Die neue European Media Art Platform bietet gleich mehrere Residencies für KünstlerInnen an, die sich mit digitalen Medien beschäftigen und zwei Monate lang an einer der europäischen Partnerinstitutionen des Netzwerks arbeiten möchten. Einreichschluss ist der 20. Jänner 2018, mehr Informationen finden Sie auf call.emare.eu. Das werkleitz Zentrum für Medienkunst und Ars Electronica sind zwei der elf Partnerinstitutionen dieser Residencies. Während Peter Zorn auf den aktuellen Open Call eingeht, zieht Veronika Liebl ein Resümee über die vergangenen Jahre des European Digital Art and Science Network mit seinen darin 381 präsentierten KünstlerInnen aus über 40 Ländern.
Die „European Media Art Platform“ hat sich zu einem großen Residency-Netzwerk für aufstrebende MedienkünstlerInnen entwickelt. Was, glauben Sie, macht eigentlich den Reiz einer Residency für KünstlerInnen aus?
Peter Zorn: Der spezielle Reiz von Residencies liegt sicherlich im interkulturellen Austausch. Gerade im Rahmen der European Media Artists in Residence Exchange (EMARE) Stipendien, die die European Media Art Platform vergibt, geht es darum in einem anderen europäischen Partnerland während des Stipendiums die eigene Produktion im Austausch und mit Hilfe von den MitarbeiterInnen der gastgebenden Institution bzw. aus dem örtlichen Umfeld zu realisieren. So lernt man eine andere europäische Kultur quasi en passant kennen, während man an seinem Projekt arbeitet. In vielen Fällen halten die teilnehmenden KünstlerInnen auch Workshops für regionale KünstlerInnen und StudentInnen ab und kooperieren mit weiteren Organisationen vor Ort. Am Ende wird die Arbeit beim Gastgeber präsentiert. So können sowohl neue Märkte erschlossen, als auch neue Kooperationspartner gewonnen und die Kompetenzen und technischen Möglichkeiten des Gastgebers ausgeschöpft werden.
An wen richtet sich der aktuelle Open Call? Welche Residencies werden 2018 vergeben? Und wer entscheidet letztendlich, wer die Residency bekommt?
Peter Zorn: Der Call richtet sich vor allem an die sogenannten „Emerging Artists“, also aufstrebende Talente. Das muss nicht unbedingt heißen, dass die BewerberInnnen jung sein müssen, oder AnfängerInnen. Ganz im Gegenteil suchen wir nach professionellen KünstlerInnen, deren Karriere wir ein Stück begleiten und befördern wollen, aber eben noch keine „Stars“ der Kunstszene sind.
Die Ars Electronica ist ein Partner der „European Media Art Platform“. Wie kam es eigentlich dazu?
Veronika Liebl: Wir arbeiten schon seit Jahren an unserem Ars Electronica Residency Programm. Speziell das Ars Electronica Futurelab mit seiner Expertise in Fachgebieten wie Virtual Environments, Robotik oder Medienkreativität hat sich hier über die Grenzen Österreichs hinaus einen internationalen Namen gemacht. Zugleich ist es für uns natürlich von großer Bedeutung Ausschau nach interessanten Kooperationen zu halten. In den letzten Jahren wurde die künstlerische Zusammenarbeit mit unterschiedlichsten Projektpartnern aus der ganzen Welt zu einem der wichtigsten Motoren des Festivals. Das waren zwei wesentliche Faktoren, warum Peter und ich uns Anfang 2017 im Rahmen des CTM Festivals in Berlin getroffen haben und gemeinsam überlegten, wie wir konkret kooperieren könnten.
Peter Zorn: Bereits Ende der 1990er organisierte die Ars eine Konferenz zum European Media Artists in Residence Exchange, der ja bereits 1995 von Werkleitz, Hull Time Based Arts und dem Intermedia Department der ungarischen Kunsthochschule in Budapest gestartet wurde und seitdem wechselnde Partnerschaften einging. Als ich als Manager des bisherigen European Media Art Networks die Ausschreibung für European Platforms las, war sofort klar, dass die Ars einer der 10 Partner werden muss und ich traf mich während der transmediale in Berlin im Februar mit Veronika, um eine Mitgliedschaft der Ars in der geplanten European Media Art Platform zu besprechen. Und wunderbarerweise kam stante pedes die Zusage der Ars und ein paar Monate später auch von Creative Europe. Damit können wir ein Netzwerk über ganz Europa mit einigen der wichtigsten Institutionen für digitale Künste spannen.
María Ignacia Edwards bei ihrer ESO-Residency in Chile. Credit: Claudia Schnugg
Das European Digital Art and Science Network der Ars Electronica und anderen Kunst- und Kultureinrichtungen bot seit 2015 mehreren KünstlerInnen die Möglichkeit, eine Residency an einer wissenschaftlichen Institution durchzuführen. Hat alles so geklappt, wie ihr euch das zu Beginn vorgestellt habt? Was ist dein Resümee dieses Netzwerks?
Veronika Liebl: Richtig. Wir haben während der letzten drei Jahre gemeinsam mit sieben anderen europäischen Kulturpartnern regelmäßig Residencies ausgeschrieben. Insgesamt erhielten sechs Künstlerinnen und drei Künstler die Möglichkeit auf wissenschaftliche Residency Aufenthalte beim European Southern Observatory (ESO), der European Space Agency (ESA), CERN oder Fraunhofer MEVIS und anschließenden Produktionsresidencies im Ars Electronica Futurelab. Die Residencies waren ein großer Erfolg und jede einzelne ist wiederum ein wichtiger Baustein um mehr über die Gestaltung solcher Programme zu lernen. Gemeinsam mit einigen wissenschaftlichen Partnern sind wir derzeit auch dabei, den Nutzen für sie und auch wichtige Erfahrungen hinsichtlich der Methodik zu evaluieren. Und wir haben gesehen, dass die Nachfrage nach genau solchen Residency-Formaten, aber auch Workshop- und Bildungsprogrammen auf unterschiedlichen Niveaus, riesig ist. Auch abseits der Residencies hat das European Digital Art and Science Network – und da gilt es einen großen Dank an alle Partner auszusprechen – wirklich Großes geleistet. Die beachtliche Bilanz sind 381 präsentierte Künstlerinnen und Künstler aus über 40 Ländern in 110 einzelnen Aktivitäten.
Das vor kurzem erschienene Buch „The Practice of Art & Science“ geht anhand von praktischen Beispielen auf das Zusammenspiel von Kunst und Wissenschaft ein. Was haben KünstlerInnen und WissenschaftlerInnen von ihren (neuen) Begegnungen dieser Residencies erzählt?
Veronika Liebl: Viele Beteiligte aus Kunst und Wissenschaft berichten in der Publikation über ihr Erlebtes in der konkreten Zusammenarbeit. Durch die geführten Interviews wird schnell deutlich, dass alle ProtagonistInnen zunächst eine gemeinsame Kultur der Zusammenarbeit entwickeln und dann den tatsächlichen Residency-Prozess entsprechend anpassen mussten. Dementsprechend gibt die Publikation Einblick in ganz unterschiedliche, konkrete Erlebnisse und Erfolgsgeschickten dieser Residencies. Sie beleuchtet aber auch das große Bild von „Art and Science“: Viele der sozialen, ökologischen und ökonomischen Herausforderungen unserer Zeit werden nur mit kreativen und neuen Wegen gemeistert werden können. Die Inklusion von Kunst- und Kulturschaffende in wesentliche Gesellschafts- und Innovationsprozesse wird nicht nur Kunst einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich machen, sondern auch KünstlerInnen neue Beschäftigungsfelder sowie Wirtschaft und Wissenschaft neue Ansätze für eine erhöhte Wettbewerbsfähigkeit bieten. Ein wesentlicher Faktor dabei ist die Digitalisierung.
„KünstlerInnen wird ein hohes Maß an Weitsicht, Reflexion und Anwendungskreativität zugeschrieben. Etwas, das neben technologischem und wissenschaftlichem Fortschritt, notwendig sein wird, um im Zeitalter digitaler Technologien erfolgreich zu sein.“
Kulturelle Projekte wie das European Digital Art und Science Netzwerk beleuchten in für BesucherInnen attraktiver Weise die Rolle der Kunst als Katalysator für gesellschaftliche Neuerungsprozesse. Wenn man das Buch durchblättert, wird einem das schnell deutlich!
Hinweis: Das kürzlich im Hatje Cantz Verlag erschienene Buch „The Practice of Art & Science“ können Sie online erwerben oder in unserem Ars Electronica Archiv online durchblättern.
Peter Zorn, 1967 in Traunstein (Deutschland) geboren, absolvierte von 1990 bis 1995 das Studium der Freien Kunst in der Filmklasse der Hochschule für Bildende Künste Braunschweig bei Prof. Birgit Hein. Er ist Mitbegründer und seitdem Vorstandsvorsitzender der Werkleitz Gesellschaft, im Leitungsgremium der Werkleitz Biennale / Werkleitz Festival, seit 1995 Initiator und Manager des European Media Artists in Residence Exchange (EMARE) Programmes des European Media Art Networks (EMAN) und seit 2011 Leiter der Werkleitz Professional Media Master Class. Er lebt und arbeitet als freischaffender Filmemacher, Produzent, Kurator und Medienwissenschaftler (u. a. Referent für Medienkunst für das Goethe Institut) in Werkleitz und Halle (Saale).
Veronika Liebl ist derzeit stellvertretende Bereichsleiterin bei Ars Electronica und zuständig für Organisation und Finanzen im Bereich Festival/Prix/Exhibitions. Sie studierte Wirtschaftswissenschaften an der Johannes Kepler Universität in Linz (Abschluss 2010) mit Auslandsaufenthalten an der Harvard University (US) und der Université de Fribourg (CH). Seit 2013 absolviert sie berufsbegleitend ihren Master of Business Administration für Innovationsmanagement an der LIMAK Linz – Austrian Business School. Nach dem Studium arbeitete sie in verschiedenen Verwaltungspositionen und leitet seit 2011 das Kulturmanagement für die Abteilung Festival / Prix / Exhibitions. In dieser Position ist sie verantwortlich für Finanzen, Personal, öffentliche Finanzierung, interne Geschäftsabläufe und Projektmanagement. Zudem leitet Veronika Liebl maßgeblich die Entwicklung europäischer Kulturkooperationen bei Ars Electronica und realisiert in dieser Funktion laufend EU-Projekte unter Creative Europe, Horizon 2020 und Erasmus +.