Garantiert „Made in Linz“: Die Campus Exhibition der Interface Cultures

The Sung Portrait_Alexandre, Isadora,

Wie jedes Jahr ist auch 2017 die Campus Exhibition der Studienrichtung Interface Cultures wieder fixer Bestandteil des Ars Electronica Festivals. Gemeinsam mit der internationalen Gastuniversität, der kalifornischen UCLA, die mit einer eigenen Campus Exhibition anreist, bildet die Interface Cultures Ausstellung das Herzstück des diesjährigen Campus Bereichs.

Das Thema der Linzer Arbeiten lautet „Made in Linz“ – was sich dahinter verbirgt, auf welche Arbeiten man sich schon freuen kann und welche Trends in den Werken der Studierenden zu beobachten sind, erklärt Interface Cultures Gründerin Christa Sommerer.

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Christa Sommerer in ihrem Büro an der Kunstuniversität Linz. Credit: Vanessa Graf

Was hat es mit der Campus Exhibition der Interface Cultures auf sich?

Christa Sommerer: Für uns ist es Teil des Unterrichts, bis zum Ars Electronica Festival ein Kunstprojekt zu machen, das dort einem Fachpublikum vorgestellt wird. Die Idee ist, dass man das, was man das ganze Jahr lang entwickelt, vorstellt, testet, den Leuten zeigt und dann wirklich auch Feedback von Experten und Expertinnen bekommt. Heuer haben wir 14 Projekte ausgewählt. Im Zuge des ganzen Sommersemesters haben wir natürlich geschaut, ob es einen Fortschritt gegeben hat – jetzt über den Sommer werden die Studierenden ihre Projekte dann noch weiter ausarbeiten. Man kann aber eigentlich sagen, sie sind so weit, dass man sie schon jetzt präsentieren kann.

Das Thema der diesjährigen Ausstellung ist ja „Made in Linz“…

Christa Sommerer: Genau. Die Projekte bei uns sind sehr heterogen, bei uns gibt es keine direkten Vorgaben, was man machen muss, kein Jahresthema. Die Projekte entstehen aus den diversen Kursen. Wir haben von Mobile Cinema bis zu Sensotechnologie bis zu Interaction Design bis zu Stage Interaction ganz viele verschiedene Kurse, die Studierenden überlegen sich für jeden Kurs ein Projekt oder machen ein großes Projekt pro Semester. Dabei sind heuer sehr viele heterogene Projekte entstanden, also haben wir uns gefragt: Was ist das Gemeinsame zwischen all den Projekten? Das ist tatsächlich, dass alle Projekte hier in Linz entstanden sind. Da fiel uns dann der Titel „Made in Linz“ ein, der natürlich auch ein bisschen ironisch gemeint ist.

Lost, but not lost forever_Monica Vlad

Lost, but not lost forever, von Monica Vlad. Credit: Monica Vlad.

Man denkt zum Beispiel sofort an bekannte Herkunftsland-Labels wie „Made in China“.

Christa Sommerer: Genau, das ist eigentlich auch das Konzept. Wenn man zum Beispiel „Made in China“ hört, denkt man an billige Produkte, bei „Made in Switzerland“ denkt man an hohe Präzision, bei „Made in France“ vielleicht an Mode. Jedes Land hat ein eigenes Etikett, einen eigenen Kontext, den man damit verbindet. Bei „Made in Linz“ ist das eigentlich die Frage: Was könnte man damit verbinden? Das ist eine Frage an Sie, an das Publikum. Wir sind jetzt natürlich sehr offen dafür, zu hören, was sich die Leute darunter vorstellen.

Die KünstlerInnen selbst kommen aber im Gegensatz zu den Werken nicht alle aus Linz?

Christa Sommerer: Genau. Wir haben einige Österreicher und Österreicherinnen auch dabei, aber die meisten sind aus verschiedenen Ländern – Frankreich, Taiwan, Israel, Hong Kong, Spanien, Türkei, Japan, Rumänien, Mexiko, Bulgarien… Also sehr international.

The Murder of Jo Cox_Supergraph

The Murder of Jo Cox, Thomas Hoch und Waiwai. Credit: Thomas Hoch/Waiwai (Supergraph).

Welche Highlights erwarten die BesucherInnen unter den ausgestellten Arbeiten?

Christa Sommerer: The Sung Portrait“ ist zum Beispiel ein sehr nettes Projekt. Es entstand von zwei Austauschstudierenden der Universität Paris VIII, Alexandre Gomez und Isadora Teles de Castro e Costa. Man stellt sich vor einen Monitor, und wenn man singt entsteht das eigene Gesicht aus diversen Algorithmen. Man sieht sich schärfer, je lauter man singt – also eine relativ einfache, aber sehr poetische Interaktion. Auch ein sehr schönes Projekt ist die Erfindung von Johannes Wernicke, „Polyus“. Es ist eine Art kinetisches Instrument, das Schall sehr präzise und punktgenau in den Raum projizieren kann. Ein Projectional Speaker, den er durch rotierende Scheiben dann genau so kontrollieren kann, dass das Geräusch wirklich dort ist, wo man steht.

Auch richtig interessant ist eine Kollaboration von einem österreichischen Studierenden, Thomas Hoch, und einer Studentin aus Hong Kong, Waiwai – „The Murder of Jo Cox“. Hier geht es darum, wie Medien, je nachdem, ob sie eher liberal oder eher konservativ sind, über gewisse Fakten berichten. Sie haben sich den Fall von Jo Cox angesehen, einer britischen Abgeordneten, die ermordet wurde. Bei dieser Datenvisualisierung kann man sehr gut sehen, dass bei sehr rechts gerichteten Medien sofort Spekulationen um Ausländer, die das gewesen sein müssen, lanciert werden, während andere Medien viel konservativer berichten.

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Leaves, Visualisierung von Selbstmorddaten aus Japan von Ayumu Nagamatsu. Credit: Ayumu Nagamatsu.

Sehr berührend ist auch das Projekt von Ayumu Nagamatsu, einem japanischen Austauschstudenten – „Leaves“. Er erlebte in der eigenen Familie einen Fall von Selbstmord und erstellte dann eine Visualisierung von japanischen Selbstmorddaten, die erschreckend hoch sind. In Japan ist dieser Begriff „Selbstmord“ etwas anders behaftet als bei uns, es geht oft darum, dass man den Angehörigen nicht zur Last fällt. Es ist also anders, kulturell bedingt. Bei der Visualisierung sieht man genau, wie alt die Leute sind, die sich umbringen, warum sie sich umbringen, und ob sie Männer oder Frauen sind. Die Visualisierung stellt das Thema sehr schön dar, obwohl sehr grausame Daten dahinter sind.

BitCoin Traces“ von Martin Nadal ist auch sehr interessant. Hier geht es um eine Visualisierung davon, wie BitCoins entstehen und wie sie weiter verbreitet werden. Es ist also eine relativ komplizierte Story dahinter. Er schreibt: „considering money as a network where each node is a good or a service, and each edge a transaction of which it participates“. Die Arbeit ist visuell sehr schön, aber es gibt einen sehr interessanten Visualisierungs-Background dahinter.

Wir haben auch einige Performances, zum Beispiel „Communication Noise“ von Julia Del Río. Mann kann sie während ihres Konzertes auf ihrem Handy anrufen. Durch diverse Sensoren werden dann die Daten audifiziert.

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BitCoin Traces, von Martin Nadal. Credit: Martin Nadal.

Welche Trends kann man bei den diesjährigen Arbeiten der Studierenden beobachten?

Christa Sommerer: Insgesamt kann man beobachten, dass die Leute den Medien gegenüber immer kritischer werden. Bei der „Echo Chamber“ von Luis Toledo geht es zum Beispiel um die Filter Bubble. Gerade die junge Generation ist den Medien zwar sehr offen, aber eben auch sehr kritisch gegenüber, zum Teil auch überfordert. Sie beginnt, das zu kritisieren, diese totale Überwachung, die Privatheit, die mehr und mehr verschwindet, und auch diesen ganzen Stress, der durch Medien entsteht. Man merkt, dass die Leute eigentlich etwas Neues wollen, neue soziale Medien möchten, aber sich noch nicht so wirklich durchgedrungen hat, wie man das gestalten könnte. Das Bedürfnis ist auf jeden Fall da, die Leute werden immer kritischer und wollen auch wirklich etwas verändern.

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Echo Chamber, von Luis Toledo. Credit: Luis Toledo.

Der Studiengang Interface Cultures existiert nun seit 13 Jahren. In Ihrer Erfahrung, sind diese Tendenzen auch langfristig zu sehen?

Christa Sommerer: Ja. Vor 13 Jahren gab es eher Begeisterung: Wir können jetzt überall Sensoren einbauen! Es war eher Freude und das Spielerische, während man das heute als gegeben wahrnimmt. Es gibt Medien, es gibt auch interaktive Medien, das ist nichts Neues mehr. Im Gegenteil, es ist eigentlich Alltag. Natürlich, das selbst zu programmieren oder zu gestalten, das ist schon noch Expertentum, aber dieser Neuheitseffekt ist weg. Jetzt beginnt man, sich künstlerischer, kreativer und auch kritischer mit der Materie zu befassen. Das ist wirklich eine große Veränderung. Ich glaube, dass es auch einfach in den Zeiten liegt – Fake News, was politisch passiert, es rumort richtig in den Köpfen.

Christa Sommerer ist eine international renommierte Medienkünstlerin, Wissenschaftlerin und Pionierin der Interaktiven Kunst. Sie ist Professorin und Leiterin des Masterstudiengangs Interface Cultures an der Kunstuniversität Linz in Österreich. Zuvor war sie als Associate Professor an der IAMAS International Academy of Media Arts and Sciences in Gifu, Japan, und als Wissenschaftlerin und Künstlerische Leiterin am ATR Media Integration and Communications Research Lab in Kyoto, Japan, tätig. Sie war Visiting Researcher am MIT CAVS in Cambridge, USA, am Beckmann Institute in Champaign Urbana, USA, und Artist in Residence am NTT-InterCommunication Center in Tokyo. Sommer war Obel Gastprofessorin an der Aalborg Universität, Dänemark, und am Tsukaba University Empowerment Informatics Studio in Japan. Gemeinsam mit Laruent Mignonneau schuf sie knapp 30 interaktive Kunstwerke, für die sie mehrere Auszeichnungen erhielten: den 2016 ARCO BEEP Award in Madrid, Spanien, den 2012 Wu Guanzhong Art and Science Innovation Prize der Volksrepublik China, die 1994 Goldene Nica beim Prix Ars Electronica. Sommerer & Mignonneau nahmen an knapp 280 internationalen Ausstellungen teil, ihre Kunstwerke können in Museen und Sammlungen rund um die Welt gesehen werden. Mehr Information finden Sie hier: http://www.interface.ufg.ac.at/christa-laurent

Die Campus Exhibition des Studiengangs Interface Cultures der Kunstuniversität Linz wird von 7. bis 11. September 2017 am Ars Electronica Festival 2017 in der POSTCITY Linz zu sehen sein. Um mehr über das Festival zu erfahren, folgen Sie uns auf Facebook, Twitter, Instagram und Co., abonnieren Sie unseren Newsletter und informieren Sie sich auf https://ars.electronica.art/ai/.

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