten auswerten oder gar sofort Bilder daraus generieren, sondern um Orte, an denen WissenschaftleInnen für eine kurze Zeitspanne Zugang zu den diversen Teleskopen und Instrumenten bekommen um in kürzester Zeit möglichst viele Daten zu erheben. Die WissenschaftlerInnen reichen bei der ESO für ein Projekt ein und bekommen dafür eine bestimmte Zeit einem Teleskop zugeordnet. Bei ALMA gibt es dann noch mehr Entscheidungsträger, da die Facility nicht nur von der ESO sondern auch anderen internationalen Institutionen, der U.S. National Science Foundation (NSF) und den National Institutes of Natural Sciences of Japan (NINS), betrieben wird.

Die WissenschaftlerInnen haben deswegen nicht immer Zeit, sich mit den KünstlerInnen auseinanderzusetzen und sind oft auch nicht während des gesamten Residency-Zeitraums vor Ort. Man muss bedenken, dass sie tagsüber schlafen und nachts die ganze Zeit im Kontrollraum verbringen, um möglichst so viele Daten in dieser Zeitspanne zu sammeln. Diese Daten nehmen sie dann mit in ihre wissenschaftlichen Heiminstitutionen und werden erst dort verarbeitet und analysiert – erst in diesem wissenschaftlichen Prozess danach entstehen Bilder, Entdeckungen und Theorien. Deswegen haben wir jetzt auch angedacht, bei Bedarf die Möglichkeit für die KünstlerInnen anzubieten, auch die ESO-Zentrale in Garching bei München besuchen können. Grundsätzlich geht es aber bei dieser ESO-Residency um die Observatorien, die Technologie, die unterschiedlichen Zugänge zur Forschung und die Orte.

María Ignacia Edwards hat La Silla und einen kurzen Trip zu ALMA für ihre Residency ausgewählt und dann auch im Juni besucht. Im August war sie mehrere Wochen im Ars Electronica Futurelab in Linz. Was hat sie dort gemacht?

Claudia Schnugg: Die Kommunikation mit María hat direkt nach der Juryentscheidung begonnen. Ich war mit ihr von Beginn an in Kontakt, habe mit ihr über das Projekt gesprochen, über die Möglichkeiten, was sie interessiert – auch um diesen „Introduction Visit“ spezifisch für sie zu planen. Dabei kamen auch erste Richtungen und Ideen für ihr Projekt auf. Nach der Residency bei den Observatorien in Chile hat sie dann das Projekt hier bei uns im Ars Electronica Futurelab weiterentwickelt. Die Zusammenarbeit mit ihr war sehr intensiv. Wir haben sehr viel Inhaltliches besprochen, gemeinsam mit unseren Hardware- und Software-ExpertInnen die Arbeit entwickelt, und geholfen, das Projekt auch handwerklich umzusetzen.

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Foto: Magdalena Leitner

Das Projekt war dann ein Teil der Ausstellung „Elements of Art and Science“, die beim Ars Electronica Festival 2015 erstmals zu sehen war.

Claudia Schnugg: Genau. Es waren intensive Tage für die Künstlerin beim Ars Electronica Festival 2015, wo sie Anfang September 2015 nicht nur bei der Preisverleihung mit dabei war, sondern auch in öffentlichen Gesprächsrunden wie dem Prix-Forum. Ihre Arbeit ist das Herzstück der Ausstellung „Elements of Art and Science“ im Ars Electronica Center Linz, die auch in nächster Zeit weiterhin zu sehen sein wird. María Ignacia Edwards hat ihre Arbeit so konzipiert, dass der Hauptteil davon in Linz bleibt und Teile davon bei den Partnerinstutionen des European Art and Science Networks präsentiert werden. Seit 8. Oktober 2015 ist ein Teil ihrer Arbeit bei der Media Art Biennale in Santiago zu sehen. Ab November wird sie bei LABoral in Spanien ihr Kunstwerk präsentieren, wo es dann gleich weiter geht nach Zaragoza.

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Foto: Tom Mesic

Wenn du auf diese erste art&science-Residency zurückblickst, hat alles so funktioniert, wie geplant?

Claudia Schnugg: Wir versuchen bei den Residencies immer KünstlerInnen an wissenschaftliche Bereiche heranzuführen. Mir hat das sehr gut gefallen bei María, dass dieser Prozess bei der Entwicklung ihrer Arbeit sichtbar wurde. Im ersten Proposal definierte sie genau wie und in welche Richtung sie arbeiten möchte und was sie sich von den verschiedenen ESO-Orten erwartete. Trotzdem hat sich ihre Arbeit durch die Residency und die Zusammenarbeit mit den WissenschaftlerInnen und dem Team des Ars Electronica Futurelab in eine ganz andere Richtung entwickelt. In jedem Schritt konnte man sehen, wie sich das Projekt veränderte und von wo die Inputs kamen.

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Foto: Magdalena Leitner

Welche Ratschläge möchtest du KünstlerInnen geben, die sich jetzt für den nächsten Open Call und einer Residency bei der ESO in Chile und im Ars Electronica Futurelab bewerben wollen?

Claudia Schnugg: Grundsätzlich würde ich empfehlen, sich zuerst die ESO-Homepage anzusehen. Beim ersten Open Call wollten sehr viele KünstlerInnen zu astronomischen Bildern kommen, welche aber sowieso über die Homepage der ESO verfügbar sind. Dazu braucht man nicht vor Ort sein. Sie sollten sich darüber informieren, worum es bei der Europäischen Südsternwarte (ESO) geht, zum Beispiel welche Technologien verwendet werden oder warum die Orte interessant sind – und sie dabei nicht mit anderen Institutionen wie der ESA oder der NASA verwechseln. Sie sollten sich fragen: Was möchte ich dort machen und was braucht es für meine weitere Entwicklung? Was bringe ich als KünstlerIn mit und warum ist es für mein Projekt wichtig, dass ich diese Orte der ESO besuche?

Haben wir Ihr Interesse geweckt? Möchten auch Sie Ihr Projekt für diese Residency einreichen? Der Open Call läuft bis 29. November 2015 – alle Infos dazu finden Sie auf ars.electronica.art/artandscience. Weitere Impressionen von María Ignacia Edwards‘ Aufenthalt in Chile haben wir auf ars.electronica.art/feature zusammengestellt.

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