Aktuelle Medienkunst von ihrer besten Seite – wie jedes Jahr seit 1987 fand sich auch 2016 eine internationale Jury in Linz ein, um die PreisträgerInnen des Prix Ars Electronica, des traditionsreichsten Medienkunstwettbewerbs der Welt, zu küren. Kein leichtes Unterfangen, schließlich mussten sich von 7. bis 10. April 2016 jeweils in vier Kategorien jeweils fünf JurorInnen durch Tausende Projekte aus 88 Ländern durcharbeiten. Obwohl sich jedes Jurymitglied schon vor dem persönlichen Zusammentreffen mit den einzelnen Arbeiten auseinandergesetzt hatte, war es dann doch der Zeitfaktor, der vor allem den ersten Teil der gemeinsamen Sitzungen in Linz dominierte.
Die Personen hinter den Kategorien „Computer Animation / Film / VFX“, „Interactive Art+“, „Digital Communities“ und „u19 – CREATE YOUR WORLD“ haben wir bereits in einem eigenen Blogbeitrag vorgestellt. Jeder Jury wurde an diesem – zum Glück verregneten – verlängerten Jurywochenende ein eigener Raum im Ars Electronica Center sowie im angrenzenden Ars Electronica Futurelab zur Verfügung gestellt. Dort traf jede Jury unter Ausschluss der Öffentlichkeit ihre Wahl. Wir haben trotzdem leise die Türen geöffnet und versucht, ein paar Stimmungen der Entscheidungsfindung einzufangen.
Im Seminarraum des Ars Electronica Center werden die eingereichten Animationen bewertet. Credit: Martin Hieslmair
Computer Animation / Film / VFX
Der erste Weg führt uns in die Räumlichkeiten des Ars Electronica Center. Direkt unter dem Deep Space 8K gelegen hat sich die Jury der am längsten bestehenden Kategorie „Computer Animation / Film / VFX“ in den Seminarraum zurückgezogen. Es ist ein Ort mit besonderer Atmosphäre. Nur wer an diesem Wochenende die richtige Zutrittskarte hat, darf es sich in diesem abgedunkelten Raum auf einem der Kinosessel bequem machen und einen Streifzug durch aktuelle bewegte Medienkunst mitverfolgen. Alle anderen müssen auf das Ars Electronica Animation Festival warten, das ab dem 8. September 2016 mit dem Ars Electronica Festival in Linz startet. Da die Jury jedes Jahr neu besetzt wird und Ars Electronica aber nicht festlegt, wie sich die JurorInnen an die Goldene Nica herantasten, braucht es anfangs immer wieder ein bisschen Zeit, bis sie sich kennengelernt haben und der beste Ablauf des Bewertens gefunden ist. Und das richtige Vorgehen in dieser Kategorie ist diesmal besonders schwierig, schließlich gab es so viele Einreichungen wie noch nie zuvor.
Eine kurze Abwechslung für die Jury – ein Ausflug in den Deep Space 8K. Credit: Florian Voggeneder
Die Jury ist, wie sie in diesen Tagen immer wieder betont, nicht nur auf schöne Bilder aus – es geht vor allem auch um die Erzählung dahinter und um den Hintergrund der Animation, der bei jedem Video einbezogen werden muss. Animationen nur anzusehen und darüber unkommentiert abzustimmen ist zu wenig – es werden Diskussionen geführt und jedes Jurymitglied bringt das Wissen ihrer oder seines Fachgebiets mit ein. Sind es neue Effekte, die gezeigt werden oder kennt man das schon längst im Animationsbereich? Kann man ein Video bewerten, wenn man es nur auszugsweise kennt? Nein! Dennoch muss sich die Jury auf einen Weg einigen, um die Menge an potentiellen KandidatInnen einzugrenzen. Nur zwei „Ja“ bei fünf JurorInnen sind nicht genug, um in die nächste Runde weiterzukommen. Da ist doch noch ein drittes „Ja“. Die nächste Einreichung poppt auf der Leinwand auf. Ein Juror stellt die Animation ausgiebig vor – Gegenfrage: Ist das jetzt ein Ja oder ein Nein?
Auf der Suche nach der Goldenen Nica der Kategorie „Interactive Art+“. Credit: Martin Hieslmair
Interactive Art +
Wir wechseln das Stockwerk, passen unsere Augen wieder an Tageslicht an und betreten den Juryraum der „Interactive Art+“. Das Setup des Raumes ist in jeder Jury ziemlich ähnlich: Ein großer Bildschirm vorne, rund herum sitzen die JurorInnen und zwei MitarbeiterInnen des Prix-Ars-Electronica-Teams an ihren Tischen. Gerade in dieser Kategorie tritt hin und wieder die Schwierigkeit an den Tag, dass es nicht einfach ist, Medienkunst aus der Ferne zu bewerten, wenn man sie nicht selbst erlebt hat. Das zeigt einmal mehr wie wichtig es für alle EinreicherInnen ist, ihre Projekte gut zu beschreiben, mit Fotos und Videos zu dokumentieren und der Jury dadurch schmackhaft zu präsentieren. Ein großer Vorteil ist es, dass es mehrere JurorInnen sind – schließlich gibt es immer wieder eine Person unter ihnen, die bestimmte Perspektiven und Informationen einbringen kann, die andere übersehen hätten.
Bitte nicht stören, heißt es vor dem Jury-Raum. Credit: Martin Hieslmair
Die Jury nimmt sich die Zeit, über Medienkunstwerke zu diskutieren und notfalls in eigenen Worten das Anliegen der KünstlerInnen den anderen noch einmal vorzutragen. Durch die diesjährige Erweiterung der Kategorie „Interactive Art+“ geht die Jury ziemlich offen damit um, was interaktive Kunst ist und sein kann. „Es gab eigentlich nie den Moment, bei dem wir uns selbst fragten, was interaktive Kunst eigentlich ist“, lässt uns ein Juror zwischendurch wissen, „denn die Definition wie sie aus den 1980er Jahren stammt ist schon längst hinfällig“. Wir sind gespannt, welche Projekte im Jahr 2016 schließlich zu den besten in dieser Kategorie zählen werden.
Auch in der Kategorie „Digital Communities“ wird gemeinsam abgestimmt, welche Projekte es in die nächste Runde schaffen. Credit: Martin Hieslmair
Digital Communities
Wir wechseln das Gebäude und betreten das Ars Electronica Futurelab. Es sind nur noch wenige Stunden bis zur tatsächlichen Entscheidung, die Liste der möglichen PreisträgerInnen wird stündlich kürzer, aber es wird damit nicht unbedingt leichter. Plötzlich scheint die Goldene Nica schon festzustehen. „Sehr fein, wir haben die besten sechs Projekte!“, „Den Gewinner zu ermitteln ist leicht“ ertönt es aus dem Juryraum. Es dauert aber nicht lange bis eingeworfen wird: „Wirklich? Sind wir uns da ganz sicher? Ich möchte darüber noch gerne diskutieren.“ Schließlich sei die Goldene Nica eine starke Botschaft, so ein weiteres Jurymitglied.
Das Maskottchen der Digital-Communities-Jury 2016. Credit: Martin Hieslmair
„Stimmen wir mit den Händen ab?“ – „Nein, das wäre eine zu banale Demokratie, wir sollten noch einmal über alle Projekte reden und uns dafür Zeit nehmen“. Hier wird klar, dass auch die „Digital Communities“ selbst eine eigene Community ist. Jetzt ist auch die Zeit gekommen, dass die Fenster zur Frischluftzufuhr geöffnet werden. Die große Menge ist abgearbeitet, aber jetzt geht es um die wesentlichen Details. Es kann nur eine Goldene Nica geben.
Erwachsene bewerten die Einreichungen von Kindern und Jugendlichen – keine leichte Aufgabe. Credit: Martin Hieslmair
u19 – CREATE YOUR WORLD
Mit Einreichungen von Kindern und Jugendlichen aus Österreich, die nicht älter als 19 Jahre sind, hat es die (erwachsene) Jury von „u19 – CREATE YOUR WORLD“ zu tun. Das ist nicht gerade leicht, denn einem Erwachsenen ist es schlicht und einfach unmöglich, durch die Augen eines Kindes zu schauen – ein Erwachsener kann die eingereichten Projekte jedoch sehr wohl ernst nehmen und bewerten. Natürlich ist eine Arbeit eines Kindes im Alter von 9 Jahren anders zu bewerten als die eines Jugendlichen im Alter von 18. Dazu kommt noch die schwierige Aufgabe festzustellen, wie viel die Kinder und Jugendlichen zu ihrem Medienkunstwerk selbst beigetragen haben, ohne dem großen Eingreifen eines Lehrers oder der Eltern.
Im Deep Space 8K. Credit: Martin Hieslmair
Und – das ist eine weitere Besonderheit dieser Kategorie – die Bandbreite an Einreichungen ist hier enorm. Es finden sich sowohl Filme, Audioaufnahmen als auch echte Brettspiele, die über den Weg als Paket ins Büro der Ars Electronica gelangt sind. Die Verfügbarkeit von digitalen Medien ist für die junge Generation heutzutage noch viel größer als vor wenigen Jahren – es kommt aber immer noch darauf an, was man mit den Mitteln daraus macht. Darüber ist sich die Jury der Kategorie „u19 – CREATE YOUR WORLD“ einig. Wie viel Engagement hinter einer Arbeit steckt, lässt sich durchaus herausfinden. Das Aufgreifen von wichtigen gesellschaftlichen Themen ist ein positives Kriterium, wenn das aber dann eher zu konventionell und platt daherkommt, geht es schnell wieder in Richtung Ausschließungsgrund. Das Gesamtpaket ist entscheidend – nicht nur etwas, das schön anzusehen ist.
Im Deep Space 8K. Credit: Martin Hieslmair
Wie geht es weiter?
Die Entscheidungen, wer die Goldene Nica 2016, eine Auszeichnung und eine Anerkennung bekommt, sind zwar bereits getroffen. Doch zuvor müssen noch die PreisträgerInnen selbst verständigt werden. Am 10. Mai 2016 werden sie und ihre prämierten Medienkunstwerke im Rahmen einer Pressekonferenz und hier im Ars Electronica Blog bzw. auf ars.electronica.art/prix vorgestellt. Im Sommer 2016 erscheint schließlich das Buch „CyberArts 2016“, das alle Beiträge nochmals in gedruckter Form zusammenfasst. Ab 8. September 2016 – zum Start des Ars Electronica Festival 2016 in Linz – sind viele der prämierten Arbeiten in der CyberArts-Ausstellung im OK im OÖ Kulturquartier zu sehen. Zum Festival wird es auch wieder eigene Prix-Foren geben, wo KünstlerInnen auf die JurorInnen treffen und über ihre Arbeit sprechen. Das Ars Electronica Festival 2016 ist dann auch der Zeitpunkt, bei dem die Goldenen Nicas 2016 offiziell überreicht werden. Bleiben Sie dran!