Die farblich illuminierte Fassade des Ars Electronica Centers ist für die Linzer Bevölkerung das ganze Jahr über ein gewohntes Abendbild; dass während des Ars Electronica Festivals 2015 die glutrote Färbung durch den Atem der Besucher verursacht und in Gang gehalten wurde, die ungewöhnliche Idee zweier Künstler. Tamer Aslan & Onur Sönmez versinnbildlichen mit ihrem Fassadenkunst-Projekt “Flame” den traditionellen Wert des Elements Feuer für die Gesellschaft.
Durch die gemeinsame Anstrengung der Lufterzeugung sollen die Menschen die verloren gegangene Bedeutung des Gleichnisses erfahren. Die Bewusstmachung der eigenen Kraft durch den solidarischen Akt ist ein zentrales Moment einer Installation, die antike Werte mit den modernen Mitteln medialer Fassadenkunst transportiert. Im Gespräch mit Tamer Aslan erfahren wir alles über die Motivation zur Ideenentwicklung und die Bedeutung des Gleichnisses für das Hier und Heute.
Wenn bei Eurer Installation das Feuer für die Kraft steht, mit der ein Volk etwas bewegt, wofür steht dann der Atem in Eurem Sinnbild?
Tamer Aslan: Der Atem symbolisiert, dass die Menschen etwas von sich selbst hergeben und sich anstrengen müssen, um die Macht zurück zu erlangen, die sie aufgegeben haben.
Woran macht ihr fest, dass die Menschen mit dem Verlust des Feuers, die Kontrolle oder die Macht etwas zu verändern, an andere Institutionen abgegeben haben? Wann ist das genau passiert und ist diese Feststellung immer noch gültig, wo gerade wegen der momentanen Flüchtlingswelle viele auf die Straße gehen?
Tamer Aslan: Der Begriff von „Power“ bezieht sich nicht alleine auf den Begriff der politischen Macht, sondern ebenfalls auf die klassische Mythologie. Prometheus brachte den Menschen das Feuer, weil er sah, dass sie auf der Stufe von Wilden lebten. Sie konnten nicht kochen, sich nicht waschen und wärmen. Also stiehlt Prometheus das Feuer von Zeus und gibt es den Menschen. Die Metapher bezieht sich eher auf die Frage, ob es Menschen möglich ist, ihre Macht zu nutzen, oder ob es ihnen versagt ist.
The „Flame-Generator“ in seiner Entsteheung. Credit: Onur Sönmez und Tamer Aslan
Aber durch das Internet und das Nutzen von Kommunikationsmöglichkeiten wie Smart Phones üben Menschen politische Macht aus – Stichwort „Arabischer Frühling“ – und darüber hinaus bringen sie Dinge in Bewegung. Also könnte man in beide Richtungen feststellen, dass Menschen die Freiheit besitzen, ihre Möglichkeiten zur Entfaltung zu bringen.
Tamer Aslan: Aber besitzen wir die Kontrolle darüber? Was ist mit unseren Daten, was passiert mit ihnen auf Facebook? Sobald wir online gehen, werden unsere Daten gespeichert, Apple, Google, die NSA… sie alle haben Zugang.
Die Menschheit wird nicht gezwungen, sich dieser Mittel zu bedienen. Ein ganz einfacher Weg, die Kontrolle zu bekommen, wären mehr persönliche Treffen anstatt das übermäßige Nutzen solcher Kommunikationsmittel. In einer kommerziellen Welt hast Du Angebote, was die Menschen daraus machen ist ihre Sache.
Tamer Aslan: Wir leben in einer Zeit, in der viele Tools auch aus sozialen Interessen angeboten werden, die aber nicht für alle gleichermaßen nutzbar sind. Die kommerziellen Interessen und die Kontrolle über die Tools sind vergleichbar mit dem Thema der Ausdifferenzierung. Bezogen auf die Möglichkeiten besteht ein großer Unterschied zwischen den Ländern der ersten und der dritten Welt. Trotz der anscheinend neu gewonnenen Freiheiten durch die Tools, gibt es in Saudi-Arabien Demonstrationsverbot, in China wird das Internet staatlich kontrolliert. Der ganze momentane Konflikt zwischen Osten und Westen wird bedingt durch diese Unausgeglichenheit. Wir können die Geschehnisse auf der Welt nunmehr als Konsequenz von Abhängigkeiten sehen. Ich will nochmals betonen, dass ich dafür bin, diese modernen Kommunikationsmittel zu benutzen, aber wir sollten dennoch die Kontrolle darüber haben und keine Elite von kommerziellen Unternehmen oder gar ein Geheimdienst. Vielleicht sollte ein Gesetz erlassen werden, welches der Bevölkerung die Kontrolle garantiert.
Gemeinsame „Anstrengung“ des Publikums um „die Flamme“ zu entfachen. Credit: Onur Sönmez und Tamer Aslan
Ein anderer auffälliger Gegensatz besteht darin, wie ihr ein gesellschaftlich relevantes Thema einerseits mit modernen Mitteln, andererseits in einer archaisch wirkenden Darbietung, dem Publikum näher bringt. Was hat es mit den Druidenkostümen auf sich?
Tamer Aslan: Das ergab sich eher zufällig. Wir wollten die Skulptur mit einem feuerfesten Material abhängen und hatten die Auswahl zwischen rotem und schwarzem Stoff. Als wir gefragt wurden, ob wir aus dem roten vielleicht ein Cape geschneidert haben möchten, waren wir von der Idee begeistert. Also war das eher eine spontane Idee. Warum wir diese archaischen Bilder mit Flammen und Umhängen mögen, liegt daran, dass wir bei einer zunehmend materiell eingestellten Welt ein Zeichen für das Spirituelle setzen möchten.
Das Feuer als Zeichen der Macht vor der „lodernden“ Fassade des Ars Electronica Center. Credit: Onur Sönmez und Tamer Aslan
Das gemeinsame Bestreben eine Flamme mit Atem am Leben zu halten, ist bei einer egoistisch motivierten Gesellschaft, ein eher seltenes Bild von Menschen. Meistens braucht es eine Krise, damit sie an einem Strang ziehen.
Tamer Aslan: Die Flüchtlingskrise ist ein gutes Beispiel. Die Türkei ist ja bereits vor zwei Jahren von der Welle erfasst worden. Und jetzt erst ist Europa dran. Das Interessante daran erscheint mir die spontane und schnelle Hilfsbereitschaft der Bevölkerung im Gegensatz zu der Langsamkeit von staatlicher Seite. Für mich eine horizontale Machtstruktur, keine vertikale, wie es bei einer Regierung und dem politischen Apparat der Fall ist. Sie zeigt, dass wir uns nicht mehr nur als Bürger einer Nation, sondern idealerweise über alle Grenzen hinaus, als Menschen begreifen sollen. Eine wichtige Botschaft unserer künstlerischen Arbeit.