Künstliche Intelligenz, Genetik, Klimawandel – das sind nur einige der Themen, mit denen sich Sophie Lampartner und weitere JurorInnen des STARTS Prize 2017 beschäftigten. Sie spricht im Interview nicht nur über aktuelle Themen, die aus den insgesamt 2.977 Einreichungen aus 97 Ländern hervorgegangen sind, sondern steckt auch die Rahmenbedingungen ab, die Europa braucht, um das Zusammenarbeiten von Wissenschaft, Technologie und Kunst zu fördern.
Welchen Einfluss können Wissenschaft und Technologie auf künstlerische Tätigkeiten haben?
Sophie Lamparter: Wissenschaft und Technologie haben Einfluss auf unsere ganze Gesellschaft, wie wir die Welt sehen, verstehen und uns auf die Zukunft vorbereiten. Selbstverständlich sind das große Inspirations-Motoren und Materialien für neue Themen, neue Möglichkeiten und zum Teil auch für Bedenken und ein kritisches Hinterfragen von Seite der Kunst.
Die Kunst gibt der Wissenschaft Impulse, aber auch die Kunst erhält Impulse von der Wissenschaft. Können Sie uns dazu ein paar Beispiele nennen?
Sophie Lamparter: Schauen wir uns jetzt zum Beispiel mal eine Technologie wie die Virtuelle Realität an: Das ist eigentlich keine neue Technologie, aber die heutige Computerpower macht es erst jetzt möglich Projekte mit weniger Aufwand umzusetzen und vielen Leuten dieses neue Medium zugänglich zu machen. Forschung und Entwicklung haben die heutige Qualität möglich gemacht und wird sie immer weiter vorantreiben. Auf der anderen Seite ist es eben mit der Technologie alleine noch nicht gemacht. Man hat dann zwar die Virtual-Reality-Brillen“, die 360-Grad-Kamera – aber: noch keine Inhalte, noch keine Geschichten, noch keine Erlebnisse.
Die Inhalte dazu kommen dann von den Kreativen, den KünstlerInnen, DesignerInnen, Filmschaffenden, den IllustratorInnen und SchreiberInnen dieser Welt. Damit das virtuelle Erlebnis dann auch wirklich überzeugt, versuchen sie immer wieder neue Wege zu gehen, zum Beispiel den Körper einzusetzen, sich im Raum zu bewegen, mehrere Leute zusammenzubringen oder weitere Sinne wie Ton, Berührung oder Düfte zu integrieren. Das wiederum zeigt den EntwicklerInnen und ForscherInnen die Grenzen ihrer Technologie und in welche Richtung sie weiterentwickeln könnten. So wird das ein sich gegenseitig beeinflussender Kreislauf.
Die Jury des STARTS Prize 2017. Credit: Martin Hieslmair
Der STARTS Prize wird im Auftrag der Europäischen Kommission ausgeschrieben. Welche Veränderungen wünschen Sie sich in den kreativen Bereichen Europas?
Sophie Lamparter: Die globale Digitalisierung, der technische Fortschritt, macht unsere Welt schneller und komplexer. Wir können nur mithalten und uns diesen Herausforderungen stellen, wenn wir zusammenarbeiten. IngenieurInnen, EntwicklerInnen, ForscherInnen, KünstlerInnen, DesignerInnen und GeisteswissenschaftlerInnen müssen aus ihren Silos herauskommen und die verschiedenen Perspektiven zusammenbringen. Dann entstehen neuen Ideen, dann entsteht Innovation.
Ich wünsche mir Maßnahmen, die kontinuierlich diese interdisziplinäre Zusammenarbeit fördern: von Departements-übergreifenden Universitätsprogrammen, über Inkubatoren und Co-Working-Spaces, die speziell auf Kreative ausgerichtet sind, bis zu Investitionsfonds, um solche Projekte wirklich zu skalieren. Dazu müssen der öffentliche und private Sektor zusammenarbeiten. Es werden beide davon profitieren, der Einfluss auf Wirtschaft und Gesellschaft betrifft uns alle gleich.
Die STARTS Prize Jury bei ihrer Arbeit. Credit: Martin Hieslmair
Bei swissnex in San Francisco arbeiten wir seit über einem Jahrzehnt an interdisziplinärem Austausch und Netzwerken und haben es im vergangenen Jahr ein ganzes Stück weitergetrieben. Wir haben über 60 Arbeitsplätze, bei denen sich Startups, ForscherInnen, MitarbeiterInnen von Großfirmen und DesignerInnen und KünstlerInnen neben und miteinander arbeiten und sich gegenseitig inspirieren. Wir haben erkannt, dass es neue Modelle braucht, um Kreativität und Austausch zu fördern. Wir gründeten mit DART 17 (Design, Art, Research, Technology) ein Testing Lab für interaktive Projekte, wo wir gezielt nach kreativen Köpfen suchen, die das Potential und neue Interaktionen mit neuen Technologien ausloten.
Am Puls des internationalen Marktes können junge Talente dank eines maßgeschneiderten Programms ihre Prototypen weiterentwickeln, direktes Feedback einholen und ihr Netzwerk zu Technologiefirmen, Kreativen und InvestorInnen aufbauen.
Um welche Themengebiete kreisen sich Ihrer Meinung nach derzeit die Überschneidungen von Wissenschaft, Technologie und Kunst?
Sophie Lamparter: Ich hatte ja das Glück in der diesjährigen STARTS-Jury hunderte von internationalen Projekten anzuschauen und mit meinen geschätzten JurykollegInnen vier Tage lang zu diskutieren. Das gab uns einen guten Einblick in das, was die Leute heute bewegt und welche Themen ihnen unter den Nägeln brennen.
Wir sahen viele Projekte, die sich mit dem Thema Künstliche Intelligenz und Automatisierung befassen und die Interaktion oder Zusammenarbeit zwischen Mensch und Maschine hinterfragen.
Auch die rasanten Fortschritte in der Genetik und der synthetischen Biologie bringen Veränderungen für unsere Gesellschaft und neue Perspektive auf das Leben und unsere Gesundheit an denen Keiner vorbeikommt.
Die sich ansammelnden Datenmengen werfen Fragen zur Visualisierung, Verarbeitung und dem Verständnis auf, aber auch zum Kontrollverlust, der Privatsphäre und Überwachung.
Der Klimawandel ist der große Elefant im Raum. Hier werden Vorschläge gemacht, wie wir neue Technologien nutzen können, um Zusammenhänge zu erkennen und gemeinsam Wege zu finden – in eine Zukunft, in der wir langfristig mit unseren limitieren natürlichen Ressourcen leben.
Was uns auf jeden Fall positiv stimmte waren die vielen Grassroots- und Community-Projekte, Leute die sich selbst organisieren, um diese Themen voranzutreiben. Von Do-it-yourself-Biolabs bis hin zu Programmier- und Blockchain-Kursen für Jugendliche, lernen, probieren und helfen sich die Leute selbst.
Jedes einzelne dieser Projekte war ein weiteres wichtiges Beispiel dafür, wieso wir mehr STARTS-Projekte brauchen. Wir können das Designen unserer Zukunft nicht einzelnen EntwicklerInnen, ForscherInnen oder KünstlerInnen überlasen. Die Themen sind zu wichtig. Wir müssen zusammen kommen, zusammen weiterdenken, zusammen ausprobieren und das Bestmögliche umsetzen.
Sophie Lamparter (CH) ist Associate Director bei swissnex San Francisco, einer Außenstelle des Schweizer Netzwerks zur Förderung von Innovation. Durch den Aufbau von Netzwerken in den Bereichen Wissenschaft, Technologie, Kunst und Innovation war sie federführend bei der Entwicklung von interdisziplinären Programmen an den Schnittstellen von Kunst und Technologie sowie Kunst und Wissenschaft beteiligt. Sie hat ein besonderes Gespür dafür, neue Talente mit einem kreativen Technologieansatz zu entdecken und unterstützt diese bei der Umsetzung ihrer Ideen. Beim Aufbau und der Pflege von Beziehungen zwischen Kreativen, Industrie, Forschungseinrichtungen und Regierungsstellen setzt sie insbesondere auf die Kraft des Dialogs. Lamparter organisierte und kuratierte Ausstellungen und Programme in den Bereichen Medien, Digital- und Datenkunst, Interaktion und Game-Design, Robotik, virtuelle und erweiterte Realität, Architektur sowie Stadtplanung. Ihre jüngste Initiative ist DART 17, eine Kreativschmiede für interaktive Projekte. Mehr dazu auf swissnexsanfrancisco.org
This project has received funding from the European Union’s Horizon 2020 research and innovation programme under grant agreement No 732019. This publication (communication) reflects the views only of the author, and the European Commission cannot be held responsible for any use which may be made of the information contained therein.