Alles Leben ist Chemie

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Gemeinsam haben die Vortragenden, dass sie allesamt junge, brillante WissenschafterInnen sind, die weltweit in renommierten Fachjournalen zitiert werden. In ihrer Heimat Österreich weiß jedoch kaum jemand über ihre Forschungsarbeit Bescheid. Das soll sich nun ändern! Im Rahmen von Deep Space LIVE präsentieren junge WisschenschaftlerInnen der Technisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät der Johannes Kepler Universität Linz an fünf Terminen ihre hochaktuellen und gesellschaftsrelevanten Forschungsgebiete und -ergebnisse der interessierten Öffentlichkeit. „Wir sehen die Oberösterreicher als unsere Auftraggeber und werden ihnen zeigen, was an unserer Universität alles passiert.“ So Universitäts-Professor Alois Ferscha, Dekan der Naturwissenschaftlichen Fakultät.

Wir berichteten am Ars Electronica Blog bereits vom Vortrag von Marc Streit zum Thema „Daten sehen – Krebs verstehen“. Beim zweiten Termin der Vortragsreihe, am 30.3.2017 um 19:00, sprechen Ian Teasdale und Wolfgang Schöfberger von der Studienrichtung Chemie und Kunststofftechnik über neuartige Therapeutika für die Krebsimmuntherapie der Zukunft. Im Interview erzählen die beiden über diese großartige neue Möglichkeit Tumore zu behandeln.

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Was genau ist eine Krebsimmuntherapie und warum beschäftigen sich Absolventen der Chemie und nicht Absolventen der Medizin damit?

Wolfgang Schöfberger: Die Krebsimmuntherapie ist eines der Hoffnungsgebiete im Kampf gegen Krebs, weil die Chirurgie, die Chemotherapie und die Strahlentherapie bei fortgeschrittenen Krebserkrankungen meist scheitern. Ziel der Therapie ist es, das Immunsystem mit Wirkstoffen in die Lage zu versetzen, die Krebserkrankung unter Kontrolle zu bringen. Es gibt einige Ansätze um das zu erreichen. Einer davon ist Moleküle zu verwenden, die als Signale für das Immunsystem fungieren, um den Tumor anzugreifen.

Ian Teasdale: Chemiker beschäftigen sich deshalb damit, weil die Wissenschaft heutzutage meist interdisziplinär ist. Keiner forscht nur in einem von den klassischen Fachgebieten. Man braucht ein Team von Leuten mit komplementären Fähigkeiten. Wir arbeiten in diesem Projekt zusammen mit Medizinerinnen und Medizinern, die das medizinisch-technische Know-how mitbringen. Wir liefern dabei das Design und die Herstellung der neuen Wirkstoffe.

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Credit: Magdalena Sick-Leitner

Ist die Immuntherapie der Durchbruch bei der Bekämpfung von Krebs?

Ian Teasdale: Es ist sicherlich ein großer Sprung in der Bekämpfung von Krebs. Es ist quasi die vierte Säule der Behandlung neben Operation, Bestrahlung und Chemotherapie.

Wolfgang Schöfberger: Die Krebsimmuntherapie ist eine großartige neue Möglichkeit Tumore zu behandeln. Es gibt allerdings auch ein paar Nachteile. Die Moleküle müssen aus den eigenen Zellen des Patienten oder der Patientin hergestellt werden und dazu ist eine aufwendige Logistik notwendig. Tumorgewebe und weiße Blutzellen müssen zu verschiedenen Zeitpunkten von den Patientinnen und Patienten in die Herstellungseinrichtung gebracht werden, die oft mehrere hundert Kilometer vom Heimatort des Patienten bzw. der Patientin entfernt ist. Der Transport darf aber nur eine gewisse Zeit dauern und die Temperatur für lebende Zellen ist kritisch.

Ian Teasdale: Genau! Diese individualisierte Therapie bedeutet also hohe Kosten, was dazu führt, dass es für eine breite Anwendung limitierend ist.

Anbetracht dieser Nachteile, beschäftigen Sie sich mit der Weiterentwicklung dieser Therapie. Können Sie uns bitte mehr darüber erzählen?

Wolfgang Schöfberger: Ja, wir arbeiten schon an der zweiten Generation von Medikamenten. Dabei sollen die sogenannten dendritischen Zellen umprogrammiert werden, um Krebszellen anzugreifen. Unsere neuartigen Wirkstoffe sollen gezielt in diesen dendritischen Zellen freigesetzt werden und diese aktivieren, um in weiterer Folge dann die T-Zellen zu aktivieren. Die T-Zellen strömen dann durch den Körper und zerstören das Tumorgewebe. Es soll die Effektivität dieses Verfahrens deutlich erhöhen und eine „in vivo“ Applikation ermöglichen. Also im lebendigen Organismus ablaufen.

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Credit: Magdalena Sick-Leitner

Wie erfolgreich ist Ihre Forschungsarbeit bereits?

Ian Teasdale: Die chemische Synthese war bisher sehr erfolgreich und die Wirkstoff/Antikörper und Wirkstoff/Polymer Konjugate wurden bereits im Rahmen von zwei Dissertationen und einer Diplomarbeit an der JKU hergestellt. Molekularbiologische Experimente waren bisher auch sehr vielversprechend. Wir brauchen aber mehr Untersuchungen, um die künstlich hervorgerufenen inflammatorischen Effekte im Tumorgewebe zu bestätigen. Mit den Ergebnissen von „in vitro“ – also den organischen Vorgängen, die außerhalb des lebenden Organismus stattfinden – und auch mit Tierversuchen muss man vorsichtig sein, weil sie ja nicht immer die Situation im Mensch 1:1 entsprechen.

Kurzbiographie Wolfgang Schöfberger

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Wolfgang Schöfberger studierte Technische Chemie an der Technischen Universität Graz und erhielt 1999 das Diplom. 2002 promovierte er am Institut für Chemische Technologie Organischer Stoffe (ICTOS – Univ.-Prof. Dr. Franz Stelzer) an der Technischen Universität Graz mit einer Arbeit über die Synthese und Charakterisierung von konjugierten Polymeren und der Entwicklung neuartiger metalloorganischer Katalysatorsysteme für die Metathese Polymerisation. Danach war er als Schrödinger Stipendiat und als Andrew W. Mellon Fellow an der New York University und am Metropolitan Museum of Art in New York City tätig. Seit 2006 arbeiteter an der Johannes Kepler Universität Linz. Er habilitierte sich 2012 im Fach Bioorganische Chemie und lehrt und forscht nun als Assoziierter Professor am Institut für Organische Chemie. Seine Forschungsschwerpunkte liegen in der Synthese von Wirkstoffsystemen für die Krebs(immun)therapie und in der Entwicklung von neuartigen Katalysatoren zur Wasserspaltung und CO2-Fixierung.

Kurzbiographie Ian Teasdale

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Ian Teasdale studierte Chemie an der Universität Sheffield (GB) und Universität Heidelberg (DE) und erhielt 2004 den Master. 2008 promovierte er in Chemie an der Universität Manchester (GB) mit einer Arbeit über die Synthese von Hochleistungspolymeren. 2009 kam er an die Johannes Kepler Universität Linz an das Institut für Chemie der Polymere. Er habilitierte sich 2015 im Fach Polymerchemie und arbeitet seither als Assoziierter Professor am Institut für Chemie der Polymere. In seiner Forschung befasst er sich mit der Synthese von neuartigen Polymeren, vor allem mit bioabbaubaren Polymeren für medizinische Anwendungen.
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Die Vortragsserie Next Generation JKU ist eine Fünfteilige Präsentationsreihe, die hochaktuelle gesellschaftsrelevante Forschungsergebnisse der jüngsten Wissenschaftsgeneration der Johannes Kepler Universität an die interessierte Öffentlichkeit bringt.

Weitere Termine:

DO 20.4.2017, 19:00–20:00 Robert Zillich, Physik
DO 11.5.2017, 19:00–20:00 Simon Schneiderbauer, Mechatronik
DO 1.6.2017, 19:00–20:00 Christoph Koutschan, Mathematik
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